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Die Bilanzierung von Finanzinstrumenten nach IFRS 9: Evaluierung des Handlungsbedarfs für Unternehmen

©2012 Bachelorarbeit 77 Seiten

Zusammenfassung

Die Bilanzierung von Finanzinstrumenten zählt zu den komplexesten Themengebieten der internationalen Rechnungslegung. Gerade durch die Finanzmarktkrise verschärfte sich zudem die Brisanz des Themas und trat vermehrt in den öffentlichen und politischen Fokus. Um dem Druck durch Politik und Öffentlichkeit nachzukommen, machte sich das IASB an die Vereinfachung des bestehenden Standards IAS 39 und entwickelte den Nachfolgestandard IFRS 9. Obgleich das Ziel eine Reduzierung der Komplexität und ein einfacheres Verständnis des Standards war, sehen sich Unternehmen - dabei vor allem jene aus der finanzdienstleistenden Branche - zum Teil umfangreichen und undurchsichtigen Handlungsbedarfen aus der Umstellung gegenüber gestellt. Im Rahmen dieser Arbeit werden die Handlungsbedarfe nicht nur gesammelt, sondern auch strukturiert, um so Licht ins Dunkel des Umstellungsprozesses zu bringen.

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


2.3 Klassifizierung und Bewertung finanzieller Vermögenswerte

Bezüglich der Bilanzierung von Finanzinstrumenten, gemäß den Vorschriften der IFRS, nimmt die Einordnung des jeweiligen Vermögenswerts eine besondere Rolle ein. Die korrekte Kategorisierung ist deswegen von erheblicher Bedeutung, da im Anschluss die Bewertung des Instruments sowohl beim erstmaligen Ansatz, als auch in Belangen der Folgebewertung maßgeblich von ihr abhängig ist.[1]

Grundsätzlich lassen sich die Finanzinstrumente auf der Aktivseite gem. IAS 39.9 in vier Kategorien einklassifizieren, welche in den folgenden Kapiteln noch im Detail erörtert werden:[2]

1. erfolgswirksam zum beizulegenden Zeitwert bewertete Vermögenswerte (at Fair Value through Profit or Loss)
2. bis zur Endfälligkeit gehaltene Finanzinvestitionen (Held to Maturity)
3. Kredite und Forderungen (Loans and Receivables)
4. zur Veräußerung verfügbare finanzielle Vermögenswerte (Available for Sale)

Die Tatsache, dass innerhalb eines Standards unterschiedliche Vorschriften sowohl zum Ansatz, als auch zu der Bewertung innerhalb eines bestimmten Vermögenswerts (in diesem Fall der Kategorie der Finanzinstrumente) bestehen, wird üblicherweise als „ mixed measure model “ bezeichnet.[3]

2.3.1 Bis zur Endfälligkeit zu haltende finanzielle Vermögenswerte

Diese, in der Praxis aufgrund ihrer restriktiven Zuordnungskriterien eher selten genutzte,[4] Kategorie der held to maturity investments umfasst Fälligkeitswerte mit einer fest definierten Endfälligkeit, welche das Unternehmen dauerhaft in seinem Vermögen halten kann und vor allem auch halten will.[5] Gemäß IAS 39.9 ergeben sich hier, für die Klassifizierung in diese Kategorie drei essentielle Voraussetzungen, die das jeweilige Papier in Summe erfüllen muss:[6]

- Vorliegen eines Endfälligkeitsdatums (fest definierte Laufzeit)
- die Rückzahlung durch den Emittenten darf unter gewöhnlichen Umständen nicht gefährdet sein
- das erwerbende Unternehmen muss sowohl die Fähigkeit, als auch die Absicht haben, den Vermögenswert bis zu seiner tatsächlichen Fälligkeit zu halten.

Auf Basis dieser Definition fallen börsengehandelte Anleihen regelmäßig in diese Kategorie (selbstverständlich nur unter der Prämisse, dass eine entsprechende Halteabsicht vorliegt).[7] Das Kernkriterium der positiven Absicht das Gläubigerpapier wirklich bis zu seiner Endfälligkeit im Besitz zu halten, wird in der Praxis unter anderem daran gemessen, ob und wie viele der, in dieser Kategorie einsortierten Wertpapieren in den vergangenen 2 Jahren durch das Unternehmen tatsächlich vor dem Eintritt des Endfälligkeitsdatums veräußert wurden.[8] Dies liegt vor allem daran, dass die Abgrenzung zur Kategorie der zur Veräußerung verfügbaren finanziellen Vermögenswerte eine subjektive ist, die sich durch reines Betrachten des Jahrsabschlusses von Außen nicht (zweifelsfrei) beurteilen lässt.[9] Sollten in diesem Zeitraum (im Verhältnis zur Gesamtzahl der gehaltenen Instrumente) ungewöhnlich viele veräußert worden sein, darf das Unternehmen gemäß IAS 39.9 finanzielle Vermögenswerte für die Dauer von zwei Jahren nicht mehr in diese Kategorie einordnen.

IAS 39.51 gibt ferner vor, dass wenn die Absicht die Finanzinvestition bis zur Endfälligkeit zu halten nicht mehr besteht oder die Fähigkeit dasselbige zu tun nicht mehr gegeben ist, eine Umgliederung in die Kategorie der bis zur Veräußerung verfügbaren Finanzinstrumente vorzunehmen ist und im gleichen Zug eine entsprechende Neubewertung zum beizulegenden Zeitwert vorzunehmen ist. Weitere Einschränkungen bei der Klassifikation in diese Kategorie ergeben sich zum Einen aus der Abgrenzung zu der Kategorie Kredite/Ausleihungen und Forderungen (loans and receivables), welche im Kapitel 2.3.2 näher erörtert wird, wenn die betroffenen Papieren zwar die Kriterien eines bis zur Endfälligkeit zu haltenden finanziellen Vermögenswerts erfüllen jedoch nicht auf einem aktiven Markt notiert sind. Zum Anderen liegt ein Abgrenzungsfall vor, wenn der Emittent das Recht auf Kündigung des bestehenden Vertrags inne hat und im Falle der Ausübung einen Betrag begleichen müsste der signifikant unter den fortgeführten Anschaffungskosten liegt.[10]

Die Darstellung der wesentlichen Kernelemente der Kategorie, der bis zur Endfälligkeit zu haltenden finanziellen Vermögenswerte / der held to maturity investments, erfolgt hier noch einmal abschließend in der folgenden Tabelle:

2.3.2 Kredite / Ausleihungen und Forderungen

Unter den finanziellen Vermögenswerten, die in die Kategorie Kredite / Ausleihungen und Forderungen (loans and receivables) einzuordnen sind, versteht man allgemein nicht derivative Werte mit festen bzw. bestimmbaren Zahlungen, die nicht mit Veräußerungsabsicht gehalten werden und auch nicht an einem aktiven Markt notiert sind.[11] Ob eine Notierung auf einem aktiven Markt als gegeben angesehen werden kann, ist dabei mitunter daran feststellbar, ob sich für das Instrument notierte Preise leicht und in regelmäßigen Abständen abfragen lassen (z.B. über eine Börse, Händler/Broker oder Preis-Service-Agenturen) sowie ob sich, sich tatsächlich ereignende Transaktionen unter Dritten, regelmäßig abspielen.[12] Unter die Anforderungen dieser Definition, welche sich aus dem IAS 39.9 ergibt, fallen regelmäßig Forderungen aus Lieferungen und Leistungen, Bankguthaben, Ausleihungen und Darlehen an eigene Arbeitnehmer.[13] Ferner gilt zu beachten, dass beim erstmaligen Ansatz für das Unternehmen die Option zur Designation besteht. Das bedeutet, es kann das Finanzinstrument, welches eigentlich unter die Kategorie der Kredite und Forderungen fallen würde, auch in die Kategorie „zur Veräußerung verfügbar“ oder „erfolgswirksam zum beizulegenden Zeitwert“ einordnen.[14] An dieser Stelle soll auch auf die Abbildung 3 in Kapitel 2.4 verwiesen werden, welche die etwaigen Designationsoptionen zwischen den einzelnen Kategorien aufzeigt.

Ist ein Finanzinstrument aufgrund seiner Eigenschaften in die Kategorie der Kredite und Forderungen einzustufen und wird es nicht durch Designation in die Kategorie der zur Veräußerung verfügbaren bzw. erfolgswirksam zum beizulegenden Zeitwert zu bewertenden Instrumente umgewidmet, ist es im Zugangszeitpunkt (IAS 39.14) zu seinem beizulegenden Zeitwert (Fair Value) zzgl. den Anschaffungsnebenkosten / Transaktionskosten in die Bilanz aufzunehmen (IAS 39.43). IAS 39.A64 und IAS 39.A76 definieren ferner, dass sich dieser beizulegende Zeitwert aus den Anschaffungskosten ableiten lässt. Die Bewertung des Finanzinstruments in den Folgeperioden erfolgt im Falle der Loans and Receivables zu den fortgeführten Anschaffungskosten mit Hilfe der sog. Effektivzinsmethode, welche die geschätzten künftigen Ein- und Auszahlungen des Papiers über die erwartete Laufzeit exakt auf den Nettobuchwert des finanziellen Vermögenswerts abzinsen.[15] Das heißt konkret, dass bei diesem internen Zinssatz der Bartwert künftiger Zahlungen mit den heutigen Anschaffungskosten übereinstimmt.

2.3.3 Erfolgswirksam zum beizulegenden Zeitwert zu bewertende finanzielle Vermögenswerte

Im Grunde genommen umfasst die Kategorie der erfolgswirksam zum beizu­len­gen­den Zeitwert zu bewertenden Finanzinstrumente (at fair value through profit and loss) zwei Unterkategorien:[16]

- die zu Handelszwecken gehaltenen Finanzinstrumente (held for trading), sowie
- die beim erstmaligen Ansatz in diese Kategorie designierte Finanzinstrumente, welche gemäß ihrer Eigenschaft eigentlich einer anderen Kategorie zuzuordnen wären.

Erstere sind die Wertpapiere die mit der Intention gehalten werden aus ihrem Weiterverkauf kurzfristige (Spekulations-) Gewinne zu erzielen, ein Teil eines Portfolios aus Finanzinstrumenten sind, für welches in jüngster Vergangenheit Hinweise auf kurzfristige Gewinnmitnahmen bestehen, oder Derivate sind (mit Ausnahme von Derivaten im Sinne des Hedge Accounting).[17]

Letztere umfasst all jene finanziellen Vermögenswerte, deren beizulegender Zeitwert verlässlich bestimmbar ist[18] und die vom Unternehmen durch Ausübung der sogenannten „Fair Value-Option“ bei ihrem erstmaligen Ansatz in diese Kategorie einklassifiziert wurden (Designation).[19] Für die Designation in diese Kategorie sind allerdings unterschiedliche Voraussetzungen zu erfüllen. So ist eine willkürliche Widmung als „erfolgswirksam zum beizulegenden Zeitwert“ möglich, sofern hierdurch entweder Ansatz- oder Bewertungsinkongruenzen vermieden bzw. reduziert werden können (IAS 39.9 b (i)), eine dokumentierte Risikomanagement oder Anlagestrategie die Grundlage des Managements eines Portfolios aus Finanzinstrumenten auf Fair Value-Basis darstellt oder ein Finanzinstrument vorliegt, welches ein bestimmtes eingebettetes Derivat (embedded derivat) enthält (IAS 39.11 A).[20]

In Anbetracht der Tatsache, dass die Unternehmen neben den Pflichtbestandteilen dieser Kategorie, durch die Option der Designation, noch eine ganze Palette weiterer finanzieller Vermögenswerte in dieser Weise einordnen können, und die Bandbreite dieser Kategorie damit beträchtlich zunimmt, wurde Kritik durch die EZB und die Aufsichtsbehörde des Baseler Ausschusses laut, welche äußerten, dass die Beurteilung des Fair Value oftmals schwer nachvollziehbar sei und sich durch die direkte Behandlung im Periodenergebnis starke, prozyklische Ergebnisvolatilitäten ergeben.[21] Damit ist gemeint, dass in Zeiten wirtschaftlichen Abschwungs, in denen Emittenten regelmäßig häufiger durch Zahlungsunfähigkeit ausfallen, die GuV-Rechnung der Eigentümer des Papiers durch die Fair Value Bewertung besonders stark von diesen Wertminderungen belastet wird. In der Folge könnten die Unternehmen, die diese Titel halten, selbst in Zahlungsschwierigkeiten geraten, wodurch sich der gesamtwirtschaftliche Negativtrend noch weiter verstärkt. In Zeiten starken wirtschaftlichen Aufschwungs verhält sich dieser Effekt vice versa: Durch die wirtschaftlich gute Situation der Emittenten steigt der Marktwert der finanziellen Vermögenswerte, was über die Fair Value-Bewertung auch bei dem haltenden Unternehmen zu einem Aufbau in der Bilanz führt und so den wirtschaftlichen Aufschwung noch weiter befeuert.

Bezüglich der Bewertung gibt es bei dem erfolgswirksam zum beizulegenden Zeitwert zu haltenden finanziellen Vermögenswert, einen entscheidenden Unterschied im Vergleich zur Behandlung der anderen Kategorien: Zunächst sind diese im Zugangszeitpunkt gemäß IAS 39.42, wie alle anderen Finanzinstrumente auch, mit ihrem beizulegenden Zeitwert zu bewerten. Jedoch dürfen bei der Zugangsbewertung der Kategorie at fair value through profit or loss die Anschaffungsnebenkosten, sprich die Transaktionskosten, die durch den Erwerb des Finanzinstruments anfielen nicht in den Wert des erstmaligen Ansatzes einbezogen werden, sondern müssen direkt im Aufwand – und somit im Periodenergebnis – verbucht werden.[22] Für die Bewertung in den Folgeperioden gilt das selbe Prinzip, wonach etwaige Änderungen des Buchwerts / des beizulegenden Zeitwerts (bspw. bedingt durch Kursschwankungen) erfolgswirksam im jeweiligen Periodenergebnis erfasst werden müssen.[23] Nachdem sich alle Wertschwankungen direkt im Ergebnis abbilden, bedarf es für die Behandlung eventueller Wertminderungen (Impairment) keiner gesonderten Regelungen.[24]

2.3.4 Zur Veräußerung verfügbare finanzielle vermögenswerte

Die veräußerbaren Werte (available for sale investments / assets) stellen die vierte Möglichkeit der Klassifizierung eines finanziellen Vermögenswerts dar. Ihr Kernmerkmal besteht darin, dass diese Kategorie eine Restkategorie darstellt, d.h. eine Art Auffangbecken für Finanzinstrumente, die sich keiner der vorangegangenen Kategorien zweifelsfrei zuordnen lassen.[25] Ihr Verbleib im Unternehmen ist aller Voraussicht nach nicht dauerhaft, doch wurden sie ebenso wenig erworben um kurzfristige (Spekulations-) Gewinne zu erzielen.[26] Nachdem es im Wesentlichen davon abhängig ist, mit welcher Motivation ein Finanzinstrument gehalten wird,[27] können Finanzinstrumente jeglicher Art und Weise in diese Kategorie ein­klassi­fiziert werden, sofern sie nicht die entsprechenden Bestimmungen des IAS 39.9 erfüllen um in einer der drei erstgenannten Kategorien eingeordnet zu werden. Erwirbt beispielsweise ein Unternehmen Anleihen eines anderen Unternehmens um damit seine Liquiditätsreserven rentabel anzulegen, läge die Vermutung nahe, dass es sich um einen finanziellen Vermögenswert der Kategorie „bis zu Endfälligkeit zu halten“ handelt.[28] Wenn das Unternehmen jedoch entschlossen ist, bei Bedarf die entsprechenden Anleihen zu verkaufen (bspw. weil kurzfristig ein ungeplanter Investitionsbedarf entsteht oder das Geschäft konjunkturell bedingt nachlässt), sind die Voraussetzungen für die Einordnung in die held to maturity Kategorie nicht einwandfrei gegeben[29] und es muss eine Einordnung in die Kategorie available for sale erfolgen. IAS 39.43 folgend sind auch diese Wertpapiere bei ihrem Zugang zu ihrem beizulegenden Zeitwert zzgl. der beim Kauf entstandenen Transaktionskosten zu bewerten.[30] Für die Folgebewertung gilt bei dieser Kategorie grundsätzlich das selbe, wie für die erfolgswirksam zum beizulegenden Zeitwert zu bilanzierenden Finanzinstrumente, nämlich eine Bewertung nach dem Maßstab des Fair Value.[31] Der entscheidende Unterschied zur Folgebewertung der Kategorie at fair value through profit or loss liegt jedoch in der Behandlung der Wertänderung des Fair Value. Während dieser in der zuvor dargestellten Kategorie erfolgswirksam im Ergebnis der jeweiligen Periode erfasst wurde, erfolgt die Verbuchung der Wertänderungen bei den zur Veräußerung verfügbaren finanziellen Vermögenswerten mitunter erfolgsneutral im Eigenkapital über das sonstige Ergebnis (other comprehensive income / OCI).[32] Die Verbuchung erfolgt in der Praxis regelmäßig über die Konten Rücklage für Marktbewertung bzw. Neubewertug, wodurch das Periodenergebnis zunächst gänzlich unberührt bleibt.[33] Gemäß IAS 39.55 (b) ergibt sich ein Effekt auf die Gewinn- und Verlustrechnung des Unternehmens folglich erst bei Verkauf oder Erreichung der Endfälligkeit, wenn die Buchungen auf dem o.g. Rücklagekonto erfolgswirksam ausgebucht werden.

Mit der Darstellung der available for sale investments ist die Behandlung der Klassifizierungs- und Bewertungsoptionen des Standards IAS 39 abgeschlossen. Die Beschreibung der Kategorien kann – unabhängig von der Einzelbetrachtung auch in Form einer Prozesskette dargestellt werden, wie sie im folgenden Unterkapitel vorzufinden ist.[34]

2.3.5 Zusammenfassung der Klassifizierung und Bewertung nach IAS 39

Die Entscheidungen darüber welcher der Kategorien ein finanzieller Vermögenswert zuzuordnen ist und ob er folglich zu Anschaffungskosten oder zum beizulegenden Zeitwert zu bewerten ist, obliegt dem jeweiligen Management im Zeitpunkt der erstmaligen Erfassung.[35] Der Prozess der Klassifizierung nach IAS 39 kann im Unternehmen in folgender Form dargestellt werden, wodurch die gängigen Fälle und Entscheidungsfragen zur Einordnung in eine der dargestellten Kategorien vollständig abgebildet werden:

Das Verständnis der hier dargestellten Prozesskette sollte zur späteren Ermittlung des Handlungsbedarfs aus der Umstellungsphase 1 wieder herangezogen werden. Gerade in puncto Prozessanpassung bietet sich ein Vergleich des hier dargestellten Entscheidungsbaums mit dem entsprechenden Pendant zu den Regelungen des IFRS 9 an.

2.4 Erfassung von Wertminderungen bei zu fortgeführten Anschaffungskosten bewerteten Finanzinstrumenten

Die Erfassung von Wertminderungen bei zu fortgeführten Anschaffungskosten gehaltenen Finanzinstrumenten stellt im Rahmen des Replacement-Prozesses eine eigenständige Phase (Phase 2) dar, welche nicht unmerkliche Änderungen mit sich bringt. Grundsätzlich ist Darstellung der Wertminderungen nur bei zu fortgeführten Anschaffungskosten bewerteten Instrumenten von Brisanz, da alle zum Fair Value bewerteten Titel ohnehin direkt an den entsprechenden geänderten Wert bilanziell angepasst werden. Auch wenn grundsätzlich die außerplanmäßige Wertminderung von Vermögenswerten in dem eigenständigen Standard IAS 36 geregelt ist, werden Finanzinstrumente gemäß IAS 36.2 (e) hiervon explizit ausgenommen, weshalb das bilanzierende Unternehmen sich mit Sondervorschriften – in diesem Fall aus den Standards IAS 39 und zukünftig IFRS 9 – auseinander setzen muss.

In IAS 39.63 wird für diesen Fall geregelt, dass eine außerplanmäßige Wertminderung dann durchzuführen ist, wenn der Barwert der zukünftigen Cashflows, der sich aus einer Abzinsung mit dem ursprünglichen Effektivzinssatz ergibt, kleiner als der Buchwert zum jeweiligen Bilanzstichtag ist.

Das eigentlich markante Kriterium der außerplanmäßigen Wertminderung nach den Regelungen des Standards ist, dass sich das in IAS 39 gelebte Paradigma als sogenanntes Incurred-Loss-Modell auszeichnet.[36] Das heißt konkret, dass zwar zu jedem Bilanzstichtag aufs Neue zu überprüfen ist, ob Hinweise für eine Wertminderung des Finanzinstruments gegeben sind, die Wertminderung selbst jedoch nur durchgeführt werden darf, wenn objektive Hinweise vorliegen, dass die Zahlung ausfallen wird.[37] Kennzeichen, wie eine Bonitätsverschlechterung des Schuldners oder ein steigender Marktzinssatz erfüllen die Kriterien des IAS 39.58 noch nicht, wodurch eintretende Verluste ggf. zwar frühzeitig erkannt werden, bilanziell jedoch erst zu einem bedeutend späteren Zeitpunkt erfasst werden können.[38]

2.5 Bilanzierung von Sicherungsgeschäften

Grundsätzlich handelt es sich bei Derivaten um abgeleitete Finanzinstrumente – sprich um Instrumente deren Wert sich wiederum auf einen bestimmten Basiswert beziehen. Dabei stellen sie weder Vermögenswerte im klassischen Sinn, noch Schulden dar und können entweder als eigenständige Position bilanziell erfasst werden oder im Rahmen ein sog. Sicherungsgeschäfts – dem Hedge Accounting.[39] Der Begriff des Hedge Accountings bedeutet übersetzt ins Deutsche in etwa so viel wie Absicherungsrechnungslegung. Dabei ist die Rechnungslegung von Sicherungsgeschäften zur Absicherungen operativer und finanzieller Risiken aus Grundgeschäften gemeint, die mit Hilfe von Sicherungsgeschäften (durch den Einsatz von Finanzinstrumenten) an Dritte weitergegeben werden.[40]

In Summe wird ein effektives Hedge Accounting somit immer dann dargestellt, wenn Basis- und Sicherungsgeschäft – in kombinierter Form – zu einem erfolgsneutralen Ausweis führen, sprich die Verluste des einen mit entsprechenden Gewinnen des anderen Geschäfts zu keiner Gewinnauswirkung führen.[41] Im Rahmen des Umstellungsprozesses des IAS 39 wurde das Hedge Accounting vom IASB durchaus auch tiefer gehenden Änderungen unterworfen und in der 3. Phase des Umstellungsprozesses erneuert.

IAS 39 sah dabei vor, dass sich Sicherungsgeschäfte grundsätzlich aus einem Sicherungsinstrument und einem abzusichernden Grundgeschäft (z.B. Verpflichtungen, Verbindlichkeiten oder auch zukünftige Fremdwährungs-investitionen) zusammensetzen und so das inhärente Risiko des Grundgeschäfts von dem Unternehmen abwenden sollten.[42] Die praktische Umsetzung erfolgt üblicherweise in der Form, dass Termin- oder Optionsgeschäfte abgeschlossen werden, die ein Grundgeschäft mit variablen Ausgang auf ein verträgliches Ergebnis festmachen. Denkbar sind beispielsweise Zinsswaps die zur Absicherung variabel verzinslicher Schuldpositionen abgeschlossen werden und so das Schwankungsrisiko des Zinses auf einen bestimmten Tender oder gar einen fest definierten Zinssatz beschränken.[43] Aufgrund des mixed-model-approaches des IAS 39, würde sich die Bilanzierung eines Sicherungsgeschäfts (also einer Einheit von Grundgeschäft und absichernden Finanzinstrument) signifikant von der einer getrennten Erfassung von dem Sicherungsinstrument auf der einen und dem Grundgeschäft auf der anderen Seite unterscheiden.

IAS 39.88 legt daher diverse Kriterien fest, die (in Summe) gegeben sein müssen um eine bilanzielle Behandlung als Sicherungsgeschäft zu rechtfertigen.[44] Darunter fallen zum Einen eine exakte (schriftliche) Dokumentation des Grund- und Sicherungsinstruments, sowie der Effektivitätsmessung und des abgesicherten Risikovolumens, wie in IAS 39.IG.F.3.8 gefordert. Ferner gilt es die Sicherungsbeziehung einer Effektivitätsmessung zu unterziehen. Dabei muss – auf Basis einer prospektiven, als auch retroperspektiven Betrachtung – belegt werden, dass die Effektivität des Sicherungsderivats zwischen 80% und 125% beträgt (d.h der Erfolg des Sicherungsderivats muss 80%-125% der Wertänderung des Grundgeschäfts betragen).[45] Sind alle Voraussetzungen erfüllt, so gibt es drei Optionen ein Sicherungsgeschäft anzusetzen (IAS 39.86):[46]

- Fair Value Hedging

Absicherung einer möglichen Änderung des beizulegenden Zeitwerts des Grundgeschäfts, z.B. Schwankungen aus der marktpreisgebundenen Bewertung des Vorratsvermögens. Typischerweise werden Fair Value-Hedges durch Futures oder Optionen (zur Absicherung des Wertes von Rohstoffen oder Wertpapieren) als auch durch Zinsswaps gestaltet.[47]

- Cashflow Hedging

Absicherung der aus dem Grundgeschäft vermuteten Zahlungsströme, z.B. Absicherung von Währungskursrisiken beim Erwerb von Gütern im Ausland. Das heißt, anders als bei den Fair Value-Hedges werden keine bestehenden Bilanzpositionen, sondern zukünftige – wahrscheinliche – Transaktionen abgesichert. Für eine derartige Absicherung eignen sich regelmäßig Forwards oder Futures , mit denen der Beschaffungs- bzw. Absatzpreis der angestrebten Transaktion fixiert wird.[48]

- Hedge of a net investment in a foreign operation

Schutz vor wechselkursbedingten Schwankungen des Anteils am Nettovermögen eines ausländischen Geschäftsbetriebs. Dabei hält das Unternehmen eine Beteiligung an einer ausländischen Tochter, deren Gewinnabführung, aufgrund der Gewinnermittlung in Fremdwährung, vor Wechselkursrisiken abgesichert wird. Bilanziell erfolgt die Abbildung ähnlich der des Cash Flow hedges, da es sich im Prinzip auch hier um eine Absicherung von Währungsrisiken handelt.[49]

Das Hedge Accounting wird in der Praxis aufgrund seiner Ergebnis glättenden Wirkung gerne aus bilanzpolitischen Aspekten heraus genutzt. Außerdem ist Hedge Accounting ein beliebtes Mittel risikoaverser Unternehmer um zu vermeiden, dass unbeeinflussbare Risiken das Periodenergebnis verschlechtern.[50]

Ein besseres Verständnis des Hedge Accountings lässt sich anhand eines Beispiels erlangen:[51]

Ein in Euro bilanzierendes Unternehmen geht davon aus, im Januar der Folgeperiode Umsätze i.H.v. 180 Mio. USD zu erwirtschaften. Da das Unternehmen das Risiko eventueller Währungsschwankungen umgehen möchte, erwirbt es einen Terminverkauf zu 0,90 USD / EUR im September der aktuellen Periode. Zum Bilanzstichtag liegt der Kurs bei 0,92 USD / EUR – der Wert des abgeschlossenen Termingeschäfts sei 4,348 Mio. EUR. Die Voraussetzungen zum Ansatz nach IAS 39.88 seien als erfüllt anzunehmen.

Zum Bilanzstichtag wird das Derivat i.H.v. 4,348 Mio. EUR bilanziert und gegen das sonstige Ergebnis verbucht. Bei der tatsächlichen Realisation der Umsätze im Januar wird diese Buchung umgedreht und die Umsatzerlöse i.H.v. 200 Mio. EUR (180 Mio. USD zu 0,90 USD / EUR) gegen Bank verbucht. Wäre der Umsatz zum Kurs des Bilanzstichtags realisiert worden, würden in Euro folglich nur 195,652 Mio. EUR zu Buche stehen, wodurch der Kauf des Derivats positiv zu beurteilen ist.

[...]


[1] Vgl. Berentzen (2010), S. 61.

[2] Vgl. Henselmann (2010), S. 267 sowie IAS 39.45 i.V.m. IAS 39.9.

[3] Vgl. Petersen et. al. (2011), S. 175.

[4] Vgl. KPMG Deutsche Treuhand-Gesellschaft AG (2007), S. 209.

[5] Vgl. Lüdenbach (2010), S. 158.

[6] Vgl. Kehm/Lüdenbach (2008), S. 1549, sowie IAS 39.9.

[7] Vgl. Henselmann (2010), S. 277.

[8] Vgl. Lüdenbach (2010), S. 158 sowie KPMG Deutsche Treuhand-Gesellschaft AG (2007), S. 209.

[9] Vgl. Henselmann (2010), S. 277.

[10] Vgl. Kehm/Lüdenbach (2008), S. 1550.

[11] Vgl. Heno (2011), S. 261.

[12] Vgl. Kehm/Lüdenbach (2008), S. 1544.

[13] Vgl. Kirsch (2012), S.114.

[14] Vgl. KPMG AG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft (2012), S.102 sowie Kehm/Lüdenbach (2008), S. 1544.

[15] Vgl. Henselmann (2010), S. 272 sowie IAS 39.9.

[16] Vgl. Aschfalk-Evertz (2010), S. 125.

[17] Vgl. Kirsch (2012), S. 125.

[18] Vgl. IAS 39.9, 39.46 (c).

[19] Vgl. Henselmann (2010), S. 268.

[20] Vgl. Kirsch (2012), S. 115.

[21] Vgl. Berentzen (2010), S. 61.

[22] Vgl. Achleitner et. al. (2009), S. 126.

[23] Vgl. ebenda, S. 127. sowie IAS 39.46.

[24] Vgl. Kehm/lüdenbach (2008), S. 1553.

[25] Vgl. Kehm/lüdenbach (2008), S. 1553.

[26] Vgl. Kirsch (2012), S. 116.

[27] Vgl. Kapitel 2.3.1 – 2.3.3.

[28] Vgl. Henselmann (2010), S. 278.

[29] Vgl. Kapitel 2.3.1.

[30] Vgl. Kirsch (2012), S. 116.

[31] Vgl. Kehm/Lüdenbach (2008), S. 1554.

[32] Vgl. ebenda, sowie IAS 39.55 (b).

[33] Vgl. Henselmann (2010), S. 279.

[34] Vgl. Kehm/Lüdenbach (2008), S. 1497.

[35] Vgl. Aschfalk-Evertz (2010), S. 125.

[36] Vgl. Institute of Chartered Accountants Australia (2012).

[37] Vgl. Schmidt et. al. (2007), S. 51, sowie IAS 39.59.

[38] Vgl. Schmidt et. al. (2007), S. 51, sowie Institute of Chartered Accountants Australia (2012).

[39] Vgl. Grünberger (2012), S. 195.

[40] Vgl. Achleitner et. al. (2009), S. 133.

[41] Vgl. Grünberger (2012), S. 200.

[42] Vgl. Achleitner et. al. (2009), S. 133 f..

[43] Vgl. Kehm/Lüdenbach, (2008) S. 1596 f..

[44] Vgl. Achleitner et. al. (2009), S. 134.

[45] Vgl. Grünberger (2012), S. 201.

[46] Vgl. Achleitner et.al. (2009), S. 134 f..

[47] Vgl. Grünberger (2012), S. 204.

[48] Vgl. ebenda, S. 208 f..

[49] Vgl. KPMG Deutsche Treuhand-Gesellschaft AG (Hrsg.) (2007), S. 155.

[50] Vgl. Grünberger (2012), S. 200.

[51] Vgl. Kirsch (2012), S.124.

Details

Seiten
Erscheinungsform
Erstausgabe
Jahr
2012
ISBN (PDF)
9783955497927
ISBN (Paperback)
9783955492922
Dateigröße
3.6 MB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
FOM Hochschule für Oekonomie & Management gemeinnützige GmbH, Nürnberg früher Fachhochschule
Erscheinungsdatum
2015 (Februar)
Note
1,6
Schlagworte
IAS 39 Financial Instrument Finanzinstrument Finanzmarktkrise IASB

Autor

Christian Koeber, B.A., wurde 1989 in Weißenburg in Bayern geboren. Neben dem berufsbegleitenden Studium der Betriebswirtschaftslehre an der Hochschule für Ökonomie und Management in Nürnberg absolvierte der Autor parallel hierzu die Fortbildung zum Bilanzbuchhalter an der Steuer-Fachschule Dr. Endriss. Nach ersten praktischen Erfahrungen im Controlling eines mittelständischen Automobilzulieferers wechselte Christian Koeber in den Prüfungsbereich einer der Big-Four Wirtschaftsprüfungsgesellschaften. Dort festigte sich das Interesse an der komplexen Bilanzierung von Finanzinstrumenten, welches letztendlich zu dieser Arbeit führte.
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Titel: Die Bilanzierung von Finanzinstrumenten nach IFRS 9: Evaluierung des Handlungsbedarfs für Unternehmen
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