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Hörgeräte und Rollstühle als Armutsrisiko für Behinderte: Lösungen im gegliederten System der Rehabilitation

©2013 Bachelorarbeit 64 Seiten

Zusammenfassung

Das Buch beinhaltet ein komplexes juristisches Problem aus dem Bereich des Sozialversicherungsrechts, das über den bundesdeutschen Normenkomplex mit einer Vielzahl von internationalen Regelungen verquickt ist.
Die Arbeit gliedert sich neben einer kurzen Einführung, in der die aktuelle Rechtslage sowie valides Zahlenmaterial präsentiert und die Problemstellung erläutert wird, in drei Kapitel. Im Hauptteil der Arbeit werden zunächst die relevanten Begrifflichkeiten sowie die gesetzlichen Regelungen aus dem Bereich der Hilfsmittelversorgung dargestellt. Sodann wird die Komplexität der gesetzlichen Regelungen im Hinblick auf die Leistungsträgerschaft der Rehabilitationsträger dargelegt und der Umfang sowie Divergenzen bezüglich des Leistungsumfangs werden aufgezeigt.
In einem weiteren Punkt des Hauptteils werden die gesetzlichen Vorgaben zur Zuständigkeitserklärung der jeweiligen Leistungsträger erörtert und kritisch die Gegebenheiten der Leistungsgewährung in der Praxis beleuchtet. Ergänzend werden die Innenregressansprüche zwischen den erst- und zweitrangig verpflichteten Leistungsträgern beschrieben und Erstattungsansprüche der Leistungsempfänger für den Bereich selbstbeschaffter Leistungen diskutiert.
Das anschließende Kapitel der Arbeit problematisiert die konkreten Ausführungen der Leistungen zur Teilhabe anhand der persönlichen Budgets, den gemeinsamen Servicestellen sowie der UN-Behindertenkonvention. Hierbei werden die gesetzliche Ausgestaltung und die praktische Umsetzung systemkritisch dargestellt, Schwachstellen aufgezeigt und Defizite bei den Leistungsträgern sowie Schwierigkeiten bei der Durchsetzung für die Betroffenen benannt.
Im abschließenden Kapitel der Arbeit werden zusammenfassend die gesetzlichen Regelungen und Zielvorgaben erarbeitet und Verbesserungsvorschläge sowohl in rechtlicher wie auch in betriebswirtschaftlicher Hinsicht gewürdigt.

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


3
2. Allgemeine Regelungen
2.1. Selbstbestimmung und Teilhabe am Leben in der Gesellschaft
Gründe für die Einführung des SGB IX, das am 01. Juli 2001 in Kraft trat, waren neben
der im Jahr 1994 stattgefundenen Aufnahme des Satzes 2 im Artikel 3 Abs. 3 GG, dass
niemand wegen seiner Behinderung benachteiligt werden darf, sowohl die Koalitions-
vereinbarung der Regierungsparteien vom 20. Oktober 1998, nach der ,,alle
Anstrengungen zu unternehmen sind um die Selbstbestimmung und gleichberechtigte
gesellschaftliche Teilhabe von Menschen mit Behinderungen zu fördern und dem im
GG verankerten Benachteiligungsverbot für behinderte Menschen Geltung zu
verschaffen", als auch den am 19. Mai 2000 vom Deutschen Bundestag einstimmig
angenommenen interfraktionellen Entschließungsantrag ,,Die Integration von Menschen
mit Behinderungen ist eine dringliche politische und gesellschaftliche Aufgabe".
18
Allerdings zeigt die Erfahrung nach zehn Jahren SGB IX, dass es noch immer
zahlreiche Unstimmigkeiten zwischen den Rehabilitationsträgern gibt.
19
Teilweise sind
die Rehabilitationsträger der Auffassung, dass vor allem die Grundsätze der Teilhabe
und des Wunsch- und Wahlrechts nicht zu berücksichtigen sind.
20
Nicht selten muss die
rechtsprechende Gewalt per Urteil die Kostenträgerschaft festlegen.
21
So weisen
Krankenkassen Versichertenanträge sowohl zur Versorgung mit Heil- und Hilfsmitteln
als auch für die Gewährung von Kuren komplett zurück, ohne dabei die Vorgaben des
SGB IX zum Wunsch- und Wahlrecht, zu Fristen oder zur Weiterleitung von Anträgen
zu beachten.
22
2.2 Behinderung
Eine Behinderung gem. § 2 SGB IX liegt vor, wenn körperliche Funktionen, geistige
Fähigkeiten oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als 6
17
Vgl. http://dipbt.bundestag.de/dip21/btd/17/079/1707951.pdf, Stand 05.03.2012, S. 3
18
Vgl. http://dipbt.bundestag.de/dip21/btd/14/050/1405074.pdf, Stand 08.03.2012, S. 92
19
Vgl. http://dipbt.bundestag.de/dip21/btd/17/079/1707951.pdf, Stand 05.03.2012, S. 3
20
Vgl. ebd., S. 3 - 4
21
Vgl. ebd., S. 4
22
Vgl. ebd.

4
Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher die
Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist.
23
Eine drohende Behinderung
liegt vor, wenn mit einer Beeinträchtigung zu rechnen ist.
24
Die WHO dagegen versteht
unter Behinderung insbesondere eine beeinträchtigte Teilhabe in einem Lebensbereich
aufgrund der wechselseitigen Beeinflussung zwischen der Umwelt und dem
gesundheits- und funktionalen Zustand einer Person.
25
Es gibt deshalb Forderungen einen neuen Behinderungsbegriff gemäß den Kriterien der
ICF der WHO und Artikel 1 Satz 2 der BRK wie folgt gesetzlich zu verankern: ,,Zu den
Menschen mit Behinderungen zählen Menschen, die langfristige körperliche, seelische,
geistige oder Sinnesbeeinträchtigungen haben, die in Wechselwirkungen mit ver-
schiedenen Barrieren ihre volle und wirksame Teilhabe gleichberechtigt mit anderen an
der Gesellschaft behindern können."
26
Im Sinne des SGB IX umfasst dies sowohl
pflegebedürftige Menschen als auch die Mehrzahl der chronisch Erkrankten.
27
Mit der
gesetzlichen Verankerung des neuen Behinderungsbegriffs würde dem Staat nicht mehr
die Fürsorge aufgrund von Defizitorientierung obliegen, sondern die Aufgabe
Behinderte zu befähigen und ihnen ein selbständiges und selbstbestimmtes Leben zu
ermöglichen.
28
2.3 Leistungsgruppen
§ 5 SGB IX definiert Teilhabeleistungen in Leistungen der medizinischen Rehabilita-
tion (§§ 26 - 32 SGB IX), Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben (§§ 33 - 43 SGB
IX), unterhaltssichernde und andere ergänzende Leistungen (§§ 44 - 54 SGB IX) und
Leistungen zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft (§§ 55 - 59 SGB IX).
29
Dass bei
der Einteilung in Leistungsgruppen zumindest die Leistungen zur Teilhabe am Leben in
der Gemeinschaft nachrangig sind gegenüber den Leistungen der medizinischen
23
Vgl. Hauck K./Noftz W., SGB IX (2012): § 2, Rn. 8
24
Vgl. ebd., Rn. 22
25
Vgl. Dau D./Düwell F./Haines H. (2009): § 2, Rn. 22
26
http://dipbt.bundestag.de/dip21/btd/17/078/1707889.pdf, Stand 05.03.2012, S. 2 - 3
27
Vgl. ebd., S. 3
28
Vgl. ebd., S. 7
29
Vgl. Hauck K./Noftz W., SGB IX (2012): § 5, Rn. 3

5
Rehabilitation, den Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben und den unterhalts-
sichernden und anderen ergänzenden Leistungen, zeigt der Wortlaut des § 55 SGB IX.
30
So entscheidet nicht der Leistungsgegenstand, ob Hilfsmittel den Leistungen der
medizinischen Rehabilitation oder den Leistungen zur Teilhabe am Leben in der
Gemeinschaft zugeordnet werden können, sondern der Zweck der Leistung.
31
Konkret
ist nicht der Hilfsmittelbegriff maßgebend, sondern vielmehr welche Bedürfnisse mit
dem Hilfsmittel erfüllt werden sollen.
32
Beispielhaft handelt es sich bei einem Hörgerät
auch um ein Hilfsmittel nach § 55 Abs. 2 Nr. 1 SGB IX, da die für das Hören
grundlegende Voraussetzung die Kommunikation ist, die wesentlicher Bestandteil der
Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft ist.
33
Das Hörgerät sichert deshalb neben der
medizinischen Rehabilitation und der Teilhabe am Arbeitsleben zudem die voll-
kommene Teilhabe am gemeinschaftlichen und kulturellen Leben und damit die
Möglichkeit des kompletten Zugangs zur Gesellschaft.
34
2.3.1 Leistungen zur medizinischen Rehabilitation
Die Leistungen zur medizinischen Rehabilitation umfassen u.a. gem. § 26 Abs. 2 Nr. 6
SGB IX Hilfsmittel, die in § 31 SGB IX definiert sind.
35
Der Hilfsmittelbegriff nach §
31 SGB IX ist eine Zusammenfassung u.a. der gesetzlichen Vorschriften in den
Leistungsbereichen SGB V, SGB VII und BVG.
36
Sofern über die medizinische Not-
wendigkeit hinaus ein Hilfsmittel benötigt wird, sind die Mehrkosten vom Hilfsmittel-
empfänger zu tragen.
37
Auch ist gem. § 9 SGB IX bei der Hilfsmittelgewährung den
berechtigten Wünschen der Leistungsberechtigten zu entsprechen; sofern bei gleicher
Wirksamkeit wirtschaftlich zumindest eine gleichwertige Ausführung möglich ist,
können stattdessen auch Geldleistungen gewährt werden.
38
30
Vgl. ebd., § 55, Rn. 19
31
Vgl. Palsherm I. (2011) S. 137
32
Vgl. Urteil des BSG, 8. Senat, Urteil vom 19.5.2009, Az: B 8 SO 32/07 R, Rn. 17
33
Vgl. Urteil des BSG, 8. Senat, Urteil vom 19.5.2009, Az: B 8 SO 32/07 R, Rn. 18
34
Vgl. ebd.
35
Vgl. Dau D./Düwell F./Haines H. (2009): § 26, Rn. 15
36
Vgl. ebd., § 31, Rn. 3
37
Vgl. ebd., Rn. 19
38
Vgl. Cramer H./Fuchs H./Hirsch S./Ritz G. (2011): § 31, Rn. 20 - 22

6
Die Versorgung mit Hilfsmitteln umfasst gem. § 31 Abs. 2 Satz 1 SGB IX zudem
Änderung, Instandhaltung, Ersatzbeschaffung sowie die Ausbildung im Gebrauch eines
Hilfsmittels.
39
Generell war die Absicht des Gesetzgebers die in den unterschiedlichen
Gesetzen enthaltenen Normen mit dem Hilfsmittelbegriff in der medizinischen
Rehabilitation zusammenzufassen.
40
Dabei leitet sich der Hilfsmittelbegriff des SGB
IX von verschiedenen obergerichtlichen Urteilen zum Hilfsmittelbegriff nach dem SGB
V ab, wonach die Befriedigung von Grundbedürfnissen des täglichen Lebens vorder-
gründig ist.
41
Die Grundbedürfnisse des täglichen Lebens umfassen das Gehen, Stehen,
Greifen, Sehen, Hören, das Nahrungsaufnehmen, Ausscheiden, Körperpflege,
selbständiges Wohnen und das Erschließen eines gewissen körperlichen und geistigen
Freiraumes.
42
In Abgrenzung des Hilfsmittelbegriffs gem. § 31 SGB IX zu einzelnen Leistungs-
gesetzen besteht bei Hilfsmitteln für den Bereich der gesetzlichen UV gem. § 31 SGB
VII und nach §§ 11 Nr. 8, 13 BVG keine Beschränkung auf die Grundbedürfnisse.
43
Während Hilfsmittel der UV den Erfolg der Heilbehandlung zu sichern oder die Folgen
von Gesundheitsschäden zu mildern oder auszugleichen haben, ist für die Opfer des
Krieges nach dem BVG in Verbindung mit § 18 OrthV darüber hinaus vorgesehen die
Folgen der Behinderung zu erleichtern.
44
Hilfsmittel nach § 31 SGB IX sind Körperersatzstücke sowie orthopädische Hilfsmittel
und andere Hilfsmittel wie beispielsweise Hörgeräte, Krankenfahrstühle und andere
Mobilitätshilfen.
45
Körperersatzstücke wie insbesondere Kunstglieder, Kunstaugen,
Zahnersatz und andere künstliche Körperteile wie Arm- und Beinprothesen haben die
Aufgabe ein verlorengegangenes oder funktionsunfähiges Körperteil komplett zu
ersetzen.
46
Im Gegensatz hierzu helfen orthopädische Hilfsmittel wie Bruchbänder und
orthopädische Schuhe bei der Behandlung und Versorgung des Stütz- und Bewegungs-
39
Vgl. Hauck K./Noftz W., SGB IX (2012): § 31, Rn. 32
40
Vgl. Hauck K./Noftz W., SGB IX (2012): § 31, Rn. 5
41
Vgl. ebd.
42
Vgl. Urteil des BSG, 3. Senat, Urteil vom 3.11.1999, Az: B 3 KR 16/99, Rn. 16
43
Vgl. Hauck K./Noftz W., SGB IX (2012): § 31, Rn. 16
44
Vgl. ebd.
45
Vgl. ebd., Rn. 4
46
Vgl. ebd.

7
apparates.
47
So kann damit entweder die funktionale Unterstützung vorhandener aber
fehlgebildeter Körperteile übernommen oder diese in ihre natürliche Form oder Lage
gebracht werden.
48
2.3.2 Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben
Der Begriff der ,,Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben", der im SGB IX nicht näher
definiert ist, tritt an die Stelle der ,,Förderung der beruflichen Eingliederung".
49
Vielmehr werden im § 33 Abs. 1 SGB IX Aufgaben und Ziele des Leistungsrechts
umschrieben.
50
So ist Ziel der Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben die Erbringung
der erforderlichen Leistungen, um die Erwerbsfähigkeit behinderter oder von Behinde-
rung bedrohter Menschen entsprechend ihrer Leistungsfähigkeit zu erhalten, zu
verbessern, herzustellen oder wiederherzustellen und ihre Teilhabe am Arbeitsleben
möglichst auf Dauer zu sichern.
51
Die volle Teilhabe am Arbeitsleben kann erreicht
werden u.a. mit Hilfen zur Erhaltung oder Erlangung eines Arbeitsplatzes (§ 33 Abs. 3
Nr. 1 SGB IX) oder mit sonstigen Hilfen zur Förderung der Teilhabe am Arbeitsleben
um behinderten Menschen eine angemessene und geeignete Beschäftigung oder eine
selbstständige Tätigkeit zu ermöglichen und zu erhalten (§ 33 Abs. 3 Nr. 6 SGB IX).
52
Die Kosten für Hilfsmittel und technische Arbeitshilfen nach § 33 Abs. 8 SGB IX, die
von den Leistungen der §§ 33 Abs. 3 Nr. 1 und 6 SGB IX umfasst sind, können als
Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben insbesondere im Rahmen eines bestehenden
Arbeitsverhältnisses erbracht werden.
53
In der Konsequenz besteht eine Kostenüber-
nahmepflicht, wenn die Hilfsmittelversorgung ausschließlich aus beruflichen Gründen
in der Person des Hilfebedürftigen notwendig ist; Grundlage ist jeweils der Arbeits-
platz.
54
So handelt es sich bei einem notwendigen Rollstuhl ausschließlich für ein
47
Vgl. ebd.
48
Vgl. Hauck K./Noftz W., SGB IX (2012): § 31, Rn. 4
49
Vgl. Deinert O./Neumann V. (2009): § 11, Rn. 6
50
Vgl. ebd.
51
Vgl. Hauck K./Noftz W., SGB IX (2012): § 33, Rn. 5
52
Vgl. Cramer H./Fuchs H./Hirsch S./Ritz G. (2011): § 33, Rn. 5, 26, 55
53
Vgl. ebd., Rn. 5
54
Vgl. Hauck K./Noftz W., SGB IX (2012): § 33, Rn. 39

8
konkretes Praktikum im Rahmen eines Studiums um keine Leistung der KV, sondern
vielmehr um eine Maßnahme der beruflichen Eingliederung.
55
Für Hilfsmittel wegen Art und Schwere der Behinderung zur Berufsausübung, zur
Teilnahme an einer Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben oder zur Erhöhung der
Sicherheit auf dem Weg vom und zum Arbeitsplatz und am Arbeitsplatz gem. § 33 Abs.
8 Nr. 4 SGB IX werden die Kosten von den Trägern der Leistungen zur Teilhabe am
Arbeitsleben nur dann übernommen, wenn keine Verpflichtung des Arbeitgebers oder
eines Trägers von Leistungen zur medizinischen Rehabilitation besteht.
56
So handelt es
sich beispielweise sowohl bei den Kosten für Sitzhilfen (sog. Arthrodesenstühle), die im
Einzelfall zur Ausübung einer bestimmten Tätigkeit an einem konkreten Arbeitsplatz
notwendig sind, als auch bei den Mehrkosten für orthopädische Zurichtungen von
Arbeits- oder Arbeitssicherheitsschuhen um Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben.
57
Die Kosten technischer Arbeitshilfen, die wegen Art oder Schwere der Behinderung zur
Berufsausübung erforderlich sind, werden gem. § 33 Abs. 8 Nr. 5 SGB IX als
Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben übernommen.
58
Hierzu zählen Maßnahmen
der behindertengerechten Arbeitsplatzgestaltung (z. B. orthopädischer Bürostuhl) oder
maschinelle Einrichtungen am Arbeitsplatz (z. B. Großschriftdarstellung für
Sehbehinderte, Schreibtelefone für Gehörlose), bauliche Veränderungen (z. B. Rampen
für Rollstuhlfahrer, Verbreitung von Türen und Durchgängen, behinderungsgerechte
Ausstattung von Sozial- und Sanitärräumen) und Einrichtungen, die den Weg zum
Arbeitsplatz bewältigen helfen (z. B. Personenaufzüge).
59
Daneben sind Arbeitgeber gem. § 81 Abs. 4 Nr. 4 SGB IX gegenüber schwer-
behinderten Menschen verpflichtet sowohl für eine behinderungsgerechte Einrichtung
und Unterhaltung der Arbeitsstätte zu sorgen als auch gem. § 81 Abs. 4 Nr. 5 SGB IX
die Ausstattung des Arbeitsplatzes mit den erforderlichen technischen Arbeitshilfen
55
Vgl. Urteil des BSG, 3. Senat, Urteil vom 08.03.1990, Az: 3 RK 13/89
56
Vgl. Hauck K./Noftz W., SGB IX (2012): § 33, Rn. 38
57
Vgl. Cramer H./Fuchs H./Hirsch S./Ritz G. (2011): § 33, Rn. 80, 87 - 88
58
Vgl. Hauck K./Noftz W., SGB IX (2012): § 33, Rn. 40
59
Vgl. ebd.

9
vorzunehmen.
60
Jedoch sind hier Arbeitgeber gegenüber den Rehabilitationsträgern ­
mit Ausnahme bei Zuständigkeit der BA ­ nachrangig zuständig.
61
Sofern allerdings die
Betriebsausstattung mehreren behinderten Arbeitnehmern zugute kommen, scheidet die
Übernahme dieser Kosten durch die Rehabilitationsträger aus; vielmehr kann der
Arbeitgeber hier gem. § 102 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2a SGB IX vom Integrationsamt
Geldleistungen zur behinderungsgerechten Einrichtung von Arbeits- und Ausbildungs-
plätzen für schwerbehinderte Menschen erhalten.
62
Sofern behinderte Arbeitnehmer
Hilfsmittel bei jeder Art von Tätigkeit benötigen, betreffen sie den alltäglichen Bedarf
und sind nach § 26 Abs. 2 Nr. 6 SGB IX von der zuständigen Krankenkasse zu tragen.
63
2.3.3 Leistungen zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft
Leistungen zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft gem. § 55 Abs. 1 SGB IX
haben die Aufgabe den behinderten Menschen die Teilhabe in der Gesellschaft zu
ermöglichen oder zu sichern oder sie soweit wie möglich unabhängig von Pflege zu
machen.
64
Dabei kommen Leistungen zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft nur
in Betracht, soweit das Behandlungsziel nicht durch vorrangige Leistungen zur
medizinischen Rehabilitation, zur Teilhabe am Arbeitsleben oder durch ergänzende
Leistungen erreicht wird.
65
Generell ist bei Leistungen zur Teilhabe am Leben in der
Gemeinschaft zu prüfen, ob diese notwendig sind und ob die angestrebte Teilhabe nicht
auch ohne oder sogar besser ohne Sozialleistungen einschließlich Hilfen zum
Lebensunterhalt und der Grundsicherung erreicht werden kann.
66
Viele Leistungen der Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft verweisen auf das
Fürsorgerecht mit seinen Einkommens- und Vermögensanrechnungsvorschriften.
67
Es
ist naheliegend, dass mit der Anrechnung von Einkommen und Vermögen eine
60
Vgl. Cramer H./Fuchs H./Hirsch S./Ritz G. (2011): § 34, Rn. 11
61
Vgl. ebd.
62
Vgl. ebd., Rn. 14
63
Vgl. ebd., Rn. 15
64
Vgl. Dau D./Düwell F./Haines H. (2009): § 55, Rn. 5
65
Vgl. ebd., Rn. 7
66
Vgl. ebd., Rn. 8
67
Vgl. http://www.isl-ev.de/attachments/article/654/Gesetz%20zur%20Sozialen%20Teilhabe%20-
%20Entwurf%20FbJJ-2a.pdf, Stand 04.08.2012, S. 4

10
Verletzung des Art. 28 Abs. 2 BRK vorliegen könnte und das Recht von Menschen mit
Behinderungen auf angemessenen Lebensstandard und sozialen Schutz diskriminiert
wird.
68
Um Benachteiligungen wegen Behinderung zu vermeiden, dem Gleichstellungs-
gedanken Folge zu leisten und um weitgehend auf Einkommens- und Vermögens-
anrechnungsvorschriften zu verzichten, sollten die Leistungen dem ,,Recht der Sozialen
Förderung" zugeordnet werden.
69
2.4 Hilfsmittelversorgung der Rehabilitationsträger
Die Träger der Leistungen zur Teilhabe gem. § 6 Abs.1 SGB IX sind folgende
Rehabilitationsträger:
x
die gesetzlichen Krankenkassen
x
die BA
x
die Träger der UV
x
die Träger der gesetzlichen RV und Alterssicherung der Landwirte
x
die Träger der Kriegsopferversorgung und ­fürsorge
x
die Träger der öffentlichen Jugendhilfe
x
die Träger der Sozialhilfe
70
Damit wird deutlich, dass ausschließlich öffentliche Leistungsträger Sozialleistungen
nach dem SGB IX erbringen und davon erfasst sind.
71
Während weder die
Integrationsämter gem. § 102 SGB IX noch die Pflegekassen zu den Rehabilitationsträger
zählen, finden die privaten KV und PflV im SGB IX keine Berücksichtigung.
72
Überhaupt hat § 6 SGB IX keinen Regelungscharakter, sondern dient lediglich der
Übersicht.
73
§ 6 Abs. 2 SGB IX enthält darüber hinaus die Konkretisierung, dass
68
Vgl. ebd.
69
Vgl. ebd.
70
Vgl. Hauck K./Noftz W., SGB IX (2012): § 6, Rn. 5
71
Vgl. Dau D./Düwell F./Haines H. (2009): § 6, Rn. 6
72
Vgl. ebd., Rn. 6, 11
73
Vgl. ebd., Rn. 5

11
Rehabilitationsträger ihre Aufgaben selbständig und eigenverantwortlich wahrnehmen
und hierbei das SGB IX, insbesondere die §§ 10 bis 14 SGB IX, zu berücksichtigen ist.
74
2.4.1 Gesetzliche Krankenkassen
Das Eintreten des Versicherungsfalles in der GKV ist Krankheit.
75
Bereits seit dem das
Reichsversicherungsamt unter Krankheit einen regelwidriger Körper- oder Geistes-
zustand verstanden hat, der ärztlicher Behandlung bedarf oder Arbeitsunfähigkeit zur
Folge hat, wird diese Definition verwendet.
76
Maßstab für den regelwidrigen Körper-
oder Geisteszustand ist der gesunde Mensch ohne körperliche, geistige oder seelische
Veränderungen oder Störungen.
77
Behandlungsbedürftigkeit liegt vor, wenn
körperliche, geistige oder seelische Funktionen so beeinträchtigt sind, dass deren
vollständige oder zumindest teilweise Wiederherstellung ohne ärztliche Hilfe nicht
erreichbar erscheint.
78
Arbeitsunfähig ist ein Versicherter, der seine Arbeit wegen
Krankheit nicht oder nur auf die Gefahr der Verschlimmerung ausüben kann.
79
Zentrale
Funktion von Leistungen der GKV ist die Verhütung, Erkennung und Bekämpfung von
Krankheiten sowie die Bereitstellung wirtschaftlicher Absicherung im Krankheitsfall.
80
Eine Definition des Hilfsmittelbegriffs enthält das SGB V nicht.
81
Vielmehr ist der
Hilfsmittelbegriff des § 33 SGB V vom Wortlaut und Regelungsinhalt der Kranken-
behandlung gem. der §§ 11 Abs. 1 Nr. 4 und 27 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB V zu ge-
winnen.
82
Nach § 33 Abs. 1 SGB V besteht ein Anspruch auf Versorgung mit Hörhilfen,
Körperersatzstücken, orthopädischen und anderen Hilfsmitteln, die im Einzelfall
erforderlich sind zur Sicherung des Erfolgs einer Krankenbehandlung, der Vorbeugung
einer drohenden Behinderung oder dem Ausgleich einer Behinderung, soweit die
74
Vgl. ebd., Rn. 14
75
Vgl. Hauck K./Noftz W., SGB V (2012): § 27, Rn.2
76
Vgl. ebd., Rn. 27
77
Vgl. ebd., Rn. 36
78
Vgl. ebd., Rn. 49
79
Vgl. ebd., Rn. 53
80
Vgl. Hauck K./Noftz W., SGB V (2012): § 27, Rn. 26
81
Vgl. Peters H. (2011): § 33, Rn. 40
82
Vgl. ebd.

12
Hilfsmittel gem. § 34 Abs. 4 SGB V nicht als allgemeine Gebrauchsgegenstände des
täglichen Lebens anzusehen sind oder zu den ausgeschlossen Hilfsmitteln zählen.
83
Die Qualitätssicherung von Hilfsmitteln fällt in die Zuständigkeit der Spitzenverbände
der Krankenkassen.
84
Unter Federführung des IKK-Bundesverbandes wurde hierzu ein
Verfahren zur Aufnahme von Hilfsmitteln in ein nach Produktgruppen strukturiertes
Hilfsmittelverzeichnis nach § 139 SGB V entwickelt.
85
Dabei handelt es sich bei dem in
Produktgruppen gegliederten und mit zehnstelligen Positionsnummern geordneten
Hilfsmittelverzeichnis gem. § 4 Abs. 1 Satz 2 HilfsM-RL um keine abschließende
Aufzählung.
86
Generell gelten für alle Hilfsmittel die engen Grenzen der Kosten-
erstattung nach § 13 Abs. 2 und 3 SGB V und das Sachleistungsprinzip gem. § 2 Abs. 2
SGB V.
87
Evtl. anfallende Zuzahlungen gem. § 32 Abs. 2 Satz 3 SGB V haben keinen
Einfluss auf das Sachleistungsprinzip.
88
Sofern über einen Antrag auf Leistungen nicht innerhalb von drei Wochen nach
Antragseingang oder in Fällen, in denen eine gutachterliche Stellungnahme ­
insbesondere des MDK ­ eingeholt wurde, nicht innerhalb von fünf Wochen nach
Antragseingang entschieden werden kann, muss gem. § 13 Abs. 3a SGB V des
Entwurfs eines Gesetzes zur Verbesserung der Rechte von Patientinnen und Patienten
eine Krankenkasse zum Zwecke der Beschleunigung der Bewilligungsverfahren dies
den Versicherten mit nachvollziehbarer Begründung schriftlich mitteilen.
89
Dabei kann
sich die Krankenkasse nicht auf originäre Gründe wie z. B. Organisationsmängel oder
Arbeitsüberlastung von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern berufen.
90
Sofern die Krankenkasse ein medizinisches Gutachten ­ beispielsweise des MDK ­ für
notwendig hält, hat sie dies unverzüglich einzuholen und den Leistungsberechtigten
83
Vgl. ebd., Rn. 24, 40
84
Vgl. Hauck K./Noftz W., SGB V (2012): § 139, Rn. 1
85
Vgl. ebd.
86
Vgl. http://www.g-ba.de/downloads/62-492-599/HilfsM-RL_Neufassung_2011-12-21_2012-03-15.pdf,
Stand 15.04.2012
87
Vgl. Peters H. (2011): § 33, Rn. 27 - 28
88
Vgl. ebd., Rn. 29
89
Vgl. http://dipbt.bundestag.de/dip21/btd/17/104/1710488.pdf, Stand 26.10.2012, S. 7
90
Vgl. ebd., S. 32

13
darüber Kenntnis zu geben.
91
Unterbleibt die Information eines hinreichenden
Grundes, können Versicherte der Krankenkasse eine angemessene Frist in der Regel
von zwei Wochen mit der Erklärung setzen, dass die Leistung nach Fristablauf selbst
beschafft wird.
92
Wird die erforderliche Leistung vom Leistungsberechtigten nach
Fristablauf selbst beschafft, hat die Krankenkasse die entstanden Kosten in der Höhe zu
erstatten, als hätte die Krankenkasse die Sachleistung rechtzeitig bereit gestellt.
93
Folgende beiden Zwecke des Behindertenausgleichs in der GKV im Zusammenhang
mit der Hilfsmittelversorgung gibt es: Primär sieht der sog. unmittelbare Behinderten-
ausgleich den Ausgleich der ausgefallenen oder beeinträchtigten Körperfunktion vor
und sekundär können Hilfsmittel im sog. mittelbaren Behindertenausgleich die direkten
und indirekten Folgen der Behinderung ausgleichen.
94
Beispielsweise ist die Ver-
sorgung eines inkompletten Querschnittsgelähmten mit einem Rollstuhl-Bike ein
mittelbarer Behindertenausgleich, da lediglich die Folgen der in Ihrer Funktion
eingeschränkten Beine ausgeglichen werden sollen; das Gehen als unmittelbarer
Behindertenausgleich ermöglicht dagegen das Rollstuhl-Bike nicht.
95
Maßstab für den mittelbaren Behindertenausgleich in der GKV ist nicht der gesunde
Mensch.
96
Vielmehr hat die GKV ein Hilfsmittel zum mittelbaren Behinderungs-
ausgleich zu übernehmen, wenn es ausschließlich die Folgen einer Behinderung im
gesamten täglichen Leben beseitigt oder mildert und damit ein Grundbedürfnis des
täglichen Lebens betrifft.
97
Anforderungen an ein Hilfsmittel darüber hinaus ist Aufgabe
der sozialen oder beruflichen Rehabilitation.
98
So hat das BSG entschieden, dass
Hilfsmittel hauptsächlich für den Sport ­ wie etwa ein Sportrollstuhl ­ nicht zur
medizinischen Rehabilitation zählen, da das Ausüben von Sport kein Grundbedürfnis
des täglichen Lebens ist.
99
91
Vgl. ebd.
92
Vgl. ebd.
93
Vgl. ebd.
94
Vgl. Urteil des BSG, 3. Senat, Urteil vom 18.05.2011, Az: B 3 KR 12/10 R, Rn. 13 - 14
95
Vgl. Urteil des BSG, 3. Senat, Urteil vom 18.05.2011, Az: B 3 KR 12/10 R, Rn. 15
96
Vgl. Urteil vom 26.03.2003, Az: B 3 KR 26/02 R, Rn. 12
97
Vgl. ebd., Rn. 11
98
Vgl. ebd.
99
Vgl. Urteil des BSG, 3. Senat, Urteil vom 18.05.2011, Az: B 3 KR 10/10 R, Rn. 17

14
Anspruch auf einen möglichst vollständigen Behinderungsausgleich haben dagegen
nach dem Urteil des BSG vom 17. Dezember 2009 (B 3 KR 20/08 R) auf Hörhilfen
angewiesene Patienten gegenüber der GKV.
100
Auch die zum 01. April 2012 präzisierte
und in Kraft getretene HilfsM-RL des G-BA sieht nun in § 19 Abs. 1 vor, dass es
Aufgabe der GKV ist ein Funktionsdefizit des beidohrigen Hörvermögens unter
Berücksichtigung des aktuellen Stands des medizinischen und technischen Fortschritts
möglichst weitgehend auszugleichen und dabei ­ soweit möglich ­ ein Sprachverstehen
bei Umgehungsgeräuschen und in größeren Personengruppen zu erreichen sowie die
Auswirkungen einer auditiven Kommunikationsbehinderung im gesamten täglichen
Leben und damit bei der Befriedigung von allgemeinen Grundbedürfnissen zu
beseitigen oder zu mildern.
101
Allerdings gibt der Richtlinientext die Entscheidung des BSG vom 17. Dezember 2009
(B 3 KR 20/08 R) nur unvollständig wieder.
102
So fehlt jeglicher Hinweis auf das auch
bei Hörhilfen zum unmittelbaren Behinderungsausgleich zu beachtende Wirtschaftlich-
keitsgebot des § 12 Abs. 1 SGB V.
103
Das BMG hat deshalb dem G-BA die Auflage
erteilt, die HilfsM-RL zu den Ausführungen in § 19 Abs. 1 des Beschlusses zu den
Versorgungszielen zu überarbeiten.
104
Konkret differenziert die Entscheidung des BSG
zwischen unmittelbarem und mittelbarem Behinderungsausgleich.
105
Während im
Bereich des unmittelbaren Behinderungsausgleichs das grundsätzliche Ziel ein mög-
lichst weitgehender Ausgleich des Funktionsdefizits unter Berücksichtigung des
aktuellen Stands des medizinischen und technischen Fortschritts ist, sind die
Leistungspflichten der GKV zum Ausgleich des mittelbaren Behinderungsausgleichs
beschränkter, da Aufgabe der GKV in allen Fällen allein die medizinische Rehabili-
tation ist.
106
100
Vgl. ebd., Urteil vom 17.12.2009, Az: B 3 KR 20/08 R, Rn. 19
101
Vgl. http://www.g-ba.de/downloads/62-492-599/HilfsM-RL_Neufassung_2011-12-21_2012-03-
15.pdf, Stand 15.04.2012, S. 16
102
Vgl. http://www.g-ba.de/downloads/40-268-1886/2011-12-21_HilfsM-RL_Neufassung-
Hoerhilfen_BMG.pdf, Stand 14.05.2012, S. 4
103
Vgl. ebd.
104
Vgl. ebd.
105
Vgl. Urteil des BSG, 3. Senat, Urteil vom 17.12.2009, Az: B 3 KR 20/08 R, Rn. 15
106
Vgl. ebd., Rn. 15 - 16

15
Vertragsärztliche Verordnungen von Hilfsmitteln werden von der vertragsärztlichen
Versorgung gem. § 73 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 SGB V umfasst.
107
Die Verordnungsfähigkeit
von Hilfsmitteln wird zudem bestimmt von den HilfsM-RL des G-BA nach § 92 Abs. 1
Satz 2 Nr. 6 SGB V.
108
Gem. § 2 der HilfsM-RL haben Versicherte Anspruch auf
Sehhilfen, Hörhilfen, Körperersatzstücken, orthopädischen und anderen Hilfsmitteln
und Zubehörteilen; ebenso erhält der Versicherte der GKV für sein Hilfsmittel die
notwendige Änderung, Instandsetzung und Ersatzbeschaffung sowie die Ausbildung
sowohl für den Gebrauch als auch für die notwendige Wartung und Kontrolle.
109
Generell dienen Richtlinien des G-BA gem. § 92 SGB V zur Sicherung einer
ausreichenden, zweckmäßigen und wirtschaftlichen Versorgung der Versicherten.
110
§ 12 Abs. 1 SGB V konkretisiert zu den Leistungsansprüchen der Versicherten, dass
diese nach Art, Inhalt und Ausmaß ausreichend, zweckmäßig, wirtschaftlich und
notwendig sein müssen.
111
Sofern gem. § 12 Abs. 2 SGB V ein Festbetrag festgesetzt
ist, begrenzt dieser den Rechtsanspruch des Versicherten auf diesen Höchstbetrag.
112
Wählt gem. § 33 SGB V ein Versicherter ein geeignetes Hilfsmittel in einer auf-
wändigeren Ausführung, fallen ihm die Mehrkosten zur Last.
113
Die Höhe der Zahlung
der Krankenkasse wird zudem begrenzt aufgrund der Festbetragsregelung nach § 36
SGB V oder den Vertragspreisen nach § 127 SGB V.
114
Falls allerdings ein Festbetrag
nicht ausreichend bemessen ist, bildet dieser ­ festgestellt am Beispiel der Versorgung
von Schwersthörgeschädigten mit Hörgeräten ­ keine taugliche Grundlage für eine
Begrenzung der Leistungspflicht einer gesetzlichen Krankenkasse.
115
Falls der Festbetrag für den Behinderungsausgleich nicht ausreicht, bleibt es bei der ­
mit Ausnahme von Zuzahlungen ­ vorgesehenen kostenfreien Versorgung der Ver-
sicherten zum Ausgleich einer Behinderung.
116
Soweit Hilfsmittel gem. § 33 Abs. 1
107
Vgl. Hauck K./Noftz W., SGB V (2012): § 73, Rn. 28
108
Vgl. http://www.g-ba.de/downloads/62-492-599/HilfsM-RL_Neufassung_2011-12-21_2012-03-
15.pdf, Stand 15.04.2012, S. 4
109
Vgl. ebd.
110
Vgl. Hauck K./Noftz W., SGB V (2012): § 27, Rn. 15
111
Vgl. Hauck K./Noftz W., SGB V (2012): § 12, Rn. 4
112
Vgl. ebd.
113
Vgl. Peters H. (2011): § 33, Rn. 69
114
Vgl. ebd.
115
Vgl. Urteil des BSG, 3. Senat, Urteil vom 17.12.2009, Az: B 3 KR 20/08 R, Rn. 8
116
Vgl. ebd., Rn. 29

16
Satz 1 letzter Halbsatz SGB V als Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens
anzusehen sind, ist der Anspruch darauf ausgeschlossen.
117
In Abgrenzung zur GKV
muss für Versicherte der PKV ­ ebenso am Beispiel der Hörgeräteversorgung ­ unter
geeigneten Behandlungsalternativen nicht immer das kostenmäßig Günstigste gewählt
werden: ,,Solange ein Versicherer in seinem Tarif nicht ausdrücklich Kosten-
beschränkungen ­ etwa bestimmte Preisobergrenzen ­ regele, komme es allein auf die
medizinische Notwendigkeit, also auf die Geeignetheit der ärztlichen Maßnahme an, die
Krankheit zu heilen oder zu lindern."
118
Die verordnete Hörhilfe für den Versicherten
der PKV war deshalb in angemessener Ausführung.
119
In der gesetzlichen PflV, die nach dem SGB IX ­ wie unter Pt. 2.4 erläutert ­ nicht zu
den Rehabilitationsträgern zählt, werden Pflegehilfsmittel gem. § 40 Abs. 1 SGB XI
gewährt, sofern diese zur Erleichterung der Pflege oder Linderung der Beschwerden des
Pflegebedürftigen beitragen oder eine selbständige Lebensführung ermöglichen.
120
Weiter besteht zur Verbesserung des individuellen Wohnumfeldes gem. § 40 Abs. 4
SGB XI die Möglichkeit den Pflegebedürftigen finanzielle Zuschüsse bis zur Höhe von
2557 EUR zu gewähren, sofern dadurch im Einzelfall ebenso die häusliche Pflege
ermöglicht, die häusliche Pflege erheblich erleichtert oder eine möglichst selbstständige
Lebensführung des Pflegebedürftigen wiederhergestellt wird.
121
Bei den Maßnahmen
zur Verbesserung des individuellen Wohnumfeldes kann es sich um technische Hilfen
und Umbaumaßnahmen handeln.
122
Der Anspruch auf Pflegehilfsmittel ist ebenso wie Zuschüsse für Maßnahmen zur
Verbesserung des individuellen Wohnumfeldes von der gesetzlichen PflV nur zu
übernehmen, soweit die Mittel nicht bereits von der KV oder anderen zuständigen
Leistungsträgern zu übernehmen sind.
123
Dagegen sind entsprechend Urteilen des BSG
117
Vgl. Hauck K./Noftz W., SGB V (2012): § 33, Rn. 100
118
http://www.aerztezeitung.de/praxis_wirtschaft/praxisfuehrung/article/669809/muss-nicht-immer-
guenstigste-geraet.html, Stand: 15.04.2012
119
Vgl. Urteil des LG München, 13. Zivilkammer, Urteil vom 09.08.2011, Az: 13 S 10606/10
120
Vgl. Hauck K./Noftz W., SGB XI (2012): § 40, Rn. 3
121
Vgl. ebd., Rn. 20 ­ 21, 27
122
Vgl. ebd., Rn. 24
123
Vgl. ebd., Rn. 5, 23

Details

Seiten
Erscheinungsform
Erstausgabe
Erscheinungsjahr
2013
ISBN (PDF)
9783955497156
ISBN (Paperback)
9783955492151
Dateigröße
281 KB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
BA Hessische Berufsakademie
Erscheinungsdatum
2015 (Februar)
Note
1,3
Schlagworte
Unabhängige Patientenberatung § 14 SGB IX Behindertenrechtskonvention Inklusion gemeinsame Servicestelle

Autor

Christian Bihlmayer, B.A., wurde 1973 in Memmingen geboren. Sein Studium Business Administration an der Hessischen BA schloss der Autor im Jahr 2013 mit dem akademischen Grad Bachelor of Arts (B.A.) erfolgreich ab. Seine umfassenden praktischen Erfahrungen im Bereich der Sozialversicherung mit Kostenträgern, Leistungserbringern und Verbänden motivierten ihn sich der Thematik des vorliegenden Buches zu widmen.
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