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Sonderkündigungsschutz im Arbeitsrecht

©2013 Bachelorarbeit 64 Seiten

Zusammenfassung

Ein wichtiger Bestandteil des Arbeitsrechtes ist der Kündigungsschutz. Der Gesetzgeber hat im Verlauf seiner Tätigkeit eine Vielzahl an Normen erlassen, welche den Arbeitnehmer vor einer einseitigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses schützen sollen. Das deutsche Arbeitsrecht kennt zahlreiche Kündigungsbeschränkungen, die von dem Prinzip der Kündigungsfreiheit bis hin zu den zeitlich begrenzten absoluten Kündigungsverboten reichen können. Letzteres wird auch als Sonderkündigungsschutz bezeichnet. Dieser verstärkt die Schutzvorschriften des KSchG. Nennenswerte Beispiele hierfür sind die Schutzvorschriften des § 9 MuSchG sowie der Sonderkündigungsschutz für Elternzeitberechtigte gem. § 18 BEEG. Dies sind nur zwei allgemein bekannte Regelungen aus einer Vielzahl von speziellen Kündigungsschutzvorschriften. Der Sonderkündigungsschutz ist vielgestaltig und sehr kompliziert geregelt. In den bekannten Großkommentaren zum Kündigungsschutz wird die Gesetzesmaterie auf über 2.000 Seiten kommentiert, was diese selbst für Fachkräfte sehr schwer durchschaubar macht.
Gegenstand der vorliegenden Arbeit ist die Untersuchung des Sonderkündigungsschutzes im Arbeitsrecht unter vertiefter Darstellung, wie sich der besondere Kündigungsschutz auf die Arbeitsverhältnisse einzelner, besonders schutzwürdiger Arbeitnehmer auswirkt.

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


i. d. R.
in der Regel
innerstaatl. innerstaatlich
i. S. d.
im Sinne des/der
i. S. v.
im Sinne von
i. V. m.
in Verbindung mit
KSchG Kündigungsschutzgesetz
max. maximal
MuSchG
Mutterschutzgesetz: Gesetz zum Schutz der erwerbstätigen
Mutter
nebenberufl. nebenberuflich
Nr. Nummer
NRW Nordrhein-Westfalen
NZA
Neue Zeitschrift für Arbeitsrecht
PflegeZG Pflegezeitgesetz
RdA
Recht der Arbeit: Zeitschrift für die Wissenschaft und Praxis des
gesamten Arbeitsrechts
Rn. Randnummer
S.
Satz
SB­Eigenschaft Schwerbehinderteneigenschaft
SGB Sozialgesetzbuch
SGB III
Arbeitsförderung
SGB V
Gesetzliche Krankenversicherung
SGB IX
Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen
usw.
und so weiter
u. U.
unter Umständen
WehrpflG Wehrpflichtgesetz
z. B.
zum Beispiel

1
Einleitung
Ein wichtiger Bestandteil des Arbeitsrechtes ist der Kündigungsschutz. Der
Gesetzgeber hat im Verlauf seiner Tätigkeit eine Vielzahl an Normen erlassen,
welche den Arbeitnehmer vor einer einseitigen Beendigung des
Arbeitsverhältnisses schützen sollen.
1
Das deutsche Arbeitsrecht kennt zahlreiche
Kündigungsbeschränkungen, die von dem Prinzip der Kündigungsfreiheit bis hin
zu den zeitlich begrenzten absoluten Kündigungsverboten reichen können.
Letzteres wird auch als Sonderkündigungsschutz bezeichnet. Dieser verstärkt die
Schutzvorschriften des KSchG. Nennenswerte Beispiele hierfür sind die
Schutzvorschriften des § 9 MuSchG sowie der Sonderkündigungsschutz für
Elternzeitberechtigte gem. § 18 BEEG.
2
Dies sind nur zwei allgemein bekannte
Regelungen aus einer Vielzahl von speziellen Kündigungsschutzvorschriften. Der
Sonderkündigungsschutz ist vielgestaltig und sehr kompliziert geregelt. In den
bekannten Großkommentaren zum Kündigungsschutz wird die Gesetzesmaterie
auf über 2.000 Seiten kommentiert, was diese selbst für Fachkräfte sehr schwer
durchschaubar macht.
3
Gegenstand der vorliegenden Arbeit ist die Untersuchung des
Sonderkündigungsschutzes im Arbeitsrecht unter vertiefter Darstellung, wie sich
der besondere Kündigungsschutz auf die Arbeitsverhältnisse einzelner, besonders
schutzwürdiger Arbeitnehmer auswirkt.
Als erster Punkt soll die Frage geklärt werden, was genau sich hinter dem Begriff
Kündigung verbirgt, welche Arten es gibt und welche gesetzlichen Regelungen
hierbei zu beachten sind. Im Anschluss daran wird eine Unterscheidung in
allgemeinen und besonderen Kündigungsschutz vorgenommen.
Nach der
Begriffserklärung des Sonderkündigungsschutzes werden im weiteren Verlauf
dieser Arbeit die wichtigsten Arbeitnehmergruppen und ihr
Sonderkündigungsschutz charakterisiert. Erst daran wird ersichtlich, in welchen
1
Wickede, Sonderkündigungsschutz im Arbeitsverhältnis, S. 33.
2
Preis, NZA 1997, 1257.
3
Brox/ Rüthers/ Henssler, Arbeitsrecht, Rn. 465.
1

Konstellationen überhaupt von einem Sonderkündigungsschutz gesprochen
werden kann. Diese Bachelor-Thesis befasst sich hauptsächlich mit der
Ausgestaltung des Sonderkündigungsschutzes durch den Gesetzgeber.
Angrenzende Themen, wie der tarifvertragliche Sonderkündigungsschutz können
aufgrund der räumlichen Vorgaben in der vorliegenden Arbeit nicht diskutiert
werden.
2

2 Grundlegendes
zur
Kündigung
2.1
Definition
Die Kündigung ist eine einseitige, empfangsbedürftige Willenserklärung, durch die
ein Arbeitsverhältnis zu einem angegebenen Zeitpunkt in der Zukunft aufgelöst
werden soll. Sie beendigt das Arbeitsverhältnis auch gegen den Willen des
Vertragspartners, da sie auf dem Willen nur einer Arbeitsvertragspartei beruht. Die
Kündigung ist ein Gestaltungsrecht
4
, das nur zur Beendigung eines
Arbeitsverhältnisses erfolgen muss. Die Kündigung ist rechtswirksam, ohne dass
es der Zustimmung des Vertragspartners bedarf.
5
Seit dem 01.05.2000 muss die Kündigung gemäß § 623 BGB schriftlich erfolgen,
eine mündliche Kündigung ist somit nicht mehr wirksam. Ziel dieser Änderung ist
es, mehr Rechtssicherheit zu gewährleisten und eine Nachweisbarkeit
darzubieten, inwieweit die Kündigung tatsächlich ausgesprochen wurde. Ein
weiteres Ziel beinhaltet die Bewahrung vor übereilter Beendigung des
Vertragsverhältnisses.
Das Kündigungsschreiben muss in der Form des § 126 Abs. 1 BGB erfolgen.
Erforderlich ist deshalb eine eigenhändige Namensunterschrift oder das
Kündigungsschreiben muss mittels notariell beglaubigten Handzeichens
unterzeichnet sein. Bei der Erstellung der Erklärung bedarf es keiner Ort- und
Zeitangabe. Das Kündigungsschreiben kann individuell gestaltet werden, es ist
nicht notwendig, dass es eigenhändig verfasst wurde. Wichtig hierbei ist, dass die
Unterschrift unterhalb des Textes steht, da sie die Kündigungserklärung räumlich
abdecken soll. Ist dies nicht der Fall, sondern ist die Unterschrift zum Beispiel auf
dem Briefumschlag platziert, ist die Kündigung unwirksam.
6
4
Gestaltungsrechte geben die Befugnis, ohne die Mitwirkung eines anderen auf eine bestehende
Rechtslage einzuwirken.
5
Busemann/Schäfer, Kündigung und Kündigungsschutz im Arbeitsverhältnis, Rn. 1ff.
6
Preis, in: Kündigung und Kündigungsschutz im Arbeitsverhältnis, Rn. 152ff.
3

Der § 623 BGB besagt, dass die elektronische Form der Kündigung
ausgeschlossen ist. Somit findet die Textform des § 126b BGB keine
Anwendung.
7
Gemäß § 125 S. 1 BGB ist das Kündigungsschreiben nichtig, wenn die Schriftform
nicht gewahrt ist. Die Kündigung muss demzufolge nachgeholt werden. Unter
Umständen kann das bei fristgebundenen Kündigungen zum Verlust des
Kündigungsrechtes durch Fristablauf führen.
Der Inhalt einer Kündigung muss unmissverständlich erkennen lassen, dass und
zu welchem Zeitpunkt das Arbeitsverhältnis gekündigt werden soll. Das Wort
,,Kündigung" muss nicht enthalten sein, damit diese wirksam ist. Eine Angabe des
Kündigungsgrundes ist laut § 623 BGB grundsätzlich nicht erforderlich.
8
Ausnahmen hiervon sind außerordentliche Kündigungen für das
Berufsausbildungsverhältnis in § 22 Abs. 3 BBiG und laut § 9 Abs. 3, S. 2
MuSchG die Kündigung gegenüber einer Schwangeren.
9
Laut § 130 BGB muss die Willenserklärung dem Empfänger zugehen. Das
Kündigungsschreiben wird dann wirksam, wenn es in den Hoheitsbereich des
Empfängers gelangt. Wenn ein Empfangsbote die Kündigung aushändigt, wird die
Kündigungserklärung in dem Moment der Überreichung wirksam.
10
2.2 Arten
von
Kündigungen
Aus rechtssytematischer Sicht gibt es fünf Kündigungsarten um ein
Arbeitsverhältnis zu beenden. Dazu zählt die ordentliche Kündigung, die
grundsätzlich als befristete Kündigung ausgestaltet ist und damit den Parteien des
Arbeitsverhältnisses einen zeitlich befristeten Kündigungsschutz gewährt und der
außerordentlichen Kündigung, die nach § 626 Abs. 1 BGB dann zulässig ist, wenn
eine Fortsetzung des Dauerschuldverhältnisses unzumutbar geworden ist. Neben
7
Michalski, Arbeitsrecht, Rn. 277.
8
Wollenschläger, Arbeitsrecht, Rn. 390 ff.
9
Busemann/Schäfer, Kündigung und Kündigungsschutz im Arbeitsverhältnis, Rn. 118.
10
Brox/ Rüthers/Henssler, Arbeitsrecht, Rn. 431.
4

diesen zwei Grundkündigungsarten existieren noch: die Kündigung vor
Dienstantritt, die Änderungskündigung und die Teilkündigung.
11
2.2.1 Die außerordentliche Kündigung
Die strengste Maßnahme zur Beendigung eines Arbeitsverhältnisses ist die
außerordentliche Kündigung, da sie, ohne irgendwelche Kündigungsfristen
einhalten zu müssen, sofort wirksam ist. Die Gründe für die Kündigung müssen so
gravierend sein, dass sie eine weitere Zusammenarbeit zwischen den
Vertragsparteien unmöglich machen. Geregelt wird die außerordentliche
Kündigung im § 626 BGB.
12
Voraussetzung für die fristlose Kündigung ist das Vorliegen eines wichtigen
Grundes. Eine außerordentliche Kündigung kann nur bei schwerwiegenden
Pflichtverletzungen ausgesprochen werden. Gründe für eine fristlose Kündigung
können z. B. gegeben sein durch: Arbeitszeitbetrug, Arbeitsverweigerung,
unentschuldigtes Fehlen, Unpünktlichkeit, unberechtigten Urlaubsantritt,
Urlaubsüberschreitung, sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz und
Schlechtleistung.
13
2.2.2 Die ordentliche Kündigung
Jeder Arbeitsvertrag ist ordentlich kündbar. Dieses Recht kann vom Arbeitnehmer
frei ausgeübt werden, wenn er sich dabei an die geltenden Regelungen hält. Der
Arbeitgeber ist beschränkt durch den allgemeinen Kündigungsschutz nach §§ 1ff.
KSchG und zugunsten bestimmter Arbeitnehmergruppen, die unter den
besonderen Kündigungsschutz fallen.
14
Der Arbeitnehmer kann das
Arbeitsverhältnis ohne Angabe eines besonderen Grundes wirksam kündigen. Das
Arbeitsverhältnis eines Arbeitnehmers kann laut § 622 Abs. 1 BGB unter einer
11
Preis, in: Großkommentar zum Kündigungsrecht, Grundlagen E. Rn. 1 ff.
12
Lieb, Arbeitsrecht, Rn. 380.
13
Preis, in: Kündigung und Kündigungsschutz im Arbeitsverhältnis, Rn. 606ff.
14
Busemann/Schäfer, Kündigung und Kündigungsschutz im Arbeitsverhältnis, Rn. 286.
5

Fristeinhaltung von vier Wochen zum fünfzehnten oder zum Ende eines Monats
beendet werden.
15
Auflistung der Kündigungsfristen nach § 622 Abs. 2 BGB:
Für eine Kündigung durch den Arbeitgeber beträgt die Kündigungsfrist, wenn das
Arbeitsverhältnis in dem Betrieb oder Unternehmen ...
x zwei Jahre bestanden hat, einen Monat zum Ende eines Monats.
x fünf Jahre bestanden hat, zwei Monate zum Ende eines Monats.
x acht Jahre bestanden hat, drei Monate zum Ende eines Monats.
x zehn Jahre bestanden hat, vier Monate zum Ende eines Monats.
x zwölf Jahre bestanden hat, fünf Monate zum Ende eines Monats.
x fünfzehn Jahre bestanden hat, sechs Monate zum Ende eines Monats.
x zwanzig Jahre bestanden hat, sieben Monate zum Ende eines Monats.
Bei der Berechnung der Beschäftigungsdauer werden die Zeiten, die vor dem 25.
Lebensjahr des Arbeitnehmers entstanden sind, nicht mit berücksichtigt
16
15
Marschollek, Arbeitsrecht, Rn. 430ff.
16
Linck, in: Arbeitsrecht-Handbuch, § 126 Kündigungsfristen Rn. 16f.
6

3
Abgrenzung des allgemeinen vom besonderen
Kündigungsschutz
3.1
Begriff des allgemeinen Kündigungsschutzes
Die gewährte Absicherung, welche umfassend im § 1 KSchG verfasst ist, wird als
der typische allgemeine Kündigungsschutz angesehen.
17
Gegenstand des
Kündigungsschutzgesetzes ist die ordentliche Kündigung des Arbeitnehmers
18
durch den Arbeitgeber. Wenn die Kündigung nicht aus personen-, verhaltens- oder
betriebsbedingten Gründen sozial gerechtfertigt ist, hat der Arbeitnehmer die
Möglichkeit, diese mit einer Kündigungsschutzklage anzufechten. Voraussetzung
für das Bestehen des KSchG ist die Erfüllung der Anforderungen an die
Betriebsgröße, welche im § 23 KSchG genauer erläutert ist.
19
Keine Anwendung findet das Kündigungsschutzgesetz bei Betrieben, die fünf oder
weniger Mitarbeiter beschäftigen. Nach neuem Recht gilt die Grenze von mehr als
zehn Arbeitnehmern nur für diejenigen, die ab dem 01.01.2004 neu eingestellt
wurden.
Entscheidend zur
Berechnung des Schwellenwertes sind die
Größenverhältnisse des Betriebs zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung.
20
Die Anwendung des KSchG schließt Organmitglieder einer juristischen Person
und vertretungsberechtigte Gesellschafter einer Personengesellschaft aus.
21
Leitende Angestellte, soweit diese zur selbstständigen Einstellung oder
Entlassung von Arbeitnehmern berechtigt sind, werden in den allgemeinen
Kündigungsschutz unter Berücksichtigung einiger Ausnahmen einbezogen. Im
Sinne des § 14 KSchG kann der Arbeitgeber die Auflösung des
Arbeitsverhältnisses gegen Zahlung einer angemessenen Entschädigung selbst
dann durchsetzen, wenn die Kündigung eigentlich ungerechtfertigt wäre. Der
Auflösungsantrag seitens des Arbeitgebers bedarf laut § 14 KSchG keiner
17
Wickede, Sonderkündigungsschutz im Arbeitsverhältnis, S. 190.
18
Nur wer Arbeitnehmer im allgemeingültigen Rechtssinne ist, fällt unter das KSchG.
19
Rolfs, Studienkommentar zum Arbeitsrecht, § 1 KSchG Rn. 1ff.
20
http://www.rechtswoerterbuch.de [20.11.2012].
21
Rolfs, Studienkommentar zum Arbeitsrecht, § 14 KSchG.
7

Begründung. Die Höhe der Abfindungssumme wird durch das Gericht
entschieden. Das Gericht hat diesem Antrag stets stattzugeben.
22
Der allgemeine Kündigungsschutz ist gebunden an eine Wartezeit von sechs
Monaten, welche ab dem rechtlich vereinbarten Termin des Arbeitsverhältnisses
beginnt. Nach § 1 Abs. 2 KSchG muss das Arbeitsverhältnis in dem ,,selben
Betrieb oder Unternehmen" länger als sechs Monate bestehen.
23
Innerhalb dieser
Wartezeit hat der Arbeitgeber das Recht, das Arbeitsverhältnis zu kündigen, ohne
dass es einer sozialen Rechtfertigung i. S. v. § 1 Abs. 1 KSchG bedarf.
24
Der Gedanke, der hinter dem allgemeinen Kündigungsschutz steht, ist die
Gewährung des Minimalschutzes für alle Arbeitnehmer gegenüber einer
Kündigung aus willkürlichen oder sachfremden Gründen.
25
3.2
Begriff des besonderen Kündigungsschutzes
Der besondere Kündigungsschutz verstärkt den allgemeinen Kündigungsschutz
des KSchG.
26
Von dem besonderen Kündigungsschutz kann nur dann gesprochen
werden, wenn dieser nur bestimmten Arbeitnehmern zur Verfügung steht. Dieser
begrenzte Kreis von Arbeitnehmern unterscheidet sich von den ,,normalen"
insofern, dass sie aufgrund bestimmter personenbezogener Umstände wie einer
Schwangerschaft oder wegen der Wahrnehmung bestimmter Ämter und Aufgaben
in besonderer Weise vor dem Verlust des Arbeitsverhältnisses zu schützen sind.
Meist können Arbeitnehmer, denen der Sonderkündigungsschutz zusteht, ihre
Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis aufgrund körperlicher Umstände, welche
durch mögliche krankheitsbedingte Fehlzeiten noch verstärkt werden, nur
begrenzt erfüllen.
Die inhaltliche Gestaltung des Sonderkündigungsschutzes durch den Gesetzgeber
ist breit gefächert. Dies kann zum Beispiel einen tätigkeitsbezogenen
22
http://www.arbeitsrecht-karlsruhe.de [20.11.2012].
23
Busemann/Schäfer, Kündigung und Kündigungsschutz im Arbeitsverhältnis, Rn. 414.
24
Dütz/Thüsing, Arbeitsrecht, Rn. 398.
25
Wickede, Sonderkündigungsschutz im Arbeitsverhältnis, S. 190.
26
Eylert/Sänger, RdA 2010, Heft 1, S. 24.
8

Benachteiligungsschutz umfassen oder es kann auch beinhalten, dass die
Kündigungsmöglichkeit gänzlich ausgeschlossen ist.
27
Im weiteren Verlauf der vorliegenden Arbeit werden nur die wichtigsten Fälle des
Sonderkündigungsschutzes bearbeitet: der Mutterschutz, der Kündigungsschutz
während der Elternzeit, der Schwerbehindertenschutz, der Schutz für
Wehrdienstleistende und der Schutz der Mitglieder von
Betriebsverfassungsorganen. Darüber hinaus gibt es noch eine Reihe von Fällen,
auf die hier nicht weiter eingegangen werden kann: für Auszubildende nach Ablauf
der Probezeit § 22 Abs. 2 Nr. 1 BBiG; für Personen in Pflegezeit § 5 PflegeZG, für
Beauftragte, wie zum Beispiel den Immissionsschutzbeauftragten, den
Störfallbeauftragten oder den Betriebsbeauftragten für Abfall usw., für
Abgeordnete des Europaparlaments § 3 Abs. 3 EuAbgG, des Bundestags Art. 48
Abs. 2 S. 2 GG, § 2 Abs. 3 S. 2 AbgG, der Länderparlamente sowie ggf. der
Gemeindevertretungen und Kreistage, für ehrenamtliche Richter wegen der
Übernahme oder Ausübung des Amtes § 45 Abs. 1a S. 3 DRiG und für Inhaber
eines Bergmannversorgungsscheines § 11 BergVersSchG Saarland; § 10
BergVersSchG NRW.
28
.
27
Wickede, Sonderkündigungsschutz im Arbeitsverhältnis, S. 190ff.
28
Eylert/Sänger, RdA 2010, Heft 1, S. 38f.
9

4
Kündigungsschutz nach dem Mutterschutzgesetz
Das Mutterschutzgesetz gewährt einer Frau während ihrer Schwangerschaft und
bis zum Ablauf von vier Monaten nach der Entbindung einen besonderen
Kündigungsschutz, wenn dem Arbeitgeber die Schwangerschaft oder Entbindung
zur Zeit der Kündigung bekannt war oder innerhalb von vierzehn Tagen nach dem
Kündigungszugang mitgeteilt wird. Dies ist geregelt im § 9 Abs. 1 S. 1 MuSchG.
Das Überschreiten der zweiwöchigen Frist ist unbedenklich, wenn es auf einem
von der Frau nicht vertretbaren Grund beruht und die Mitteilung schnellstens
nachgeholt wird. In besonderen Fällen kann die für den Arbeitsschutz zuständige
Landesbehörde oder die von ihr bestimmte Stelle laut § 9 Abs.3 S. 1 MuSchG
ausnahmsweise die Kündigung für zulässig erklären.
Eine ausgesprochene Kündigung des Arbeitgebers ohne vorherige
Zulässigkeitserklärung ist nach § 134 BGB nichtig. Eine weitere Besonderheit im
Kündigungsschutzrecht steht im Satz 2 des § 9 Abs. 3 MuSchG. Dieser formuliert
die Angabe des zulässigen Grundes im Kündigungsschreiben als
Wirksamkeitsvoraussetzung der Kündigung. Neben dem Schutz gegen Gefahren
am Arbeitsplatz und einem Schutz vor finanziellen Nachteilen aufgrund
schwangerschaftsbedingter Ausfälle oder von Beschäftigungsverboten etabliert
das MuSchG einen Sonderschutz vor dem Verlust des Arbeitsplatzes. Zweck des
Mutterschutzes ist es, der werdenden Mutter bzw. Wöchnerin den Arbeitsplatz
trotz möglicher Leistungsminderungen oder Arbeitsunfähigkeit zu erhalten.
29
4.1 Geschützter Personenkreis
Der Sonderkündigungsschutz nach § 9 MuSchG gilt für alle Frauen, die in einem
Arbeitsverhältnis stehen, für Selbstständige, die dem unionsrechtlichen
Arbeitnehmerbegriff unterliegen sowie für Heimarbeiterinnen oder Gleichgestellte.
Ist eine Frau nur den in Heimarbeit Beschäftigten gleichgestellt, genießt sie den
besonderen Kündigungsschutz nur, wenn die Gleichstellung ausnahmsweise auf
29
Eylert/Sänger, RdA 2010, Heft 1 S. 30.
10

den Kündigungsschutz des HAG erstreckt ist. Die Ausnahme zulasten im
Familienhaushalt Beschäftigter ist aufgehoben worden. Sind die Arbeitsverträge
mit mehreren Beschäftigten derart miteinander verbunden, dass sie nur allen ggü.
gemeinsam beendet werden können, wirkt sich das Kündigungsverbot des § 9
MuSchG zugunsten der nicht im Geltungsbereich erfassten Personen aus. Ein
Beispiel wäre hierfür das Hausmeisterehepaar. Für Job-Sharing-
Arbeitsverhältnisse gilt das Gleiche.
30
Auf den Umfang der Beschäftigung, die
Staatsangehörigkeit, eine Versicherungspflicht oder das Alter der Frauen kommt
es nicht an.
Vom MuSchG erfasst werden Arbeiterinnen und Angestellte, Aushilfen, kurzfristig
Beschäftigte, Hausangestellte, nebenberufl. Beschäftigte, Mehrfachbeschäftigte,
Arbeitnehmerinnen im Gruppenarbeitsverhältnis, in mittelbarem oder im
Leiharbeitsverhältnis, Auszubildende, Umschüler oder Volontäre
31
und in ABM
Beschäftigte. Wenn eine Arbeitnehmerin über die Kündigungsfrist hinaus
weiterbeschäftigt wird, hat das zur Folge, dass das ursprüngliche Arbeitsverhältnis
fortgesetzt wird; demgemäß ist das MuSchG anwendbar. Nach § 102 BetrVG
unterliegen die Weiterbeschäftigungsverhältnisse den Schutzpflichten des
MuSchG, nicht aber § 9 MuSchG. Nicht erfasst werden im MuSchG mangels
Bestehens eines privatrechtlichen Arbeitsverhältnisses nach innerstaatl.
Verständnis Hausfrauen, Arbeitslose, Selbstständige, Organmitglieder und andere
arbeitgeberähnliche Personen, Handelsvertreterinnen, mithelfende
Familienangehörige ohne Arbeitsvertrag, karitativ, ehrenamtlich oder religiös
Tätige, Schülerinnen und Studentinnen, arbeitnehmerähnliche Personen, Frauen
im Wiedereingliederungsverhältnis gem. § 74 SGB V sowie Beamtinnen und
Soldatinnen.
32
30
Schlachter, in: Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, § 9 MuSchG Rn. 2.
31
Ein Volontär bzw. eine Volontärin ist eine Person, die eine innerbetriebliche Berufsvorbereitung
absolviert, ohne dabei offiziell den Status eines Auszubildenden inne zu haben.
32
Schlachter, in: Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, § 9 MuSchG Rn. 2 ff.
11

4.2 Voraussetzungen des Kündigungsschutzes
4.2.1 Schwangerschaft und Entbindung
Die Arbeitnehmerin muss zum Zeitpunkt des Kündigungszugangs schwanger sein
bzw. ihr Kind darf den fünften Lebensmonat noch nicht erreicht haben. Der
Schwangerschaftsnachweis kann grundsätzlich in beliebiger Form erfolgen,
zweckmäßig ist die Bescheinigung gem. § 5 Abs. 2 MuSchG. Das Einsetzen des
Kündigungsschutzes beginnt nach Meinung des BAG infolge widerleglicher
Vermutung aus dem ärztl. bescheinigten Tag der Entbindung abzüglich 280 Tage.
Wenn der tatsächliche Schwangerschaftsbeginn nachgewiesen werden kann, ist
die Vermutungsregel irrelevant.
33
Der Arbeitgeber kann einen Schwangerschaftsnachweis verlangen, welcher in der
Regel durch ein ärztliches Attest erfolgt. Gemäß § 5 Abs. 3 MuSchG hat er die
Kosten für die Schwangerschaftsfeststellung zu tragen.
34
Da § 9 MuSchG den
Kündigungsschutz nur bei tatsächlicher Schwangerschaft gewährt, ist die
Kündigung wirksam, wenn eine Schwangerschaft irrtümlich angenommen wurde.
Mit dem Ablauf des vierten Monats nach der Entbindung endet der
Kündigungsschutz.
35
Eine Entbindung liegt nur vor, wenn das Kind lebend
geboren wird.
36
Dies schließt eine Fehlgeburt oder einen
Schwangerschaftsabbruch aus. Liegt der Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung
nach der Fehlgeburt der Arbeitnehmerin, ist diese wirksam. Berechnet wird die
Dauer der Viermonatsfrist nach den Bestimmungen der §§ 187 Abs. 1, 188 Abs. 2
BGB. Diese Frist endet mit dem Ablauf des nachfolgenden vierten Monats nach
dem Tag der Entbindung. Die Frist kann auch an einem Sonnabend, Sonntag oder
Feiertag enden, da der § 193 BGB hier nicht gilt. Wurde das Kind beispielsweise
am 31.10. geboren, endet die Frist am 28.02. des Folgejahres. Ist dieses ein
Schaltjahr, endet die Frist am 29.02., wobei es keine Rolle spielt, auf welchen
Wochentag dieser fällt. Tritt nach Ablauf dieser Schutzfrist eine erneute
33
Schlachter, in: Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, § 9 MuSchG Rn. 2ff.
34
Stahlhacke, in: Kündigung und Kündigungsschutz im Arbeitsverhältnis, Rn. 1299.
35
Meisel/Sowka, Mutterschutz und Erziehungsurlaub, § 9 MuSchG Rn. 100c.
36
Stahlhacke, in: Kündigung und Kündigungsschutz im Arbeitsverhältnis, Rn. 1320.
12

Schwangerschaft der Arbeitnehmerin ein, bleibt der besondere Kündigungsschutz
ununterbrochen bestehen.
37
4.2.2 Kündigung durch den Arbeitgeber
Der besondere Kündigungsschutz der werdenden Mutter sowie der
Arbeitnehmerin nach der Entbindung gilt gegenüber jeder arbeitgeberseitigen
Kündigung, gleichgültig, ob diese als ordentliche oder außerordentliche, als
Beendigungs- oder als Änderungskündigung erklärt worden ist oder ob sie im
Rahmen einer Massenentlassung erfolgte. Er erfasst auch die Kündigungen vor
Dienstantritt. Außerfrage steht auch, ob die Kündigung gemäß §§ 1, 2 KSchG
sozial gerechtfertigt oder nach § 626 BGB wirksam wäre. Ebenso wenig kommt es
darauf an, ob sie aus anderen Gründen, wie zum Beispiel der unterbliebenen bzw.
nicht ordnungsgemäßen Anhörung des Betriebsrats oder der Verletzung der
Schriftform gemäß § 623 BGB unwirksam ist. Das Kündigungsverbot schließt auch
Kündigungen im Insolvenzverfahren des Arbeitgebers uneingeschränkt ein.
38
4.2.3 Nachträgliche Mitteilung der Schwangerschaft oder Entbindung
Schwangere Arbeitnehmerinnen sollen, sobald ihnen ihr Zustand bekannt ist, den
Arbeitgeber von ihrer Schwangerschaft in Kenntnis setzen sowie den
mutmaßlichen Tag der Entbindung mitteilen. Die Sollvorschrift des § 5 Abs.1
MuSchG begründet keine Rechtspflicht, sondern ist als ,,nachdrückliche
Empfehlung" des Gesetzgebers an die werdende Mutter zu verstehen, sich dem
Arbeitgeber zu offenbaren, um eine sofortige Wirksamkeit des Mutterschutzes zu
erlangen. Die Mitteilung wird als geschäftsähnliche Handlung gemäß § 130 BGB
mit Zugang beim Arbeitgeber wirksam. Befugt zur Entgegennahme der Mitteilung
sind Arbeitgeber, Vorgesetzte wie zum Beispiel der Filialleiter und die zuständige
Personalsachbearbeiterin. Ausgeschlossen von der Berechtigung zur Annahme
37
Meisel/Sowka, Mutterschutz und Erziehungsurlaub, § 9 MuSchG Rn. 101ff.
38
Rolfs, in: Kündigungsrecht, § 9 MuSchG Rn. 43.
13

Details

Seiten
Erscheinungsform
Erstausgabe
Jahr
2013
ISBN (PDF)
9783955498016
ISBN (Paperback)
9783955493011
Dateigröße
286 KB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Fachhochschule Erfurt
Erscheinungsdatum
2015 (Februar)
Note
1,3
Schlagworte
Kündigung Kündigungssschutz Mutterschutz Elternzeit Schwerbehindertengesetz
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Titel: Sonderkündigungsschutz im Arbeitsrecht
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