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Von den RFID-Optimierungspotenzialen zur Inselproblematik: Eine Erläuterung am Beispiel der Produktionsprozesse der Automobilhersteller (OEM)

©2012 Bachelorarbeit 59 Seiten

Zusammenfassung

RFID findet heutzutage vor allem standortintern im Bereich des Bestands- und Teilemanagements der Beschaffungs- und Produktionslogistik Verwendung. Trotz der vielen Vorteile, die diese Informationstechnologie bietet, haben sich Standort- oder unternehmensübergreifende RFID-Lösungen kaum durchgesetzt. Aber warum? Überraschenderweise können die Gründe für diese sogenannte „Inselproblematik“ unter anderem in den RFID-Optimierungspotenzialen selbst liegen. Es mag im ersten Moment unlogisch klingen, dass ausgerechnet die Vorteile einer Technologie für deren Nachteile, also die Inselproblematik, verantwortlich sein können. Am Beispiel der Automobilindustrie, die sich aufgrund ihres durchgängigen Waren- und Informationsflusses besonders für den Einsatz der Technologie eignet, beschreibt dieses Buch anhand eines selbstentwickelten Modells - mit den drei Phasen Motivation, Befriedigung und Demotivation - wie RFID-Optimierungspotenziale bei bestimmten Faktoren als auch in bestimmten Konstellationen in der Lage sein können, die Inselproblematik zu verursachen.

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


2.3 Die verschiedenen Varianten der Auto-ID-Systeme

Auto-ID-Systeme, also automatische Identifikationssysteme, werden zur Identifikation von Menschen, Tieren und Gegenständen eingesetzt. Dabei existieren mittlerweile die unterschiedlichsten Varianten: von erprobten und günstigen Auto-ID-Lösungen bis hin zu sehr zuverlässigen und/oder fälschungssicheren Auto-ID-Lösungen.[1] Zu diesen Auto-ID-Systemen zählt auch die RFID-Technologie, die in dieser Arbeit behandelt wird.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 2: Zusammenfassende Übersicht der wichtigsten Auto-ID-Verfahren (aus: Finkenzeller 2008, S.2).

Barcode-Technologie

Ein Barcode besteht aus Strichen, die auf ein Etikett gedruckt sind. Durch einen Laserstrahl, der diese Strichreihen liest, kann der Barcode in ein binäres Signal[2] transformiert werden. Der Barcode ist das weitverbreitetste Auto-ID-System und findet vor allem auf Supermarktwaren, Büchern, Ersatzteilen und vielem mehr Verwendung.[3]

Optical Character Recognition (OCR)

Die Klarschriftlesung (OCR) bietet die Möglichkeit, Ziffern maschinenlesbar und visuell lesbar zu machen. Die OCR-Technik findet heutzutage überwiegend im Finanzbereich Anwendung, wie zum Beispiel zur Erkennung von Ziffern auf Über­weisungsträgern.[4]

Biometrische Verfahren

Dieses Verfahren setzt voraus, dass biometrische Merkmale an einer Person oder einem Objekt vorhanden sind. Im ersten Schritt werden die biometrischen Infor­mationen in ein binäres Signal umgewandelt. In einem zweiten Schritt wird einer Person oder einem Objekt die entsprechende Identität zugeordnet. Biometrische Systeme kommen beispielsweise bei der Iris-Erkennung zum Einsatz.[5]

Chipkarten

Für die Datenübertragung zwischen Leser und Chipkarten wird ein galvanischer[6] Kontakt benutzt.[7] Chipkarten werden beispielweise in Telefonkarten, Versicherungs­karten oder EC-Karten benutzt.

RFID-Systeme

Ein RFID-System beinhaltet eine oder mehrere Transponder, eine Schreib- bzw. Leseeinheit mit Antenne und eine interne Computerapplikation, welche zur Steuerung und Datenverarbeitung dient.[8] Innerhalb der RFID-Systeme werden nur binäre Informationen versendet.[9] Ferner lassen sich RFID-Systeme neben ihren gemeinsamen Eigenschaften[10] auch aufgrund der Betriebsfrequenz ihrer Lesegeräte, ihrer physikalischen Kopplungsverfahren und ihrer Systemreichweite unter­scheiden.[11]

3 Automobilhersteller (OEM) und die Automobilindustrie

3.1 Die Schlüsselindustrie Deutschlands

Unter Original Equipment Manufacturer (OEM), die auch als Automobilhersteller bekannt sind, werden Fabrikanten bezeichnet, die von externen Unternehmen Komponenten erhalten, welche sie in ihren eigenen Fahrzeugen verbauen. Diese vermarkten und verkaufen sie unter ihrem eigenen Namen.[12]

Die Automobilindustrie gilt als Schlüsselindustrie in Deutschland. Dies können folgende Zahlen belegen:[13]

- Jeder siebte Arbeitsplatz ist direkt oder indirekt mit der Herstellung von Autos verbunden.
- Ein Fünftel des Gesamtumsatzes, etwa 250 Milliarden Euro, der deutschen Industrie wird in der Automobilindustrie generiert.
- Die Automobilbranche macht 20 Prozent des deutschen Gesamtexport­volumens aus.
- Zwischen 1996 und 2006 investierte die Automobilindustrie rund 100 Milliarden Euro in deutsche Standorte. Das entspricht einem Anteil von 23 Prozent an der gesamten deutschen Industrieinvestition.

3.2 Der Verdrängungswettbewerb und seine Folgen

Gleichzeitig unterliegt die Automobilindustrie – und somit auch die Automobil­hersteller – einem harten Verdrängungswettbewerb. Die Gründe sind vielfältig, komplex und teilweise voneinander abhängig, weshalb hier auf diese nicht in vollem Umfang eingegangen werden kann. Die Ursachen werden stattdessen in einem kurzen Überblick erläutert.

In der Triade, den drei Volumenmärkten USA, Europa und Japan, sind die Märkte seit über einem Jahrzehnt gesättigt, das heißt der Bedarf an Automobilen bleibt nahezu konstant. Es kann teilweise kein oder nur ein geringes Wachstum erzielt werden. Im Falle Deutschlands ist das Wachstum seit 2000 sogar rückläufig.[14]

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 3: Entwicklung der PKW-Neuzulassungen in der Triade (aus: Becker 2005, S.13).

Erschwert wird diese Entwicklung zusätzlich durch asiatische Automobilhersteller, die den Wettbewerb verschärfen. Bevor japanische und koreanische Automobilhersteller den westlichen Markt erobert und damit den ansässigen Automobilherstellern die Marktanteile geraubt hatten, betrug der Anteil fremdländischer Automobilmarken an Neuzulassungen 1960 nur 9,7 Prozent. 2004 lag der Anteil bereits bei 36 Prozent.[15]

Parallel dazu nehmen die Produktionskapazitäten trotz Marktsättigung in der Triade stetig weiter zu. Nach dem Motto „Jeder ist sich selbst der Nächste“ will sich ein jeder Hersteller das größte Stück des Kuchens auf Kosten der Wettbewerber sichern. Die Folge sind Ergebniszwänge, die wiederum jeden einzelnen Hersteller dazu zwingen, dessen Produktionskapazitäten auszulasten. Daher steigt die Überproduktion immer weiter an und unverkaufte Autos müssen „gelagert“ werden.[16]

Der anwachsende (Verdrängungs-)Wettbewerb zwingt viele Automobilhersteller dazu, deren Produktpalette um innovative Produkte zu erweitern. Um den Wünschen ihrer Kunden gerecht zu werden und sich auf der Ebene der Marktanteile gegen die Konkurrenz durchsetzen zu können, haben Hersteller ihre Nischen aufgegeben und ihre Produktpalette sowohl horizontal als auch vertikal vergrößert.[17]

Politische Unruhen als auch wirtschaftliche Krisen haben dafür gesorgt, dass die Nachfrage nach Automobilen nachgelassen hat. Zudem stellen neue Gesetze und Bestimmungen als auch die Rabatterwartung der Kunden die Hersteller vor immer neue Herausforderungen. Um den stagnierenden und rückläufigen Absatzzahlen entgegenzuwirken und ihre Konkurrenzfähigkeit zu sichern, führen die Hersteller untereinander heftige Preis- und Rabattkämpfe.[18]

Hat die Anzahl der Marktteilnehmer im 20. Jahrhundert aus betriebswirtschaftlichen Gründen abgenommen, so nimmt das Schrumpfen heute neue Dimensionen an. Japanische und koreanische Automobilhersteller stellen auf dem Weltmarkt eine zusätzliche Konkurrenz dar, während die Märkte der Triade zunehmend gesättigt sind. Folglich entstehen daraus Rabattkämpfe unter den Automobilherstellern, Überkapazitäten und hoher Kostendruck. Zusammen mit den gesättigten Märkten und der Konkurrenz aus Asien beginnt damit ein scharfer Verdrängungs­wettbewerb.[19]

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 4: Konzentration der Automobilhersteller 1960-2015 (aus: Becker 2005, S.140).

3.3 Erfolgreicher RFID-Einsatz

Die RFID-Technologie ermöglicht eine sofortige Lokalisierung und Informations­verfügbarkeit von Objekten, berührungslos und ohne Sichtkontakt. Zudem können mithilfe der RFID mehrere Objekte eindeutig zur selben Zeit erfasst und die Transponder jederzeit mit neuen Daten wiederbeschrieben werden.[20] Vor allem für den Bereich der Logistik bieten sich durch die Möglichkeit der automatischen Identifikation enorme Potenziale und somit auch für die Automobilindustrie. Diese sehen auch Experten der Deutschen Bank Research und prognostizieren für die RFID-Umsätze bis 2016 einen durchschnittlichen Anstieg um 25 Prozent.[21] Allerdings handelt es sich bei der RFID um keine neue Technologie, denn diese wird in der Automobilindustrie bereits seit einigen Jahren in Montage- und Lackierstraßen eingesetzt, da sie im Gegensatz zu vielen anderen Kennzeichnungstechniken auch in solchen schwierigen Bereichen funktionsfähig ist.[22] Auch in der Beschaffung und der Produktion wird RFID in einer Vielzahl von Unternehmen mittlerweile standortintern in einem geschlossenen System verwendet, das heißt, die Erfassung der Daten und damit der Objekte erfolgt nur innerhalb dieser einen Institution.[23] Laut einer Studie nutzen drei Viertel der Befragten die RFID-Technologie. Während alle Original Equipment Manufactories (OEM) den Einsatz mindestens einer RFID-Anwendung bestätigen können, zählt die Studie sogar einen OEM, der mehr als zehn Anwendungen einsetzt.[24] Dagegen wird die RFID-Technologie in Standort- und unternehmensübergreifenden Systemen bisher kaum verwendet ebenso wenig in offenen Systemen, also in der Nutzung der Technik durch viele verschiedene Nutzer.[25] Es bestehen lediglich Insellösungen.

3.4 RFID-Einsatz als Insellösung

RFID wurde bisher nur in Form von Insellösungen innerhalb eines OEMs oder zwischen diesem und einem Zulieferer eingesetzt. Eine Verwendung der Technik entlang der gesamten Lieferkette ist bisher noch nicht realisiert worden.[26] Doch das Problem der Insellösung existiert nicht nur in der horizontalen Ebene zwischen einem OEM und Zulieferern entlang der gesamten Lieferkette. Eine unternehmens­übergreifende Verwendung der RFID-Technologie unter den einzelnen Automobil­herstellern auf vertikaler Ebene ist bislang ebenfalls noch nicht vollständig ver­wirklicht worden. Erst im Jahr 2010 wurde unter anderem von BMW und Daimler das Projekt „RAN – RFID-based Automotive Network“ ins Leben gerufen, das diese Problematik in Angriff nehmen soll und an dem sich auch VW und Opel beteiligen wollen. Allerdings kommt die RFID-Technologie bereits seit vielen Jahren unternehmensintern vor allem in der Automobilbranche und bei Automobilherstellern zum Einsatz, ohne dass eine derartige Zusammenarbeit seither erfolgt ist.[27]

Die Automobilindustrie ist bislang führend auf dem Gebiet der RFID. Dennoch existieren keine durchgehenden Wege über mehrere Zulieferer zu den OEM.[28] Dabei sind in den Produktionsprozess eines Automobils zahlreiche Unternehmen, wie Automobilhersteller, Zulieferer und Logistikdienstleister, involviert, die zusammen ein komplexes Netz bilden. Die unterschiedlichen Prozesse gestalten sich als undurchsichtig. Nur mit großem Aufwand lassen sich beispielsweise Informationen über den Standort oder den Status eines Fahrzeugs oder Bausteins ermitteln. Die RFID-Technologie könnte helfen, diese unüberschaubaren komplexen Prozesse einfacher zu gestalten. Dafür werden allerdings Standards benötigt, die einen Informationsaustausch zwischen allen an der Automobilproduktion beteiligten Unternehmen gewährleisten. Diesen branchenweiten Datentransfer zwischen den beteiligten Unternehmen gibt es allerdings nicht. Denn ein Großteil der Unternehmen setzt bislang nur auf geschlossene Systeme.[29]

Gründe weshalb unternehmensübergreifende Systeme bisher noch nicht realisiert worden sind und Insellösungen existieren, liegen unter anderem möglicherweise in einer mangelnden Kommunikation, die sich aus einem geringen Datenaustausch ergibt. Informationen werden noch bewusst im eigenen Unternehmen gehalten.[30] Es fehlen branchenweite Standards und gemeinsame Lösungen.[31] Darüber hinaus benötigt die Einführung der RFID-Technologie eine hohe Anfangsinvestition, die gerade in Krisenzeiten kaum ein Unternehmen gewillt ist einzugehen und weshalb die RFID daher nicht flächendeckend eingeführt wird.[32] Auch die Konkurrenz zwischen den Identifikationstechnologien, wie beispielsweise der Barcode-Lösung, die bereits angewendet werden, erschwert einen flächendeckenden Einsatz der RFID-Systeme.[33] Grundsätzlich findet die RFID-Technologie zunächst nur dort Anwendung, wo sie dem Unternehmen den größten Mehrwert beschert und ein dringendes Problem löst. Dadurch ergeben sich viele verschiedene RFID-Infrastrukturen nebeneinander, die in den nächsten Jahren erst noch einander angeglichen werden müssen.[34] Im Folgenden soll ein weiterer Grund für die Entstehung der Inselproblematik „identifiziert“ werden: Nämlich die Entstehung der Insellösung aufgrund der Vorteile, also den Optimierungspotenzialen der RFID selbst. Dazu werden zunächst die Optimierungspotenziale untersucht (Kapitel 4), um anhand derer die Entstehung von Insellösungen erklären zu können (Kapitel 5).

4 Die RFID-Technologie im Produktionsprozess

4.1 Definition und Abgrenzungsproblematik

4.1.1 Produktion und Logistik

Laut „Gabler Wirtschaftslexikon“ wird der Begriff Produktionsprozess definiert als „technologisch, zeitlich und örtlich bestimmtes effizientes Zusammenwirken von Produktionsfaktoren zur Herstellung einer Gütermenge in bestimmter Qualität.“[35] Somit befasst sich der Produktionsprozess mit der Hervorbringung von Erzeug­nissen. Aufgaben, wie beispielsweise die Versorgung mit Roh-, Hilfs- und Betriebs­stoffen, mit Halbfertigerzeugnissen und fremdbezogenen Teilen, die wiederum notwendig sind, um einen Produktionsprozess gewährleisten zu können, werden nicht berücksichtigt bzw. als logistische Aktivitäten angesehen.[36] Eine Abgrenzung zwischen Produktion(-sprozess) und Logistik ist dennoch nicht sinnvoll. Da Logistik eine funktionsübergreifende Querschnittfunktion ist, sind die Tätigkeitsfelder zwischen Produktion und der Logistik, vor allem in der innerbetrieblichen Logistik, eng miteinander verknüpft.[37] Komplizierte Bauteile werden beispielsweise von den Produktionsmitarbeitern vor der Einsteuerung in die Montagelinie zusammen­montiert und von ihnen selbst zu dieser transportiert.[38] Der Transport aber wiederrum gehört allgemein zum Aufgabenbereich der Logistikmitarbeiter.

Um eine möglichst widerspruchsfreie Hypothese zu erzielen und am Ende dieser Arbeit eine eindeutige Aussage treffen zu können, sollen die logistischen Prozesse mit in den Produktionsprozess einbezogen werden, damit die bereits erwähnte Überschneidungsproblematik einer funktionsübergreifenden Querschnittfunktion umgangen werden kann. Gleichzeitig ist es dadurch möglich, das größtmögliche Potenzial der RFID-Technologie innerhalb des Produktionsbetriebes darzustellen. Aus diesem Grund wird in dieser Arbeit der Begriff des Produktionsprozesses um dessen Versorgungsprozess, der Logistik, erweitert.

4.1.2 Der Produktionsprozess

Mit der überarbeiteten Definition des Produktionsprozesses wird der eigentliche Kern, nämlich die Produktion, um dessen Versorgungsprozess erweitert. Für diese Arbeit wird in Anlehnung an Porter’s Wertkette eine eigens vereinfachte, an RFID-Anwendungen orientierte Wertkette der Automobilhersteller (OEM) konzipiert, um in dem darauf folgenden Abschnitt einen Überblick über die Optimierungspotenziale der RFID und deren Einsatzbereichen zu erhalten.

Die primären Aktivitäten dienen zur Herstellung und dem Vertrieb der Produkte.[39] In dieser Arbeit handelt es sich um die Eingangslogistik, den Produktionsprozess und die Ausgangslogistik. Daneben existieren noch weitere Aktivitäten, welche die primären Aktivitäten unterstützen.[40]

Somit ergibt sich folgendes Bild für die am RFID-Einsatz orientierte Wertkette der Automobilhersteller:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 5: An RFID-Anwendung orientierte Wertkette der Automobilhersteller (eigene Darstellung in Anlehnung an Xaver/Haas 2005, S. 113).

4.2 RFID-Optimierungspotenziale entlang des Produktionsprozesses

Im folgenden Abschnitt werden mögliche Einsatzgebiete und Auswirkungen eines RFID-Systems auf die internen Produktionsprozesse der Automobilhersteller untersucht. Praxisanwendungen sollen dabei die Verwendungsmöglichkeiten und die sich daraus ergebenden Vorteile und Optimierungspotenziale veranschaulichen. Die einzelnen Einsatzmöglichkeiten der RFID können in den meisten Fällen voneinander abgegrenzt werden, jedoch ergeben sich hinsichtlich der RFID-Optimierungs­potenziale in einigen Bereichen Überschneidungen. So stellen sich an vielen Einsatzorten Zeit- und Kostenersparnisse mithilfe der RFID ein. Aufgrund dieser Überschneidungsproblematik können die verschiedenen Einsatzfelder und Optimierungspotenziale der RFID nicht als statisch verstanden werden.

4.2.1 Eingangs- und Ausgangslogistik

Am Wareneingang und -ausgang erfolgt beispielsweise die Überprüfung der Transportbegleitscheine, die mit den Bestellungen abgeglichen werden oder auch die Eingabe der Waren in das Warenwirtschaftssystem. Diese Aufgaben wurden zunächst noch per Hand durchgeführt, bevor sie durch die Barcode-Technologie teilautomatisiert werden konnten. Während des Transport- bzw. Lagerprozesses kann der Barcode allerdings verschmutzt oder beschädigt werden. Aufgrund dieser fehlerhaften Barcodes kommt es häufig zu Unterbrechungen oder zum Abbruch des gesamten Lieferprozesses, da die Barcode-Scanner die Barcodes nicht mehr richtig auslesen können. Daraufhin müssen diese wiederum manuell erfasst werden.[41] Mithilfe der RFID-Technologie können die Prozesse im Wareneingang und Warenausgang besser abgewickelt werden als in den bisherigen Lösungen, wie beispielsweise der eben geschilderten Barcode-Technologie.

Am Warenausgang des Automobilzulieferers erfolgt die Verladung der Güter, die mit Transpondern ausgestattet sind. Ferner wird an den Transportmitteln bzw. den Fahrzeugen ebenfalls ein Transponder angebracht. Mithilfe von Scannern lässt sich die Ladung auf ihre Richtigkeit überprüfen. Nachdem die gesammelten Daten zu einem Lieferschein zusammengefasst wurden, erfolgt die Speicherung der Informationen auf den Transponder am Fahrzeug. Sobald der LKW den Werksaus­gang passiert, übermittelt die dort installierte Antenne dem Automobilbauer automatisch die empfangenen Lieferscheindaten via Datenfernübertragung. Im gleichen Zug werden die Daten auch dem Lagerverwaltungssystem übermittelt, das für die Buchung des Warenausgangs beim Lieferanten zuständig ist.[42]

Die automatische Registrierung des LKWs im Wareneingang des Automobil­herstellers erfolgt mittels RFID, wenn dieser das Werkstor passiert. Die komplette Lieferung wird dabei stückgenau durch die RFID erfasst, weshalb ein Sichten und Abladen der Güter nicht mehr notwendig ist. Nachdem der auf dem LKW-Trans­ponder gesicherte Lieferschein ausgelesen und dem Warenwirtschaftssystem gesendet wurde, werden die Bestelldaten dort mit den Lieferdaten automatisch abgeglichen.[43]

Optimierung des Distributionsprozesses in den Ford-Werken Köln

Täglich verlassen bis zu 1.950 Fahrzeuge der Typen Fiesta und Fusion die Fertigungshallen der Ford-Werke in Köln. Diese müssen noch mehrere Kontroll­stationen passieren, bevor sich die in zwei Montagelinien produzierten Fahrzeuge per Schiff, Bahn oder LKW auf den Weg zu den Distributionszentren und Händlern machen können.[44]

An den jeweiligen Enden der zwei Montagelinien erhalten die Fahrzeuge einen RFID-Tag, der an der ersten Lesestation des Firmengeländes von einem speziellen RFID-Drucker erstellt wird. Dieser versieht den Tag mit Daten über die jeweilige Fahrzeug­nummer, das Produktionsdatum und den Bestimmungsort. Diese Informationen werden in Form eines Barcodes und eines Klartextes auf ein Klebeetikett übertragen und jeweils an der rechten hinteren Seitenscheibe des Fahrzeugs befestigt. An den weiteren Stationen, an denen beispielsweise die Qualität der Fahrzeuge überprüft werden soll, sind RFID-Reader angebracht, welche die Informationen auf den Transpondern verarbeiten. War die Qualitätsprüfung erfolgreich, wird das Fahrzeug an die Transport-Logistik übermittelt. Hier wird bestimmt, ob das jeweilige Fahrzeug per Schiff, LKW oder Bahn zu den entsprechenden Distributionszentren oder Händlern transportiert wird.[45]

Seit der Integration der RFID-Technologie in den Distributionsprozess erfolgen bei Ford kaum mehr Fehlverladungen. So kommt es nicht mehr vor, dass ein Fahrzeug beispielsweise statt auf dem Schiff in einem LKW transportiert wird. Sollte vom Fahrer doch einmal der falsche Distributionsweg gewählt worden sein, überprüfen die Kontrollpunkte die Informationen der an den Fahrzeugen angebrachten Transponder und sorgen in diesem Fall dafür, dass die Schranken geschlossen bleiben. Mit einer effizienteren Fahrzeugverlagerung können folglich auch die Standzeiten reduziert bzw. die Fahrzeugbewegung verringert werden. Die RFID-Technologie ermöglicht zudem eine erhöhte Transparenz entlang des Distributions­prozesses. Während der gesamten Strecke, vom Ende der Fertigung bis hin zum Warenausgang, kann jedes Fahrzeug über alle Stationen verfolgt und dessen Status in Echtzeit überprüft werden. Mithilfe eines durchgehenden Informationsflusses kann somit aufgezeigt werden, mit welchen Engpässen zu rechnen ist und wie der gesamte Prozess noch verbessert werden kann. Stehen jederzeit die Status­informationen der jeweiligen Fahrzeuge über deren Ort zur Verfügung, können im Falle von Nachbesserungsarbeiten die Fehler schnell behoben werden. Damit kann die Qualität der Fahrzeuge stets auf einem konstanten Niveau gehalten werden.[46]

Mithilfe der RFID-Technologie im Ford-Werk Köln lassen sich Distributionsprozesse transparenter gestalten und Fehlverlagerungen auf ein Minimum reduzieren. Das führt letztendlich dazu, dass der Auslieferungsprozess beschleunigt und optimiert wird. Laut 7iD[47] konnten die Standzeiten durch dieses Verfahren um 20 Prozent verringert und der Auslieferungsprozess um 15 Prozent beschleunigt werden. Die Prozessveränderungen ermöglichen es zudem, sowohl Kosten als auch Zeit und Personal einzusparen und die Bestände zu reduzieren.[48]

[...]


[1] Vgl. Kern 2006, S. 13.

[2] Bei Binärsignalen werden nur zwei Zustände unterschieden, z.B. „an/aus“ Daten.

[3] Vgl. Kern 2006, S. 16.

[4] Vgl. ebd., S. 18.

[5] Vgl. ebd., S. 20.

[6] Elektrischer Kontakt zweier leitfähiger Gegenstände, beispielsweise Metallplatten oder Stromkreise, URL: http://de.wikipedia.org/wiki/Galvanische_Trennung (23.08.12).

[7] Vgl. Kern 2006, S. 28.

[8] Vgl. Jansen 2005, S. 5.

[9] Vgl. Schoblick/Schoblick 2005, S. 81.

[10] Siehe auch Kapitel 2.1.

[11] Vgl. Finkenzeller 2008, S. 22.

[12] Vgl. Diehlmann/Häcker 2010, S. 5.

[13] http://www.bundesregierung.de/Content/DE/Magazine/emags/economy/051/sp-2-die-automobilindustrie-eine-schluesselindustrie-unseres-landes.html (23.08.12).

[14] Vgl. Becker 2005, S. 9.

[15] Vgl. ebd., S. 16.

[16] Vgl. ebd., S. 21.

[17] Vgl. ebd., S. 28.

[18] Vgl. ebd., S. 34.

[19] Vgl. ebd., S. 139.

[20] Vgl. o.V. 2005a, S. 3.

[21] Vgl. Günthner et al. 2010, S.16.

[22] Vgl. ebd., S. 6.

[23] Vgl. Bartneck 2008, S.65; Günthner et al. 2010, S.10.

[24] Vgl. Günthner et al. 2010, S.45.

[25] Vgl. Bartneck 2008, S.65; Günthner et al. 2010, S.10.

[26] Vgl. Waldmann et al. 2007, S. 57.

[27] Vgl. Reiling 2010.

[28] Vgl. ebd.

[29] Vgl. Lange 2011.

[30] Vgl. Reiling 2010.

[31] Vgl. o.V. 2011a, S. 4.

[32] Vgl. Hoffmann 2009.

[33] Vgl. o.V. 2005b, S. 1.

[34] Vgl. ebd., S. 32.

[35] http://wirtschaftslexikon.gabler.de/Definition/produktionsprozess.html (02.08.12).

[36] Vgl. Pfohl 2010, S. 180.

[37] Vgl. Günther/Tempelmeier 2005, S. 9.

[38] Eigene Erfahrung während meines Praktikums bei der Daimler AG, Sindelfingen (Motorenendmontage Werk 501).

[39] Vgl. Xaver/Haas 2005, S. 113.

[40] Vgl. ebd.

[41] Vgl. Franke et al. 2006, S.125.

[42] Vgl. Klug 2010, S. 240 f.

[43] Vgl. ebd.

[44] http://www.7id.com/presse-d/PM7iD_CaseFord.pdf (03.08.12).

[45] Vgl. ebd.

[46] Vgl. ebd.

[47] http://www.7id.com/7iD-de/index.php

[48] http://www.7id.com/presse-d/PM7iD_CaseFord.pdf (03.08.12).

Details

Seiten
Erscheinungsform
Erstausgabe
Jahr
2012
ISBN (PDF)
9783955496623
ISBN (Paperback)
9783955491628
Dateigröße
546 KB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Georg-Simon-Ohm-Hochschule Nürnberg
Erscheinungsdatum
2015 (Februar)
Note
1,3
Schlagworte
Radio Frequency Identification RFID Automobilindustrie Produktion Logistik Optimierungspotenzial

Autor

Thanh Tan Phan wurde 1986 in Ho-Chi-Minh, Vietnam, geboren. Sein Studium der Betriebswirtschaftslehre an der Georg-Simon-Ohm-Fachhochschule Nürnberg schloss der Autor im Jahre 2012 mit dem Bachelor of Arts erfolgreich ab. Bereits in jungen Jahren sammelte er in einer Einzelhandelskette erste Logistikerfahrungen und erweiterte diese während seines Studiums. Innerhalb zweier Praktika - bei der Bosch Rexroth AG und bei der Daimler AG - festigte er seine praktischen Fähigkeiten in der Logistikbranche. Fasziniert von der Logistik und seinem Geburtsland beschloss der Autor, seinen Master of Science im Studienfach „Traffic and Transport“ in Vietnam zu absolvieren. Seine Leidenschaft für die Logistik motivierte ihn dazu, sich der Thematik des vorliegenden Buches zu widmen.
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