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Hyperaktivität im Teamsportwettbewerb: Regulierungsinstrumente zur nachhaltigen Gestaltung europäischer Fußballligen

©2012 Bachelorarbeit 69 Seiten

Zusammenfassung

Der Fußballmarkt in Europa boomt. Die Umsätze der europäischen Top-Ligen sind laut der UEFA in den Finanzjahren 2006-2010, trotz einer anhaltenden Euro- und weltweiten Finanzkrise, um mehr als 3,7 Mrd. Euro gestiegen. Dennoch befindet sich der europäische Fußballmarkt in einer wirtschaftlichen Krise, da die europäischen Top-Ligen entgegen dieser positiven Umsatzentwicklung Verluste ausweisen. Im selben Zeitraum, in der so ein starker Umsatzanstieg zu verzeichnen war, haben sich die Nettoverluste der Top-Ligen auf 1,6 Mrd. Euro im Finanzjahr 2010 verachtfacht. Unweigerlich stellt sich hier die Frage, warum die Akteure des europäischen Fußballmarktes so unrentabel und verlustträchtig wirtschaften.
Im Rahmen dieser Studie soll ein Erklärungsansatz für die Ambivalenz zwischen wirtschaftlichen Boom und existenzgefährdender Verschuldung untersucht werden. Dieser Erklärungsansatz befasst sich mit dem Problem von Hyperaktivität in Teamsportwettbewerben am Beispiel der europäischen Fußballligen.
Mit Hyperaktivität wird hierbei ein Verhalten der Klubs beschrieben, das durch systembedingte Fehlanreize einen ruinösen Investitionswettlauf in Gang setzt. Daher werden im Folgenden die systembedingten Fehlanreize des europäischen Fußball-systems untersucht, welche ein solches Hyperaktivitätsverhalten auslösen können. Darüber hinaus ist zu klären, ob die bisher eingesetzten Regulierungsinstrumente geeignet sind, das Hyperaktivitätsproblem zu lösen oder ob es gegebenenfalls geeignetere Regulierungsalternativen gibt. Ziel dieser Studie ist es somit, die Ursachen und Wirkungen des Hyperaktivitätsproblems zu bestimmen und die Wirksamkeit der bisher eingesetzten Regulierungsinstrumente zu analysieren.

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


Tabellenverzeichnis
Tabellenverzeichnis
Tabelle 1: Vergleich der Prämienreformen...49

Abkürzungsverz eichnis
Abkürzungsverzeichnis
Abb.: Abbildung
bzw.: beziehungsweise
DFB: Deutscher
Fußball
Bund
DFL: Deutsche
Fußball
Liga
EU: Europäische
Union
LFP:
Liga Nacional de Fútbol Profesional
Mio.: Millionen
MLB: Major
League
Baseball
Mrd.: Milliarde
NBA: National
Basketball
Association
NFL: National
Football
League
NHL: National
Hockey
League
UEFA:
Union of European Football Associations

Einleitung
1 Einleitung
1.1 Problemstellung und Aktualitätsbezug
Der Fußballmarkt in Europa boomt. Die Umsätze der europäischen Top-Ligen sind
laut der UEFA in den Finanzjahren 2006-2010, trotz einer anhaltenden Euro- und
weltweiten Finanzkrise, um mehr als 3,7 Mrd. Euro gestiegen. Dennoch befindet
sich der europäische Fußballmarkt in einer wirtschaftlichen Krise, da die europäi-
schen Top-Ligen entgegen dieser positiven Umsatzentwicklung Verluste auswei-
sen. Im selben Zeitraum, in der so ein starker Umsatzanstieg zu verzeichnen war,
haben sich die Nettoverluste der Top-Ligen auf 1,6 Mrd. Euro im Finanzjahr 2010
verachtfacht. Unweigerlich stellt sich hier die Frage, warum die Akteure des euro-
päischen Fußballmarktes so unrentabel und verlustträchtig wirtschaften. Der euro-
päische Fußballverband hat mit der Einführung des Financial-Fair-Play-Reglements
auf diese Frage bereits eine Antwort gegeben. Strikte Finanzrichtlinien sollen das
Ausgabeverhalten der Klubs in wirtschaftlich vertretbare Bahnen lenken und damit
die Existenz und Nachhaltigkeit des europäischen Klubfußballs langfristig schützen.
Im Rahmen dieser Arbeit soll jedoch ein anderer Erklärungsansatz für die Ambiva-
lenz zwischen wirtschaftlichen Boom und existenzgefährdender Verschuldung un-
tersucht werden. Dieser Erklärungsansatz befasst sich mit dem Problem von Hy-
peraktivität in Teamsportwettbewerben am Beispiel der europäischen Fußballligen.
Mit Hyperaktivität wird hierbei ein Verhalten der Klubs beschrieben, das durch sys-
tembedingte Fehlanreize einen ruinösen Investitionswettlauf in Gang setzt. Daher
werden im Folgenden die systembedingten Fehlanreize des europäischen Fußball-
systems untersucht, welche ein solches Hyperaktivitätsverhalten auslösen können.
Darüber hinaus ist zu klären, ob die bisher eingesetzten Regulierungs instrumente
geeignet sind, das Hyperaktivitätsproblem zu lösen oder ob es gegebenenfalls ge-
eignetere Regulierungsalternativen gibt. Ziel dieser Arbeit ist es somit, die Ursa-
chen und Wirkungen des Hyperaktivitätsproblems zu bestimmen und die Wirksam-
keit der bisher eingesetzten Regulierungsinstrumente zu analysieren. Des Weiteren
sollen im Hinblick auf die wirtschaftliche Stabilität des europäischen Fußballs alter-
native Regulierungsinstrumente untersucht werden. Die Notwendigkeit einer sol-
chen Untersuchung ergibt sich aus der prekären finanziellen Schieflage einiger
1

Einleitung
europäischer Klubs. Sowohl die UEFA als auch die nationalen Fußballverbände mit
ihren Klubs sollten daran interessiert sein, die existenzgefährdende Verschuldung
im europäischen Fußball zu beseitigen. Hierzu ist es auch notwendig, bisher einge-
setzte Regulierungsmaßnahmen zu hinterfragen und neue Erklärungsansätze zu
diskutieren, um ganzheitliche Regulierungsmaßnahmen einzuleiten, die dem euro-
päischen Fußball nachhaltig zu mehr Stabilität verhelfen.
1.2 Gang der Untersuchung
Um die oben genannten Ziele zu erreichen, ist diese Arbeit in insgesamt fünf Kapi-
tel untergliedert. Im ersten Kapitel soll an das Thema dieser wissenschaftlichen
Arbeit herangeführt, die Problemstellung erläutert und die Zielsetzung dargestellt
werden.
Das zweite Kapitel befasst sich mit den grundlegenden ökonomischen Eigenschaf-
ten des Teamsportwettbewerbs. In einem ersten Schritt wird der für den Team-
sportwettbewerb charakteristische Wertschöpfungskreislauf erklärt und anhand
dessen die Besonderheiten des Wettbewerbs dargestellt. Dieser Schritt dient als
Grundlage, um im zweiten Schritt das Hyperaktivitätsproblem zu untersuchen.
Hierbei werden die Ursachen und Folgen dieses Organisationsproblems für eine
abschließende Bewertung bezüglich des Regulierungsbedarfs herausgearbeitet.
Darauf aufbauend werden im dritten Kapitel dieser Arbeit die bisher angewandten
Regulierungsinstrumente dargestellt. Zunächst steht dabei das neu eingeführte
UEFA-Financial-Fair-Play-Reglement im Mittelpunkt der Betrachtung. Als erstes
werden die wichtigsten Bestandteile und die damit verbundenen Ziele dieses Reg-
lements beschrieben. Danach wird eine abschließende Bewertung hinsichtlich der
Wirksamkeit gegen das Hyperaktivitätsproblem durchgeführt. Als zweites Regulie-
rungsinstrument werden dann die unterschiedlichen TV-Vermarktungsformen un-
tersucht und ebenfalls hinsichtlich der Wirksamkeit gegen das Hyperaktivitätsprob-
lem bewertet.
Im vierten Kapitel werden dann alternative Regulierungsinstrumente analysiert. Wie
in Kapitel drei sollen nun diese Regulierungsalternativen unter dem Gesichtspunkt
der Wirksamkeit gegen das Hyperaktivitätsproblem beurteilt werden. Zu Beginn
2

Einleitung
wird hierbei auf ein Regulierungsinstrument der amerikanischen Major Leagues
eingegangen und auf das europäische Fußballsystem übertragen. Abschließend
werden dann zwei selbst entwickelte Regulierungsalternativen vorgestellt, wobei
beide Modelle eine Erlösumverteilung zur Folge haben.
Im fünften und letzten Kapitel wird mit einem abschließenden Fazit der Inhalt der
Arbeit reflektiert und auf Grundlage der erarbeiteten Erkenntnisse wird ein Blick auf
die Zukunftsfähigkeit des europäischen Fußballsystems geworfen.
3

Die ökonomischen Grundlagen des Teamsportwettbewerbs
2 Die
ökonomischen
Grundlagen
des
Teamsportwettbewerbs
Bevor man sich mit Hyperaktivität im europäischen Fußball beschäftigt, ist es not-
wendig die grundlegenden ökonomischen Eigenschaften von Teamsportwettbe-
werben zu erläutern. Im Folgenden werden daher zuerst der Wertschöpfungskreis-
lauf im Teamsportwettbewerb und die Besonderheiten des Wettbewerbs darge-
stellt. Daran anknüpfend wird das Organisationsproblem Hyperaktivität ausführlich
dargestellt.
2.1 Der Wertschöpfungskreislauf und die Besonderheiten des
Wettbewerbs
Der Wertschöpfungsprozess im professionellen Teamsport lässt sich nicht mit dem
für andere Wirtschaftsbranchen allgemein anerkannten Wertschöpfungsprozess
nach Porter erklären.
1
Dietl bezeichnet den Wertschöpfungsprozess im professio-
nellen Teamsport vielmehr als Wertschöpfungskreislauf.
2
Am Anfang dieses Wert-
schöpfungskreislaufes stehen die Investitionen der Klubs in ihre Teams. Erweitert
man diesen Wertschöpfungskreislauf mit dem dreistufigen Produktionsprozess ei-
ner Liga, stellen diese Investitionen die Grundlage der Produktion einer sportlichen
Teamleistung dar.
3
Die klubinterne Produktion einer sportlichen Leistung durch das
Zusammenwirken seiner Teammitglieder bildet also die erste Stufe des Produkti-
onsprozesses einer Liga. Da aber ein Klub alleine kein marktfähiges Produkt er-
zeugen kann, benötigt jedes Team mindestens einen Gegner. Auf dieser zweiten
Stufe des Produktionsprozesses treten somit zwei Klubs gegeneinander in einem
sportlichen Wettkampf an und erschaffen damit ein marktfähiges, wenn auch noch
kein attraktives Produkt. Eine wesentlich höhere Wertschöpfung kann hierbei erzielt
werden, wenn sich mehrere Teams zu einer Liga zusammenschließen und einen
Meisterschaftswettbewerb erzeugen. Dieser Schritt ist dann die dritte Stufe des
Produktionsprozesses einer Liga. Die Austragung eines Meisterschaftswettbewerbs
steigert das Zuschauer- und infolgedessen auch das Medieninteresse. Durch die
1
Vgl. Gabler Wirtschaftslexikon (o.J.).
2
Vgl. Dietl, H. (2010), S.6.
3
Vgl. Daumann, F. (2011), S.133f.
4

Die ökonomischen Grundlagen des Teamsportwettbewerbs
gestiegene Aufmerksamkeit der Liga durch Fans und Medien werden wiederrum
Sponsoren angezogen, die die Liga als Werbeplattform nutzen möchten. Fans,
Medien und Sponsoren ermöglichen den Klubs Einnahmen zu generieren, die er-
neut für Investitionen in die Spielstärke und Attraktivität eines Teams verwendet
werden können. Idealerweise funktioniert dieser Wertschöpfungskreislauf nach
dem Schneeballsystem, so dass attraktivere Teams mehr Fans, Medien und
Sponsoren anziehen, die wiederrum höhere Einnahmen für die Klubs zur Folge
haben (Vgl. Abb. 1).
Abbildung 1: Wertschöpfungsk reislauf und Produk tionsprozess im Teamsportwettbewerb.
Quelle: in Anlehnung an Dietl, H. (2010), S.7 und Daumann, F. (2011) S.134.
Aus dem beschriebenen Wertschöpfungskreislauf und Produktionsprozess geht
eine wichtige Erkenntnis hervor, die ein entscheidendes Unterscheidungsmerkmal
der Teamsportindustrie zu anderen Wirtschaftsbereichen darstellt: Der Anteil des
Einzelnen (einzelne Sportler, Teams oder Spiele) an der Wertschöpfung, d.h. sein
Klubs
investieren
in Teams
Teams
bilden
Liga
Liga
organisiert
Wettbewerbe
Wett-
bewerbe
ziehen
Fans an
Fans
ziehen
Medien
an
Fans und
Medien
ziehen
Sponoren an
Fans,
Medien und
Sponsoren
bringen
Einnahmen
1. Stufe:
Klub produziert
durch das Zusam-
menwirken der
Teammitglieder
sportliche Leistung
2. Stufe:
Zwei Klubs produzie-
ren ein Spiel
3. Stufe:
Liga bringt isolierte
Wettkämpfe in einen
Zusammenhang
Wertschöpfungskreislauf
Produktionsprozess
5

Die ökonomischen Grundlagen des Teamsportwettbewerbs
Wertgrenzprodukt, ist nicht ermittelbar. Das Wertgrenzprodukt wird als das Grenz-
produkt eines Faktoreinsatzes multipliziert mit dem Güterpreis definiert. Wenn also
beispielsweise eine Unternehmung Äpfel für 10 pro Kiste verkauft und eine zu-
sätzliche Arbeitskraft 80 Kisten Äpfel produziert, so beträgt das Wertgrenzprodukt
dieser Arbeitskraft 800.
4
Während man in anderen Wirtschaftsbereichen sowohl
das Grenzprodukt als auch den Güterpreis ermitteln kann, ist dies in der Teamspor-
tindustrie nicht möglich. Die Ursache hierfür liegt in den Besonderheiten der Team-
sportindustrie, die auf dem beschriebenen Wertschöpfungskreislauf gründen. Hie-
raus ergibt sich, dass die individuellen Leistungen eines Spielers als Inputfaktor für
die Teamleistung zu betrachten sind, die ihrerseits wieder mit zahlreichen anderen
Inputfaktoren anderer Teams in den Produktionsprozess Meisterschaft mit einflie-
ßen. Durch diese Vielzahl von Inputfaktoren, die in dem Produktionsprozess einer
Meisterschaft einfließen, ist es nicht mehr möglich, das Wertgrenzprodukt eines
einzelnen Sportlers oder eines einzelnen Spiels exakt bzw. überhaupt zu ermitteln.
Folglich ist die erzielte Wertschöpfung einer Meisterschaft bzw. einer Liga das Ge-
samtresultat aller Inputs, in der der Beitrag des Siegers an der Wertschöpfung nicht
größer als der des Verlierers ist. Am Wertschöpfungskreislauf sind hierbei aber
nicht nur die Klubs und Spieler beteiligt, sondern auch Zuschauer, Medien und
Sponsoren. Für ein besseres Verständnis dieses Wertschöpfungskreislaufes ist der
Sport, in diesem Fall der Fußball, als eine Plattform zu begreifen, über die mehrere
Marktseiten miteinander interagieren (vgl. Abb. 2).
5
4
Vgl. Mankiw, N.G./ Taylor, M.P. (2008), S.438.
5
Vgl. Dietl, H. (2010), S.7.
6

Die ökonomischen Grundlagen des Teamsportwettbewerbs
Abbildung 2: Der Fußballsport als Interak tionsplattform verschiedener Mark tseiten.
Quelle: in Anlehnung an Vöpel, H. (2011), S.7.
Die verschiedenen Marktseiten weisen dabei jeweils spezifische Strukturen, In-
strumente und Handlungsmuster auf, mit denen die jeweiligen Akteure versuchen,
mit Hilfe von verschiedenen Zielen und Strategien vom Fußballmarkt zu partizipie-
ren. Elementar für den wirtschaftlichen Erfolg aller am Fußballmarkt beteiligten Ak-
teure ist die Zuschauerresonanz des Spiel- und Ligabetriebes. Für den wirtschaftli-
chen Erfolg einer Liga ist es daher maßgeblich entscheidend, inwieweit sich dieser
gegen andere konkurrierende Unterhaltungsangebote bei der Zuschauergunst
durchsetzen kann. Unter Zuschauern werden in diesem Zusammenhang sowohl
die Stadionbesucher als auch die Fernsehzuschauer verstanden, die zusammen
die primäre Nachfrage nach dem Produkt Fußball bilden. Der Spiel- und Ligabe-
trieb steht damit im Mittelpunkt aller ökonomischen Aktivitäten bzw. der Marktteil-
nehmer. Wie Abbildung 2 verdeutlicht, leitet sich unmittelbar aus dem Fußballmarkt
der Markt für TV-Rechte, der Werbemarkt und das Merchandising und Ticketing ab.
Zuschauer
Werbemarkt
Fußball
Zuschauer
Merchandising/
Ticketing
Senderechte
Me
d
ie
n
W
ir
tschaf
t
Sponsoring
Senderechte
Sponsoring
7

Die ökonomischen Grundlagen des Teamsportwettbewerbs
Durch das enorme Zuschauerinteresse am Fußball ist es für die werbetreibende
Wirtschaft besonders attraktiv, sich entweder direkt durch den Kauf von Vermark-
tungsrechten von den Vereinen am Sponsoring zu beteiligen oder sich am TV-
Markt Sendezeiten im Umfeld von Fußballsendungen zu kaufen. Die Medien bzw.
die TV-Sender wiederum fragen genau diese Sendezeiten und Verwertungsrechte
rund um den Fußball nach, um möglichst hohe Werbeerlöse generieren zu kön-
nen.
6
Die Vereine und Verbände als Anbieter des Produkts Fußballs bedienen also
viele verschiedene Märkte mit unterschiedlichen Strukturen und Anforderungen,
denen sich die Vereine und Verbände anpassen müssen. Dementsprechend wer-
den Vereine und Verbände immer wieder mit Konflikten zwischen verschiedenen
Marktseiten konfrontiert, bei denen beispielweise ein Sponsor daran interessiert ist,
seinen Schriftzug möglichst groß auf dem Trikot zu platzieren, während eine zu
große Werbefläche das Trikot für den Fan als Käufer dieser Trikots tendenziell un-
attraktiver macht. Die Komplexität der verschiedenen Märkte und das daraus resul-
tierende Konfliktpotenzial ist ein erster wichtiger Grund für die Notwendigkeit von
Regulatoren, die solche Konflikte lösen oder erst gar nicht entstehen lass en. Für
das angeführte Beispiel in Deutschland der DFB in seiner Satzung die maximale
Größe der Werbefläche und ihre Positionierung auf dem Trikot klar festgelegt und
so möglichen Konflikten zwischen verschiedenen Marktseiten entgegengewirkt.
7
In
diesem Zusammenhang ist es wichtig festzuhalten, dass der Fußballsport, egal für
welche Marktseite, nur interessant ist, wenn dieser in Form einer Meisterschaft
ausgetragen wird. Daher ist es notwendig, sich mit den Besonderheiten eines sol-
chen Wettbewerbes auseinanderzusetzen, um die Komplexität des Wertschöp-
fungskreislaufs verstehen zu können. Die Produktion einer Meisterschaft ist dabei
ein Gemeinschaftsprodukt aller beteiligten Ligaklubs. Für die erfolgreiche Durchfüh-
rung einer Meisterschaft sind bestimmte Merkmale Grundvoraussetzung :
- Normierung: Eine Vergleichsbasis für die Leistung aller beteiligten Klubs muss
gesichert sein. Hierzu wird ein Spielplan bestimmt und eine regelkonforme Durch-
führung der Spiele nach einem stabilen, einheitlichen und verbindlichen Regelwerk
vereinbart.
6
Vgl. Vöpel, H. (2011), S.8.
7
Vgl. DFB (o.J.), S.41.
8

Die ökonomischen Grundlagen des Teamsportwettbewerbs
- Sportliche Integrität des Wettbewerbs: Der Ausgang eines Spiels muss immer
durch einen fairen Wettbewerb entschieden werden. Ein Spiel wird für den Zu-
schauer umso interessanter, je größer die Ungewissheit über den Spielausgang ist.
- Markenschutz: Die Aussagefähigkeit des Meisterschaftstitels muss gesichert sein.
Sobald mehrere Meisterschaftstitel für einen regional identischen Raum vergeben
werden, kommt es zwangsläufig zu einem Wertverlust aller Meisterschaftstitel.
8
Aus diesen Merkmalen ergeben sich zwei Konsequenzen. Zum einen bedarf es
einen Ligaorganisators, der als Normierungs-, Integritäts- und Markenschutzinstanz
zu betrachten ist. Franck stellt in diesem Zusammenhang fest, dass Anreize zur
Drückebergerei bestehen, da jeder Klub durch seine Beiträge zum Schutz dieser
Merkmale einen positiven externen Effekt für andere erzeugt, wobei die entspre-
chenden Opportunitätskosten vollständig privat sind. In Verbindung zum Wert-
schöpfungskreislauf ist der Anreiz zur Drückebergerei insbesondere durch die un-
mögliche Messbarkeit von individuellen Beiträgen zur Gesamtwertschöpfung er-
klärbar. Die Klubs benötigen daher einen übergeordneten Aufpasser, der Drücke-
bergerei zum Schutz dieser Teamprodukte verhindert.
9
Zum anderen verkörpern
Fußballligen ein natürliches Monopol, welches den höchsten Vermarktungswert für
das Produkt Liga sicherstellt. Die Liga verfolgt hierbei das Ziel der Gewinnmaximie-
rung, da die Wohlfahrtsmaximierung der gesamten Liga im Mittelpunkt steht. Dabei
ist irrelevant, ob die Liga durch einen Dachverband oder genossenschaftlich durch
die Klubs selbst organisiert wird.
10
Denn auch für die Klubs selbst ist die Monopol-
stellung der nationalen Fußballligen besonders vorteilhaft, da sie die größtmögli-
chen Vermarktungschancen bietet. Diese resultieren aus der Exklusivität der aus-
getragenen Meisterschaft, die den Zuschauern einen Zusatznutzen stiftet, da die
Zuschauer nicht die Meister mehrerer parallel laufenden Ligen ermittelt haben wol-
len, sondern den einen nationalen Meister.
11
Die Gründung einer Konkurrenzliga ist
deshalb für die Klubs keine vorteilhafte Exit-Option, weil sie zum Wertverlust aller
ausgetragenen Meisterschaften führen würde. Aus dem skizzierten Wertschöp-
fungskreislauf ergibt sich eine weitere wichtige Besonderheit von Meisterschafts-
wettbewerben in den Teamsportwettbewerben. Während sich die Klubs einer Liga
8
Vgl. Kipker, I.O./ Parensen, A. (1999), S.139f.
9
Vgl. Franck, E. (1999), S.534.
10
Vgl. Kipker, I.O./ Parensen, A. (1999), S.139.
11
Vgl. Zieschang, K./ Woratschek, H./ Beier, K. (2004), S.25.
9

Die ökonomischen Grundlagen des Teamsportwettbewerbs
in einer sportlichen und wirtschaftlichen Konkurrenzsituation befinden, unterliegen
sie gleichzeitig dem Zwang zur Kooperation. Denn der Meisterschaftswettbewerb
stellt ein Teamprodukt dar, das ohne Kooperation der Klubs nicht zustande kom-
men würde. Das Absatzprodukt Meisterschaft wird dabei für den Zuschauer umso
attraktiver, je spannender sich sowohl einzelne Spiele als auch der gesamte Meis-
terschaftswettbewerb gestalten. Da der Spannungsgrad nur von allen Klubs ge-
meinsam aufgebaut werden kann und alle von den Vermarktungserträgen einer
Liga profitieren, ist er als Kollektivgut zu interpretieren, der insbesondere wirtschaft-
liche Kooperationsmaßnahmen erforderlich macht.
12
Durch das gemeinsame Inte-
resse an einer attraktiven und spannenden Liga sind die Klubs entscheidend auf
ihre Wettbewerber angewiesen. Diese Simultanität von Konkurrenz auf der einen
und notwendiger Kooperation auf der anderen Seite kennzeichnet ein Kollektivgut-
problem von Sportligen und wird als Kooperenz
13
oder assoziative Konkurrenz
14
bezeichnet.
2.2 Organisationsproblem: Hyperaktivität
2.2.1 Definition
Der Begriff Hyperaktivität ist auf die Arbeit von Alchian und Demsetz zurückzufüh-
ren und beschreibt den ineffizient hohen Ressourceneinsatz durch die Klubs inner-
halb eines Meisterschaftswettbewerbs.
15
Akerlof gebrauchte hierzu die Metapher
des Rattenrennens, um genau solche ökonomischen Prozesse zu erläutern. Hier-
bei rennen mehrere Ratten um ein Stück Käse, wobei nur der Sieger den Käse
erhält, während alle nachfolgend platzierten Ratten leer ausgehen. Für die einzelne
Ratte ist es daher sinnvoll, so schnell wie möglich zu laufen und sich so stark wie
möglich anzustrengen. Die Siegerratte verbraucht dabei unter Umständen sogar
mehr Ressourcen als sie durch den gewonnenen Käse wieder zugeführt bekommt.
Aus ökonomischer Sicht steigern die Ratten ihren Inputeinsatz mit steigender
Renngeschwindigkeit, während der Preis (Stück Käse) überhaupt nicht wächst und
vergeuden damit Ressourcen: ,,In the rat race the chances of getting the cheese
12
Vgl. Zieschang, K./ Woratschek, H./ Beier, K. (2004), S.10.
13
Vgl. Zieschang, K./ Woratschek, H./ Beier, K. (2004), S.10.
14
Vgl. Vöpel, H. (2011), S.8.
15
Vgl. Alchian, A.A./ Demsetz, H. (1972), S.791.
10

Die ökonomischen Grundlagen des Teamsportwettbewerbs
increase with the speed of the rat, although no additional cheese is produced."
16
Bemerkenswert bei diesem Phänomen ist die Tatsache, dass bei Summierung aller
beteiligten Akteure eine deutliche kollektive Inputverschwendung stattfindet, obwohl
der Inputeinsatz in den individuellen Optimierungskalkülen (rational) abgewogen
wird. Das Rattenrennen beschreibt damit den Konflikt zwischen der Maximierung
des insgesamt verteilbaren Wohlstandes und den individuellen Optimierungskalkü-
len der Rennteilnehmer.
17
2.2.2 Ursachen
2.2.2.1 Positionsabhängige Einnahmen
Übertragen auf eine Liga ist dieses Phänomen auf den charakteristischen Rang-
gutcharakter und der damit verbundenen Erlösstruktur einer Liga zurückzuführen.
Da die Anzahl der Ränge innerhalb einer Liga unteilbar sind, herrscht Ranginterde-
pendenz zwischen den Klubs. Das bedeutet, dass kein Klub seinen Rang verbes-
sern kann ohne den Rang mindestens einer seiner Konkurrenten zu verschlech-
tern. Dadurch ist jede Rangverbesserung eines Klubs mit einem negativen exter-
nen Effekt für seine Konkurrenten verbunden, so dass man beim sportlichen
Rangwettbewerb von einem Nullsummenspiel sprechen kann. Da sich die Wert-
grenzprodukte der einzelnen Ligateilnehmer nicht ermitteln lassen, werden für die
Verteilung der Wertschöpfung einer Liga (der Käse), d.h. die Ligaeinnahmen, sport-
liche Kriterien herangezogen. Infolgedessen ergeben sich platzierungsabhängige
Entlohnungsstrukturen, bei dem der wirtschaftliche Erfolg eines Klubs maßgeblich
durch den sportlichen Erfolg bestimmt wird. Beispielsweise werden in England,
Italien, Frankreich und Deutschland die Ligaeinnahmen aus dem Verkauf der Über-
tragungsrechte positions- also erfolgsabhängig an die Vereine verteilt. Für den ein-
zelnen Klub ist dadurch nicht die gesamte Wertschöpfung der Liga entscheidend,
sondern lediglich der Anteil der dabei auf sie entfällt.
18
Überholt nun ein Klub einen
Konkurrenten, sichert dieser sich zwar einen größeren Einnahmeanteil, die Ein-
nahmeeinbußen des Konkurrenten werden in dessen privaten Optimierungskalkül
aber nicht berücksichtigt. Man spricht in diesem Zusammenhang von einem positi-
16
Vgl. Akerlof, G. (1976), S.603.
17
Vgl. Franck, E./ Müller, J.C. (2000), S.3.
18
Vgl. Dietl, H./ Franck, E. (2006), S.334.
11

Die ökonomischen Grundlagen des Teamsportwettbewer bs
onalen externen Effekt.
19
Aus der Existenz großer Erlössprünge zwischen den
Rängen resultieren Anreize zu Überinvestitionen in Spielstärke, da bereits eine
marginale Verbesserung der sportlichen Leistungsfähigkeit zu erheblichen Er-
lössteigerungen bei den Klubs führen kann. Für die Klubs ist es daher rational, in
Spielstärke zu investieren, um von den Erlössprüngen zu profitieren.
20
Nimmt man
hypothetisch an, dass die Rangliste einer Liga die relativen Stärken der einzelnen
Mannschaften widerspiegeln, so führt jede Spielstärkeninvestition von Team A zu
einer relativen Spielstärkenverschlechterung von Team B. Team B wiederrum sieht
sich nun aufgrund drohender Einnahmeeinbußen gezwungen, ebenfalls in Spiel-
stärke zu investieren, um nicht überholt zu werden. Team A unterliegt also der Illu-
sion, durch höhere Investitionen seinen Anteil an den Ligaeinnahmen zu erhöhen.
Da diese Illusion aber alle Klubs betrifft, erhöhen alle ihre Investitionen, ohne ihren
Anteil an den Ligaeinnahmen tatsächlich zu erhöhen.
21
Durch die Interdependenz
von sportlichem und wirtschaftlichem Erfolg sind die Klubs gezwungen, über ihre
finanziellen Verhältnisse zu investieren, um sportlich erfolgreich sein zu können.
Obwohl also die Erlöse (der Käseanteil) identisch bleiben, kommt es zu einem sich
aufschaukelnden Investitionswettlauf, bei dem der Sieger die Investitionen der an-
deren Teams praktisch entwerten kann. Hyperaktivität birgt also die Gefahr ruinö-
ser Investitionswettläufe, in der sich die Klubs immer weiter verschulden müssen,
um sportliche Erfolge erreichen zu können. Die Hauptursache für Hyperaktivität in
Teamsportwettbewerben sind also insbesondere die rangabhängigen Erlössprünge
innerhalb einer Liga. Solche Erlössprünge werden aber nicht nur durch die rangab-
hängige Verteilungsstruktur der Ligaeinnahmen hervorgerufen. Das Problem wird
verstärkt, indem sich die Klubs lukrative Zusatzeinnahmen durch die Teilnahme an
Superwettbewerben wie der Champions League oder der Europa League sichern
können. Beispielsweise konnte der FC Bayern München als Finalteilnehmer der
letzten Champions League Saison 2011/2012 Zusatzeinnahmen in Höhe von rund
41,7 Mio. Euro generieren. Der Champions League Sieger FC Chelsea sogar rund
60 Mio. Euro. Aber selbst die Mannschaften, die bereits in der Gruppenphase aus-
geschieden sind, kassierten zwischen 8,2 Mio. Euro (Dinamo Zagreb) und 26,5
Mio. Euro (Manchester City) an zusätzlichen Einnahmen.
22
Diese potenziellen Ein-
19
Vgl. Franck, E./ Müller, J.C. (2000), S.14.
20
Vgl. Daumann, F. (2011), S.145.
21
Vgl. Dietl, H./ Franck, E./ Roy, P. (2003), S.537.
22
Vgl. UEFA (2012b).
12

Die ökonomischen Grundlagen des Teamsportwettbewerbs
nahmen wirken wie ein zusätzlicher Hebel für Hyperaktivität, da die Erlössprünge
zwischen den Tabellenplätzen, die zur Teilnahme an einem Superwettbewerb be-
rechtigen und den restlichen Tabellenplätzen, um ein vielfaches vergrößert werden.
Im europäischen Spitzenfußball steigert die Hoffnung auf die Teilnahme an der
Champions League die Investitionsbereitschaft der betreffenden Klubs und verleitet
diese dazu, sich zu verschulden, um vom zusätzlichen ,,Käse" zu profitieren. Franck
und Müller sprechen in diesem Zusammenhang in Anlehnung an empirischen Er-
kenntnissen über Glücksspieler, wonach sich die Höhe des Jackpots stärker auf
das Nachfrageverhalten von Lottospielern auswirkt als die Gewinnwahrscheinlic h-
keit, vom Lockruf des Jackpots. Demzufolge führt der Lockruf des Jackpots zu
Überholversuchen von sogenannten Möchtegern-Siegern, die den Investitionswett-
lauf weiter verschärfen.
23
2.2.2.2 Begrenzte Rationalität
Zur Erklärung solcher Investitionswettläufe ist der positionale externe Effekt jedoch
nicht ausreichend. Im Zusammenhang mit Rattenrennen im Fußball handelt es sich
keinesfalls um objektiv rationale Akteure im Sinne der neoklassischen Theorie,
sondern vielmehr um begrenzt rationale Akteure. Die Akteure sind deshalb nur be-
grenzt rational, weil sie nur über unvollständige Informationen verfügen. Diese Un-
vollständigkeit ergibt sich unter anderem aus der Unkenntnis über die Produktions-
und Vermarktungstechnologie der Konkurrenten, die eine Beeinträchtigung des
Kosten-Nutzen-Kalküls und damit des individuellen Optimierungskalküls zur Folge
haben.
24
Bezogen auf den Fußball ist damit insbesondere die sportliche, aber auch
die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Klubs gemeint. Kein Klub weiß genau, wie
leistungsstark die konkurrierenden Mannschaften wirklich sind, nicht einmal die
Leistungsstärke der eigenen Mannschaft kann exakt vorhergesagt werden. Klar
wird dieser Aspekt wenn man bedenkt, dass selbst das Leistungspotenzial eines
Spielers vom eigenen Klub nicht genau bestimmt werden kann. Ein rational han-
delnder Klub mit unterlegenen Produktionstechnologien würde nie versuchen, ei-
nen überlegenen Konkurrenten zu überholen, da dieser den angestrebten Tabel-
lenplatz billiger produzieren kann. Den stärkeren Konkurrenten würde es daher
23
Vgl. Franck, E./ Müller, J.C. (2000), S.18.
24
Vgl. Franck, E./ Müller, J.C. (2000), S.14f.
13

Details

Seiten
Erscheinungsform
Erstausgabe
Jahr
2012
ISBN (PDF)
9783955497767
ISBN (Paperback)
9783955492762
Dateigröße
1.1 MB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Universität Duisburg-Essen
Erscheinungsdatum
2015 (Februar)
Note
1,7
Schlagworte
Teamsport Regulierung Fußball UEFA Financial-Fair-Play.
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