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Persönlichkeitstests: Eignung zur Personalauswahl in Management und Vertrieb

©2012 Bachelorarbeit 70 Seiten

Zusammenfassung

In der Bundesrepublik Deutschland sind jährlich ca. 3,5 Millionen Arbeitsplätze neu zu besetzen. Die volkswirtschaftlichen Folgekosten, die aus Fehlentscheidungen bei der Bewerberauswahl resultieren, werden allein für Deutschland auf einen hohen zweistelligen Milliardenbetrag beziffert. Die Prognostizierbarkeit des beruflichen Erfolges eines Bewerbers, anhand von Zeugnissen, Lebenslauf, Referenzen oder Interview, nimmt stetig ab. Um dieser Entwicklung Rechnung zu tragen, setzen Unternehmen in ihrem Personalauswahlprozess verstärkt auf standardisierte eignungsdiagnostische Verfahren wie Leistungs- und Persönlichkeitstests. Denn diese versprechen eine kostengünstige und geeignete Alternative zu herkömmlichen Auswahlinstrumentarien zu sein. Persönlichkeitstests befinden sich im Spannungsfeld zwischen Praxis und Wissenschaft. In diesem Buch finden beide Seiten dieses Spannungsfeldes Berücksichtigung. Dies gelingt dem Autor durch eine gelungene Mischung aus Handlungsempfehlungen, praktischen Fragestellungen und empirischen Studien. Besonders detailliert werden dabei die Einsatzgebiete Vertrieb und Management sowie die Testverfahren Insights MDI und DISG behandelt.

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


1.2 Zielsetzung/Vorgehensweise

Im Anschluss an die im vorherigen Abschnitt erfolgte Einführung und Erläuterung der Problemstellungen, welche im Zusammenhang mit der Eignung von Persönlichkeitstests zur Bewerberauswahl im Rahmen dieser Arbeit untersucht werden, gibt dieser Abschnitt einen Überblick über Zielsetzung, inhaltliche Struktur und methodische Vorgehensweise.

Zielsetzung dieser Arbeit ist es, sowohl Einsteigern als auch Fortgeschrittenen, gut nachvollziehbare und interessante Informationen bezüglich Gütekriterien, Risiken und Einsatzmöglichkeiten von Persönlichkeitstests zu geben. Beide Seiten des Spannungsfeldes Praxis und Wissenschaft, indem sich Persönlichkeitstests bewegen, sollen ihre Berücksichtigung finden. Diesem Ziel wird versucht, durch eine gute Mischung von Handlungsempfehlungen und Antworten auf praktische Fragestellungen, mit wissenschaftlichen Grundlagen und empirischen Studien gerecht zu werden.

Die Betrachtung der behandelten Thematik erfolgt sowohl allgemein, als auch speziell für die Einsatzgebiete Vertrieb und Management. Zur näheren Analyse wurden mit Insights MDI by Scheelen und dem DISG Persönlichhkeitsprofil zwei der am Deutschen Markt bekanntesten Persönlichkeitstests ausgewählt.

Grundsätzliches Anliegen des Autors ist es, auch in der methodischen Vorgehensweise eine Brücke zwischen Wissenschaft und Praxis zu bauen, daher wurde zur Recherche für die vorliegende Arbeit sowohl eher theoretisch analytische wie praxisorientierte Literatur verwendet. Um dem Leser eine gute Übersichtlichkeit zu gewährleisten, ohne dabei die Wissenschaftlichkeit zu vernachlässigen, werden zusätzlich diverse Studien zitiert und in leicht zugänglichen Tabellen und Abbildungen aufbereitet. Das angestrebte Ziel, sowohl Einsteigern in die Thematik Persönlichkeitstests wertvolle und verständliche Informationen zu geben, als auch Fachleuten mit dieser Arbeit einen zusätzlichen Erkenntnisgewinn zu bringen, spiegelt sich in der inhaltlichen Struktur wieder, diese ist so konzipiert, dass mit allgemeinen Grundlagen zu Persönlichkeitstests begonnen wird, bevor auf spezifische Verfahren und deren Anwendungs-möglichkeiten eingegangen wird. Ein detaillierterer Einblick in den Aufbau kann der folgenden Beschreibung der einzelnen Kapitel entnommen werden.

In Kapitel 2 werden Grundlagen und Definitionen zu Persönlichkeitstests sowie ihren Gütekriterien angeboten, was vor allem Lesern die nicht mit der Materie vertraut sind, den Zugang zu der komplexen Thematik erleichtern soll.

In Kapitel 3 werden zunächst allgemeiner Nutzen und Methoden zur Durchführung einer Arbeitsplatzanalyse erläutert, bevor anhand verschiedener Studien das Makroumfeld sowie Schlüsselkompetenzen und Persönlichkeits­merkmale erfolgreicher Vertriebler und Manager beschrieben werden.

In Kapitel 4 werden Bekanntheitsgrad, Einsatzhäufigkeit, Anwendungsgebiete sowie potenzielle Fehlerquellen und Risiken von Persönlichkeitstests erläutert oder anhand von Studien aufgezeigt. Am Ende des Kapitels werden die Gründe benannt, welche den Autor dazu bewogen haben, im weiteren Verlauf der Arbeit die zwei Persönlichkeitstests Insights MDI by Scheelen und DISG detaillierter zu betrachten.

In Kapitel 5 findet zunächst eine Vorstellung von Hintergrund, Methodik und Durchführung von Insights MDI by Scheelen und DISG statt. Im Anschluss hieran ,werden die beiden Testverfahren anhand der in Kapitel 2 vorgestellten Gütekriterien untersucht, hierfür werden verschiedene Autoren und Studien herangezogen.

In Kapitel 6 wird das abschließende Fazit bezüglich der allgemeinen Eignung von Persönlichkeitstests zur Bewerberauswahl und für Vertrieb und Management im speziellen gezogen. Im letzten Abschnitt dieser Arbeit wird eine Prognose darüber getroffen, wie sich die Märkte aufgrund der bereits heute sichtbaren Indikatoren in Zukunft entwickeln könnten und welche Veränderungen dies für Personalauswahl und –entwicklungsprozesse zur Folge haben dürfte.

2 Grundlagen/Definitionen - Psychologische Testverfahren

2.1 Allgemeiner Teil

Psychologische Testverfahren können grob in Leistungs- und Persönlichkeitstests unterteilt werden, zu den bekanntesten Leistungstests gehört der Allgemeine Intelligenztest. Sie werden eingesetzt, um Informationen über typisches Verhal­ten, Fähigkeiten, Fertigkeiten und Eigenschaften eines Bewerbers zu erhalten. Fast alle Testverfahren sind standardisiert und können sowohl in Papierform als auch computergestützt durchgeführt werden.[1]

2.2 Leistungstests

Durch Leistungstests kann eine Aussage über allgemeine oder spezielle Fähigkeiten und Fertigkeiten einer Testperson getroffen werden. Zu der Gruppe der Leistungstests gehören z.B. Intelligenztests, Intelligenzstrukturtests, Konzentrationstests und Tests zur Messung von sensorischen sowie motorischen Fähigkeiten. Gemeinsam ist allen Leistungstests, dass sie die maximale Leistungsfähigkeit einer Testperson in vorher definierten Bereichen feststellen. Hierfür erhält der Bewerber Aufgaben bzw. Problemstellungen, welche er in einer vorgegebenen Zeit lösen muss.[2]

Im Gegensatz zu Persönlichkeitstests gibt es bei Leistungstests ein im logischen Sinne „richtiges“ oder „falsches“ Ergebnis. Die Ergebnisse von Leistungstests können von Bewerbern nicht künstlich nach oben „verbessert“ werden, da sie nicht mehr als das für sie maximal mögliche Ergebnis erzielen können.[3] Dies und ihr hoher Grad an Standardisierung führen zu guten Werten hinsichtlich der Kriterien Validität, Objektivität und Reliabilität.[4] In der Regel besitzen Leistungstests eine hohe soziale Akzeptanz bei Bewerbern, da die Erwartungen an sie sehr klar definiert sind und das Ergebnis unabhängig von der Interpretation durch Beobachter ist.[5]

2.3 Persönlichkeitstests

2.3.1 Allgemeiner Teil

Mit Persönlichkeitstests sollen entweder die gesamte Persönlichkeit einer Testperson oder vorher definierte Ausschnitte ihrer Persönlichkeit mittels Fragebögen zur Selbstbeschreibung sichtbar gemacht werden, um daraus im nächsten Schritt eine Schlussfolgerung auf ihr wahrscheinliches zukünftiges Verhalten zu ziehen. Persönlichkeitstests werden in der Literatur häufig in Typologische Testverfahren und die Multidimensionale Testverfahren unterteilt, siehe Abschnitt 2.3.2 und 2.3.3.[6]

Bei den meisten in der Personalauswahl eingesetzten Persönlichkeitstests wird das so genannte Eigenschaftsparadigma unterstellt. Dieses betrachtet die Persönlichkeit als Summe bzw. Korrelat der individuellen, für eine Person „charakteristischen“ Eigenschaften. Es wird ein Zusammenhang zwischen be­obachtbarem Verhalten und der Persönlichkeit bzw. bestimmten Persönlichkeits­merkmalen einer Person hergestellt. Verhalten wird also durch Persönlichkeits­eigenschaften beeinflusst, jedoch nicht determiniert. Aus längerfristig stabilem, in diversen Situationen beobachtbarem Verhalten werden Rückschlüsse auf die für einen Menschen typischen Eigenschaften gewonnen.[7] So wird jemandem, der sich in verschiedensten Situationen eher ängstlich Verhalten hat, die Eigenschaft „ängstlich“ zugeordnet, in künftigen Situationen erwarten andere Menschen von dieser Person also eher ein solches Verhalten.

2.3.2 Typologische Testverfahren

Diese Testverfahren werten die Antwortmuster der Testperson aus und ordnen ihn einem bestimmten Persönlichkeitstypus zu. Jedem Typus sind bestimmte Eigen­schaftsmerkmale zugeordnet, durch die sein generelles Denken, Fühlen und Handeln prognostiziert werden soll. Die typologischen Testverfahren treffen ihrer generellen, die gesamte Person erfassenden Natur nach keine Aussage über Ver­halten in einer konkreten Umgebung bzw. Situation, sondern über zentrale all­gemeine Verhaltensmuster einer Person. Die Testergebnisse enthalten in der Regel keine Wertung, da alle Persönlichkeitstypen als gleichrangig angesehen werden.[8]

2.3.3 Multidimensionale Testverfahren

Im Gegensatz zu den typologischen Tests untersuchen multidimensionale Testver­fahren nur Teilaspekte einer Persönlichkeit, diese aber in größerer Tiefe und Breite. Hierfür werden zunächst die zentralen Eigenschaften für ein bestimmtes Feld definiert, z.B. Berufserfolg im Vertrieb. Im Anschluss hieran, vergleicht man diese im Wunschprofil zusammengefassten „Schlüsseleigenschaften“ mit den Ergebnissen einer Testperson. Das multidimensionale Testverfahren wird wie typologische Testverfahren auch, mittels eines Fragen-kataloges durchgeführt, in welchem die Testperson sich selbst beschreiben soll, indem sie aus vorgegebenen Antwortmöglichkeiten bestimmte auswählt bzw. Ranglisten bildet.[9]

2.4 Gütekriterien diagnostischer Auswahlverfahren

2.4.1 Allgemeiner Teil

Bei Testgütekriterien handelt es sich um die elementaren Qualitätsmerkmale standardisierter Testverfahren. Sie geben dem potenziellen Verwender von Test­verfahren Auskunft darüber, inwieweit ein Testverfahren den wissenschaftlichen Anforderungen genügt. Zusätzlich werden unterschiedliche Testverfahren durch diese einheitlichen Qualitätsmerkmale miteinander vergleichbar, was für den potenziellen Verwender eine gute Hilfe bei der Auswahlentscheidung für oder gegen den Einsatz bestimmter Testverfahren darstellt. In der Literatur wird in der Regel eine Unterscheidung zwischen den klassisch wissenschaftlichen Haupt­kriterien Objektivität, Reliabilität, Validität, Normierung und den eher praktisch relevanten Nebenkriterien soziale Akzeptanz, Wirtschaftlichkeit unterschieden.[10]

Bei der Betrachtung der Hauptkriterien sind auch vorhandene Wechselwirkungen zu berücksichtigen. Ein Testverfahren, das einen sehr geringen Wert in der Objektivität besitzt, kann keine ausreichende Reliabilität inne haben, da es den äußeren Rahmenbedingungen, Testleiter etc. zu viel Einfluss auf das Testergebnis einräumt. Es ist aber auch nicht gesagt, dass ein Testverfahren mit hohen Werten in der Reliabilität auch hinreichend valide ist, so könnte z.B. wiederholt, mit nahezu hundert Prozentiger Sicherheit, ein anderes Merkmal als das beabsichtigte gemessen werden.[11]

2.4.2 Hauptkriterien

2.4.2.1 Objektivität

Das Merkmal Objektivität trifft eine Aussage darüber, inwieweit das erzielte Ergebnis eines Testverfahrens unabhängig bzw. abhängig von der Person ist, welche das Verfahren anwendet. Ziel jedes Testverfahrens sollte es sein, einen möglichst hohen Wert an Objektivität zu erzielen, was ein großes Maß an Unabhängigkeit des Testergebnisses von der Person des Verwenders belegt. Besonders gute Objektivitätswerte erzielen computergestützte Testverfahren durch ihren hohen Grad an Standardisierung. Im Kontrast hierzu erzielen situative Verfahren wie z.B. das unstrukturierte Interview in der Regel sehr niedrige Objektivitätswerte. Die Objektivität wird mit einer Skala zwischen 0 und 1 angegeben, wobei 1 für eine hundertprozentige Objektivität, d.h. völlige Unab­hängigkeit des Ergebnisses vom Verwender, steht. Innerhalb der Objektivität wird zwischen der Durchführungs-, Auswertungs-, und Interpretationsobjektivität differenziert.

Die Durchführungsobjektivität misst, inwieweit die Rahmenbedingungen bei der Durchführung hinsichtlich z.B. Testmaterial, Einweisung, Raum, Zeit und Testleiter für alle Teilnehmer des Testverfahrens gleich sind. Bei der Aus­wertungsobjektivität wird untersucht, ob unterschiedliche Beobachter bzw. Auswerter zu gleichen oder zumindest ähnlichen Beurteilungen der Testergeb­nisse kommen. Ob Beurteiler bzw. Auswerter ein erzieltes Testergebnis gleich interpretieren bzw. dieselben Schlussfolgerungen daraus ziehen, wird mit der Interpretationsobjektivität gemessen.[12]

2.4.2.2 Validität

Ob und in welchem Maße ein Testverfahren tatsächlich die Merkmale misst, welche es zu messen angibt und inwieweit hieraus Rückschlüsse bzw. Prognosen für die berufliche Zukunft abgeleitet werden können, wird mit der Validität von Testverfahren angegeben. Die Validität kann als das bedeutendste Gütekriterium angesehen werden.[13] Die Gesamtvalidität setzt sich aus der Inhalts-, Konstrukt-, Kriteriums-, und Augenscheinvalidität zusammen. Die Inhaltsvalidität gibt an, ob ein Merkmal in ausreichender Breite und Tiefe gemessen wird.[14] Außerdem sagt sie etwas darüber aus, inwieweit die gestellten Fragen bzw. Aufgaben in Zusammenhang mit der zu besetzenden Stelle und den hier anfallenden Tätigkeiten stehen.

Bei der Konstruktvalidität soll eine Aussage darüber getroffen werden, ob ein Testverfahren tatsächlich das gewünschte Merkmal erfasst und nicht ein anderes. Zur Messung der Konstruktvalidität werden zunächst theoretische Annahmen über das zu untersuchende Merkmal aufgestellt, z.B. wird angenommen, dass zwischen dem Merkmal Durchhaltevermögen und Belastbarkeit eine höhere Korrelation besteht als zwischen den Merkmalen Durchhaltevermögen und Kreativität. Um dies zu überprüfen, werden verschiedene Testverfahren zur Messung der unterschiedlichen Merkmale durchgeführt und im Anschluss eine Auswertung der Korrelationen vorgenommen.[15]

Die Kriteriumsvalidität stellt den korrelativen Zusammenhang zwischen Test­ergebnissen und relevanten Außenkriterien dar. In der Regel wird hierfür als Kriterium der Berufserfolg genommen, welcher anhand von Leistungsbeurteilun­gen des Stelleninhabers und harten Erfolgskennwerten wie z.B. Gehalt, Verkaufszahlen, Fluktuationsrate etc. gemessen wird.

Dieser Vergleich zwischen der getroffenen Prognose aufgrund eines guten Testergebnisses und den tatsächlich erzielten Ergebnissen, ist natürlich nur zu einem späteren Zeitpunkt möglich. Beispielhaft könnte hier das Ergebnis eines Intelligenztests bei Ausbildungsbeginn und die erzielte Abschlussnote verglichen werden. Der Vollständigkeit halber soll an dieser Stelle auch die Augenschein­validität genannt werden, auch wenn es sich hier um kein wissenschaftliches Qualitätskriterium handelt. Die Augenscheinvalidität sagt aus, in welchem Maße ein Laie denkt erkennen zu können, welches Merkmal mit einem Testverfahren gemessen werden soll. Eine hohe Augenscheinvalidität hat in der Regel eine erhöhte soziale Akzeptanz von Testverfahren zur Folge.[16]

2.4.2.3 Reliabilität

Mit der Reliabilität wird die Präzision bzw. Messgenauigkeit eines Testverfahrens beschrieben. Negativ formuliert kann Reliabilität auch als die Fehlerquote innerhalb eines Untersuchungsganges ausgedrückt werden. Die Skala der Reliabilität reicht von 0 bis 1, wobei 1 für eine hundertprozentige Mess­genauigkeit steht, welche in der Praxis kaum zu erreichen ist.[17] Ab einem Wert von 0.7 wird die Reliabilität von Testverfahren als gut und ab einem Wert von 0.9 als sehr gut angegeben.[18]

Innerhalb der Reliabilität wird zwischen Interner Konsistenz, Paralleltest-Reliabilität und der Retest-Reliabilität unterschieden. Die interne Konsistenz wird sehr häufig durch Cronbach‘s Alpha angegeben, sie drückt aus, inwiefern Aufgaben bzw. Fragen innerhalb eines Testverfahrens tatsächlich dasselbe Merkmal messen. Mit der Paralleltest-Reliabilität wird ausgedrückt, in welchem Umfang zwei Varianten desselben Testverfahrens oder unterschiedlicher diagnos­tischer Instrumente das gleiche Merkmal mit demselben Schwierigkeitsgrad messen. Ein Wert größer 0.8 ist hier als hoch zu bezeichnen. Wie stabil ein Testverfahren hinsichtlich der Messung eines bestimmten Merkmals ist, wird durch die Retest-Reliabilität deutlich. Hierfür wird die Korrelation der Testergebnisse zum Zeitpunkt 1 mit denen zum Zeitpunkt 2 verglichen. Der Retest-Reliabilität kommt eine besonders hohe Bedeutung zu, da nur stabile Persönlichkeitsmerkmale für den Einsatz in Testverfahren von Nutzen sind, da hieraus Prognosen künftigen Verhaltens abgeleitet werden sollen. Ein Wert von 0.7 ist hier bereits als positiv zu bewerten.[19]

2.4.2.4 Normierung

Durch die Normierung von Testverfahren wird das Vergleichen des Ergebnisses eines Bewerbers mit seiner Peergroup ermöglicht. Erst durch dieses Bench­marking können von Testpersonen erzielte Ergebnisse bewertet und eingeordnet werden.[20] Beispielhaft soll hier der IQ eines Bewerbers herangezogen werden, wenn dieser fiktive Bewerber bei einem Intelligenztest einen IQ-Wert von 115 erreicht, ist dieses Ergebnis für sich alleine betrachtet nicht aussagekräftig. Erst durch Normierung mittels einer repräsentativen Stichprobe und der hieraus gewonnenen Erkenntnis, dass der durchschnittliche IQ-Wert von Bewerbern bei z.B. 100 liegt, kann ich das von dem fiktiven Bewerber erzielte Resultat von 115 als gut interpretieren.

2.4.3 Zusatzkriterien

2.4.3.1 Ökonomie/Wirtschaftlichkeit

Das Kriterium Wirtschaftlichkeit ist vor allem für den Verwender der Testverfahren relevant. Bei dieser Kosten-Nutzen-Relation geht es darum festzustellen, ob der gewonnene Nutzen eines Testverfahrens durch z.B. weniger Fehlentscheidungen bei der Bewerberauswahl und der hieraus resultierenden Ersparnis größer ist als die Kosten für Personal, Testmaterial etc., die aufgewendet werden mussten um den Test durchzuführen.[21]

2.4.3.2 Soziale Akzeptanz

Ein Testverfahren wird von dann als sozial akzeptiert betrachtet, wenn es von Testpersonen als fair, transparent und objektiv eingeschätzt wird, zusätzlich sollte für die Testperson der Zusammenhang mit dem Anlass erkennbar sein bzw. vorher erläutert werden. Die soziale Akzeptanz von Testverfahren wird für Unternehmen erstens durch die auf dem Arbeitsmarkt zunehmende Konkurrenz um die so genannten „Best Talents“ immer bedeutender, zweitens sind sich Unternehmen in immer stärkerem Maße darüber im Klaren, dass der Bewerber von heute ein potenzieller Kunde bzw. Verhandlungspartner von morgen ist. Aus diesen beiden Gründen ist ein von Bewerbern als fair wahrgenommener Auswahlprozess für langfristig orientierte Unternehmen von elementarer Wichtigkeit.[22]

2.5 Kompetenzen vs. Schlüsselqualifikationen

Als Kompetenzen werden situationsübergreifende Fähigkeiten und Fertigkeiten bezeichnet, die es einer Person ermöglichen, dass sie eigenständig mit komplexen, sich verändernden Situationen und Aufgaben umgehen kann bzw. in der Lage ist, diese erfolgreich zu bewältigen. Kompetenzen sind nur indirekt im Rahmen der konkreten Handlungsausführung einer Person sichtbar.[23] Zur besseren Messbarkeit bzw. Unterscheidbarkeit von verschiedenen Kompetenzniveaus ist es sinnvoll, diese in verschiedene Klassen bzw. Grade zu unterteilen, z.B. wird bei Sprachkompetenzen gemäß dem Europäischen Referenzrahmen zwischen sechs Stufen unterschieden. Für jede der sechs Stufen gibt es eine klare Vorgabe, welche Sprachfähigkeiten eine Person besitzen bzw. zeigen muss, um den jeweiligen Stufen zugeordnet werden zu können.[24] Der Vielzahl der existierenden Fähigkeiten und Fertigkeiten werden vier Kompetenzkategorien zugeordnet:

- Personale Kompetenz: Die Fähigkeit, durch produktive Selbstwahrnehmung, Motive und Werte reflektiert, eigenständig, und organisiert zu agieren.
- Aktivitäts- und Handlungskompetenz: Die Fähigkeit, die eigenen Kompetenzen zu aktivieren und das eigene Handeln auf Ziele, Pläne und Vorhaben auszurichten.
- Sozial-kommunikative Kompetenz: Die Fähigkeit, mit anderen zu kooperieren, sich auseinanderzusetzen und zu kommunizieren.
- Fach- und Methodenkompetenz: Die Fähigkeit, Probleme und Aufgabenstellungen durch den Einsatz von fachlichem Know-How eigenständig zu lösen.[25]

In Abgrenzung zu den Kompetenzen, welche eher allgemein Fähigkeiten, Fertig­keiten bzw. Dispositionen einer Person beschreiben, sind mit Schlüsselqualifika­tionen solche Fertigkeiten und Verhaltensweisen beschrieben, die für die erfolg­reiche Bewältigung beruflicher Situationen und Aufgaben elementar wichtig sind.[26]

Verdeutlicht werden soll diese begriffliche Abgrenzung an folgendem Beispiel: eine Person, die das fachliche Wissen besitzt, welches nötig ist um eine andere Person auf Englisch zu begrüßen, dies aber aus Angst oder Unsicherheit dann doch nicht tun kann, hat zwar Wissen erworben, besitzt jedoch noch nicht die Kompetenz tatsächlich auf Englisch zu kommunizieren. Dies kann an mangelnder Fähigkeit oder mangelndem Willen zur konkreten Umsetzung liegen. Eine Schlüsselqualifikation würde vorliegen, wenn es sich bei der Person in dem Beispiel um einen Bewerber für die Stelle eines international tätigen Reiseleiters oder Dolmetschers handeln würde. Hier wird die allgemeine Kompetenz Englisch sprechen zu können in konkreten beruflichen Bezug gebracht.

3 Arbeitsplatzanalyse/Anforderungsprofil

3.1 Begriff und Nutzen

Um eine valide Bewerberauswahlentscheidung treffen zu können, ist es in Zeiten einer durch technologische Innovationen, Globalisierung und dynamische Märkte stark verkürzten Haltbarkeit von Fachkompetenzen und -wissen von zentraler Bedeutung, dass Bewerber neben fachlichen Qualifikationen wie Sprach­kenntnissen etc. in besonderem Maße hinsichtlich ihrer überfachlichen Kompetenzen und Qualifikationen sowie der dahinter liegenden Persönlich-keitseigenschaften und Werte getestet und selektiert werden.

Eine detaillierte Arbeitsplatzanalyse stellt daher das Fundament des gesamten Bewerberauswahlprozesses dar. Ohne die mittels Arbeitsplatzanalyse gewonnene Klarheit darüber, welche Anforderungen Unternehmen und Stelle hinsichtlich Rahmenbedingungen und Aufgabenstellungen mit sich bringen, können Personalauswahlinstrumente nicht wirksam eingesetzt werden, um den oder die bestmöglichen Kandidaten aus einer Vielzahl von Bewerbern zu wählen.

Bei einer Arbeitsplatzanalyse, handelt es sich um die systematische Zusammenstellung der für das erfolgreiche Arbeiten auf einer Stelle relevanten Kriterien, Fähigkeiten und. Kompetenzen. Zusätzlich schafft eine Arbeitsplatz­analyse und das hieraus abzuleitende Anforderungsprofil Transparenz für potenzielle Bewerber: diese wissen hierdurch bereits im Vorfeld, was sie an Kompetenzen für eine Stelle mitbringen müssen und können so die Anforderungen mit ihrer Eigenwahrnehmung abgleichen. Auf diese Weise selektiert sich ein Teil der ungeeigneten bzw. unpassenden Kandidaten bereits im Vorfeld selber aus, was Unternehmen Zeit und Geld einspart.[27] Ein positiver Zusammenhang zwischen der Validität von Personalauswahlentscheidungen und dem vorherigen Durchführen einer Arbeitsplatzanalyse ist empirisch belegt.[28] Die Abb. 1 stellt den „Prozess der Bewerberauswahl“ unter Durchführung einer Arbeitsplatzanalyse schematisch dar.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 1: Prozess der Bewerberauswahl

(Quelle: Eigene Darstellung)

Im ersten Schritt des Prozesses wird eine Arbeitsplatzanalyse für die zu besetzende Stelle durchgeführt. Ein tabellarischer Überblick verschiedener Methoden die hierfür zur Verfügung stehen, wird in Abschnitt 3.2. gegeben. Aus der Arbeitsplatzanalyse können im nächsten Schritt die für die Stelle benötigten fachlichen als auch überfachlichen Schlüsselqualifikationen und Kompetenzen abgeleitet werden.

Sofern Unternehmens-, Führungs-, und Verhaltenskodex vorhanden sind, sollten hieraus zusätzlich zu den speziell für eine Stelle relevanten Schlüssel­qualifikationen und Kompetenzen weitere abgeleitet werden.[29]

Im dritten Schritt wird das Anforderungsprofil der zu besetzenden Stelle zusammengestellt. Hiernach können die zur Messung der im Anforderungsprofil festgelegten Faktoren am besten geeigneten Instrumente ausgewählt und eingesetzt werden. Am Ende des Auswahlverfahrens werden einer oder mehrere Bewerber ausgewählt. Sollte kein passender Kandidat identifiziert worden sein, wird der Selektionsprozess mit anderen Bewerbern wiederholt.

3.2 Methoden Arbeitsplatzananalyse

Nachdem wir im ersten Abschnitt dieses Kapitels den Nutzen der Arbeitsplatzanalyse im Kontext der Bewerberauswahl beleuchtet haben, soll dieser Abschnitt einen Überblick der gängigsten Methodiken zur Durchführung einer Arbeitsplatzanalyse geben. In der folgenden Tabelle 1, werden diese Methoden dazu kurz beschrieben und ihre wichtigsten Vor- und Nachteile aufgeführt.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Tabelle 1: Methoden zur Erstellung der Arbeitsplatzanalyse

(Quelle: Kahlke, Schmidt (2004) S. 41ff.)

3.3 Anforderungsprofil - Vertriebsmitarbeiter

3.3.1 Makroumfeld Vertrieb

Dynamische Rahmenbedingungen und Märkte in denen Unternehmen agieren, wirken auf deren Vertriebsbereiche, welche als Schnittstelle zwischen Unter­nehmen und Kunden fungieren. In diesem Abschnitt wird daher als erstes ein Überblick der wichtigsten Indikatoren von aktuellen Veränderungsprozessen gegeben. Im Anschluss werden die hieraus abzuleitenden Auswirkungen auf die künftigen Anforderungsprofile von Vertriebsmitarbeitern vorgestellt.

Um dem immer stärker werdenden internationalen Wettbewerb und Kostendruck begegnen zu können, haben Unternehmen in den letzten Jahren große Anstren­gungen unternommen, um ihre Produktivitäten zu steigern. Vor allem in den Bereichen der Verwaltung und Produktion hat dies zu gravierenden Um­strukturierungen, Verlagerungen und Verschlankungen des Personals geführt. Ein ähnlicher Prozess darf jetzt für den Vertriebsbereich erwartet werden.[30]

In der Kombination mit immer weiter steigenden Leistungserwartungen der Kunden, spricht Homburg in diesem Zusammenhang von der „ Leistungszange[31], in der sich Vertriebsmitarbeiter zukünftig wiederfinden werden. Hiermit be­schreibt er eine Situation, in der weniger Ressourcen konstant mehr und bessere Leistung erbringen sollen, gelingt dies nicht in ausreichendem Maße, besteht für Unternehmen das Risiko der Kundenfluktuation, da deren Erwartungen nicht mehr erfüllt sind.[32]

Ein weiterer Indikator ist die Abkehr vom Verkauf einzelner Produkte oder Dienstleistungen hin zu komplexen Leistungsbündeln. Der einzelne Vertriebs-mitarbeiter wird zukünftig oftmals nicht in der Lage sein, sich alle für das gesamte Leistungsbündel benötigten Fachkenntnisse anzueignen. Diese Tendenz wird eine viel umfangreichere Teamarbeit in den Vertriebsbereichen erfordern, als es bisher der Fall ist.[33]

In der immer stärker voranschreitenden Technologisierung des Vertriebsumfeldes sieht Maas einen weiteren Trend, welcher sich auf die zukünftigen Aufgaben und Anforderungen an Vertriebler auswirkt.[34] Bei immer homogenerer Qualität von Produkten und Dienstleistungen werden die Mitarbeiter eines Unternehmens ein immer bedeutenderer Einflussfaktor für den Kunden, hier allen voran die Vertriebsmitarbeiter zu welchen in der Regel der häufigste Kontakt besteht.

[...]


[1] Vgl. Eilles-Matthiessen, el Hage, Janssen, Osterholz (2002), S. 60ff.; Vgl. Goth (2009), S. 69f.

[2] Vgl. Goth (2009), S. 72.

[3] Vgl. Möller (2009) S. 12.

[4] Vgl. Eilles-Matthiessen, el Hage, Janssen, Osterholz (2002), S. 59f.

[5] Vgl. Eilles-Matthiessen, el Hage, Janssen, Osterholz (2002), S. 46f.

[6] Vgl. Goth (2009) S. 71f.

[7] Vgl. Asendorpf (2009) S. 13ff.; Vgl. Hossiep, Mühlhaus (2005) S. 15ff.

[8] Vgl. Hossiep, Mühlhaus (2005) S.1.; Vgl. Goth (2009), S. 71.

[9] Vgl. Hossiep, Mühlhaus (2005) S.1f.; Vgl. Goth (2009), S. 71.

[10] Vgl. Eilles-Matthiessen, el Hage, Janssen, Osterholz (2002), S. 40. ; Vgl. Goth (2009), S. 84.

[11] Vgl. Möller (2009) S. 23f.

[12] Vgl. Eilles-Matthiessen, el Hage, Janssen, Osterholz (2002), S. 40f.; Vgl. Goth (2009), S. 85.

[13] Vgl. Eilles-Matthiessen, el Hage, Janssen, Osterholz (2002), S. 45.

[14] Vgl. Goth (2009), S. 86.

[15] Vgl. Eilles-Matthiessen, el Hage, Janssen, Osterholz (2002), S. 45.

[16] Vgl. Goth (2009), S. 86f.

[17] Vgl. Eilles-Matthiessen, el Hage, Janssen, Osterholz (2002), S. 43.

[18] Vgl. Goth (2009), S. 86.

[19] Vgl. Eilles-Matthiessen, el Hage, Janssen, Osterholz (2002), S. 44.

[20] Vgl. Goth (2009), S. 87.

[21] Vgl. Möller (2009) S. 20.; Vgl. Eilles-Matthiessen, el Hage, Janssen, Osterholz (2002), S. 47.

[22] Vgl. Eilles-Matthiessen, el Hage, Janssen, Osterholz (2002), S. 46f.

[23] Vgl. Stulle (2009), S. 25.

[24] Vgl. Universität Paderborn (o.A.).

[25] Vgl. Erpenbeck, von Rosenstiel (2003) S. XVI.

[26] Vgl. Eilles-Matthiessen, el Hage, Janssen, Osterholz (2002) S. 13

[27] Vgl. Kahlke, Schmidt (2004) S. 27ff.

[28] Vgl. Kahlke, Schmidt (2004) S. 38f.

[29] Vgl. Stulle (2009) S. 23.

[30] Vgl. Belz (1999) S. 33f; Vgl. Homburg, Schäfer, Schnieder (2010) S. 1ff.

[31] Homburg, Schäfer, Schneider (2010) S. 5.

[32] Vgl. Homburg, Schneider, Schäfer (2010) S. 1ff.

[33] Vgl. Homburg, Schneider, Schäfer (2010) S. 133f.

[34] Vgl. Maas (2004) S. 13f.

Details

Seiten
Erscheinungsform
Erstausgabe
Jahr
2012
ISBN (PDF)
9783955496807
ISBN (Paperback)
9783955491802
Dateigröße
345 KB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Frankfurt University of Applied Sciences, ehem. Fachhochschule Frankfurt am Main
Erscheinungsdatum
2015 (Februar)
Note
1,2
Schlagworte
Insights MDI MDI DISG Personalauswahl Personalentscheidung Bewerberauswahl

Autor

Olaf Höser, B.A., wurde 1979 in Usingen, nahe Frankfurt am Main, geboren. In seiner Position als Leiter des Frankfurter Vertriebscenters eines renommierten Finanzdienstleisters war er täglich mit Prozessen der Personalauswahl und -entwicklung konfrontiert. Seit knapp 10 Jahren beschäftigt er sich mit den hierfür zur Verfügung stehenden Instrumenten. Seitdem er sein Bachelorstudium mit dem Schwerpunkt Human-Resource-Management an der University of Applied Sciences in Frankfurt am Main abgeschlossen hat, ist er für einen mittelständischen Personaldienstleister tätig. Zurzeit absolviert er ein Masterstudium mit den Schwerpunkten Strategic Management und International Human-Resource-Management an der Justus-Liebig- Universität Gießen.
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