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Mittelstandsanleihen - Eine theoretische und empirische Analyse eines neuen Finanzierungsinstruments: Inklusive detailliert ausgearbeiteter Peer Group und Bonitätsanalyse der Emittenten

©2012 Bachelorarbeit 65 Seiten

Zusammenfassung

Das vorliegende Buch verfolgt zwei Ziele, die jeweils ineinander übergreifen. Zum einen soll anhand eines statistischen Testverfahrens die Übertragbarkeit von gängigen Studien zur Schuldenstruktur auf einen in dieser Form einzigartigen Datensatz von deutschen Mittelständlern überprüft werden. In diesem Kontext ist der Fokus insbesondere auf folgende Fragestellung gelegt: Welche Art von Unternehmen entscheidet sich für einen Bankkredit und welche für die Fremdfinanzierung über den Kapitalmarkt?. Zum anderen wird mit Hilfe dieser Testergebnisse die Vermögens-, Ertrags- und Finanzkraft der Emittenten mit der von ähnlichen Nicht-Emittenten verglichen, um die nachfolgende Hypothese zu überprüfen: Was unterscheidet die Emittenten von Mittelstandsanleihen von vergleichbaren nicht-Emittenten?
Des Weiteren widmet sich das Buch detailliert dem Thema Mittelstandsanleihen. Neben Begriffsklärungen und der Beschreibung des Marktumfeldes erfolgt eine ausführliche Diskussion über die Vorzüge und Nachteile dieser Finanzierungsform.
Abschließend findet eine empirische Analyse der bereits erwähnten Fragestellungen statt.

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


3 Thema: Mittelstandsanleihen

3.1 Definition und Charakteristika von Mittelstandsanleihen

Um einen einheitlichen Rahmen abzustecken, wird der Begriff „Mittelstandsanleihe“ zunächst abgegrenzt. In der Literatur finden sich hierzu unterschiedliche, zum Teil abweichende Definitionen. In der vorliegenden Bachelorarbeit werden Anleihen, die nachfolgende Merkmale aufweisen, als „Mittelstandsanleihen“ tituliert.

- Das angestrebte Platzierungsvolumen beträgt im Regelfall zwischen €10 Mio. - €150 Mio.
- Eine Privatinvestoren-freundliche Stückelung von maximal €1.000 je Anteilsschein ist vorgeschrieben.
- Die Schuldverschreibungen müssen zu jeder Zeit an einer Börse veräußert werden können und es muss hierfür ein funktionierender Sekundärmarkt existieren.

Obwohl das Label „Mittelstandanleihe“ es suggeriert, handelt es sich bei den Emittenten nicht ausschließlich um mittelständische Unternehmen. Die Europäische Union ordnet Firmen mit einer Mitarbeiterzahl von maximal 250 Jahresarbeitseinheiten und einem Jahresumsatz unter €50 Mio. dem Mittelstand zu.[1] Dieser Definition folgend gehören Unternehmen die unter dem Etikett „Mittelstandsanleihen“ firmieren nur teilweise zum eigentlichen Mittelstand. Der Emittent ist somit kein entscheidendes Kriterium bei der Definition.

In bestimmten Teilbereichen haben sich noch keine einheitlichen Standards herausgebildet, weshalb einige Merkmale erst im nächsten Punkt genauer besprochen werden. Jedoch hat sich an allen Standorten die festverzinsliche Unternehmensschuldverschreibung, mit einer Laufzeit von circa fünf Jahren und einer Tilgung am Laufzeitende durchgesetzt.[2]

Um eine dauerhafte Handelbarkeit zu garantieren, müssen die Anleihen an einem Freiverkehrssegment gelistet sein. Was sich dahinter verbirgt und welche Unterschiede an den einzelnen Börsenstandorten zu finden sind, wird im folgenden Abschnitt konkretisiert.

3.2 Die einzelnen Börsensegmente

Als Pionier in diesem Bereich eröffnete die Börse Stuttgart im Mai 2010 das Segment „Bondm“. In kurzen Abständen folgten die Börsen aus München (m:access), Düsseldorf (der mittelstandsmarkt) und Hamburg/Hannover (Mittelstandsbörse Deutschland) sowie die Börse Frankfurt (Entry Standard Anleihen).[3] Die Handelsplätze konkurrieren un­ter­einander durch unterschiedliche Zulassungsvoraussetzungen und Folgepflichten. Davon werden einige in dieser Arbeit angeschnitten, jedoch wird auf Grund der großen Fülle an Vorschriften nicht auf alle detailliert eingegangen. Abbildung 2 bietet einen groben Überblick über die Vorschriften der einzelnen Börsenbetreiber. Standortunabhängig müssen die Emittenten immer ein BaFin-genehmigtes Wertpapierprospekt erstellen. Darüberhinaus ist bei fast allen Börsensegmenten (außer Mittelstandsbörse Deutschland) eine Stückelung von maximal €1.000 vorgesehen. Diese hat sich mittlerweile als Standard durchgesetzt. Falls zudem ein Unternehmen noch nicht an einer deutschen Börse gelistet ist, wird an allen Standorten ein Emittenten-Rating benötigt.

Um für den Anleger über die komplette Laufzeit eine gewisse Transparenz zu gewährleisten, müssen die notierten Gesellschaften verschiedene Folgepflichten beachten. Hierzu zählen testierte Halbjahres- und Jahresabschlüsse (die nicht nach IFRS ausgestellt werden müssen), sowie ein jährliches Folge-Rating.[4] Zusätzlich sind die Unternehmen verpflichtet, wichtige Informationen, welche die Zahlungsfähigkeit beeinflussen können, sofort zu veröffentlichen (quasi Ad-Hoc-Pflicht).[5]

Grundsätzlich steht es den Firmen an allen Börsenplätzen frei, ob sie bei der Platzierung ihrer Anleihe auf eine Investmentbank vertrauen oder die Emission in Eigenregie durchführen. Allerdings kann es durchaus sinnvoll sein, eine solche Bank zu engagieren, da diese durch direkte Investorenansprache und einen großen Erfahrungsschatz bei solchen Transaktionen einen Nutzen für die Gesellschaft erzeugen können. Speziell Unternehmen, die bisher noch keinen Kontakt mit dem Kapitalmarkt hatten, können so zusätzliche Expertise einkaufen. Demgegenüber stehen die Provisionsgebühren, die eine Investmentbank für Ihre Dienste berechnet.[6] An allen Börsen (außer Hamburg/Hannover) ist jedoch ein börsenspezifischer Emissionspartner vorgeschrieben. Dieser begleitet die Emittenten über den gesamten Prozess hinweg.[7]

Alle Mittelstandssegmente sind rechtlich dem Freiverkehr zuzuordnen und unterliegen daher nicht dem Wertpapierhandelsgesetzes (WpHG), sondern werden privatrechtlich von den jeweiligen Börsen reguliert.[8] Des Weiteren existierten neben den fünf bereits genannten Mittelstandssegmenten einige schwächer regulierte Freiverkehrssegmente. Hier werden Anleihen ebenfalls gehandelt, allerdings fallen Publizitätspflichten und sonstige Anforderungen an die Unternehmen weg. Diese Anleihen wurden trotzdem in die Datenbasis aufgenommen, um die spätere Analyse auf einem breiteren Datenbestand abzusichern.

Nachdem in diesem Abschnitt nun die unterschiedlichen Anforderungen der jeweiligen Börsenstandorte genauer erläutert wurden, grenzt das folgende Kapitel hingegen Mittelstandsanleihen gegenüber ähnlichen Finanzierungsformen ab. In Kombination entsteht somit ein klares Bild, was sich hinter Mittelstandsanleihen verbirgt.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 2: Übersicht aller Börsensegmente

Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Hasler, 2012.

3.3 Abgrenzung zu anderen Unternehmensanleihen und Schuldscheindarlehen

Innerhalb des Fremdkapitals bilden Mittelstandsanleihen in Deutschland das Bindeglied zwischen Schuldscheindarlehen (private debt) und der klassischen Unternehmensanleihe (corporate bonds). Während Letztere ähnliche Charakteristiken wie Mittel­stands­anleihen aufweisen, ähneln Schuldscheindarlehen einem Bankkredit.

Unternehmensanleihen sind ebenfalls Schuldverschreibungen, die von Unternehmen emittiert und an der Börse gehandelt werden. Durch die deutlich höhere Stückelung (gewöhnlich ab 50.000€) und das hohe Emissionsvolumen (ab €150 Mio.) werden jedoch primär institutionelle Investoren angesprochen. Typische Emittenten sind Blue Chip Unternehmen wie beispielsweise die Daimler AG.[9]

Dagegen erhält bei einem Schuldscheindarlehen der Schuldner gegen Ausstellung eines Schuldscheines ein langfristiges Darlehen. In der Gläubigerposition befindet sich normalerweise eine Kapitalsammelstelle, die den Schuldschein zwar an Dritte übertragen, jedoch nicht an einer Börse handeln kann.[10] Aus Investorensicht ist diese Form der Finanzierung vor allem aufgrund ihrer Bilanzierung zum Nominalwert über die komplette Laufzeit interessant. Der Vorteil für den Schuldner liegt im vergleichsweise geringen Dokumentationsaufwand und den daraus resultierenden niedrigeren Transaktionskosten.[11] Im Gegensatz zu Unternehmensanleihen sind Schuldscheindarlehen zudem schon ab einem deutlich niedrigeren Volumen realisierbar.[12]

Aus Abbildung 3 wird ersichtlich, dass Mittelstandsanleihen Merkmale beider Fremdfinanzierungsmöglichkeiten aufweisen und diese zu einer neuen Gattung vereinen.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 3: Abgrenzung von Mittelstandsanleihen

Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Achleitner, 2011.

3.4 Marktumfeld

Deutschland gilt seit jeher als ein typischer Vertreter eines bankorientierten Finanzsystems. Im Gegensatz zum angelsächsischen marktorientierten Finanzsystem ziehen deutsche Unternehmen bisher einen Bankkredit der Finanzierung über den Kapitalmarkt vor. In diesem System führt die Allokation von Kapital durch die Banken zu den besten Ergebnissen. Darüberhinaus betreiben Kreditinstitute eine effizientere Überwachung als der Kapitalmarkt und mildern dadurch das „Moral Hazard“-Problem, welches nach Vertragsunterzeichnung auftreten kann.[13] Auch das charakteristische Drei-Säulen-System des deutschen Bankenwesens und die enge Verbindung zwischen Unternehmen und Kreditinstituten (Hausbank) sorgten dafür, dass die Begebung einer Anleihe im Vergleich zum Bankkredit bisher eine vergleichsweise unattraktive Finanzierungsalternative darstellte und daher in Deutschland wenig genutzt wurde.[14]

Abbildung 4 verdeutlicht diesen Sachverhalt und zeigt das Finanzierungverhalten von Unternehmen in der EU, den USA und Großbritannien zu Beginn des letzten Jahrzehnts.[15]

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 4: Internationaler Vergleich der Fremdfinanzierung über den Kapitalmarkt

Quelle: Eigene Darstellung, Daten: Drudi et al., 2007, S.17.

Mit Ausbruch der Finanzkrise ab dem Jahr 2007 und den deutlich restriktiveren gesetzlichen Eigenkapitalunterlegungsvorschriften durch Basel II und III wurden die Banken wesentlich zurückhaltender in Ihrer Kreditvergabepolitik. Basel III wird die Eigenkapitalunterlegung für risikogewichtete Aktiva bis zum Jahr 2019 nochmals deutlich erhöhen und die Eigenkapitaldefinition einengen. Ferner soll es eine Deckelung des Leverage Ratios geben. Als Konsequenz daraus werden die Kreditinstitute in Zukunft wohl noch selektiver Kredite gewähren.[16] Allerdings muss einschränkend ergänzt werden, dass eine allgemeine Kreditklemme in diesem Ausmaß aktuell empirisch nicht nachgewiesen werden kann. Laut Bundesbankstatistik hat sich die Kreditvergabe an Unternehmen und Selbstständige gegenüber 2008 sogar leicht von €1.333 Mrd. auf €1.368 Mrd. im Jahr 2011 erhöht.[17] Zu gleichem Ergebnis kommt das KfW-Mittel­standspanel (2011). Es beschreibt, dass sich die Verfügbarkeit von Krediten für KMU seit 2008 sukzessive verbessert hat.[18] Gleichwohl ist hier eine Differenzierung innerhalb dieser Gruppe zu treffen. Kleine Unternehmen, mit einem Kreditbedarf bis zu €10 Mio., können sich weiterhin relativ problemlos bei Genossenschaftsbanken und Sparkassen mit Krediten eindecken. Für die Kreditvolumina zwischen €10 Mio. und €200 Mio. gestaltet sich diese Aufgabe schwieriger.[19]

Zudem wird das Angebot an Krediten durch die Neuausrichtung des Geschäftsmodells einiger Banken sowie dem Rückzug ausländischer Institute aus dem deutschen Markt beeinträchtigt.[20] Im gleichen Zeitraum steigt jedoch der Kapitalbedarf, für mittelständische Unternehmen, deutlich an. Hauptmotive hierfür sind Akquisitionen zur Sicherung der internationalen Wettbewerbsfähigkeit, Investitionen in den Aufbau neuer Standorte und immer kürzere Produktlebenszyklen. Weiterhin besteht bei mittelständischen Unternehmen ein großer Wunsch zur Diversifikation der Kapitalstruktur, um die Abhängigkeit von den Banken zu reduzieren. Gerade die Post-Lehmann Zeit hat gezeigt, wie wichtig eine breit aufgestellte Finanzierungstruktur ist, speziell um eine Schwächephase des Bankensektors zu überstehen.[21]

In diesem Spannungsfeld schien es den Unternehmen opportun, dass die Börse Stuttgart im Jahr 2010 ein Segment zur Finanzierung von mittelständischen Unternehmen eröffnet hat, welches die Fremdfinanzierung von diesen am Kapitalmarkt vertraglich regelt. Hierdurch wird der Mittelstand einer breiten Investorengruppe zugänglich gemacht und ein liquider Börsenhandel geschaffen. Die Attraktivität wird durch die Studie „Mittel­standsfinanzierung in Deutschland“ untermauert. Eine große Mehrheit der mittelständischen Unternehmen misst dieser Form wachsende Bedeutung in der Finanzierungsmatrix bei.[22]

Natürlich kann diese Finanzierungsform nur eine Ergänzung zu den bereits bestehenden Finanzierungsmöglichkeiten sein und soll diese nicht gänzlich verdrängen. Welche Vorzüge und Nachteile sich daraus ergeben, werde ich im nächsten Abschnitt genauer analysieren.

3.5 Vor- und Nachteile der Mittelstandsanleihen gegenüber dem Bankkredit

Bei den in diesem Abschnitt dargestellten Argumenten handelt es sich vorwiegend um weiche Faktoren, sodass es sich hauptsächlich um eine qualitative Analyse handelt. Jedoch gibt die Befragung „Mittelstandsfinanzierung in Deutschland“ aufschlussreiche Hinweise, welche Themen für die Mittelständler von Relevanz sind und fundiert die Argumente dadurch mit Fakten.

Die folgende Auflistung ist nicht nach Wichtigkeit der einzelnen Aspekte geordnet, sondern erfolgt in beliebiger Reihenfolge.

3.5.1 Vorteile

3.5.1.1 Diversifikation der Kapitalgeberstruktur

Das in Punkt 3.4 beschriebene Hausbankenprinzip führt in der Praxis zu einer starken Verhandlungsmacht sowie großer Einflussmöglichkeit der Kreditinstitute gegenüber den mittelständischen Unternehmen. Während sich bei einer Anleihenemission der große Pool der Investoren nur für oder gegen den Kauf einer Anleihe entscheiden kann, ist es einer Bank möglich, spezielle Konditionen auszuhandeln und durchzusetzen. Überdies sind die Kontrollmöglichkeiten einer Bank deutlich ausgeprägter, da sie als einziger Gläubiger auftritt. Im Gegensatz dazu verteilt sich bei einer Finanzierung über den Kapitalmarkt das gleiche Volumen auf viele kleine Gläubiger. Somit verfügt ein Kreditinstitut, welches auf die Überwachung von Schuldnern spezialisiert ist, sowohl vertraglich als faktisch über andere Einflussmöglichkeiten auf das operative Geschäft eines Unternehmens.[23] Diese (mögliche) Einflussnahme des Gläubigers kann man über die Kapitalmarktfinanzierung zumindest mildern, was eine Umfrage aus dem Jahr 2011 verdeutlicht. Bei dieser Befragung von deutschen Mittelständlern trauen 96% der Mittelstandsanleihe zu, die Abhängigkeit von den Banken zu verringern.[24] Zudem messen, laut einer weltweiten Erhebung von Servaes und Tufano, deutsche Unternehmen dem „Zugang zu einer breiteren Investorenbasis“ die höchste Bedeutung bei der Wahl der Finanzierungsquelle bei.[25] Gleichwohl muss darunter nicht zwingend die langjährige Beziehung mit der Hausbank leiden. Die Bank, als erfahrener Kapitalmarktakteur, kann bei der Anleihenemission als Partner weiterhin beratend zur Seite stehen und somit Erträge aus dem Provisionsgeschäft generieren, ohne dabei Risikokapital hinterlegen zu müssen.[26]

3.5.1.2 Höhere Flexibilität bei der Ausgestaltung der Anleihenbedingungen

In diesem noch unreifen Segment hat sich bisher keine feste Garnitur an Kreditvereinbarungsklauseln (Covenants) herauskristallisiert. Am vergleichbaren, amerikanischen „US-High-Yield-Markt“ hingegen hat sich bereits eine Standardisierung entwickelt und bietet jedem Investor einen verlässlichen Vertragsrahmen, der nach den spezifischen Eigenschaften der jeweiligen Unternehmen ausgerichtet ist.[27] Die bislang flexiblere Handhabung bei Mittelstandsanleihen ermöglicht es dem Emittenten, weniger strenge Anleihenbedingungen durchzusetzen, als es bei Kreditverträgen der Fall wäre.[28] Seit dem Zusammenbruch der Bank Lehman Brothers (2008) wird dieser Effekt zudem durch strengere Financial Covenants von Seiten der Kreditinstitute verstärkt.[29] Aus Sicht des emittierenden Unternehmens mag eine geringe Anzahl an Klauseln kurzfristig vorteilhaft erscheinen, jedoch meiden aus diesem Grund viele institutionelle Investoren diesen Markt. Es sollten sich zeitnah einheitliche Rahmenbedingungen herausbilden, um die Transparenz für den Investor zu erhöhen und somit das Vertrauen der Gläubiger in den neuen Markt zu stärken.[30]

Vorteile gegenüber dem Bankkredit bietet die Anleihe ebenfalls hinsichtlich der Absicherung, beziehungsweise Besicherung, denn im Regelfall findet keine Eintragung von Grundschulden oder die Sicherungsübereignung von Maschinen statt.[31] Die geringere Besicherung ermöglicht somit ein insgesamt höheres Kreditvolumen zu erhalten, da dieser limitierende Faktor für den Emittenten entfällt. Außerdem können mit den unbesicherten Vermögensgegenständen weitere Kredite aufgenommen werden.[32]

Des Weiteren ist ein Bankkredit üblicherweise an eine spezifische Mittelverwendung gebunden, deren Nichteinhaltung zur Kündigung des Kreditvertrages führen kann. Der im Wertpapierprospekt genannte Verwendungszweck des Kapitals ist meist allgemeiner Natur und erhöht somit die Flexibilität des Managements, sich frei für ein Projekt zu entscheiden. Beispielsweise werden hier nur pauschal „Wachstumsfinanzierung“[33], „Umstrukturierung der Fremdkapitalfinanzierung“[34] oder „Entwicklung neuer Marken und Produktionstechnologien“[35] als Investitionsprojekte genannt. Andererseits ist durch diese Flexibilität, der Anreiz, ein riskanteres Projekt nach der Platzierung der Anleihe durchzuführen (Moral Hazard), wesentlich höher.[36]

Ein zusätzlicher Pluspunkt der Anleihe ist die Möglichkeit des vorzeitigen (Teil-) Rückkaufs, besonders dann, falls der Börsenkurs unter dem Rückzahlungskurs liegt. Dieses könnte beispielsweise der Fall sein, wenn das allgemeine Zinsniveau sich erhöht und somit die Verzinsung der Anleihe zum Gesamtmarkt relativ unattraktiv erscheint. Voraussetzung hierfür ist eine Zahlungsvereinbarung zu einem festen Zinssatz, welche sich bisher als Standard im Mittelstandssegment etabliert hat. Eine Vorfälligkeitsentschädigung, wie bei einem Kreditvertrag üblich, entfällt somit. Darüber hinaus besteht sogar die Aussicht, außerordentliche Erträge zu realisieren, weil eine Rückzahlung der Verbindlichkeiten unter dem eigentlichen bilanziellen Nennwert stattfindet.[37] Einschränkend muss allerdings noch erwähnt werden, dass Zukäufe von Seiten des Emittenten die Nachfrage und somit den Anleihenkurs steigen lassen, wodurch der Effekt verpuffen könnte.[38]

3.5.1.3 Steigerung des Bekanntheitsgrades

Unternehmen, die der breiten Öffentlichkeit vor der Emission noch kein Begriff waren, ziehen durch die Ausgabe von Anleihen und den damit verbundenen Werbeaktionen zusätzliche Aufmerksamkeit auf sich. Der Gang an den Kapitalmarkt stellt somit einen weiteren Baustein bei der Bildung einer „Arbeitgebermarke“ (Employer Branding) dar und die so geschaffene Differenzierung zu Konkurrenten ist ein zusätzliches Erkennungsmerkmal, was sich vorteilhaft im Wettbewerb um Fachkräfte auswirkt.[39]

Zusätzlich erhöht sich die Wahrnehmung gegenüber aktuellen und zukünftigen Kunden und speziell im Konsumbereich könnte die Beziehung zum Endverbraucher als Konsument sowie als Gläubiger vorteilhafte Folgewirkungen nach sich ziehen. Ein Verbraucher, der die Wahl zwischen zwei ähnlichen Produkten hat, wird sich wahrscheinlich eher für das Produkt entscheiden, bei dessen Hersteller er mit Kapital investiert ist. Dieses wurde bisher noch nicht empirisch in einer Studie nachgewiesen, erscheint mir aber eine sinnvolle Argumentation.

Darüber hinaus erwirbt ein Unternehmen einen höheren Bekanntheitsgrad am Finanzmarkt, der Schritt an die Börse eröffnet einer Gesellschaft somit die Chance, sich eine hohe Reputation bei den Kapitalmarktteilnehmern zu erwerben. Begleicht der Emittent immer pünktlich seine Verpflichtungen und fällt er obendrein positiv durch gute Kommunikation mit dem Kapitalmarkt auf, wirkt sich das bei zukünftigen Emissionen vorteilhaft aus. Dies gilt sowohl für die Aufnahme von neuen Fremdkapital als bei der Ausgabe von Aktien.[40]

Die bis dato dargelegten Vorteile betreffen zusammengefasst vor allem weiche Faktoren, wie die Unabhängigkeit und Flexibilität der Unternehmen. Monetäre Vorteile sind also kein Grund zur Begebung einer Anleihe und werden somit im folgenden Kapital besprochen.

3.5.2 Nachteile

3.5.2.1 Kosten

Auf den ersten Blick mag es etwas überraschend wirken, aber die Begebung einer Mittelstandsanleihe ist effektiv teurer als ein vergleichbarer Konsortialkredit. Dieses belegt die Studie „Eigenemission von Mittelstandsanleihen – Ein empirischer Kostenvergleich mit der Konsortialfinanzierung“[41]. Um die effektive Verzinsung einer Anleihe zu bestimmen, müssen neben den entstehenden Zins- auch Emissions- und laufende Kosten mit eingerechnet werden. Der Zinssatz des Konsortialkredites ergibt sich durch Übertragung der ratingimpliziten Ausfallwahrscheinlichkeit in ein bankeninternes Ratingsystem, wobei noch eine Anpassung des Ratings nach unten vorgenommen wird.[42] Selbst nach dieser Angleichung liegt der Kupon der Mittelstandsanleihen über dem nominalen Zinssatz des vergleichbaren Kredites. Bei einer Effektivberechnung vergrößert sich diese Differenz noch weiter.[43] Abbildung 5 bietet einen Überblick über die Kosten ausgewählter Mittelstandsanleihen im Vergleich zum Konsortialkredit. Der Begriff „Konsortialfinanzierung 1“ bezieht sich auf die Verzinsung ohne Anpassung des Ratings, „Konsortialfinanzierung 2“ steht für den angepassten Zinssatz.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 5: Vergleich der Effektivzinssätze

Quelle: Götz, Hartmann, 2012, S.210.

Das Ergebnis deckt sich ebenfalls mit den Resultaten einer Befragung unter Emittenten von Mittelstandsanleihen. In dieser gibt eine Mehrheit an, dass allein die Emissionskosten bei mindestens 4% des Gesamtvolumens liegen.[44]

Wie schon in Punkt 3.5.1 dargelegt, sind vor allem strategische Überlegungen in Bezug auf Flexibilität, Diversifikation der Finanzierungsmittel und Unabhängigkeit die Ankerpunkte, an denen Unternehmen die Vorzüge einer Mittelstandsanleihe festmachen.

3.5.2.2 Lange Vorlaufzeit und Ungewissheit beim Platzierungsvolumen

Ein weiterer, negativer Aspekt ist die unsichere Planbarkeit des voraussichtlichen Kreditvolumens in Kombination mit der langen Vorlaufzeit. Immerhin 26% der mittelständischen Unternehmen (Stand 29.06.2012) konnten nicht das angestrebte Volumen über den Kapitalmarkt generieren.[45] Problematisch ist dies vor allem, wenn durch den langen Vorlaufprozess die Mittelverwendung schon verplant und vertraglich festgehalten ist, beispielsweise für den Kauf von Investitionsgütern oder bei Vorliegen von langfristig geplanten Projekten.[46] Idealtypisch dauert die Platzierung einer Anleihe circa sechs Monate.[47] Im Gegensatz dazu kennt die Hausbank ein Unternehmen im Regelfall bedeutend besser und kann die Entscheidung über eine Kreditvergabe deutlich schneller treffen. Allerdings darf es im Vorhinein zu keiner starken Verschiebung der Bonität gekommen sein und das angestrebte Volumen sollte die bisher gewährten Volumina nicht übersteigen.[48]

3.5.2.3 Refinanzierungsrisiko

Kurz vor Ende der Laufzeit stellt sich die Frage, wie die Tilgung der Anleihensumme am besten finanziert werden soll. Im optimalen Fall hat sich das Unternehmen bereits frühzeitig entsprechende liquide Mittel zurückgelegt oder eine passende Anschlussfinanzierung organisiert. Ist beides nicht der Fall und ist zudem der Zeitkorridor bereits sehr eingeschränkt, bleibt (fast) nur noch der Gang zurück zu einer Bank. In einer solchen Notsituation besitzt das Kreditinstitut die komplette Verhandlungsmacht, wodurch sich die gewonnene Unabhängigkeit wieder verkehrt.[49] Zusätzlich kann es zum Problem werden, wenn sich der Bankensektor selbst zu dieser Zeit in einer Krise befindet und somit nur noch sehr eingeschränkt Kredite vergibt. Eine solche Situation ist äußerst bedrohlich für den Weiterbestand des Unternehmen, kann jedoch durch rechtzeitige Planung, pünktliche Begleichung der Zinsen und vorbildliche Kapitalmarktkommunikation umgangen werden.

3.5.2.4 Offenlegung von internen Unternehmensinformationen

Insbesondere KMU und Familienunternehmen sträuben sich oftmals gegen die von den Kapitalmärkten geforderten Publizitätspflichten aus Angst, unnötig Firmeninterna preiszugeben. Vor allem sind die Unternehmen besorgt, dass Wettbewerber diese Informationen zu ihrem Vorteil nutzen oder Kunden dadurch einen größeren Preisdruck ausüben könnten.[50]

Alles in Allem muss jedes Unternehmen individuell für sich selbst entscheiden, ob die jeweiligen Vorzüge die etwaigen Nachteile überwiegen. Dies muss von Fall zu Fall neu untersucht und kann daher nicht eindeutig geklärt werden.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 6: Übersicht der Vor- und Nachteile einer Mittelstandsanleihe

Quelle: Eigene Darstellung.

[...]


[1] Vgl. Europäische Kommission, 2006, S.14.

[2] Vgl. Mann, 2012, S.26.

[3] Vgl. Achleitner, Kaserer, Günther, Volk, 2011, S.52-54.

[4] Vgl. Felz, 2012, S.95-98.

[5] Vgl. Kuthe, Zipperle, 2011, S.10-11.

[6] Vgl. Bock, Peeters, 2012, S.287-192.

[7] Vgl. Felz, 2012, S.96-97.

[8] Vgl. Gabler Verlag, 2010, S.328.

[9] Vgl. Bösl, Hasler, 2012, S.12.

[10] Vgl. Gabler Verlag, 2010, S.390.

[11] Vgl. Achleitner, Kaserer, Günther, Volk, 2011, S.12; ebd., S.52-54.

[12] Vgl. Achleitner, Kaserer, Günther, Volk, 2011, S.62.

[13] Vgl. Levine, 2002, S.1-3.

[14] Vgl. Bösl, Hasler, 2012, S.11-15.

[15] Vgl. Drudi et al., 2007, S.17.

[16] Vgl. Sander, 2012, S.6-8.

[17] Vgl. Deutsche Bundesbank, 2012a, S.32*-34*.

[18] Vgl. KfW Bankengruppe, 2012, S.58-59.

[19] Vgl. Mann, 2012, S.23-24.

[20] Vgl. Achleitner, Kaserer, Günther, Volk, 2011, S.46-48.

[21] Vgl. Dentz, 2011, S.6-9.

[22] Vgl. Pedell, Seidenschwarz & Comp. , 2011, S.3.

[23] Vgl. Mann, 2012, S.23-24.

[24] Vgl. Pedell, Seidenschwarz & Comp. , 2011, S.18.

[25] Vgl. Servaes, Tufano, 2006, S.36; vgl. ebd., S.60.

[26] Vgl. Mann, 2012, S.23-24.

[27] Vgl. Regelin, Grimm, 2012, S.78-79.

[28] Vgl. Mann, 2012, S.25.

[29] Vgl. Pedell, Seidenschwarz & Comp. , 2011, S.12-13.

[30] Vgl. Walchshofer, 2012, S.64-65.

[31] Vgl. Mann, 2012, S.25.

[32] Vgl. Mann, 2012, S.26-27.

[33] Vgl. Semper idem Underberg GmbH, 2011, S.41.

[34] Vgl. ebd.

[35] Vgl. ebd.

[36] Vgl. Walchshofer, 2012, S.55.

[37] Vgl. Beyer, 2000, S.4.

[38] Vgl. Mann, 2012, S.26.

[39] Vgl. Schuhmacher, Geschwill, 2009, S.38-40.

[40] Vgl. Mann, 2012, S.24-25.

[41] Götz, Hartmann, 2012.

[42] Vgl. Götz, Hartmann, 2012, S.204.

[43] Vgl. ebd., S.212.

[44] Vgl. Bordemann, Reifert, Wentzler, 2011, S.10.

[45] Vgl. Bozicevic, Bönig, Worch, 2012b, S.3-5.

[46] Vgl. Mann, 2012, S.29.

[47] Vgl. Thomas, 2012, S.74-75.

[48] Vgl. Mann, 2012, S.28.

[49] Vgl. Achleitner, Kaserer, Günther, Volk, 2011, S.157.

[50] Vgl. Achleitner, Kaserer, Günther, Volk, 2011, S.69-70.

Details

Seiten
Erscheinungsform
Erstausgabe
Jahr
2012
ISBN (PDF)
9783955497644
ISBN (Paperback)
9783955492649
Dateigröße
426 KB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main
Erscheinungsdatum
2015 (Februar)
Note
1,7
Schlagworte
Finanzierung Mittelstand Mittelstandsfinanzierung Finanzierungsform Mittelstandsanleihe

Autor

Simon Scholl absolviert zur Zeit seinen Master of Science in Finance and Accounting an der renommierten University of Edinburgh - Business School in Schottland. Sein Grundstudium in Wirtschaftswissenschaften (Schwerpunkt Finance and Accounting - Corporate Finance) an der Goethe-Universität in Frankfurt am Main schloss der Autor im Jahr 2012 mit dem akademischen Titel Bachelor of Science erfolgreich ab. Neben seinen akademischen Viten konnte Herr Scholl noch praktische Erfahrungen in den Beratungsabteilungen von Ernst & Young und KPMG sammeln, wobei sein Fokus auf der Bewertung von Unternehmen und Finanzinstituten lag. Des Weiteren verbrachte der Autor im Jahr 2010 noch ein halbes Jahr an der Ocean University of China in Qingdao und absolvierte dort das International Chinese Business Program.
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