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Spartengewerkschaften als 'Revolution' im Gewerkschaftssektor: Herausforderungen für die Tarifvertragsparteien und das Tarifrecht

©2011 Diplomarbeit 66 Seiten

Zusammenfassung

Im Zuge einer fortschreitenden Globalisierung und dem damit verbundenen Wandel von der Industrie- zur Dienstleistungsgesellschaft werden traditionelle gewerkschaftliche Milieus in Deutschland verdrängt. Zugleich nimmt die Integrationsfähigkeit der dominierenden Großgewerkschaften an den Rändern ihrer Organisationsbereiche stetig ab. Diese Arbeit beschäftigt sich deshalb schwerpunktmäßig mit dem Aufkommen von Spartengewerkschaften in Deutschland, die in Arbeitskämpfen zunehmend an Einfluss und Macht gewinnen. Neben aktuellen Entwicklungen im Gewerkschaftssektor werden inhaltliche Analysen hinsichtlich Änderungen in der Rechtsprechung aufgezeigt und sich daraus ergebende Konsequenzen diskutiert.

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


Inhaltsverzeichnis

1 Spartengewerkschaften in der aktuellen Diskussion

2 Gewerkschaften in Deutschland
2.1 Das Wesen der Gewerkschaft und Gewerkschaftstypologien
2.2 Bisherige gewerkschaftliche Organisationsformen in Deutschland
2.2.1 Der Deutsche Gewerkschaftsbund
2.2.2 dbb Beamtenbund und Tarifunion
2.2.3 Der Christliche Gewerkschaftsbund
2.3 Gewerkschaftsmodell im Umbruch - Der Aufstieg von Spartengewerkschaften
2.3.1 Tarifgemeinschaften der beruflichen Interessensvertretungen
2.3.2 Gründe des Entstehens von Spartengewerkschaften
2.3.3 Spartengewerkschaften als eigenständige tariffähige Akteure
2.3.3.1 Die Vereinigung Cockpit - Vorbild für andere Berufsgruppen
2.3.3.2 Die GDL - Älteste deutsche Gewerkschaft
2.4 Zukünftige Entwicklungen

3 Von der Tarifeinheit zur Tarifpluralität
3.1 Abgrenzung von Tarifeinheit und Tarifkollisionen
3.2 Gesetzliche Grundlagen
3.3 Wandel in der Rechtsprechung des BAG
3.3.1 Auflösung von Tarifkollisionen nach dem Grundsatz der Tarifeinheit
3.3.2 Aufgabe des Grundsatzes der Tarifeinheit im Betrieb

4 Folgen der Tarifpluralität
4.1 Auswirkungen auf Betrieb und Arbeitsvertrag
4.1.1 Erhöhter Transaktionsaufwand
4.1.2 Fragerecht nach der Gewerkschaftszugehörigkeit
4.1.3 Probleme bei Bezugnahmeklauseln im Arbeitsvertrag
4.1.3.1 Bei nicht organisierten Arbeitnehmern
4.1.3.2 Bei Gewerkschaftsmitgliedern
4.1.3.3 Zukünftige Lösungsansätze
4.2 Tarifvertragsrechtliche Aspekte der Tarifpluralität
4.2.1 Aufspaltung von Tarifverträgen in Individual- und Kollektivnormen
4.2.2 Doppelmitgliedschaft und Gewerkschaftshopping
4.3 Erhöhung des Arbeitskampfrisikos im tarifpluralen Betrieb

5 Lösungsansätze zur Erhaltung der Kampfparität
5.1 Gesetzliche Regelung der Tarifeinheit – Vorschlag des BDA und DGB
5.2 Das Zwangsschlichtungsverfahren
5.3 Rechtsstellung Anders- und Nichtorganisierter bei Streiks
5.3.1 Das BAG Urteil zum Sympathiestreik
5.3.2 Die Belegschaft als arbeitskampfrechtliche Einheit
5.3.3 Das Streikrecht von Anders- und Nichtorganisierten
5.3.4 Aussperrungsbefugnisse des Arbeitgebers
5.4 Vereinheitlichung der Tarifvertragslaufzeiten
5.5 Lockerung des Tarifzensurverbots

6 Fazit

Literaturverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Tabellenverzeichnis

Anhang

INTERNETQUELLEN

1 Spartengewerkschaften in der aktuellen Diskussion

Streiks der Ärzteschaft und der Lokführer oder aktuell der Tarifkonflikt der Gewerkschaft der Flugsicherung (GdF) mit der Deutschen Flugsicherung (DFS), all diese tarifpolitischen Auseinandersetzungen sorgen seit einigen Jahren für Aufsehen und ein hohes mediales Echo in der Bundesrepublik. Des Weiteren haben sie ein besonderes gemeinsames Merkmal: Auf Seiten der Arbeitnehmer treten keine unter dem Dach des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) organisierten Gewerkschaften auf, sondern kleine berufsbezogene Spartengewerkschaften. Stehen wir deshalb in Deutschland vor neuen Herausforderungen oder gar einem Systemwandel im Gewerkschaftssektor? Drohen der Wirtschaft lähmende Streikkaskaden? Müssen wir mit weiteren Berufsgruppen rechnen, die sich als eigenständige tariffähige Akteure behaupten wollen?

Diese Arbeit befasst sich mit der Frage, ob es sich bei den jüngsten Aktivitäten von Berufsgewerkschaften tatsächlich um eine 'Revolution' handelt. In diesem Zusammenhang wird auf die damit verbundenen Herausforderungen für Tarifvertragsparteien und das Tarifrecht eingegangen.

In einem ersten Schritt werden unterschiedliche Gewerkschaftstypologien, die bisherige Gewerkschaftslandschaft und das aktuelle Hervortreten der Berufsgewerkschaften sowie etwaige zukünftige Entwicklungen im Gewerkschaftssektor dargelegt. Im Folgenden werden der Wandel in der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) und die damit einhergehende Aufgabe des Grundsatzes der Tarifeinheit erläutert, anschließend die Folgen der Tarifpluralität aufgezeigt. Abschnitt 5 erörtert Lösungsansätze zur Erhaltung der Kampfparität zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern und setzt sich mit der Frage auseinander, ob es sinnvoll ist, das Arbeitskampfrecht zu modifizieren und welche Möglichkeiten hierzu bestehen. Zuletzt werden die wesentlichen Ergebnisse der Arbeit zusammengefasst und eine Wertung möglicher Entwicklungen vorgenommen.

2 Gewerkschaften in Deutschland

2.1 Das Wesen der Gewerkschaft und Gewerkschaftstypologien

Eine gesetzliche Definition, welche Merkmale eine Vereinigung für die Anerkennung als Gewerkschaft aufweisen muss, gibt es nicht. Jedoch muss eine Gewerkschaft tariffähig sein, um wirksam Tarifverträge abschließen zu können.[1] Tariffähig ist eine Arbeitnehmervereinigung nach einem Grundsatzurteil des BAG dann, wenn sie willens ist Tarifverträge abzuschließen und die Interessenvertretung der Mitglieder eine satzungsgemäße Aufgabe darstellt. Hierzu gehört es auch, dass Durchsetzungsfähigkeit gegenüber dem Arbeitgeber(verband) und eine gewisse Leistungsfähigkeit der inneren Organisation gegeben sind. Des Weiteren muss eine Gewerkschaft frei gebildet, gegnerfrei, unabhängig und auf überbetrieblicher Grundlage organisiert sein sowie das geltende Tarifrecht als verbindlich anerkennen.[2]

Gewerkschaftstypen gliedern sich grundsätzlich in zwei Ebenen. Auf der ersten Ebene differenziert man danach, welche Personen einer Gewerkschaft angehören, wobei es nicht auf Beruf und Tätigkeit, sondern vielmehr auf parteipolitische und weltanschauliche Orientierung ankommt. Unterschieden wird hier zwischen Richtungsgewerkschaften ohne weltanschauliche und/oder politische Neutralität und Einheitsgewerkschaften, die genau diese Eigenschaft aufweisen.

Auf der zweiten Ebene ist die berufliche Breite das entscheidende Merkmal. Bei Industrie- und Branchengewerkschaften handelt es sich um Verbände, die Beschäftigte aller Berufe eines Industriezweiges, -sektors oder einer -branche gemeinsam nach dem sog. Industrieverbandsprinzip organisieren.[3]

Im Gegensatz dazu stehen Berufs- und Unternehmensgewerkschaften, die sich auf die Organisation der Beschäftigten aufgrund beruflicher Differenzen bzw. hinsichtlich ihrer Beschäftigung in einem bestimmten Unternehmen konzentrieren.[4]

2.2 Bisherige gewerkschaftliche Organisationsformen in Deutschland

Nach Zerfall des Dritten Reiches und dem Ende der zwangsmäßigen Organisation der Arbeitnehmerschaft in der Deutschen Arbeitsfront (DAF) von 1933 bis 1945,[5] begann mit dem wirtschaftlichen Wiederaufbau auch eine Reorganisation der Gewerkschaften. Es stellte sich die Frage, welche Arten von Gewerkschaften sich in Deutschland etablieren sollten und politisch gewünscht waren.

Letztendlich entstand als dominierende Größe ein klassengewerkschaftliches System, bei dem die Arbeitnehmer durch nach dem Industrieverbandsprinzip organisierte Einheitsgewerkschaften vertreten werden.[6]

In der Bundesrepublik haben sich drei große gewerkschaftliche Dachverbände etabliert. Der DGB und der Deutsche Beamtenbund (dbb), deren angeschlossene Gewerkschaften alle als tariffähig anzusehen sind, und der Christliche Gewerkschaftsbund Deutschlands (CGB).[7] Von den 78 in Deutschland als Gewerk­schaften anerkannten Institutionen gehören 64 einer der drei Spitzenorganisa­tionen an. Die verbleibenden 14 Gewerkschaften sind unabhängig agierende Einzelgewerkschaften, die eigenständige Tarifverträge abschließen. Hinzu kommen ca. 480 nicht als Gewerkschaft anerkannte Interessenvertretungen freier Berufe und Berufsverbände, die nicht als Tarifakteure auftraten.[8] Neben mitgliedsstarken Gewerkschaften, wie etwa dem Marburger Bund (MB) und dem Deutschen Journalisten-Verband (DJV), gehören auch bedeutende, aber mitgliedsschwache Berufsgewerkschaften, wie z.B. die Vereinigung Cockpit (VC), die Organisation Unabhängiger Flugbegleiter (UFO) oder die in jüngster Zeit wieder aktiv gewordene Gewerkschaft der Flugsicherung (GdF), die alle unter 10.000 Mitglieder zählen, zu diesen unabhängig agierenden Einzelgewerkschaften.[9]

Wie stark Gewerkschaften in der Arbeitnehmerschaft verwurzelt sind, kann mithilfe des Nettoorganisationsgrades ermittelt werden.[10] Dieser misst den Anteil der gewerkschaftlich organisierten Arbeitnehmer in der gesamten Arbeitnehmerschaft.[11] Die Quote wird ohne inaktive Gewerkschaftsmitglieder ermittelt, wie beispielsweise Rentner, Arbeitslose oder Studenten, da ihnen keine faktische Streikmacht zukommt. Betrug diese Quote 1991 noch 35,9 %[12], sank sie bis zum Jahr 2008 um über sechzehn Prozentpunkte auf 19,3 % ab. Somit ist nur noch ein knappes Fünftel der Arbeitnehmer in Deutschland gewerkschaftlich gebunden, in Ostdeutschland sind es sogar lediglich 15,6 %.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Auch die Art der Beschäftigung lässt Rückschlüsse auf den Organisationsgrad zu. Insbesondere nicht streikberechtigte Beamte sind überdurchschnittlich (26,8 %) organisiert, Angestellte (18,2 %) und Arbeiter (19,0 %) hingegen eher unterdurchschnittlich.[13]

2.2.1 Der Deutsche Gewerkschaftsbund

Mit der Gründung des DGB im Oktober 1949 setzte sich das Industrieverbandsprinzip in Deutschland weitgehend durch. Somit galt für hiesige Unternehmen lange Zeit der Grundsatz „Ein Betrieb – eine Gewerkschaft“,[14] wobei auf eine schriftliche Kodifikation dieses Grundsatzes verzichtet wurde. Das Zusammenspiel aus Sozial- und Konfliktpartnerschaft zwischen Arbeitgeber(verbänden) und umfassenden Branchengewerkschaften sowie der Abschluss von Flächentarifverträgen zwischen diesen beiden Akteuren bilden das Markenzeichen des deutschen Modells industrieller Beziehungen.[15] Der DGB, mit sieben Industrieverbandsgewerkschaften und der Dienstleistungsgewerkschaft ver.di der größte Dachverband, organisiert ca. 6,19 Millionen Mitglieder, darunter etwa 463.000 Beamte.[16] Mit diesen Gewerkschaften integriert der DGB unterschiedliche Berufsgruppen der jeweiligen Branche. Die DGB-Gewerkschaften sorgen damit in Tarifverhandlungen für eine solidarische Verteilung, beispielsweise von Lohnerhöhungen.[17] Gerade dieses Organisationsprinzip machte die DGB-Gewerkschaften in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts zu einem der erfolgreichsten Interessenvertreter weltweit.[18] Konkurrenzsituationen um Organisationsbereiche zwischen einzelnen DGB-Branchengewerkschaften sind gemäß § 16 DGB-Satzung im Schiedsgerichtsverfahren zu lösen.[19]

Seit den 90er Jahren kämpft der DGB verstärkt mit Mitgliederverlusten.[20] Seitdem hat er mehrere Millionen Mitglieder verloren, auch wenn sich die Erosionstendenzen in den letzten Jahren verlangsamt haben.

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Gründe für die anhaltenden Mitgliederverluste gibt es genug: Die mit der Globalisierung einsetzende Tertiärisierung von Berufsbildern führte zu einer natürlichen Verdrängung gewerkschaftlicher Milieus, wie etwa der Montanindustrie. Auch die Verbreitung kleinerer Betriebseinheiten und Tendenzen zur Individualisierung, die neben den Gewerkschaften auch Organisationen wie Parteien und Kirchen erleben, betreffen den DGB.[21] Nicht zuletzt stellte ein verringerter lohnpolitischer Verteilungsspielraum den solidarischen Lohnausgleich in Frage und ließ den Konsens zwischen den Berufsgruppen auseinanderbrechen. Der gravierende Mitgliederschwund führte zu bedeutenden finanziellen Problemen bei den Gewerkschaften. Als Konsequenz weiteten einige DGB-Industriegewerkschaften, wie etwa die IG Metall oder die IG Chemie, ihre Organisationsbereiche aus, um ihre Machtposition augenscheinlich zu wahren.[22] Als Dammbruch in der DGB-Geschichte erwies sich schließlich die im Jahr 2001 vollzogene Fusion von fünf Einzelgewerkschaften zu einer Multibranchengewerkschaft, der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di). Mit der hier vorgenommenen Abkehr vom Industrieverbandsprinzip vollzog sich eine der größten Strukturveränderungen im deutschen Gewerkschaftssektor seit 1945.[23] Durch diese Verschmelzung ging auch die langwierige Konkurrenz zwischen der Deutschen Angestelltengewerkschaft (DAG) auf der einen und der DGB-Gewerkschaft Handel, Banken und Versicherungen (HBV) auf der anderen Seite zu Ende.[24] Auch wenn die beiden Widersacher vor der Fusion meist zu gleichen Tarifergebnissen kamen, wurden diese jedoch stets in separaten Tarifverträgen manifestiert.[25]

2.2.2 dbb Beamtenbund und Tarifunion

Der dbb vereint insgesamt 40 Gewerkschaften unter seinem Dach.[26] Er war der einzige der drei gewerkschaftlichen Dachverbände, der seine Mitgliederzahl im Zeitraum von 2000 bis 2010 um gut 4,5 % auf 1,26 Mio. Mitglieder steigern konnte.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Die dbb Tarifunion als tarifpolitischer Arm vertritt die im öffentlichen Dienst in der dbb organisierten Tarifbeschäftigten. Daneben organisiert der dbb durch die Kommunikationsgewerkschaft DPV (DPVKOM) und die GDL (Gewerkschaft der Lokomotivführer) auch Beschäftigte ehemals staatlicher Sektoren wie Bahn, Post und Telekommunikation. Diese beiden Gewerkschaften sind vom dbb zu eigenständigen Verhandlungen berechtigt.[27]

2.2.3 Der Christliche Gewerkschaftsbund

Als direkte Konkurrenzorganisation zum DGB vereinigten sich im Jahr 1955 christliche Arbeitergewerkschaften zur Christlichen Gewerkschaftsbewegung Deutschlands, aus der später der CGB hervorging. Die in der Richtungsgewerkschaft CGB organisierten Beschäftigten berufen sich auf eine rechte bzw. liberale Variante der Christlichen Soziallehre und stehen den Arbeitgebern eher friedlich und konzessionsbereit gegenüber. Die Mitgliederakquisition erfolgt vor allem im ländlichen Raum und in einigen Großbetrieben, wobei der CGB auch als Sammelbecken enttäuschter DGB-Mitglieder fungiert. Tarifpolitisch wird der CGB primär in denjenigen Branchen aktiv, in denen beim DGB Organisationsprobleme auftreten. So drängen Arbeitgeberverbände seit einigen Jahren in der Zeitarbeitsbranche, in Teilen des Handwerks und in Ostdeutschland den Einfluss des DGB durch Abschluss von Tarifverträgen mit CGB Gewerkschaften immer weiter zurück. Dadurch betreiben die dem CGB angeschlossenen Gewerkschaften Unterbietungskonkurrenz zugunsten der Arbeitgeber, um eine tarifpolitische Daseins­berechtigung zu erlangen und ihre Tariffähigkeit zu sichern.[28]

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Der CGB organisiert 16 Einzelgewerkschaften,[29] wobei die meisten eine Mitgliederzahl von unter 10.000 aufweisen. Deshalb zogen konkurrierende DGB-Gewerkschaften deren Tariffähigkeit wiederholt in Zweifel.[30] Dies bestätigte zuletzt auch das BAG bei der Gewerkschaft für Zeitarbeit und Personalserviceagenturen (CGZP) durch ein Urteil.[31] Der Christlichen Gewerkschaft Metall (CGM) stand das BAG die Tariffähigkeit jedoch zu, trotz ihrer im Vergleich zur IG Metall geringen Mitgliedsstärke von ca. 98.000 Mitgliedern. Ausschlaggebend hierfür war der Abschluss von 3.000 Anschluss- und 550 eigenständig abgeschlossenen Tarifverträgen in 30 Tarifbereichen. Dies beweise, dass die Arbeitgeberseite die CGM als ernstzunehmenden tarifpolitischen Akteur wahrnehme.[32]

2.3 Gewerkschaftsmodell im Umbruch - Der Aufstieg von Spartengewerkschaften

Die primären Organisationsformen in der Geschichte der Gewerkschaftsbewegung waren Berufsgewerkschaften, sogenannte 'trade unions'.[33] Dieses organisatorische Prinzip ging entgegen der landläufigen Meinung auch mit dem Entstehen der Industriegewerkschaften nach dem zweiten Weltkrieg nie komplett verloren. Wie Walther Müller-Jentsch aufzeigt, bildeten gerade „(…) homogene Gruppen qualifizierter Facharbeiter das Rückgrat und die Speerspitze der [Anm. d. Verf.: branchengewerkschaftlichen] Organisation“.[34] Zustände wie in England in den 60er und 70er Jahren des letzten Jahrhunderts traten in Deutschland allerdings nie ein. Bekannt geworden unter dem Schlagwort 'britische Krankheit' kämpften damals über 400 (Berufs)Gewerkschaften permanent für bessere Arbeitskonditionen, was dazu führte, dass dort im verarbeitenden Gewerbe in den 70er-Jahren rund 38 mal so oft gestreikt wurde wie hierzulande.[35] Aber auch in der Bundes­republik kommt es in bestimmten Bereichen inzwischen immer häufiger zu Arbeitskämpfen. Betroffen sind unter anderem Krankenhäuser, Fluggesellschaften und Bahnunternehmen. Diese sind gezwungen differenzierte Tarifvereinbarungen abzuschließen, da mehrere Gewerkschaften um dieselben Mitglieder konkurrieren und deren Ansprüche durchsetzen wollen.[36] Ist von Gewerkschaftskonkurrenz zwischen Einheits- und Berufsgewerkschaften die Rede, ist es hilfreich zwischen komplementärem und substitutivem Gewerkschaftswettbewerb zu unterscheiden. Beim komplementären Wettbewerb werden die Interessen nicht austauschbarer, jeweils in unterschiedlichen Gewerkschaften organisierter Beschäftigtengruppen vertreten. Zu Großteilen vollzogen ist dieser Ansatz seit einigen Jahren bei der Deutschen Lufthansa AG, die getrennt für Piloten (VC), Kabinen- (ver.di und UFO) und Bodenpersonal (ver.di) Tarifverträge aushandelt. Beim substitutiven Wett­bewerb hingegen konkurrieren die Gewerkschaften um dieselben Mitglieder. Deutlich wird dies u.a. bei der Deutschen Bahn AG, bei der die dem DGB angehörende Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) und die GDL um die gewerkschaftliche Organisation der Lokführer wetteifern.[37]

2.3.1 Tarifgemeinschaften der beruflichen Interessensvertretungen

Die Arbeit von Berufsverbänden liegt klassischerweise nicht in gewerkschaftlichen Aufgaben bzw. tarifpolitischen Auseinandersetzungen, sondern primär in der berufsspezifischen Interessenvertretung.[38] Beispiel hierfür ist die langjährige und bis heute bestehende Zusammenarbeit des 1950 gegründeten Deutschen Journalistenverbands (DJV) mit ver.di.[39]

Vor ihrer tarifpolitischen Autonomie wirkten viele Spartengewerkschaften etliche Jahre komplementär an der Seite von DGB-Gewerkschaften in Tarifverhandlungen und akzeptierten deren Tarifführerschaft.[40] Die bisher etablierten Spartengewerkschaften, wie etwa der MB, die GDL oder die VC, existieren nicht erst seit kurzem und stellen damit keine Neuheit in der deutschen Tariflandschaft dar. Jedoch haben sie inzwischen oftmals ihre Tarifgemeinschaften mit den großen Gewerkschaften aufgekündigt und verstehen sich als eigenständige Tarifakteure. Dies führt zu einer Konkurrenzsituation mit den etablierten DGB-Gewerkschaften.[41]

2.3.2 Gründe des Entstehens von Spartengewerkschaften

Der mit der Renaissance der Eigenständigkeit von Spartengewerkschaften einhergehende Wandel vom Korporatismus zum Pluralismus hat nach herrschender Meinung zweierlei Ursachen.

Zum einen entstand insbesondere in Sektoren, die öffentlich verwaltet wurden oder werden und zunehmenden Privatisierungstendenzen unterliegen, eine neuartige Konkurrenz unter Arbeitnehmern.[42] Ursachen waren nicht nur ein effizienzorientierter Stellenabbau und Entgelteinbußen bzw. eine als ungerecht empfundene Entlohnungsstruktur, sondern auch die damit einhergehende subjektiv wahrgenommene Statusverschlechterung von Leistungseliten.[43]

Mitunter wird die bereits erwähnte Gründung der Multibranchengewerkschaft ver.di im Jahr 2001 als zweiter Entstehungsgrund für Berufsgewerkschaften gesehen. Eine Gewerkschaftsfusion stellte in Deutschland kein Novum dar. Bereits seit Mitte der 90er Jahre schlossen sich vermehrt Gewerkschaften zusammen und folgten damit dem Konzentrationsprozess in anderen westlichen Industrieländern.[44] Durch eine derartig weitreichende Großfusion wie bei ver.di wurden die individuellen Interessen der mehr als 1.000 unterschiedlichen Berufsgruppen innerhalb der Gewerkschaft jedoch vernachlässigt. Dies führte zur Abnahme der Integrationsfähigkeit an den Rändern der gewerkschaftlichen Organisationsbereiche.[45] Gleichzeitig ebneten die Arbeitnehmervertreter unter dem Deckmantel der solidarischen Lohnpolitik Einkommensdifferenzen ihrer segmentierten Mitgliedergruppen ein, wodurch die Bindungskraft der Großgewerkschaften weiter schwand.[46] Auch die zunehmend beschäftigungssichernde Tarifpolitik der DGB-Gewerkschaften führte in den letzten Jahren bei einigen Berufsgruppen zu Verbitterung. Für einen Krankenhausarzt beispielsweise, dessen Kündigungsrisiko aufgrund seiner exponierten Stellung eher gering ist, sind Lohnverhandlungen, die ihr Augenmerk auf Beschäftigungssicherungstarifverträge für die gesamte Krankenhausbelegschaft legen, nicht attraktiv.[47]

Somit bekam der DGB nicht nur Konkurrenz durch Versuche der Unterbietung seiner Tarifverträge, sondern stand alsbald im Überbietungswettbewerb mit kleinen berufsbezogenen Gewerkschaften.[48]

2.3.3 Spartengewerkschaften als eigenständige tariffähige Akteure

Spartengewerkschaften treten hauptsächlich in den Bereichen des Transportwesens (GDL, VC, UFO, GdF) und im öffentlichen Gesundheitswesen (MB, VMF) auf (s. Anhang Tab. 1).[49] Diese Bereiche sind durch fehlenden Wettbewerb (Deutsche Bahn AG) oder staatliche Eingriffe, wie etwa Fallpauschalen für Behandlungen im Gesundheitssektor, gekennzeichnet. Die Durchsetzungsstärke der Berufsgewerkschaften bezüglich ihrer homogenen Klientelinteressen resultiert vor allem aus der faktischen Streikmacht, die diese Vereinigungen gegenüber den Arbeitgebern haben.[50] Die Kampfkraft wird zudem durch einen hohen Organisationsgrad, eine hohe Mobilisierungsfähigkeit und eine besondere arbeitsorganisatorische Schlüsselstellung der Mitarbeiter im Unternehmen bedingt.[51] Der Aufstieg der Spartengewerkschaften mit ihren inzwischen rund 700.000 Mitgliedern[52] wurde aber nur möglich, weil sich für jede einzelne Berufsgewerkschaft eine Reihe von spezifischen Gelegenheitsstrukturen ergab, die diese nutzten, um den anspruchsvollen Weg hin zur autonomen Tarifpartei zu beschreiten.[53] Die Identifizierung dieser Gelegenheitsstrukturen wird im Folgenden für die Berufsgewerkschaften Vereinigung Cockpit und die GDL vorgenommen.

2.3.3.1 Die Vereinigung Cockpit - Vorbild für andere Berufsgruppen

Im Jahr 1999 scherte die VC als erste berufsständische Interessensvertretung aus einer bestehenden Tarifgemeinschaft, in der sie lediglich für berufliche Fragen, nicht jedoch für die Tarifpolitik zuständig war, aus. Als Ergebnis konnte sie im Jahr 2001 ihren ersten autonom ausgehandelten Tarifvertrag vorweisen und übernahm dadurch eine Vorreiterrolle für weitere Berufsverbände.[54] Der 1969 gegründete Verband versteht sich auch heute weiterhin weniger als Gewerkschaft sondern vielmehr als Berufsverband, der Interessen der hochqualifizierten Cockpitbesatzung vertritt. Insbesondere hinsichtlich der Mitgliederentwicklung kann sich die VC seit Beginn der tarifpolitischen Autonomie an einem regen Zulauf erfreuen. Die Mitgliederzahl erhöhte sich binnen elf Jahren von 6.000 auf rund 8.200 im Jahr 2011. Trotz dieser quantitativ eher geringen Mitgliederzahl, kann die VC einen Organisationsgrad von 80 bis 90 % über alle deutschen Fluglinien hinweg vorweisen.

Im Luftverkehrsbereich setzte mit der in den 80er Jahren begonnenen Liberalisierung und der ab dem Jahr 1992 beginnenden Privatisierung der Deutschen Lufthansa eine tiefgreifende Veränderung ein.[55] Hinsichtlich eines aufgrund der finanziell bedrohlichen Lage des Unternehmens aufgelegten Sanierungsprogramms mussten vor allem hochqualifizierte Mitarbeiter erhebliche Einkommenseinbußen von bis zu 26 % in Kauf nehmen.[56] Einen derartigen Statusverlust zu „Busfahrern der Lüfte“,[57] einhergehend mit nur geringfügigen Lohnzugeständnissen im Zuge des wieder einsetzenden Aufstiegs des Unternehmens, war Grund für die Loslösung aus der bestehenden Tarifgemeinschaft. Somit ist deutlich darauf hinzuweisen, dass im Falle der VC auch dem Arbeitgeber eine gewisse, wenn auch ungewollte Förderung der Pluralisierung im Gewerkschaftssektor zukam, da die in der Sanierungsphase geleisteten Beiträge der Piloten in wirtschaftlich besseren Zeiten nicht kompensiert wurden. Bereits im ersten eigenständig geführten Tarifkonflikt konnte der Berufsverband eine 20-prozentige Grunderhöhung des Gehalts sowie weitere ergebnisabhängige Vergütungen durchsetzen.[58] Dieser aufsehenerregende Umstand machte die VC zum Vorbild für viele andere Arbeitnehmervereinigungen, die nun ebenfalls höher dotierte Tarifverträge fordern.[59]

2.3.3.2 Die GDL - Älteste deutsche Gewerkschaft

Die GDL ging aus dem 1867 gegründeten Verein Deutscher Lokomotivführer hervor und vertritt neben den berufsständischen Interessen des Lokführerpersonals seit 2002 auch Teile des Zugbegleitpersonals. Mit Unterzeichnung des Grundlagentarifvertrages hat sich die GDL in der Tarifrunde 2007/2008 jedoch dazu verpflichtet, für Beschäftigte der DB bis 2014 keine Tarifverträge außerhalb des Geltungsbereichs des Lokomotivführertarifvertrages (LfTV) abzuschließen. Damit liegt das Mandat für die Zugbegleiter bis zu diesem Zeitpunkt bei der Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG).[60]

Eine Besonderheit der GDL ist das im Vergleich zu einigen anderen Berufsgruppen geringere Qualifikationsniveau der von ihr vertretenen Lokführer. Um trotzdem eine hohe Durchsetzungskraft erlangen zu können, müssen die Mitglieder eine Schlüsselstellung im Unternehmen innehaben und einen hohen Organisationsgrad aufweisen.[61]

Die Gesamtmitgliederzahl der GDL liegt bei etwa 34.000, von denen ca. 25.000 aktiv in Bahnunternehmen tätig sind. Bei der Deutschen Bahn AG organisiert die GDL ca. 80 % der Lokführer und weist in diesem Bereich auch bei konkurrierenden Bahnunternehmen einen Organisationsgrad von durchschnittlich 70 % auf. Zudem ist der Anteil der verbeamteten Lokführer bei der DB AG kontinuierlich rückläufig, was der GDL eine zunehmend bessere Verhandlungsposition in Tarifkonflikten beschert.[62]

Im Bahnbereich wurde 1994 die Privatisierung eines Staatsbetriebes eingeleitet, die bis heute zwar noch nicht abgeschlossen ist, aber zu einer Halbierung des Personals und zu massiven Leistungseinschränkungen führte.[63] So mussten neu eingestellte Lokführer Einkommenseinbußen von teilweise über 15 % im Vergleich zu bisherigen Entgeltstandards hinnehmen und wurden nicht mehr verbeamtet.[64] Mit diesen Veränderungen setzte auch der Wandel in der Organisationsstruktur der Bahnmitarbeiter ein. Im Gegensatz zu der dem Bahnmanagement näher stehenden Gewerkschaft Transport, Service, Netze (Transnet), die eine Bahnprivatisierung unterstützte, stand die GDL gegen ein derartiges Vorhaben und vertrat mit dieser Haltung die Meinung vieler Bahnmitarbeiter.[65]

Die DB AG ist seit jeher ein Unternehmen, in dem Gewerkschaftspluralismus herrscht. Im Jahr 1963 ging die GDL mit der christlichen Eisenbahngewerkschaft (CGDE) und der Gewerkschaft Deutscher Bundesbahnbeamten und Anwärter (GDBA) eine Tarifgemeinschaft (TGM) ein, die jedoch wenig Einfluss auf die Gestaltung der Tarifverträge hatte. Hauptakteur im Bahnsektor blieb die dominierende Transnet (damals GdED). Die GDBA bildete mit ihr 2005 eine eigenständige Tarifgemeinschaft und schied somit aus der TGM aus.[66] In der Tarifrunde des Jahres 2007 trat die GDL unter Einsatz von Arbeitskampfmaßnahmen schließlich als eigenständiger Tarifakteur auf und erzielte in einem seit 2008 geltenden eigenständigen Tarifvertrag eine Erhöhung der Lokführerentgelte um 11 %.[67] Seit 2010 konkurriert die GDL im gesamten Sektor der Eisenbahnverkehrsunternehmen mit der neu gegründeten EVG, die aus der Fusion von Transnet und GDBA hervorging.[68]

2.4 Zukünftige Entwicklungen

Nachdem der Kollision von Tarifverträgen im 20. Jahrhundert kaum Bedeutung zugemessen wurde und der Grundsatz der Tarifeinheit im Betrieb in das Rechtssystem übernommen wurde, stellten der zunehmende Gewerkschaftswettbewerb und die Abkehr vom Industrieverbandsprinzip eine Zäsur dar.[69] Diese Entsolidarisierung der Arbeitnehmerschaft schwächt die Durchsetzungsfähigkeit der Einheitsgewerkschaften erheblich. Schließlich könnten sich immer mehr Arbeitnehmergruppen, wie z.B. Techniker und Wartungspersonal im Bahn- oder Flugbereich, die Frage stellen, warum sie niedrige Lohnabschlüsse akzeptieren sollten, während Piloten und Triebfahrzeugführer deutliche Lohnzuwächse verbuchen können. Diesen Entwicklungen können die etablierten Branchengewerkschaften nur entgegenwirken, wenn auch sie eine expansive Lohnpolitik verfolgen, um Abspaltungen zu verhindern.[70]

Nach einem vom Bundeswirtschaftsministerium in Auftrag gegebenen Gutachten des Rheinisch-Westfälischen Instituts für Wirtschaftsforschung (RWI) ist es jedoch in jüngster Vergangenheit zu keinem starken Anstieg der Neugründungen von Spartengewerkschaften oder der tarifpolitischen Verselbstständigung bestehender Gewerkschaften gekommen. Das Tätigkeitsfeld neu gegründeter Verbände und Berufsgewerkschaften beschränkt sich zudem größtenteils auf den Gesundheits- und Verkehrsbereich (s. Anhang Tab. 2), in dem Berufsgewerkschaften schon seit mehreren Jahren tätig sind.[71] Dennoch wird den DGB-Gewerkschaften mitunter geraten, sich stärker um einzelne Berufsgruppen zu bemühen, um das Abspaltungspotential zu verringern.[72]

Trotzdem dürfte die durch Berufsgewerkschaften ausgeübte Überbietungskonkurrenz, die im Gegensatz zur Unterbietungskonkurrenz durch CGB-Gewerkschaften in Bereichen stattfindet, in denen DGB-Gewerkschaften aktiv sind, dauerhafte und nachhaltige Auswirkungen auf Tarifakteure haben. Beispielsweise könnte es nicht nur zu einer permanenten Störung des Betriebsfriedens kommen, sondern auch die als Standortvorteil begriffene gesamtwirtschaftlich ausgerichtete Lohnpolitik in Frage gestellt werden. Die ideelle Grundlage des deutschen Modells industrieller Beziehungen steht somit durch den Strukturwandel im Gewerkschaftsmodell und der Schwächung der Sozialpartnerschaft vor neuen Herausforderungen.[73] Auswirkungen auf die Tarifakteure und das Tarifrecht sowie Änderungen in der Rechtsprechung durch das BAG werden deshalb im Folgenden näher erläutert.

3 Von der Tarifeinheit zur Tarifpluralität

3.1 Abgrenzung von Tarifeinheit und Tarifkollisionen

Von Tarifeinheit spricht man, wenn lediglich ein Tarifvertrag im Arbeitsverhältnis und/oder im gesamten Betrieb Gültigkeit hat.[74] Tarifkollision hingegen ist die übergeordnete Begrifflichkeit für das Auftreten von Tarifkonkurrenz und Tarifpluralität. Eine Kollision liegt laut Rechtsprechung des BAG dann vor, wenn Tarifverträge mit überschneidenden Geltungsbereichen die gleichen Sachverhalte regeln.[75]

Tarifkonkurrenz besteht dann, wenn sowohl Arbeitgeber als auch Arbeitnehmer gleichzeitig an mehrere verschiedene Tarifverträge mit identischen Regelungsbereichen gebunden sind. Es werden somit mehrere Tarifverträge auf dasselbe Arbeitsverhältnis angewendet.[76]

Quelle: Eigene Darstellung

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 5: Darstellung von Tarifkonkurrenz

Diese Tarifverträge müssen jedoch nicht völlig deckungsgleich sein, da eine Kollision auch dann vorliegt, wenn ein Tarifvertrag Regelungen zu Bereichen enthält, die dem konkurrierenden Tarifvertrag fehlen.[77] Eine derartige Situation kann beispielsweise entstehen, wenn ein Arbeitnehmer Mitglied mehrerer Gewerkschaften mit unterschiedlichen Tarifverträgen ist oder eine gleichzeitige Bindung des Arbeitgebers an Verbands- und Firmentarifverträge vorliegt. Auch die Allgemeinverbindlichkeitserklärung von Tarifverträgen bei gleichzeitiger Mitgliedschaft des Arbeitgebers in einem tarifabschließenden Arbeitgeberverband führt zu einer derartigen Kollision.[78]

Quelle: Eigene Darstellung

Abb. 6: Darstellung von Tarifpluralität

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

[...]


[1] Vgl. Bispinck, Reinhard/Dribbusch, Heiner: Tarifkonkurrenz der Gewerkschaften zwischen Überund Unterbietung. In: Sozialer Fortschritt, H. 6, 2008, S. 155.

[2] BAG vom 28.03.2006 - 1 ABR 58/04.

[3] Vgl. Greef, Samuel: Berufsgewerkschaften. München 2009, S. 32 ff.

[4] Vgl. Schroeder, Wolfgang: Gewerkschaftskonkurrenz: Gefahr und Chance zugleich. In: Orientierungen zur Wirtschafts- und Gesellschaftspolitik, Nr. 115, 2008, S. 2.

[5] Vgl. Greef, Samuel, 2009, S. 32.

[6] Vgl. Müller-Jentsch, Walther: Rückkehr der Berufsgewerkschaften. In: WSI-Mitteilungen, Jg. 61, H. 2, 2008, S. 62.

[7] Vgl. Bispinck, Reinhard/Dribbusch, Heiner, 2008, S. 156.

[8] Vgl. Schroeder, Wolfgang/Kalass, Viktoria/Greef, Samuel: Berufsgewerkschaften in der Offensive. Wiesbaden 2011, S. 46 ff.

[9] Vgl. Bispinck, Reinhard/Dribbusch, Heiner, 2008, S. 157.

[10] Vgl. Biebeler, Hendrik/Lesch, Hagen: Mitgliederstruktur der Gewerkschaften in Deutschland. In: IW-Trends, Jg. 33, H. 4, 2006, S. 2 f.

[11] Vgl. Lesch, Hagen: Ist Gewerkschaftskonkurrenz effizient? In: Orientierungen zur Wirtschaftsund Gesellschaftspolitik, Nr. 115, 2008a, S. 7.

[12] Vgl. Lesch, Hagen: Gewerkschaftlicher Organisationsgrad im internationalen Vergleich. In: IW Trends, Jg. 31, H. 2, 2004, S. 4.

[13] Vgl. IW Köln: Klassenkampf-Rhetorik bringt nichts. In: iwd, Jg. 37, Nr. 2, 2011a, S. 4.

[14] Jacobs, Matthias: Tarifeinheit und Tarifkonkurrenz. Berlin 1999, S. 64.

[15] Vgl. Schroeder, Wolfgang/Kalass, Viktoria/Greef, Samuel, 2011, S. 12.

[16] Vgl. DGB: DGB-Mitgliederzahlen für 2010, URL siehe Literaturverzeichnis, Zugriff: 27.09.2011.

[17] Vgl. Höhn, Marika (DGB Bundesvorstand, Vorstandsbereich Vorsitzender - Referatsleiterin Industrielle Beziehungen und Arbeitspolitik): Telefongespräch, 19.08.2011.

[18] Vgl. Welsch, Johann: Gewerkschaften im Niedergang? Organisierte Arbeiterschaft im 21. Jahrhundert. In: Blätter für deutsche und internationale Politik, Jg. 53, Nr. 2, 2008, S. 68.

[19] Vgl. DGB: Satzung des Deutschen Gewerkschaftsbundes in der Fassung von Juni 2010, § 16.

[20] Vgl. Bispinck, Reinhard/Schulten, Thorsten: Re-Stabilisierung des deutschen Flächentarifvertragssystems. In: WSI-Mitteilungen, Jg. 62, H. 4, 2009, S. 202.

[21] Vgl. IW Köln: Mit Kampagnen auf Kollegenfang. In: iwd, Jg. 35, Nr. 18, 2009, S. 4 f.

[22] Vgl. Lesch, Hagen, 2008a, S. 7 - 10.

[23] Vgl. Keller, Berndt: Ver.di - quo vadis? In: WSI-Mitteilungen, Jg. 60, H. 9, 2007, S. 467.

[24] Vgl. Keller, Berndt: ver.di: Triumphmarsch oder Gefangenenchor. Hamburg 2001, S. 9 f.

[25] Vgl. Bispinck, Reinhard/Dribbusch, Heiner, 2008, S. 158.

[26] Vgl. Schroeder, Wolfgang/Kalass, Viktoria/Greef, Samuel, 2011, S. 47.

[27] Vgl. Bispinck, Reinhard/Dribbusch, Heiner, 2008, S. 156.

[28] Vgl. Schroeder, Wolfgang, 2008, S. 3.

[29] Vgl. Bister, Jeremy: Tarifpluralität - Aufgabe des Grundsatzes der Tarifeinheit im Betrieb und die Folgen. Frankfurt a. M. 2011, S. 28.

[30] Vgl. Bispinck, Reinhard/Dribbusch, Heiner, 2008, S. 156.

[31] BAG vom 14.12.2010 - 1 ABR 19/10; Ohne Verfasser: IG Metall will Zuschläge für Zeitarbeiter. In: FAZ vom 14.04.2011, Nr. 88, S. 12.

[32] BAG vom 28.03.2006 – 1 ABR 58/04.

[33] Vgl. Müller-Jentsch, Walther, 2008, S. 62.

[34] Müller-Jentsch, Walther, 2008, S. 62.

[35] Vgl. Lesch, Hagen: Spartengewerkschaften - Droht eine Destabilisierung des Flächentarifvertrags? In: Sozialer Fortschritt, H. 6, 2008b, S. 145.

[36] Vgl. IW Köln: Kleine auf Konfrontationskurs. In: iwd, Jg. 37, Nr. 10, 2011b, S. 6.

[37] Vgl. Lesch, Hagen, 2008a, S. 8 f.

[38] Vgl. Schroeder, Wolfgang/Greef, Samuel: Industrie- und Spartengewerkschaften im Konflikt. Organisatorische Voraussetzungen und realisierte Gelegenheitsstrukturen. In: Industrielle Beziehungen, Bd. 15, H. 4, 2008, S. 330.

[39] Vgl. IW Köln: Berufsgewerkschaften - Stachel im Fleisch. In: iwd, Jg. 32, Nr. 27, 2006, S. 8.

[40] Vgl. Schroeder, Wolfgang, 2008, S. 4.

[41] Vgl. Bister, Jeremy, 2011, S. 32.

[42] Vgl. Krumrey, Henning: Kartell der Monopole. In: WirtschaftsWoche, Nr. 40, 2010, S. 33.

[43] Vgl. Schroeder, Wolfgang, 2008, S. 5.

[44] Vgl. Keller, Berndt, 2001, S. 7 - 12.

[45] Vgl. Keller, Berndt, 2007, S. 473.

[46] Vgl. Müller-Jentsch, Walther, 2008, S. 62.

[47] Vgl. Lesch, Hagen, 2008b, S. 146.

[48] Vgl. Schroeder, Wolfgang, 2008, S. 4.

[49] Vgl. Lesch, Hagen: Spartengewerkschaften - Entstehungsmotive und ökonomische Wirkung. In: Industrielle Beziehungen, Bd. 15, H. 4, 2008c, S. 305 f.

[50] Vgl. Schroeder, Wolfgang, 2008, S. 4.

[51] Vgl. Lesch, Hagen, 2008a, S. 11.

[52] Vgl. Siems, Dorothea/Borstel von, Stefan: Spartengewerkschaften fürchten Entmachtung. In: Die Welt vom 05.04.2011, Nr. 80, S. 4.

[53] Vgl. Schroeder, Wolfgang/Greef, Samuel, 2008, S. 329.

[54] Vgl. IW Köln: Arbeitnehmervertreter im Wettstreit. In: iwd, Jg. 29, Nr. 9, 2003, S. 6.

[55] Vgl. Schroeder, Wolfgang/Greef, Samuel, 2008, S. 334 f.

[56] Vgl. Lesch, Hagen 2008c, S. 315 f.

[57] Schroeder, Wolfgang/Greef, Samuel, 2008, S. 336.

[58] Vgl. Ebenda, S. 335–337.

[59] Vgl. IW Köln, 2003, S. 6.

[60] Vgl. Weselsky, Claus, Persönliches Gespräch, 18.08.2011.

[61] Vgl. Schroeder, Wolfgang/Greef, Samuel, 2008, S. 342 f.

[62] Vgl. Weselsky, Claus (Bundesvorsitzender der GDL): Persönliches Gespräch, 18.08.2011.

[63] Vgl. Schroeder, Wolfgang/Greef, Samuel, 2008, S. 343.

[64] Vgl. Lesch, Hagen, 2008c, S. 319 f.

[65] Vgl. Weselsky, Claus, Persönliches Gespräch, 18.08.2011.

[66] Vgl. Schroeder, Wolfgang/Greef, Samuel, 2008, S. 344.

[67] Vgl. Weselsky, Claus, Persönliches Gespräch, 18.08.2011.

[68] Vgl. Schroeder, Wolfgang/Kalass, Viktoria/Greef, Samuel, 2011, S. 299.

[69] Vgl. Jacobs, Matthias, 1999, S. 64.

[70] Vgl. IW Köln: Ende der Tarifeinheit bedroht Jobs. In: iwd, Jg. 36, Nr. 36, 2010, S. 2.

[71] Vgl. Schmidt, Christoph M.: Empirische Analyse der Auswirkungen der Tarifpluralität auf das deutsche Tarifvertragssystem und auf die Häufigkeit von Arbeitskämpfen. In: Rheinisch- Westfälisches Institut für Wirtschaftsforschung – Projektbericht, Februar 2011, S. 30.

[72] Vgl. Ohne Verfasser: Ökonomen: Der Tarifpluralität eine Chance geben. In: FAZ vom 10.03.2011, Nr. 58, S. 13.

[73] Vgl. Schroeder, Wolfgang/Kalass, Viktoria/Greef, Samuel, 2011, S. 32 f.

[74] Vgl. Wittenburg, Olaf: Tarifeinheit im Betrieb - ein Auslaufmodell? Hamburg 2008, S. 2.

[75] Vgl. Freckmann, Anke/Müller, Katharina: BAG kippt Grundsatz der Tarifeinheit - was nun? In: BB, Jg. 65, H. 33, 2010, S. 1982.

[76] BAG vom 20.03.1991 - 4 AZR 455/90.

[77] Vgl. Jacobs, Matthias, 1999, S. 98.

[78] Vgl. Reichold, Hermann: Abschied von der Tarifeinheit im Betrieb und die Folgen. In: RdA, Jg. 60, H. 6, 2007, S. 323.

Details

Seiten
Erscheinungsform
Erstausgabe
Jahr
2011
ISBN (PDF)
9783955498627
ISBN (Paperback)
9783955493622
Dateigröße
866 KB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Fachhochschule der Deutschen Bundesbank - Schloss Hachenburg
Erscheinungsdatum
2013 (Juni)
Note
1
Schlagworte
Spartengewerkschaft Tarifeinheit Tarifpluralität Tarifrecht Tarifvertrag Kampfparität Berufsgewerkschaft

Autor

Martin Rosenberger, geboren 1990, studierte Betriebswirtschaftslehre mit dem Schwerpunkt Notenbankwesen an der Hochschule der Deutschen Bundesbank, Schloss Hachenburg. Seitdem arbeitet er im Bereich Banken- und Finanzaufsicht. Vor dem aktuellen tagespolitischen Hintergrund entwickelte der Autor bereits während des Studiums ein besonderes Interesse an der sich veränderten Gewerkschaftslandschaft in Deutschland und den sich daraus ergebenden Konsequenzen.
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Titel: Spartengewerkschaften als 'Revolution' im Gewerkschaftssektor: Herausforderungen für die Tarifvertragsparteien und das Tarifrecht
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