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Messung der Versorgungsqualität im Hilfsmittelbereich mit technischen Pflegehilfsmitteln in der häuslichen Pflege: Eine Untersuchung der Erhebungsinstrumente Quebec User Evaluation of Satisfaction with Assisitive Technologies (QUEST2.0) und KWAZO

©2011 Bachelorarbeit 69 Seiten

Zusammenfassung

Die Datenlage zur Versorgung mit technischen Hilfsmitteln ist unzureichend, besonders im Hinblick auf Qualitätsaspekte. Daher liegt der Schwerpunkt dieser Arbeit darauf, Möglichkeiten aufzuzeigen, mit denen man diese Datenlage verbessern kann. Am Anfang steht die Analyse des Ist-Zustandes der derzeitigen Versorgungslage mit Pflegehilfsmitteln und die Feststellung der Relevanz auf Grund der Pflege- und Hilfsmittelstatistik. Hierbei müssen auch die Sozialgesetzgebung und die Versorgungsabläufe in der Realität berücksichtigt werden.
Es stellen sich dabei die Fragen: Welche Instrumente sind geeignet, die Versorgungsqualität bei technischen Pflegehilfsmitteln in der häuslichen Pflege bei ab 65-jährigen Versicherten zu messen? Und reicht deren Aussagekraft aus, um Rückschlüsse für eine effizientere (optimalere) Pflegehilfsmittelversorgung in diesem Bereich zu ziehen?
Nach einer Begriffsdefinition und -eingrenzung werden die vorhandene Literatur zur Hilfsmittelversorgung, zur Versorgungsqualität und den in diesem Zusammenhang verwendeten Erhebungsinstrumenten systematisch recherchiert. Die gefundenen Instrumente müssen zwei Kriterien genügen: (1) Messung der Zufriedenheit aus Nutzersicht, da diese ein Indikator für die Versorgungsqualität ist, und (2) allgemeine Einsetzbarkeit bei vielen Hilfsmittelkategorien. Die Studien wurden dabei auf Hinweise zur Reliabilität, Validität und Anwendbarkeit geprüft.
Abschließend wird das Ergebnis der Untersuchung präsentiert.

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


1.2.2 Hilfsmittel, Pflegehilfsmittel und technische Pflegehilfsmittel

Allgemeine Definition von Hilfsmitteln - Weder in der deutschen noch in der angloamerikanischen Terminologie finden sich eindeutige Definitionen des Begriffes Hilfsmittel. Im Englischen werden Begriffe wie assistive aids, technical aids, assistive device, technical device oder assistive technoloy praktisch synonym verwendet. Genauso wie in ISO 9999 findet sich in der amerikanischen Gesetzgebung eine relativ weitgefasste Definition von Hilfsmitteln (vgl. Bestmann, 2004, S. 9ff):

"The Act defines an assistive technology device as any item, piece of equipment, or product system, whether acquired commercially off the shelf, modified, or customized, that is used to increase, maintain, or improve functional capabilities of individuals with disabilities. Assistive technology service is defined as any service that directly assists an individual with a disability in the selection, acquisition, or use of an assistive device."[1] (The Assistive Technology Act, IATP, 2004)

Theoretisch kann hier jeder erdenkliche hilfreiche Gegenstand ein Hilfsmittel sein, welches funktionseingeschränkten Menschen zugänglich sein muss. "In Deutschland ist der Hilfsmittelbegriff sozialversicherungsrechtlich nicht eindeutig definiert." (Mischker, 2009, S. 13). Je nach Kostenträger werden ihm bestimmte Eigenschaften zugeordnet. Der Hilfsmittelbegriff wird durch das SGB V weiter eingegrenzt, da es nur bestimmte im Hilfsmittelverzeichnis aufgeführte Hilfsmittel zulässt.

Hilfsmittel im Kontext der Sozialgesetzgebung - Zunächst einmal definiert § 31 SGB IX Hilfsmittel als Hilfen, die von den Leistungsempfängern getragen und mitgeführt werden können. Hierzu zählen nicht die allgemeinen Gebrauchgegenstände des täglichen Lebens (siehe auch § 33 SGB V). Bei diesem Begriff muss man zwischen den Leistungen nach SGB V und den Leistungen nach SGB XI unterscheiden. Bei der GKV haben Hilfsmittel immer einen therapeutischen, behinderungsausgleichenden und vorbeugenden Charakter. In der SPV werden sie als Pflegehilfsmittel bezeichnet und sollen eher den Bedarf an Assistenz und Pflege verringern (vgl. Kamps, 2010, S. 37). In § 40 Abs. 1 SGB XI ist von Erleichterung, Linderung und selbständiger Lebensführung die Rede. In Tab.: 2 (S. 7) sind die Charakteristika der Hilfsmittel und Pflegehilfsmittel aufgeführt.

"Pflegehilfsmittel sollen helfen, eine Überforderung der Leistungskraft des Pflegebedüftigen und der Pflegenden zu verhindern." (Kamps, 2010, S. 27).

Tab.: 2 Gegenüberstellung der Charakteristka von Hilfsmitteln und Pflegehilfsmitteln (Kamps, 2010, S. 32 u. 37)

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Man unterscheidet einmal zum Verbrauch bestimmte Pflegehilfsmittel und nicht zum Verbrauch bestimmte Pflegehilfsmittel. Letztere bezeichnen die sog. technischen Pflegehilfsmittel, auf die das Augenmerk dieser Arbeit gerichtet ist. Tab.: 3 (S. 7) zeigt die Arten der Pflegehilfsmittel nach dem SGB XI. Auch im SGB XII findet sich ein Anspruch auf Pflegehilfsmittel. Inhaltlich deckt sich der § 61 (2) SGB XII mit den Vorschriften der SPV. Zu diesem Punkt ist jedoch hinzuzufügen, das hier der sozialhilferechtliche Bedarf angesetzt wird, sodass das Hilfsmittelverzeichnis keinen abschließenden Charakter hat. Nach § 9 geht es im SGB XII um die individuelle Bedarfssituation. Auf Grund des Bedarfsdeckungsprinzips greift hier auch nicht die Kostenbeschränkung der SPV. Die notwendige Hilfe ist hier immer in vollem Umfang zu gewähren (vgl. Krahmer, 2010, S. 47).

Tab.: 3 Arten und Kosten von Pflegehilfsmitteln (gem. SGB XI)

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Hilfsmittel- und Pflegehilfsmittelverzeichnis - Das Hilfsmittelverzeichnis wurde 1988 mit dem Gesundheitsreformgesetz eingeführt. Insgesamt beinhaltet das Hilfsmittelverzeichnis ca. 20.000 Eintragungen. Diese Hilfsmittel sind aktuell in 33 unterschiedliche Produktgruppen eingeteilt. Das Pflegehilfsmittelverzeichnis enthält weitere sechs (vgl. Kamps, 2010, S. 92 ff.). Deutschlandweit sind derzeit rund 55.000 Leistungserbringer von Hilfsmitteln tätig (vgl. REHADAT, 2011; vgl. VDEK, 2010, S. 9). Pflegehilfsmittel müssen nach § 78 Abs. 2 Nr. 2 SGB XI und § 139 SGB V vom Spitzenverband Bund der Krankenkassen wie die Hilfsmittel in einem Hilfsmittelverzeichnis festgehalten werden. Alle hier aufgeführten Pflegehilfsmittel wurde auf medizinisch-pflegerischen Nutzen und Funktionstauglichkeit geprüft und nach Entscheidung des GKV-Spitzenverbandes in das Verzeichnis aufgenommen. Jedes Hilfsmittel wird näher klassifiziert und kann einer eindeutigen Positionsnummer zugeordnet werden.

Der Versorgungablauf - Nach dem neunten Buch des Sozialgesetzbuches stehen Behinderten und von Behinderung bedrohten Menschen Leistungen, die die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben fördern und Benachteiligungen vermeiden bzw. ihnen entgegenwirken, zu (vgl. Kamps, 2010, S. 13 u. 14). Die Versorgung mit Pflegehilfsmitteln soll die Leistungen der häuslichen Pflege ergänzen. Wie schon erwähnt, "kann der Anspruchsgrund sowohl in der Person des Pflegebedürftigen als auch in der Pflegeperson liegen." (Kamps, 2010, S. 27). Die SPV wird dann leistungspflichtig, wenn Pflegebedürftige die Hilfsmittel nicht selbst oder nur unter erheblichen Anstrengungen nutzen können, wenn die Selbstbestimmung über das eigene Wohl nicht mehr möglich ist, wenn die Hilfsmittel nur prophylaktisch eingesetzt werden und wenn Hilfsmittel die Pflege erleichtern. (vgl. § 40 Abs. 4 SGB XI; Kamps, 2010, S. 27ff). Das gestaltet sich insbesondere dann schwierig, wenn ein Hilfsmittel sowohl den Zielen der GKV als auch der SPV dient. Wenn ein Hilfsmittel überwiegend behinderungsausgleichend ist, unterliegt es der GKV. Für die SPV ist zwar immer auch ein Behinderungsausgleich festzustellen, jedoch wiegen Erleicherung der Pflege, Linderung der Beschwerden oder Ermöglichung selbständiger Lebensführung schwerer. Prinzipiell wird immer der Einzelfall entschieden. Es sind keine pauschalen Zuordnungen möglich. Diese Abgrenzungsproblematik zeigt sich im Prinzip bei allen im Pflegehilfsmittelverzeichnis aufgeführten Produktarten wie z.B. Gehhilfen, Badewannenlifter, Toilettenstühle, Mobilitätshilfen, Lagerungshilfen etc. (vgl. Huhn, 2011).

Leistungsumfang - Das technische Pflegehilfsmittel vorzuhalten, reicht oft nicht aus. Oft hängen bestimmte Dienstleistungen wie Wartungsarbeiten oder Reparaturen daran. Nach § 140 SGB V erfolgt die Versorgung mit Pflegehilfsmitteln in der Regel durch Dritte, zugelassene Leistungserbringer wie Sanitätsfachhäuser oder Apotheken (vgl. Kamps, 2010, S. 40; § 73 SGB V). Die technischen Pflegehilfsmittel werden vorrangig leihweise überlassen (vgl. Kamps 2010, 57). In dem Falle werden sie nach Benutzung aufgearbeitet und an andere Versicherte weitergegeben. Nach § 29 SGB XI müssen Pflegehilfsmittel wirksam, wirtschaftlich und notwendig sein. Diese drei Kriterien beschränken zugleich auch die Wahlrechte des Versicherten. Leistungen, die über das Notwendige hinaus gehen, muss er selbst bezahlen. Bis zum 31.03.2007 hatte zumindest der Leistungserbringer eine freie Wahl, was das Produkt anging. Derzeit sind die durch Ausschreibungen zustandegekommenen Verträge mit den Kassen gültig, sodass überhaupt keine Wahlmöglichkeit mehr besteht. (vgl. § 29 Abs. 2 SGB XI; Kamps, 2010, S. 55)

"Auch wenn die Verträge die Versicherten selbst nicht direkt betreffen, haben sie doch erheblichen Einfluss auf die Hilfsmittelauswahl, -qualität und -versorgung." (Kamps, 2010, S. 58)

Paragraph 31 Abs. 1 u. 5 SGB V, der auch hier wieder analog für Pflegehilfsmittel gilt, besagt, dass zum Umfang des Hilfsmittels auch das Zubehör, die Änderung, die Instandsetzung, der Ersatz, sowie die Ausbildung im Gebrauch des Hilfsmittels gehört. Wartung, technische Kontrollen und individuelle Anpassung sind ebenso vorgesehen. Die Leistungserbringer müssen dies in einer Präqualifizierung vor Vertragsabschluss nachweisen (GKV-Spitzenverband 2011). Mehrfachversorgungen mit technischen Pflegehilfsmitteln sind im Grunde nicht Vorgesehen. Allerdings sieht die Hilfsmittelrichtlinie, die analog auch für alle Pflegehilfsmittel gilt, Ausnahmen bei hygienischen und sicherheitstechnischen Gründen bzw. bei hoher Beanspruchung vor (HilfsM-RL, 2009, S. 8). Die Pflegehilfsmittel werden grundsätzlich nach dem Sachleistungsprinzip ausgegeben. Als Ausnahme davon kann der Versicherte auf Wunsch das Kostenerstattungsprinzip wählen (vgl. § 13 SGB V).

Leistungsantrag und Leistungsbewilligung - Der Antrag auf Kostenübernahme kann direkt an die SPV gerichtet werden. Wenn diese den Bedarf bestätigt, kann der Versicherte die entsprechenden Pflegehilfsmittel bei dem Leistungserbringer bestellt werden. Meist wird durch den Medizinischen Dienst der Krankenkassen (MDK) oder eine Pflegekraft eine Empfehlung ausgesprochen, in seltenen Fällen auch durch einen Arzt (vgl. Kamps, 2010, S. 77). Nach § 6 (3) Hilfsm-RL (2009) muss die Versorgung störungsbildabhängig erfolgen. Meist stellt der MDK auch Erhebungsbögen zur Verfügung, mit denen Kriterien erfasst werden, die die Entscheidung erleichtern. Letztlich sollen Erhebungsbögen auch eine zweckmäßige, ausreichende und wirtschaftliche Versorgung gewährleisten (vgl. MDS, 2011). Sobald die Anspruchsvoraussetzungen erfüllt sind, sind die Krankenkassen verpflichtet, dem Antrag auf Pflegehilfsmittel zuzustimmen (vgl. Kamps, 2010, S. 103).

1.2.3 Versorgungsqualität

Allgemeine Definition des Qualitätsbegriffes - Qualität ist zunächst ein wertfreier Begriff, mit dem man jedoch etwas Positives verbindet. Der Duden (2010) beschreibt ihn mit "Beschaffenheit, Verhältnis, Eigenschaft". Meist hängt die Qualität von den Erwartungen an ein Produkt oder die Dienstleistung, insbesondere an die Versorgung ab. Qualität enthält gewissermaßen eine messbare und eine subjektive Dimension. Beschaffenheit und Eigenschaften sind relativ leicht quantifizierbar. Hingegen sind persönliche Wertungen und Erwartungen schwieriger zu erfassen. Dennoch ergeben erst beide Dimensionen in Kombination ein Gesamtbild. "Qualität ist nichts Absolutes, sondern immer auf bestimmte Erwartungen und Erfordernisse bezogen." (Prakke & Flerchinger, 1999, S. 2). Das Deutsche Institut für Normung definiert:

"Qualität ist die Gesamtheit von Eigenschaften und Merkmalen eines Produktes oder Dienstleistung, die sich auf ihre Eignung zur Erfüllung festgelegter oder vorausgesetzter Bedürfnisse beziehen" (DIN ISO 8402, 1995) (ISO, 1995)

Dies zeigt, dass Qualität ein vielschichtiger Begriff ist, für den keine allgmeingültigen Kriterien abgeleitet werden können. Daraus ergibt sich folgende Definition:

"Leistungsqualität ist die vom Kunden auf einem Gut-Schlecht-Kontinuum beurteilte Beschaffenheit einer Leistung. Das Qualitätsniveau basiert auf individuellen Erwartungen und objektiven wie subjektiven Wahrnehmungen. Es unterliegt, auch bei unveränderter Form der Leistungserstellung, Schwankungen im zeitlichen Verlauf." (Schmutte, 1999, S. 648)

Die Variablen Person und Zeit machen eine Reproduzierbarkeit der Ergebnisse und eine Vergleichbarkeit schwierig, da sie sich ständig ändern. Außerdem ist aus der Forschung zur Patientenzufriedenheit bekannt, dass Zufriedenheit mit Leistungen vom Erwartungsniveau abhängt - wer also wenig erwartet, ist auch mit weniger zufrieden. Zudem kommt, dass verschiedene Merkmale, wie z.B. individuelle Erwartungen, objektive und subjektive Wahrnehmungen des Patienten, aber auch der Leistungserbringer, abhängig oder unabhängig voneinander sein können (vgl. Eichhorn, 1997, S. 18 ff.). Der Patient ist durch sein Verhalten maßgeblich am Zustandekommen der Qualität mitbeteiligt und sozusagen "Koproduzent im strengen Sinne, d.h. Kodiagnostiker und Kotherapeut" (Badura & Feuerstein, 1996, S. 256). Im Gesundheitssektor hat sich die Operationa­li­sierung nach Donabedian (1966) durchgesetzt. Schon damals hat er festgestellt:

"Quality of care is the extent to wich actual care ist in conformity with preset criteria for good care"[2] (Donabedian, 1966)

Er unterteilt drei Bereiche : Struktur-, Prozess- und Ergebnisqualität. Die Strukturqualität bildet hierbei die Basis und betrachtet z.B. Bildungsstand und -maßnahmen, Organisationsstruktur oder Finanzierung. Sie bildet die Vorraussetzung für gute Prozesse und daraus folgend auch gute Ergebnisse (vgl. Donabedian, 1988). Allerdings werden die Strukturkriterien nicht mehr als Haupteinflussgröße gesehen (vgl. SVR, 2001). Vorsichtig muss man auch bei der Fokusierung auf die Prozessqualität sein, da diese oft einseitig aus Sicht der Profession betrachtet wird und den Patienten kaum berücksichtigt (vgl. Görres, 1999, S. 183). Die Ergebnisqualität beschreibt schließlich die Zufriedenheit und den Gesundheitszustand des Patienten. Hier spielen aber auch wieder zu berücksichtigende Faktoren wie z.B. die Compliance, das soziale Umfeld etc. eine Rolle (vgl. Badura, 1995, S. 362). Kritik muss man insofern an Donabedian üben, als dass die menschliche, unberechenbare Variable zu kurz kommt (vgl. Görres, 1999, S. 190). Die bisherigen Definitionen des Qualitätsbegriffes stammen allesamt aus einem industriell-technischen Hintergrund und sind nicht ohne weiteres in den Bereich der Pflege und Medizin zu übernehmen. Eichhorn (1997) führt deswegen die Interaktionsqualität an, die ein wesentliches Defizit der traditionellen Qualitätsdimensionen ausgleicht.

"Interaktionsqualität beschreibt die wahrgenommene Qualität des Kontaktes zwischen Kunde und Anbieter wärend einer Interaktion." (Geigenmüller & Leischnig, 2009, S. 409)

Die Qualität der Kommunikation zwischen Leistungsempfänger und -erbringer scheint die Qualität der Versorgung wesentlich zu beeinflussen. Außerdem hat eine gute Interaktion einen positiven Effekt auf die Compliance des Versicherten (vgl. Anderson, Rainey & Eysenbach, 2003; Bruhn & Stauss, 2009, S. 495 ff.).

Versorgungsqualität nach dem SGB - Im SGB V wird die Versorgungsqualität folgendermaßen definiert:

"Die Leistungserbringer sind zur Sicherung und Weiterentwicklung der Qualität der von ihnen erbrachten Leistungen verpflichtet. Die Leistungen müssen dem jeweiligen Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse entsprechen und in der fachlich gebotenen Qualität erbracht werden." (§ 135a Abs. 1 SGB V)

Immerhin wird im Gesetz die Wichtigkeit von Qualität in der Versorgung betont. Auch § 70 SGB V verpflichtet die Krankenkassen und die Leistungserbringer dazu. Der Begriff Weiterentwicklung stellt den Prozesscharakter der Qualität heraus. Wer Qualität sichern will, muss sich immer wieder den Gegebenheiten der Gesellschaft annähern und neue wissenschaftliche Erkenntnisse einfließen lassen. Durch den Gemeinsamen Bundesausschuss (GBA) wird per Ausschreibung eine "fachlich unabhängige Institution" beauftragt, "die für Messung und Darstellung der Versorgungsqualität möglichst sektorenübergreifend, abgestimmte Indikatoren und Instrumente zu entwickeln" (§ 137a Abs. 2 Nr. 1 SGB V). Dies wird zur Zeit zum Beispiel duch das Institut für angewandte Qualitätsförderung und Forschung im Gesundheitswesen AQUA GmbH seit dem 01.01.2010 durchgeführt (SQG, 2011). Man muss allerdings anmerken, das hier zunächst nur der stationäre Bereich beleuchtet wird.

Determinanten der Dienstleistungsqualität - Fast das gesamte Gesundheitswesen gehört zum Dienstleistungssektor. Im Bereich der Hilfsmittel hat man es zwar auch mit Produkten zu tun, die natürlich tangibel sind, aber der Versorgungsprozess insgesamt ist als Dienstleistung zu betrachten. Versorgungsqualität ist somit eng mit dem Begriff Dienstleistung oder Dienstleistungsqualität verbunden

"Dienstleistungen sind selbständige, marktfähige Leistungen, die mit der Bereitstellung und/oder dem Einsatz von Leistungsfähigkeiten verbunden sind [...] (um) nutzenstiftende Wirkung zu erzielen." (Bruhn, 2011, S. 24)

Die Deutsche Gesellschaft für Qualität findet zwei Ansätze, wie Qualität beurteilt wird. Zum einen der produktbezogene[3] Qualitätsbegriff (product-based), der sich auf objektive Maßstäbe bezieht, und zum anderen der kundenbezogene Qualitätsbegriff (user-based), der die subjektive Berachtung des Kunden wiederspiegelt (vgl. Bruhn, 2011, S. 34). Folgende Tabelle (Tab.: 4, S. 14) veranschaulicht, wozu die Kombination beider Perspektiven führt. Auch hier wird wieder klar, dass Qualitätsanforderungen nicht einseitig betrachtet werden dürfen.

"Dienstleistungsqualität ist die Fähigkeit eines Anbieters, die Beschaffenheit einer primär intangiblen und der Kundenbeteiligung bedürfenden Leistung gemäß den Kundenerwartungen auf einem bestimmten Anforderungsniveau zu erstellen." (Bruhn & Stauss, 2000, S. 29)

Tab.: 4 Bewertung einer Leistung aus subjektiver und objektiver Sicht (Krämer & Mauer, 1998)

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Zentrale Einflussfaktoren auf die Dienstleistungsqualität sind demzufolge: 1. Gelieferte Dienstleistung bzw. Wahrnehmung der Dienstleistung und 2. Erwartungen an die Dienstleistung. Wenn die empfangene Dienstleistung positiv wahrgenommen wird, wirkt sich dies positiv auf die Leistungsqualität aus. Allerdings ist diese Wahrnehmung von Mensch zu Mensch unterschiedlich, was mit der zweiten Determinante zusammenhängt: den Erwartungen.

Schlussfolgerung - Dies legt nahe, das der Grad der Zufriedenheit ein sinnvolles Outcome ist, um die Qualität der Versorgung zu messen, auch wenn er nur einen Aspekt von Qualität darstellt. Das legen auch einige Studien nahe (siehe z.B. Baker, 1991; Gustafson, 1991; Kohn, LeBlanc & Mortola, 1994; Kohn, Mortola & LeBlanc, 1991; Megivern, Halm & Jones, 1992). Dennoch muss festgehalten werden, dass die Zufriedenheit stark von der Person und der Situation abhängt. Sie bleibt daher nur ein subjektiv zu bewertendes Konstrukt, welches in seiner Gesamtheit nicht zu erfassen ist (Carr-Hill 1992).

1.3 Probleme in der Hilfsmittelversorgung

Mehrfach wird in der Literatur auf die desolate Datenlage und Intransparenz in der Hilfsmittelversorgung verwiesen (vgl. Mischker, 2009, S. 22; SVR, 2005). Eine Ausnahme bilden mit Einschänkung die jährlich publizierten Heil- und Hilfsmittelberichte der GEK (vgl. Sauer et al., 2010). Allerdings enthalten diese keine Daten zur Zufriedenheit mit Hilfsmitteln. Es gibt verschiedene Gründe, die zu einer Verzögerung der Leistungsbewilligung führen können: Komplexität der Versorgung, unspezifische Verordnungsweise oder Beantragung, unzureichende Angaben, mangelndes interdisziplinäres Zusammenwirken zwischen Ärzten, Leistungserbringern, Pflege- und Krankenkassen und allgemein auftretende Organisationsfehler (vgl. Kamps, 2010, S. 104). Auch die fehlende Hilfsmitteldefinition in Deutschland führt zu Problemen: Im Einzelfall muss juristisch festgestellt werden, ob es sich um ein Hilfsmittel handelt bzw. werden auf diesem Wege Ein- und Ausschlusskriterien festgelegt (vgl. Fergenbauer, Krieg & Rohland, 2009; Mischker, 2009, S. 13). Die CE-Kennzeichnung wird nur stichprobenartig kontrolliert (Attenberger, 2006, S. 9 in Mischker, 2009, S. 17). Der Bereich der Physiotherapie- und Ergotherapieforschung ist unterrepräsentiert, da hier ein großer Anteil des Wissen über Hilfsmittel gebündelt würde (Mischker, 2009, S. 23). Ebenso ist eine Unwissenheit von Ärzten zu verzeichnen (SVR, 2005, S. 551). Letztlich fehlt der Kontakt zum Endverbraucher, sodass das Feedback in die Entwicklung innovativer Produkte fehlt (vgl. Batavia & Hammer, 1990, S. 426 in Mischker, 2009, S. 24).

2 Methodik

Systematische Literaturrecherche

Der Fokus der Recherche lag bei dem vorliegenden Thema auf der Suche nach Meßinstrumenten, die die Versorgungsqualität bei Hilfsmitteln abbilden können. Die Zufriedenheit ist dafür ein wichtiger Indikator, wie sich aus dem theoretischen Rahmen ergeben hat (siehe Kap. 1.2.3). In einer Suchanfrage in MEDLINE wurden die Begriffe, die sich aus der Hypothese ergaben, in geeigneter Kombination in ihren englischen Übersetzungsvarianten oder -entsprechungen verwendet.

Hilfsmittel: assistive technologies, assistive device, technical aids, self-help device (Im englischen gibt es keine gesonderte Definition von Pflege hilfsmitteln. Daher wird hier ein allgemeiner Hilfsmittelbegriff zu Grunde gelegt.)

(Ältere Menschen: older people, old people, elderly, aged people, pensioner)

Häusliche Pflege: home care, outpatient care, outpatient long-time care, ambulatory care, domiciliary care

Erhebungsinstrument: survey instrument, questionnaire, assessment instrument, instrument

Versorgungsqualität/ Zufriedenheit: quality of care, satisfaction, quality of live

Folgender Suchterm mit den Boolschen Operatoren AND und OR und dem Alterslimit 65+ ergab 56 Treffer.

(assistive technologies OR assistive device OR technical aids OR self help device) AND (home care OR outpatient care OR outpatient long-time care OR ambulatory care OR domiciliary care) AND (survey instrument OR questionnaire OR assessment instrument OR instrument OR outcomes OR measures) AND (quality of care OR satisfaction OR quality of live)

Um kein Ergebnis zu übersehen, wurde die Suche um eine vereinfachte Anfrage mit Alterslimit 65+ ergänzt, welche weitere 37 Treffer ergab. assistive device AND satisfaction AND (instrument OR outcome)

Nach Entfernung der Duplikate (11) blieben 82 Treffer übrig. Die Überschriften und Abstracts wurden daraufhin analysiert, welche Datenerhebungsinstrumente verwendet wurden. Hierbei hat der Autor die 24 relevanten Artikel herausgefiltert. Als relevant wurden Studien bezeichnet, die sich mit der Nutzerzufriedenheit im Zusammenhang mit Hilfsmitteln beschäftigten. In neun von 24 Studien wurde der Quebec User Evaluation of Satisfaction with Technology[4] (QUEST) verwendet. Auf bestimmte Hilfsmittel spezialisierte Instrumente wurden ebenfalls identifiziert (siehe Tab.: 5, S. 16). Die einzigen beiden Instrumente die sich mit der Zufriedenheit im Zusammenhang mit Hilfsmitteln beschäftigen und sich nicht nur auf spezielle Hilfsmittel, wie z.B. Rollstühle, beschränken sind der kanadische QUEST und der niederländische KWAZO. Eine weitere Recherche mit den Suchbegriffen quest AND assistive ergab 22 Treffer. Eine Suche nach den Hauptautoren mit (demers OR dijcks) AND assistive brachte noch weitere 18 Treffer. Nach Entfernung der Duplikate (5) blieben 35 Treffer übrig. Davon konnten noch 13 relevante Studien ergänzt werden, die den QUEST verwenden. In Tab.: 8 im Anhang 39 sind alle relevanten Suchergebnisse aufgeführt. Für die Beschreibung des KWAZO konnten nur zwei relevante Artikel gefunden werden (Dijcks, De Witte, Gelderblom, Wessels & Soede, 2006a; Dijcks, Wessels, de Vlieger & Post, 2006b). Für QUEST waren es acht Artikel, die sich entweder direkt mit dem Instrument selbst befassen (Demers, Monette, Lapierre, Arnold & Wolfson, 2002b; Demers, Weiss-Lambrou & Ska, 1996, 2000c), oder indirekt (Chan & Chan, 2006; Demers, Wessels, Weiss-Lambrou, Ska & De Witte, 2001; Mao, Chen, Yao, Huang, Lin & Huang, 2010; Shoemaker, Lenker, Fuhrer, Jutai, Demers & DeRuyter, 2009; Wessels & De Witte, 2003).

Tab.: 5 Aufstellung der Erhebungsinstrumente (eigene Darstellung)

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Weiterführende Recherche

Ergänzend wurde mit den angegebenen Suchbegriffen noch in anderen Quellen gesucht. Dazu gehörten einschlägige Internetseiten, Google, GoogleBooks und GoogleScholar. Hierbei fanden sich ebenfalls noch zwei relevante Quellen zum QUEST-Instrument (Demers, Ska, Giroux & Weiss-Lambrou, 1999a; Weiss-Lambrou, Demers, Tremblay & Ska, 1997) und eine weitere relevante Studie, die den QUEST verwendet (Chiu & Man, 2008). Zudem fand sich in der Cochran Library eine Überblicksarbeit zum Thema Smart Home Technologies for Health and Social Care Supp ort (Martin, Kelly, Kernohan, McCreight & Nugent, 2008) und eine RCT (Mann, Ottenbacher, Fraas, Tomita & Granger, 1999), die aber hier nicht weiter beleuchtet werden. Außerdem wurde eine Handsuche und Überschriftenanalyse bei einschlägigen deutschen und englischsprachigen Pflege- und Rehabilitationszeitschriften vorgenommen, was jedoch keine weiteren Treffer brachte.

Eine Kontaktaufnahme mit der Autorin des QUEST Loise Demers[5] und dem Herausgeber[6] des QUEST-Manuals erbrachte noch einen weiteren in Deutschland nicht aquirierbaren Artikel (Demers et al., 1999a), den vollständigen QUEST2.0-Fragebogen (Demers, Ska & Weiss-Lambrou, 2000b) und das dazugehörige Handbuch in englischer Sprache (Demers, Ska & Weiss-Lambrou, 2000a). Eine Kontaktaufnahme mit den Autoren des KWAZO kam nicht zustande. In einer Broschüre zum Kongress "Trainung bei Demenz" wurde das SenTra-Projekt (Senior-Tracking-Projekt) vorgestellt (vgl. LANDESSTIFTUNG, 2008, S. 135). In diesem Zusammenhang wurde laut Fr. Dr. Elke Voss[7] eine deutsche Version des QUEST2.0 (Items # 1-8) verwendet die von Dr. Klaus Pfeiffer[8] schon zum 18.01.2008 übersetzt worden ist. Mit beiden gab es eine kurze Email-Korrespondenz, was einen weiteren Artikel brachte, der durch das Suchraster gefallen war (Heinbuechner, Hautzinger, Becker & Pfeiffer, 2010) und die Information, dass der QUEST-G ab 01.07.2011 offiziell authorisiert wird. Er wurde zweifach hin- und rückübersetzt und Unstimmigkeiten wurden anschließend in einem Konsensustreffen diskutiert (lt. Email vom 21.06.2011). Weitere relevante Artikel konnten ansonsten über den VPN-Client der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, die Universität Leipzig, über den Dokumente-Lieferservice subito oder Bibliotheken in Halle und Leipzig beschafft werden.

Zusammenfassung der Rechercheergebnisse

Es gibt inzwischen eine Vielzahl von Instrumenten, die im Zusammenhang mit Hilfsmitteln verwendet werden können. Dabei hat sich kein in Deustchland entwickeltes Instrument gefunden. Die Zufriedenheit mit Hilfsmitteln und der Versorgung mit denselben war ein Hauptkriterium für die Recherche, weil sich daraus Schlüsse zur Versorgungsqualität ziehen lassen. Es konnten einige Instrumente gefunden werden, die dem entsprachen. Allerdings wurden Instrumente, die sich auf spezielle Hilfsmittel, wie z.B. Rollstühle, beschränkten, sich mit dem Gesundheitszustand befassten oder die allgemeine Lebensqualität erfassten, ausgeschlossen. Der Autor wählte aufgrund seiner häufigen Nennung den QUEST. Zudem gibt es eine relativ große Anzahl an Studien, die sich mit der Validität und der Reliablilität des QUEST beschäftigen, was eine gute Ausgangslage für die Beschreibung und Beurteilung darstellt. Das KWAZO ist ebenfalls ein allgemeines und neues Instrument, welches hier näher erläutert wird, da es das Kriterium erfüllt, die Versorgungsqualität aus Nutzersicht zu beurteilen, und sich nicht auf bestimmte Hilfsmittel beschränkt. Es wurde mit Hilfe des QUEST validiert.

Es stellte sich heraus, das das Alterslimit von 65+ nicht immer eingehalten wurde. Dies kann einerseits mit der Verschlagwortung in MEDLINE zusammenhängen oder manchmal lag nur das Durchschnittsalter über 65 Jahren. Dieser Umstand wurde jedoch im weiteren Verlauf vernachlässigt, da der Fokus auf der Beschreibung beider Instrumente, die einen allgemeinen Charakter hatten, lag, und da die Unterscheidung, Hilfsmittel und Pflegehilfsmittel, die es so nur in Deutschland gibt, zunächst keine Relevanz für die Zufriedenheit damit darstellt.

[...]


[1] [Dieses Gesetz definiert Hilfsmittel als jedes Teil, Ausrüstung oder Produkt-System, ob kommerziell aus dem Regal erworben, verändert oder angepasst, mit der man die Erhaltung oder Verbesserung der funktionellen Fähigkeiten von Menschen mit Behinderungen erhöht. Hilfsmittelversorgung ist jeder Dienst, der Menschen mit einer Behinderung bei der Auswahl, Beschaffung oder Verwendung von Hilfsmittels direkt unterstützt.] Übers. d. A.

[2] [Pflegequalität ist der Umfang, in dem die eigentliche Pflege mit den vorgegebenen Kriterien für gute Pflege übereinstimmt.] Übers. d. A.

[3] hier auch im Sinne von Dienstleistung

[4] [Evaluation der Zufriedenheit mit technischen Hilfsmitteln aus Nutzersicht] Übers. d. A. [in Quebec/Canada entwickelt] Anm. d. A.

[5] Université de Montréal, louise.demers@umontreal.ca

[6] John Scherer, Institute for Matching Person & Technology, IMPT97@aol.com

[7] Universität Heidelberg, elke.voss@psychologie.uni-heidelberg.de

[8] Robert-Bosch-Krankenhaus Stuttgart, klaus.pfeiffer@rbk.de

Details

Seiten
Erscheinungsform
Erstausgabe
Jahr
2011
ISBN (PDF)
9783955498399
ISBN (Paperback)
9783955493394
Dateigröße
271 KB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg
Erscheinungsdatum
2015 (Februar)
Note
1,3
Schlagworte
ambulante Pflege Quest 2.0 KWAZO Assessment Pflegedienst

Autor

Jens-Uwe Knorr (B.Sc.) wurde 1980 in Gera geboren. Nach seiner Krankenpflegeausbildung in Leipzig arbeitete er einige Jahre in seinem Beruf. Das pflegewissenschaftliche Studium absolvierte er in Halle. Danach war der Autor in zwei Krankenpflegeschulen freischaffend tätig. Zurzeit studiert der Autor in Jena konsekutiv auf Master in Pflegewissenschaften/ Pflegemanagement.
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