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Fallorientierte Didaktik: Ein neues Bildungskonzept für die allgemeine Gesundheits- und Krankenpflege?

©2013 Bachelorarbeit 78 Seiten

Zusammenfassung

Pflegepersonen sind in ihrem Beruf durch den gesellschaftlichen und politischen Wandel der vergangenen Jahre massiv gestiegenen Anforderungen ausgesetzt. Die Pflegesituationen werden komplexer und komplizierter. Um die Betroffenen in ihrer Situation professionell unterstützen zu können, bedarf es an geeigneten Konzepten beruflicher Bildung. Die pflegewissenschaftliche Bedeutung dieser Arbeit liegt darin, ein neues Bildungskonzept, das als curriculare Grundlage für die zukünftige Ausbildung in der allgemeinen Gesundheits- und Krankenpflege dienen könnte, kritisch analytisch zu reflektieren und die Erkenntnisse daraus für die Praxis zu evaluieren.

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


2.3 Bildung

Der Begriff Bildung stammt vom mittelhochdeutschen Wort bildunge und vom althochdeutschen Wort bildunga ab (Duden Wörterbuch, 2012). Bildunga wird übersetzt mit den Worten Schöpfung, Bildnis und Gestalt. Als Bedeutungen werden das Bilden, die Erziehung, das Gebildetsein, das Ausgebildetsein, erworbenes Allgemeinwissen, das Formen, die Schaffung, das Sich bilden, die Entstehung, die Form und die Gestalt angeführt. Die Begriffe Ausbildung, Erziehung, Schulung, Allgemeinwissen, Wissen, Formung, Gründung, Konstituierung, Schaffung, Entstehung, Entwicklung, Herausbildung, Form, Formung und Gestalt gelten als Synonyme. Lehner (2009, S. 87) sagt, dass der Bildungsidee ein humanistisches Konzept vielseitiger Persönlichkeitsentfaltung zugrunde liegt, welche auf Handlungsfähigkeit für frei gesetzte Zwecke abzielt. Um Bildungsentwürfe zu unterscheiden, muss differenziert werden, ob sie eher die Inhalte und Bildungsgüter oder die zu erwerbenden methodischen Kompetenzen fokussieren. Bildung sei außerdem dadurch gekennzeichnet, dass sie einerseits auf das gesellschaftliche Leben vorbereitet und andererseits das Subjekt auch dem gesellschaftlichen Verfügungsdruck entziehen kann. Das bedeutet, dass Bildung, den Menschen dazu anregt, die Möglichkeit zu vernünftiger Selbstbestimmung wahrzunehmen und die erforderlichen Fähigkeiten auszubilden. Das Ziel der Bildung ist die Handlungsfähigkeit für freigesetzte Zwecke (Lehner, 2009, S. 88). Diese Handlungsfähigkeit ist eine Kompetenz zur Auseinandersetzung mit dem eigenen Selbst, der Gesellschaft und der Welt. Bildung schafft also die Voraussetzungen für den Umgang mit dem eigenen Selbst, der Welt und der Gesellschaft, kontrolliert aber nicht das konkrete Handeln, dementsprechend sind die Anlässe für Bildung vielfältig und entziehen sich einer genauen Bestimmung (Lehner, 2009, S. 89). Wenn Lehner (2009, S. 90) beschreibt, dass Bildung einerseits auf das Leben in einer (auch) von Zwängen geprägten Gesellschaft vorbereitet und andererseits sich auf Handlungsfähigkeit und Selbstermächtigung orientiert, weist er darauf hin, dass Bildung eine Art Doppelcharakter besitzt. Bei der Analyse der Literatur kann diese Auffassung unterstützt, wenn nicht sogar verstärkt werden. Es zeigt sich, dass Bildung ein schillernder Begriff ist. Bildung zielt im 19. Jahrhundert auf die Instandsetzung, auf die intellektuelle Ausstattung und Befähigung des Menschen zur Führung seines Lebens (Falk & Kerres, 2003, S. 22). Seit Anfang der siebziger Jahre nahmen die Diskussionen um die Integration von Allgemeinbildung und Berufsbildung zu (Falk & Kerres, 2003, S. 25). In den achtziger Jahren ist dann die Verworrenheit der Begriffe Allgemeine Bildung und Berufliche Bildung nicht mehr zu überbieten, da jeder Unterricht, und jede Bildung, je nach Fragestellung und Betrachtungsweise, speziell oder fachlich einerseits und allgemein andererseits sein kann (Falk & Kerres, 2003, S. 26). Durch den gegenwärtigen Umbau der Industriegesellschaft in eine Informations- und Dienstleistungsgesellschaft ergeben sich neue Anforderungen an die berufliche Bildung. Weil der Einzelne nun nicht mehr nur in seiner berufstheoretisch ausgerichteten Identität und der beruflichen Handlungskompetenz betroffen ist, ist er als betrieblicher Akteur mit all seinen biografisch gegebenen Kompetenzen gefordert (Peters zit. nach Falk & Kerres, 2003, S. 28). Falk und Kerres weisen darauf hin, dass dies Auswirkungen auf eine Berufspädagogik hat, weil es nicht mehr darum geht, nur Fachwissen zu vermitteln, das immer schneller veraltet. „Lebenslanges Lernen wird zum Muss, Grundfähigkeiten, mit denen sich der einzelne leichter auf veränderte Situationen einstellen kann, gewinnen an Bedeutung“. Die Grundzüge einer zeitgemäßen Allgemeinbildung mit den Dimensionen der Bildung für alle, die Entwicklung eines Bewusstseins für aktuelle Schlüsselprobleme und der Allgemeinbildung im Sinne einer vielseitigen Bildung, wurden von Klafki entwickelt (Falk & Kerres, 2003, S. 45). Diese Dimensionen gelten insbesondere für das Handlungsfeld der Berufspädagogik, laut Klafki geht es hier besonders um Aufklärung über die Rahmenbedingungen beruflicher Tätigkeit, über die Bedeutung des Berufs für die Entwicklung der personalen Identität und um die Beziehung zwischen Arbeit und Freizeit (Falk & Kerres, 2003, S. 45). In den neunziger Jahren forderte v. Hentig dann schließlich das Adjektiv allgemein zu streichen und nur noch von Bildung zu sprechen sowie Kriterien aufzustellen, mit deren Hilfe sich messen lasse, woran sich Bildung bewährt. Falk & Kerres (2003, S. 46) stellen fest, dass im Verlauf der Entwicklung der beruflichen Pflege meistens andere Themen dominierten als bildungstheoretische Überlegungen zur Verbindung von allgemein bildendem und berufsbildendem Unterricht. Erwähnenswert erscheint den beiden Autorinnen auch, dass die Medizin sich kontinuierlich bemüht hat, Inhalte der Pflegeausbildung so weit wie möglich zu bestimmen. Allgemeine berufliche Bildung fördert die Entwicklung einer personalen Identität. Ein neues Konzept der zeitgemäßen Allgemeinbildung, verstanden im Sinne von Klafki als vielseitige Bildung für alle, sowie mit der Dimension der Entwicklung eines Bewusstseins für die zentralen Probleme der Gegenwart und der Zukunft, ist von hoher Bedeutung für die Pflegeberufe. Gerade die Wandlungsprozesse im Gesundheitswesen bestätigen die veränderten Anforderungen an die Pflegeberufe (Falk & Kerres, 2003, S. 47). In deren Tätigkeitsfeldern ist zunehmend Voraussetzung, selbstständig und je nach Situation flexibel entscheiden und aus dem Fundus schöpfen zu können, der in hohem Maße Bildung und Qualifikation voraussetzt.

3 Kompetenz ein ambivalenter Begriff in der Pflege

Die Markt-, Rahmen- und Organisationsstrukturen haben sich in den vergangenen Jahren im Gesundheitswesen gravierend verändert (Dietze, 2011, S. 133). Die pflegerische Arbeit wird zunehmend von volkswirtschaftlichen und betriebs­wirtschaftlichen Überlegungen beeinflusst. Dadurch, dass die Ausbildung berufsübergreifender Handlungskompetenzen zunehmend an Bedeutung gewinnt, steht das berufliche Bildungssystem vor der Herausforderung, sich flexibel und innovativ den sich ändernden Anforderungen des Beschäftigungssystems anzupassen. Die Fragen, welche Kompetenz Menschen in unserer stetig wachsenden höchst komplexen Lebens- und Arbeitswelt benötigen, werden dringlicher (Olbrich, 2010, S. 11). Gerade das Thema der Pflegekompetenz ist besonders aktuell, denn Pflege als Teil der Gesellschaft muss sich den Herausforderungen stellen. Sahmel (2011, S. 1) spricht in diesem Zusammenhang auch vom Wandel der Pflege. Nach einer sehr plakativen Präsentation, wie sich der Wandel aktuell in den verschiedenen Settings der Gesundheits- und Krankenpflege abzeichnet, wirft Sahmel zwei Fragen auf, Wie ist auf den Wandel zu reagieren? und Wie wollen wir hier argumentieren? (Sahmel, 2011, S. 4). Auch die Beantwortung der vorhergehenden Fragestellungen formuliert der Autor in zwei weiteren Fragen. Er stellt in den Raum, ob es um eine Reaktion auf Markt-probleme geht oder ob pflegewissenschaftliche und pflegepädagogische Perspektiven in den Vordergrund rücken (Sahmel, 2011, S. 4-5). Der Autor bekennt sich zur Vertretung der zweiten Position. Es geht ihm vorrangig um den konsequenten Übergang vom derzeit vorherrschenden medizinisch- technischen, zu einem sozialpflegerischen Paradigma (Sahmel, 2011, S. 4). Deshalb gilt es laut Sahmel (2011, S. 6) zunächst zu klären, was der bislang skizzierte Wandel der Pflege bezüglich der Frage nach den Kompetenzen der Pflegekräfte bedeutet.

3.1 Die Entwicklung von den Schlüsselqualifikationen zu den Kompetenzen

Sahmel (2011, S. 7) beschreibt in seinen Ausführungen rückblickend die Entwicklung der Kompetenzen. Er verfolgt dabei den Weg vom Allgemeinen zum Besonderen. Zunächst kann festgestellt werden, dass in Bezug auf den Kompetenzbegriff, sich schon der berufspädagogische Vorgänger-Begriff, das Konzept der Schlüsselqualifikationen, als widersprüchlich erwies. Der bildungsökonomisch verstandene Begriff zielte weitgehend auf berufliche Funktionalität und geriet in Gegensatz zum Begriff der Bildung. Auch die Konjunktur des inzwischen fast inflationär gebrauchten Begriffs Kompetenz ist nach Sahmel in einem ähnlichen Licht zu sehen. „Die Veränderungen der Arbeitsverhältnisse in einer globalisierten Welt machen verstärkt einen flexiblen Menschen (um mit Richard Sennett zu reden) notwendig und der Begriff Kompetenz steht für größere Eigenständigkeit, Autonomie und Handlungs­fähigkeit, ist aber zugleich auch mit Steigerung der Produktivität und Leistungs­bereitschaft verknüpft. Der flexible, sich selbst organisierende Mitarbeiter wird zunehmend zu seinem eigenen Unternehmer.“ (Sahmel, 2011, S. 7) Einerseits zeichnet sich dadurch die Individualisierung ab. Im Neoliberalismus entspricht dies einer deutlichen Tendenz zum Rückzug des Staates aus der Verantwortung für Bildung und zum Rückgang der Bereitschaft von Unternehmen, sich um Weiterbildung zu kümmern. Das lebenslange Lernen liegt in der Eigen­veranwortung eines jeden Einzelnen. Andererseits existiert daneben auch weiterhin ein Verständnis von Kompetenz im Sinne von Bildung. Sahmel (2011, S. 9) möchte darauf aufmerksam machen, dass die Verwendung des Begriffs kritisch pädagogisch zu hinterfragen ist. Damit zeigt der Autor den ebenso vielfältigen Gebrauch des Begriffs in der Pflege auf. Des Öfteren lässt sich eine Aneinander­reihung von Kompetenzen oder die simple Teilung in Fachkompetenz, personale Kompetenz, soziale Kompetenz und Methodenkompetenz finden, ohne dass zum Beispiel deutlich darauf hingewiesen wird, dass soziale Kompetenz ein substantieller Bestandteil der pflegerischen Fachkompetenz ist.

Bemerkenswert erscheint auch die Tatsache, dass viele neue Kompetenzen erfunden werden (Sahmel, 2011, S. 9). Sahmel konstatiert, dass eine intensive Auseinandersetzung mit der gerade aufgewiesenen Ambivalenz zwischen affirmativem und kritischem Gebrauch der Kategorie Kompetenz zumeist entfällt. Darüber hinaus werden oft die Unschärfen in der Verwendung des Kompetenz-Begriffs in der Pflege verstärkt, indem oftmals Bezüge zum Kompetenzbegriff von Benner hergestellt werden. From Novice to Expert ist eine Studie aus dem Jahr 1994, der Interviews mit erfahrenen und weniger erfahrenen Pflegepersonen sowie Beobachtungen ihrer Praxis zugrunde liegen (Benner, 2012, S. 11). Sie wurde im Kontext der amerikanischen Pflege durchgeführt und besteht aus zwei Teilen. Benner wandte erstens das von den Brüdern Dreyfus entwickelte Modell des durch Wissen und reiche Erfahrung ermöglichten Kompetenzerwerbs auf die Gesundheits- und Krankenpflege an, und zweitens umriss sie das Berufsfeld anhand von sieben Bereichen (Sahmel, 2011, S. 9). Sahmel hebt die relevanten Ergebnisse daraus hervor, wichtiger, als die Einstufung der Kompetenzen (from novice to expert) erscheint ihm, dass Benner der Erfahrung durch das Handeln eine große Bedeutung zuschreibt. Benner (2012, S. 207) sagt diese Thematik betreffend, dass das Modell, das Durchlaufen der verschiedenen Kompetenzniveaus als Prozess, der auf Erfahrungen mit der Praxis beruht, darstellt. Wobei Theorie und Prinzipien den Berufsanfängerinnen und Berufsanfängern einen sicheren und effektiven Zugang zu ihrem Lernfeld ermöglichen und das Basiswissen bilden. Mit diesen Kenntnissen im Gepäck werden sie in die Lage versetzt, die bedeutsamen Fragen zu stellen und nach den richtigen Problemen Ausschau zu halten. Benner schreibt dazu weiter, wem dieses Basiswissen fehlt, der verfügt nicht über das nötige Handwerkszeug, um aus seinen Erfahrungen die entscheidenden Lehren zu ziehen. Zwischen der Kompetenzstufe auf der einen und der Expertenstufe auf der anderen Seite existiert ein schrittweiser und kein kontinuierlicher Übergang (Benner, 2012, S. 76). In Bezug auf die Arbeitsqualität von Angehörigen der Expertenstufe äußert Benner Folgendes. „Wenn nämlich diejenigen, die sich auf den beiden höchsten Stufen befinden, sich in ihrem Handeln auf bestimmte Einzelheiten oder formale Modelle und Regeln stützen sollen, verliert ihre Arbeit an Qualität“. Sahmel (2011, S. 9) weist darauf hin, dass Olbrich mit ihrer 1999 veröffentlichten Dissertation Pflegekompetenz an Benner anknüpft und im Gegensatz dazu sehr viel differenzierter wird. Sie kommt zu einer diskussionswürdigen Einschätzung derjenigen Kompetenzen, die zur Ausübung des Pflegeberufs notwendig sind. In der Untersuchung von Olbrich (2010, S. 57) waren Pflegepersonen bereit, Situationen aus ihrem Pflegealltag zu beschreiben. In diesen Beschreibungen stellten sie alle ihr pflegerisches Handeln in das Zentrum von Pflege. Handeln ist dabei nicht auf manuelles Tun beschränkt, sondern es vollzieht sich auch im Bereich der verbalen und nonverbalen Kommunikation mit den pflegebedürftigen Menschen. Olbrich (2010, S. 59) sieht die zentralen Kompetenzen der Pflegepersonen in der Wahrnehmung, der Einschätzung und Beurteilung des situativen Geschehens. Die Pflegehandlungen werden nicht nur aufgrund von ausbildungs- und regelgerichtetem Wissen ausgeführt, sondern die individuelle Situation der Patientinnen und Patienten wird eingeschätzt und danach die pflegerische Handlung ausgerichtet. Allerdings gestaltet sich die Wirklichkeit nicht so einfach, wie Lunney (2001, S. 27) einbringt, die sich auf eine diesbezügliche Aussage des Wissenschaftsphilosophen Webster bezieht, für den die Komplexität, der für die Pflege relevanten Phänomene beispiellos ist (Webster zit. nach Lunney, 2001, S. 27). Der Grund für diese Komplexität ist die Tatsache, dass die Pflege den Menschen und seine Gesundheit ganzheitlich betrachtet, die Patientin oder der Patient möchte von der Pflegeperson als Mensch und nicht bloß als Beispiel für eine bestimmte Krankheit oder für ein bestimmtes Problem wahrgenommen werden. Was noch hinzu kommt ist, dass Pflegende die Gesundheit der Menschen im Kontext ihrer Lebensumstände fördern. Wie ist dann in diesem Zusammenhang der Begriff des kritischen Denkens im pflege­diagnostischen Prozess zu sehen? „Kritisches Denken in der Pflege ist ein wesentliches Merkmal professioneller Verantwortlichkeit und ein Garant für die Qualität der Pflege. Kritisch denkende Pflegepersonen zeichnen sich durch folgende Attribute aus: Selbstvertrauen, kontextuelle Sensibilität, Kreativität, Flexibilität, Neugier, intellektuelle Integrität, Intuition, Offenheit, Beharrlichkeit und Reflexionsvermögen. Kritisch denkende Pflegepersonen arbeiten mit folgenden kognitiven Strategien: Analyse, Einhaltung von Richtlinien, Kontrolle, Informations­beschaffung, logisches Denken, Prognose, Wissensübertragung und Wissens­transformation“ (Rubenfeld & Scheffer zit. nach Lunney, 2001, S. 34).

Bei Pflegenden ist die Denkfähigkeit ebenso unterschiedlich ausgeprägt, wie bei anderen Erwachsenen, dies wurde in zahlreichen Studien belegt (Lunney, 2001, S. 35). Lunney hat in ihren Untersuchungen nachgewiesen, dass die Fähigkeiten des divergenten Denkens, zu dem Flüssigkeit, Flexibilität und Elaboration zählen, bei Pflegenden stark voneinander abweichen. Flüssigkeit ist demnach die Fähigkeit, viele Informationseinheiten zu verarbeiten, Flexibilität ist die Fähigkeit, sich intellektuell zwischen unterschiedlichen Informationskategorien zu bewegen und Elaboration ist die Fähigkeit von einer Informationseinheit viele Implikationen abzuleiten. Olbrich (2010, S. 65) konnte pflegerisches Handeln, wie es von Pflegepersonen aus der Praxis heraus beschrieben wurde, in vier Dimensions­bereiche ausdifferenzieren. Die Dimensionen pflegerischen Handelns sind regelgeleitetes Handeln, situativ-beurteilendes Handeln, reflektierendes Handeln und aktiv-ethisches Handeln. Regelgeleitetes Handeln beruht auf Fachwissen, Können und einer sachgerechten Anwendung dieses Wissens. Handeln vollzieht sich innerhalb der Routine und der vorgefundenen Normen. Beim situativ-beurteilenden Handeln tritt die Wahrnehmung und Sensibilität, die auf eine spezifische Stiuation gerichtet ist, in den Vordergrund. Aufgrund der situativen Einschätzung und Beurteilung erfolgt die Orientierung des Handelns. „Innerhalb des reflektierten Handelns ist nicht nur der Patient Gegenstand der Reflexion, sondern die eigene Person wird als Subjekt in das Geschehen miteinbezogen. Die Gefühle und Gedanken werden vom eigenen Erleben aus artikuliert.“ In der Dimension des aktiv-ethischen Handelns werden Pflegepersonen aktiv durch ihr Handeln, Kommunizieren oder Streiten auf der Basis von Werten. Hilfe erfolgt damit für die pflegebedürftigen Menschen in einer ethischen Dimension. Wird nach Ansicht der Pflegepersonen nach eigenen Vorstellungen kein Erfolg wirksam, so führt die Reflexion zum Formulieren von Grenzen. Diese vier Dimensionen pflegerischen Handelns stehen in einer inneren Beziehung, denn sie bauen in einer hierachischen Reihenfolge aufeinander auf (Olbrich, 2010, S. 66). Erwähnenswert ist laut Sahmel (2011, S. 11) auch die Tatsache, dass Olbrich stets die besondere Bedeutung der Förderung der kommunikativen Kompetenzen in der Pflege betont hat.

3.2 Anforderungen für zukünftiges Handeln in den Pflegeberufen

Wie können Pflegende an der Gestaltung eines sich wandelnden Feldes der Pflege mitwirken, und welche Kompetenzen benötigen Pflegekräfte konkret, um den zukünftigen Anforderungen gewachsen zu sein (Sahmel, 2011, S. 11)? Sahmel (2011, S. 12) benennt die seiner Meinung nach wichtigsten Handlungs­felder. „Unterstützung und Pflege alter Menschen in ihrer häuslichen und sozialen Umgebung, Beratung und Unterstützung Pflegebedürftiger und ihrer Bezugs­personen, Hilfen bei Behinderung [sic!] und Verwirrtheit, Begleitung Sterbender und vernetztes Arbeiten mit Professionellen und Laien“. In Bezug auf die skizzierten Tendenzen des Wandels lassen sich notwendige Akzent­verschiebungen in der Pflegeausbildung vorläufig inhaltlich konkretisieren. Die Entwicklung und Umsetzung von pflegerischen Konzeptionen für den Umgang mit speziellen Zielgruppen wird immer wichtiger (Nussbaumer & von Reibnitz, 2008, S. 47). Dem demographischen Wandel zu Folge sind damit ältere Personen, Menschen mit besonderen Bedürfnissen, schwerstpflegebedürftige und demenziell erkrankte Menschen gemeint. Die Pflege dieser Personen sollte deshalb auch einen deutlichen, fachlichen Schwerpunkt in der Ausbildung darstellen (Sahmel, 2011, S. 12). Die zunehmende Leistungsverlagerung aus dem stationären in den ambulanten oder nachsorgende Bereiche zeigen an, dass Prävention und Rehabilitation in den Vordergrund des pflegerischen Handelns rücken (Nussbaumer & von Reibnitz, 2008, S. 47). Die Gesundheitsförderung und die rehabilitative und aktivierende Pflege gewinnt daher an Bedeutung in der Ausbildung (Sahmel, 2011, S. 12). Sahmel zeigt weiters auf, dass die Fähigkeit zu multiprofessioneller Kooperation wie zur eigenständigen Koordination und Organisation pflegerischer Arbeit zu fördern ist. Nussbaumer und von Reibnitz (2008, S. 47) verweisen hier auf die Fähigkeiten die im Case-Management von Bedeutung sind. Das Case-Management wird in Zukunft in der Betreuung älterer, chronisch kranker Menschen zunehmend an Bedeutung gewinnen, sowohl im ambluanten wie im stationären Bereich. Die Autorinnen sehen die Verantwortung einer Case-Managerin und eines Case-Managers in der Koordination und der Betreuung zwischen dem stationären und ambulanten Bereich unter Einbeziehung von Patientinnen und Patienten, Angehörigen und relevanten Berufsgruppen beider Bereiche (Nussbaumer & von Reibnitz, 2008, S. 47). Dies stellt hohe Anforderungen an die fachlichen und sozialen Kompetenzen der Case-Managerinnen und Case-Manager dar, sie müssen über genügend Kenntnisse des ambulanten Bereichs und einschlägige fachlichen Kompetenzen verfügen, sowie in hohem Maße die Fähigkeit zur Gestaltung von Aushandlungs- und Vernetzungsprozessen mitbringen. Diese Qualifikationen, sind künftig in die Pflegeausbildung zu integrieren, was dazu führt, dass eine Re- und Neuorientierung im beruflichen Handeln und in der Pflegeausbildung notwendig ist. Professionelles Handeln soll sich am Versorgungsbedarf des Klienten orientieren, dies verlangt von der Pflege und allen anderen beteiligten Professionen in ihrem beruflichen Handeln eine vorausschauende Planung über Systemgrenzen hinweg. Sahmel (2011, S. 12) spricht in diesem Zusammenhang von besonderen Betreuungssituationen, die in allen pflegerischen Arbeitsfeldern deutlich werden. Er nennt hier nur einige Beispiele: Sterbebegleitung, Begleitung von chronisch kranken Menschen und von Menschen mit psychischen Veränderungen. In der Betreuung dieser Menschen werden neben einer grundständigen fachlichen Kompetenz auch besondere psychosoziale und kommunikative Kompetenzen erforderlich. Um all diese Aufgaben zu bewältigen sind vor allem personale und soziale Kompetenzen zu fördern, es erscheint aber auch die Notwendigkeit der Entwicklung von Reflexionskompetenz, empathischer Kompetenz und interkultureller Kompetenz (Sahmel, 2011, S. 13). Damit diese Auflistung von Kompetenzen - wie andere auch - nicht in relative Beliebigkeit abzusinken droht, muss sie mit der eindeutigen Perspektive von Mündigkeit verknüpft werden. Roth hat schon Anfang der 1970-er Jahre Kompetenz mit dem Begriff Mündigkeit verbunden (Sahmel, 2011, S. 7). Er versteht dies in dreifachem Sinne, als Selbstkompetenz, das heißt als Fähigkeit, für sich selbst verantwortlich handeln zu können, als Sachkompetenz, das heißt als Fähigkeit, für Sachbereiche urteils- und handlungsfähig und damit zuständig sein zu können und als Sozialkompetenz, das heißt als Fähigkeit, für sozial, gesellschaftlich und politisch relevante Sach- oder Sozialbereiche urteils- und handlungsfähig und also ebenfalls zuständig sein zu können (Roth zit. nach Sahmel, 2011, S. 7). Sahmel (2011, S. 14) ist der Meinung, dass es darum geht sich gemeinsam mit den Auszubildenden kritisch mit den gegenwärtigen Verhältnissen in der Pflege auseinader zu setzen - mit Blick auf die zukünftig notwendigen Veränderungen, - und die Menschen zu stärken. Bei diesem Prozess darf es jedoch nicht zur Überforderung der Auszubildenden kommen. Außerdem zeigt der Autor auf, dass der Wandel im Pflegebereich nicht von Auszubildenden und von Pädagogen getragen wird, sondern alle angeht und somit gemeinschaftlich gestaltet werden muss. Sahmel stellt in seinen Ausführungen noch eine letze wichtige Frage, Wo werden die für die Gestaltung des Wandels notwendigen Kompetenzen erworben beziehungsweise ausgeformt ? Einerseits in der Schule und andererseits in der Praxis. Wie hier Änderungen der Arbeitsformen und der Ausbildung in Verbindung mit den Betroffenen selbst neu gestaltet werden können, ist seiner Meinung nach ein außerordentlich spannendes Zukunftsprojekt.

3.3 Nachhaltigkeit in der beruflichen Bildung

Gerade bei Überlegungen zur Neuorientierung von beruflichen Bildungskonzepten lohnt sich ein Blick auf das Thema Nachhaltigkeit. Als oberstes Ziel beruflicher Ausbildung gilt der Erwerb beruflicher Handlungskompetenz (Hahne, 2007, S. 15). Darunter wird die Bereitschaft und Fähigkeit des Einzelnen, sich in beruflichen, gesellschaftlichen und privaten Situationen sachgerecht durchdacht sowie individuell und sozial verantwortlich zu verhalten, verstanden. Daraus ergeben sich drei Dimensionen, in denen sich Handlungskompetenz entfaltet, das sind Fachkompetenz, Personalkompetenz und Sozialkompetenz. Hahne (2007, S. 13) geht in seinem Aufsatz der Frage nach, ob gängige Konzepte und Modelle der Kompetenz­entwicklung auch für die Beschreibung von Kompetenzen für eine Berufsbildung für nachhaltige Entwicklung (BBNE) geeignet sind. „Bei der Berufsbildung für eine nachhaltige Entwicklung geht es im Kern darum, die Menschen zu befähigen, berufliche und lebensweltliche Handlungssituationen im Sinne der Leitidee Nachhaltigkeit gestalten zu können und zu wollen“ (Hahne, 2007, S. 13). Wird die Bildungsdimension einer BBNE betrachtet, so kann festgestellt werden, dass sie in der Frage nach dem Erwerb von Kompetenzen und Qualifikationen, die für die Gestaltung von beruflichen Handlungssituationen und Lebenssituationen im Sinne der Nachhaltigkeit zu entwickeln sind, liegt (Hahne, 2007, S. 13). Berufliche Handlungskompetenz wurde als unstrittiges Ziel beruflicher Bildung gekennzeichnet. Dies hat dazu geführt, dass der Qualifikations­begriff als Konsequenz der Schlüsselqualifikationsdebatte zunehmend durch den Kompetenzbegriff ersetzt wurde. Diese Entwicklung resultiert daraus, dass der Kompetenzbegriff, anders als der Qualifikationsbegriff, stärker auf das in formellen und informellen Lern- und Erfahrungsprozessen individuell angelegte Potential zur Bewältigung künftiger beruflicher Anforderungs­situationen zielt. Durch den schnelleren technischen, arbeitsorganisatorischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Wandel erhielt die berufliche Handlungs­kompetenz fast durchgängig ihre Konkretisierung durch die Beschreibungen von Fach-, Methoden-, Sozial- und Individualkompetenz (Hahne, 2007, S. 14). Hahne ist der Ansicht, dass es bei komplexen werte- und einstellungs­basierten Handlungs­strategien wenig Sinn macht, berufliche und lebensweltliche Anforderungen scharf zu trennen. Demnach zielt berufliche Bildung zwar auf Bildung im Beruf, muss aber als Bildung des ganzen Menschen immer über dessen reine Beruflichkeit hinausweisen. „Berufliche Kompetenz­entwicklungen für nachhaltige Entwicklung zielen - eher berufsübergreifend - auf das Identifizieren und Ausgestalten von Spielräumen beruflicher und lebensweltlicher Handlungs­situationen in zunehmender Übereinstimmung mit der Leitidee der nachhaltigen Entwicklung“. Nachhaltige Entwicklung verlangt von den Akteuren auch neue Kompetenzen, vor allem der Begriff Systemkompetenz ist eng mit dem Begriff des nachhaltigen Handelns verbunden. Ergänzend dazu benötigt es auch eine Gestaltungskompetenz, die das Handeln in komplexen sozialen Systemen erst ermöglicht, weil dadurch das Gestalten von Arbeitsstiuationen und –prozessen im Sinne des Auftraggebers [des pflegebedürftigen Menschen, Anm. d. Verfasserin] gelingen kann. Falk und Kerres (2003, S. 43-44) teilen diese Auffassung, wenn sie schreiben, dass die zentrale Anforderung an das berufliche Können der Angehörigen der Pflegeberufe darin liegt, dass diese komplexe Situationen eigenverantwortlich gestalten können. Sie beziehen sich in ihren Ausführungen auf Brater. Seiner Meinung nach, sollen die Schwerpunkte in der Ausbildung in den Pflegeberufen die Entwicklung folgender Fähigkeiten betreffen: Umgang mit offenen Situationen, Begleiten biographischer Entwicklungen, systematische Pflegeplanung, Umgehen mit Widersprüchen und Ambivalenzen, Wahrnehmung, Situatives Handeln, Gestaltung von Lebenssituationen und Selbstorganisation (Brater zit. nach Falk & Kerres, 2003, S. 44). Hahne (2007, S. 17) hält fest, dass BBNE keine ausschließliche Sache von Instruktions- und Vermittlungsprozessen sein kann. Er sieht deren Basis auf ethisch-moralischen Einsichten über Zukunfts­fähigkeit, Gerechtigkeit, ökologische Verträglichkeit, ökonomische Leistungs­fähigkeit und soziale Verantwortung. Der Weg des nachhaltigen Handelns ist kein einfacher, denn es ist zu bedenken, dass jeder Akteur seine eigene Sicht von Nachhaltigkeit besitzt und dadurch automatisch Konflikte, mit den im Betrieb und unter anderen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern herrschenden Einstellungen entstehen können. Daraus lässt sich ableiten, dass die Bildung für nachhaltige Entwicklung über eine Entwicklung beruflicher Handlungskompetenz hinausgehen muss. Es geht darum, dauerhafte Motivation und Antriebe anzuregen, damit die angestrebte Selbstkompetenz nicht nur ein Ergebnis von Kompetenzerwerb in intendierten Lernprozessen wird, sondern von beruflicher und lebensweltlicher Sozialisation.

4 Gesetzliche Grundlagen und Rahmenbedingungen in Österreich

Nach gesetzlicher Regelung sind in Österreich Angehörige des gehobenen Dienstes für Gesundheits- und Krankenpflege jene Berufsgruppe, mit den meisten Kompetenzen und der größten Verantwortung innerhalb der Pflege- und Betreuungsberufe (Rappold, Rottenhofer, & Aistleithner, 2011, S. 3). Diplomierte Gesundheits- und Krankenpflegepersonen können auf eine berufsspezifische Wissenschaft zurückgreifen und sind zu originärem Handeln mit weitreichenden Anleitungs-, Anordnungs- und Aufsichtsbefugnissen berechtigt. Das GuKG bestimmt die Befugnisse des gehobenen Dienstes, welche auch ihren Nieder­schlag in anderen Rechtsmaterien finden (Rappold et al., 2011, S. 4). Die Autorinnen verweisen diesbezüglich auf die Vornahme freiheitsbeschränkender Maßnahmen gemäß Heimaufenthaltsgesetz (§ 5 Abs 1 Z 2 HeimAufG), die Vertretung in Ethikkomissionen gemäß Krankenanstaltenrecht (§ 8 Lit c Abs 4 Z 3 KAKuG), sowie auf einen weiteren Aufgabenbereich, nämlich die Pflege­geldbegutachtung durch den gehobenen Dienst für Gesundheits- und Krankenpflege. Das GuKG ermöglicht einen breiten, umfassenden und interprofessionell ausgerichteten Wirkungsbereich, vor allem für den gehobenen Dienst. Rappold et al. kommen zum Schluss, dass die gesetzlich vorgesehen Aufgaben von diplomierten Gesundheits- und Krankenpflegepersonen sowie das festgelegte Kompetenzprofil eine berufliche Ausbildung im tertiären Bildungsbereich erfordern. Die Ausbildung im gehobenen Dienst ist im Fachhochschulbereich rechtlich seit 2008 möglich, auf Landesebene wurde dies laut Rappold et al. (2011, S. 4) jedoch bis dato nur vereinzelt genutzt.

4.1 Analyse Gesundheits- und Krankenpflegeausbildungsverordnung und Fachhochschul- Gesundheits- und Krankenpflege-Ausbildungsverordnung

Die Ausbildung im gehobenden Dienst für die allgemeine Gesundheits- und Krankenpflege erfolgt in Österreich entweder an einer Schule für allgemeine Gesundheits- und Krankenpflege oder an einer Fachhochschule mit einem Fachhochschulbachelorstudiengang für die Ausbildung in der allgemeinen Gesundheits- und Krankenpflege. Der Fachhochschul-Bachelorstudiengang Gesundheits- und Krankenpflege als solcher, ist der erste, der zukünftige Gesundheits- und Krankenpflegepersonen im tertiären Bildungssektor ausbilden wird (Engel, 2008, S. 4). Mit der Bologna-Erklärung 1999 wurde die Harmonisierung des europäischen Hochschulraumes eingeleitet. Und damit die Vereinheitlichung des tertiären Bildungssektors, welches ein dreistufiges Studiensystem in Form von Bachelor-, Master- und Doktoratsprogrammen vorsieht. Ziel ist es, durch das festgelegte Leistungspunktesystem die Abschlüsse international vergleichbar zu machen. In mehr als dreiundzwanzig europäischen Staaten ist die Grundausbildung der Gesundheits- und Krankenpflege im tertiären Bildungsbereich angesiedelt. Nur Österreich und Deutschland führen Schulen der besonderen Art, die nicht im allgemeinen Bildungssystem vertreten sind. Durch die Positionierung der Grundausbildung auf Bachelor-Level wird in Östereich sowohl erstmals die Durchlässigkeit von Bildungsabschlüssen in der Pflege als auch die Vergleichbarkeit mit europäischen Ausbildungsstandards garantiert. Gerade weil beide Ausbildungsarten für den gleichen Beruf befähigen und die Absolventen in der Praxis in den selben Berufsfeldern agieren, lohnt sich ein analytischer Blick auf die Inhalte beider Ausbildungen mit dem Fokus auf berufliche Kompetenzen und didaktischen Grundsätzen in der theoretischen Ausbildung.

4.2 Mindestanforderungen an die Ausbildung

Die Berufsausbildung dauert gemäß GuKG drei Jahre und umfasst mindestens 4600 Stunden in Theorie und Praxis (§ 1 Abs 1 GuKG-AV). Auch in der FHGuK-AV ist die Mindestdauer der Ausbildung mit drei Jahren und mindestens 4600 Stunden geregelt (§ 2 Abs 1 FHGuK-AV). Ein Unterschied zwischen den beiden Ausbildungsverordnungen, zeigt sich jedoch in der Festlegung der Mindestdauer für die praktische Ausbildung. Die praktische Ausbildung laut FHGuK-AV hat mindestens 2300 Stunden zu betragen, während sie in der Guk-AV mindestens 2480 Stunden beinhaltet (§ 2 Abs 1 FHGuK-AV und § 18 Abs 1 GuK-AV). In der GuK-AV werden Ausbildungsziele formuliert, die aus Sicht der Verfasserin auf die Berufspflichten im GuKG verweisen. Bei Z 3 § 2 GuK-AV steht „die Vermittlung einer geistigen Grundhaltung, der Achtung vor dem Leben, der Würde und den Grundrechten jedes Menschen, […] und eines verantwortungsbewussten selbstständigen und humanen Umganges mit gesunden, behinderten, kranken und sterbenden Menschen“ (§ 2 Z 3 GuK-AV). Dies ist sinngemäß, nach Ansicht der Verfasserin, mit dem Inhalt des § 4 Abs 1 GuKG gleichzusetzen. Diese Querverbindungen zwischen den ausgewiesenen Ausbildungszielen und den Berufspflichten im GuKG lassen sich durchgehend bestätigen. In der FHGuK- AV wird auf dieses Thema differenzierter eingegangen. Im zweiten Abschnitt geht es um die Mindestanforderungen an die Ausbildungspartner (§§ 5-7 FHGuK-AV). Die Studierenden, die Lehrenden und die Praktikumsanleitung werden hier explizit angesprochen. In der Anlage 1 heißt es : „Der/Die Absolvent/in hat im Rahmen der Ausbildung nachfolgend genannte Fachkompetenz, welche Sach- und Methodenkompetenz sowie instrumentell-technische Kompetenz umfasst, für die Berufsausübung erworben. Die Fachkompetenz wird, abgeleitet von den Aufgabenfeldern der Pflege, in individuumsbezogene, organisationsbezogene und gesellschaftsbezogene Kompetenz gegliedert“ (Anlage 1 FHGuK-AV). Die individuumsbezogene Fachkompetenz wird dann weiter ausgeführt. So soll die Absolventin oder der Absolvent zum Beispiel dazu in der Lage sein, ein Grundlagenwissen über Pflegewissenschaft und –forschung zu besitzen und über einen wissenschafts- und forschungsbasierten Entscheidungs-, Handlungs- und Argumentationsrahmen in der Gesundheits- und Krankenpflege verfügen (Anlage 1 Z. I FHGuK-AV). Allein die individuumsbezogene Fachkompetenz besitzt 48 [!] Unterpunkte. Bei näherer Betrachtung sind hier bei der Formulierung die Berufspflichten des GuKG, sowie der eigenverantwortliche, mitverantwortliche und interdisziplinäre Tätigkeitsbereich miteingeflossen. Auch bei den zuvor genannten anderen Kompetenzen ist dies der Fall, im Vergleich zur GuK-AV zeigt sich jedoch eine größere Ausdifferenzierung und tatsächliche Benennung der Fähigkeiten, nach Abschluss der Ausbildung. Werden die didaktischen Grundsätze näher betrachtet, so finden sich dazu im § 3 der GuK-AV folgende Hinweise. Im Unterricht sind die Prinzipien der Methodenvielfalt, der Lebensnähe, der Anschaulichkeit, der Schülerselbsttätigkeit und –selbstverantwortung zugrunde zu legen, das soziale Lernen ist zu fördern, es sollen Unterrichtsformen gewählt werden, bei denen die Schüler aktiv teilnehmen können, das Erarbeiten und Verstehen von grundlegenden Lehrinhalten gegenüber einer vielfältigen oberflächlichen Wissensvermittlung ist der Vorzug zu geben, sowie dass die Schüler für die Bildung der eigenen Persönlichkeit zu sensibilisieren sind (§ 3 GuK-AV). Bei der FHGuK-AV wird bei der Gestaltung der Ausbildung darauf hingewiesen, dass das wissenschaftliche- und praxisorientierte Lernen im Rahmen der Ausbildung ein offener Prozess ist (§ 4 Abs 1 FHGuK-AV). Dann werden Ausbildungs- und Lernstrategien benannt, die diesem Prozess zu Grunde zu legen sind. Hier lassen sich folgende Schlagwörter finden: Situations- und Handlungsorientierung, Problembasiertes Lernen, individuelles Fallverstehen, Prinzip des lebenslangen Lernens, exemplarisches Lernen, Arbeit in Teams und Kleingruppen, Vom Einfachen zum Komplexen, Unterstützung des Theorie-Praxis-Transfers, Bewertungsmethoden, die individuelle Kompetenzerreichung beurteilen und überprüfen lassen (§ 4 Z 1-10 FHGuK-AV). Bei den didaktischen Grundsätzen fällt auf, dass in der GuK-AV sehr offene Formulierungen gewählt wurden und dadurch nicht auf bestimmte Unterrichtsmethoden und Lernstrategien eingeschränkt wurde. Die Methodenvielfalt ist bei der FHGuK-AV doch relativiert und dennoch lässt sich ein didaktischer Gestaltungsspielraum erkennen.

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Details

Seiten
Erscheinungsform
Erstausgabe
Jahr
2013
ISBN (PDF)
9783955497941
ISBN (Paperback)
9783955492946
Dateigröße
640 KB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
FH Krems
Erscheinungsdatum
2015 (Februar)
Note
1
Schlagworte
Kompetenz Bildung Pflege Gesundheitspflege Pflegewesen

Autor

Elisabeth Enengl, BSc, wurde 1984 in Scheibbs (Niederösterreich) geboren. Nach dem Abschluss des Diploms für allgemeine Gesundheits- und Krankenpflege sammelte sie einige Jahre Praxiserfahrung. Um ihren Horizont zu erweitern und ihre Pflegepraxis zu vertiefen, entschied sie sich für das berufsbegleitende Studium, Advanced Nursing Practice mit dem Schwerpunkt Patienteneducation und Pflegeentwicklung, welches sie 2013 mit ausgezeichnetem Erfolg an der IMC Fachhochschule Krems abschloss. Die Veränderung der derzeit bestehenden Ausbildungskonzepte in Österreich weckten besonders das Interesse, sich mit Kompetenzentwicklung und didaktischen Konzepten in der Pflege tiefergehend auseinander zu setzen.
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Titel: Fallorientierte Didaktik: Ein neues Bildungskonzept für die allgemeine Gesundheits- und Krankenpflege?
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