Lösungsorientierte Beratung in der Gesundheits- und Krankenpflege
Zusammenfassung
Der Inhalt dieses Buches gewährt einen umfassenden Einblick in die Grundlagen einer professionellen Beratung. Dabei werden das allgemeine Beratungsverständnis und Definitionen einer professionellen Beratung dargestellt, sowie Unterschiede zwischen Beratung und Therapie verdeutlicht. Außerdem werden die Anlässe und Ziele einer Beratung und die Anforderungen an Beraterinnen und Berater dargelegt. Im Anschluss daran wird den Leserinnen und Lesern ein Überblick über die wichtigsten Beratungsansätze gegeben, gefolgt von einer ausführlichen Darstellung des Beratungsprozesses.
Im Speziellen wird in diesem Buch der lösungsorientierte Beratungsansatz von seiner Entstehung, seinen Grundlagen, den Zielen und Prinzipien bis hin zu den einzelnen Beratungsphasen vorgestellt.
Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
2.2 Definitionen einer professionellen Beratung
Abt-Zegelin (2010, S. 21) beschreibt Beratung als einen ergebnisoffenen gemeinsamen Problemlösungsprozess.
Beratung bedeutet, in einen gemeinsamen Findungsprozess einzusteigen, damit für Klientinnen und Klienten eine maßgeschneiderte Lösung gefunden wird (Zegelin, 2012, S. 195). Sie gibt Hilfe bei Problemen der Orientierung und Entscheidung (Krause, 2003, S. 21). In einer Beratung können Verluste und Gewinne reflektiert werden und mögliche Widerstände gegen unvermeidbare oder sinnvolle Veränderungen überwunden werden, indem unvermutete, bisher von den Turbolenzen einer Erkrankung verdeckte Perspektiven offen gelegt werden (Koch-Straube, 2008, S. 84). Beratung ist eine schwierige, aber auch spannende Arbeit des Aushandelns und die Entdeckung der vielfältigen Weisen, das Leben auch mit einer Krankheit oder Behinderung zu gestalten. Sie ist Lernen für beide Seiten (Koch-Straube, 2008, S. 80) und alltäglicher Bestandteil zwischenmenschlicher Interaktionen (Krause, 2003, S. 15). Beratung gilt als eine Kurzzeitintervention, die sich an einzelne Klientinnen und Klienten oder auch an Gruppen richtet (Dewe & Schaeffer, 2012, S. 71). Sie wird immer als ein Prozess verstanden, in dem sich die Problemlösung schrittweise vollzieht (Doll & Hummel-Gaatz, 2007, S. 26). Die wesentlichen Komponenten von Beratung sind eine Beraterin bzw. ein Berater, eine Klientin oder ein Klient und die Interaktion und Kommunikation zwischen beiden (Krause, 2003, S. 23). Beratung in der Gesundheits- und Krankenpflege ist, wie in allen Professionen des Gesundheitsbereiches ein nicht eindeutig geklärter und umrissener Begriff, der häufig uneinheitlich gebraucht wird. Beratung wird im Gesundheitswesen oft mit Informationsvermittlung, Aufklärung oder kleiner Therapie einer Klientin bzw. Klient, die ein kleines überschaubares Problem haben, gleichgesetzt. Im pflegerischen Zusammenhang werden unterschiedliche Begriffe benutzt, wie z. B. Pflegeberatung, Beratungspflege, pflegerische Beratung, Patientenberatung, Beratung durch Pflegende oder Beratung in der Pflege (Doll & Hummel-Gaatz, 2007, S. 15).
Doll und Hummel-Gaatz (2007, S. 16) definieren Beratung in der Gesundheits- und Krankenpflege als einen Beziehungsprozess zwischen Pflegepersonen und Klientinnen und Klienten bzw. deren Angehörigen, mit dem Ziel, sie bei einer Krankheits- oder Krisenbewältigung zu unterstützen. Dies geschieht durch Unterstützung beim Bewältigen von Problemen, beim Finden von Entscheidungen, durch fördern, entdecken und erhalten von Ressourcen und der Unterstützung beim Auseinandersetzen mit veränderten Lebensumständen und den daraus resultierenden Emotionen.
2.3 Beratung versus Therapie
Beratung und Therapie haben das Ziel und die Möglichkeit, das Wohlbefinden, die Arbeits- und Liebesfähigkeit von Klientinnen und Klienten zu fördern und wiederherzustellen. Eine Abgrenzung zwischen Beratung und Therapie ist dabei nicht einfach. Beide stellen eine institutionelle Hilfeleistung dar, die zielorientiert und methodengeleitet einen Prozess der Intervention gestaltet. Grenzen bezüglich Klientinnen bzw. Klienten, Zielen und Methoden sind dabei fließend. In einer Beratung geht es um begrenzte Problemsituationen einer gesunden Persönlichkeit, die bei der Überwindung oder Bewältigung von diesen Problemen unterstützt wird. In einer Therapie werden Menschen mit deutlichen Erlebens- und Verhaltensstörungen, die in ihrer Persönlichkeitsstruktur verankert sind, behandelt (Koch-Straube, 2008, S. 68). Beratung ist im Unterschied zu Therapie nicht revidierend und nicht restituierend oder kurativ ausgerichtet. Sie zielt nicht auf Heilung bzw. Wiederherstellung eines bereits vorhanden gewesenen, nun aber gestörten Handlungsvermögens, sondern auf die Erweiterung der gegebenen Handlungsfähigkeiten ab (Dewe & Schaeffer, 2012, S. 79). Obwohl unterschiedliche Beratungsansätze aus therapeutischen Schulen hervorgegangen bzw. dort verankert sind, kann Beratung nicht als Minimalversion einer Therapie angesehen werden, sie stellt keine Ersatzlösung für eine nicht mögliche Therapie dar, sie kann allerdings zu einer Therapie überleiten (Koch-Straube, 2008, S. 72).
2.4 Anlässe einer Beratung
Eine professionelle Beratung setzt ein oder ist erforderlich, wenn die individuelle Kompetenz oder das informelle Hilfenetz für eine Lösung oder eine Bewältigung einer krisenhaften Situation nicht mehr ausreichend oder überfordernd ist (Koch-Straube, 2008, S. 66; Fuhr, 2003a, S. 87).
Beratung kann immer nur eine Hilfe zur Selbsthilfe sein. Jeder Mensch ist zu einer Selbstregulierung und Selbstlenkung fähig. Ist diese Fähigkeit nicht ausgebildet oder verloren gegangen, kann diese durch eine Beratung entwickelt und neu belebt werden (Krause, 2003, S. 24).
2.5 Ziele einer Beratung
Laut Schaeffer (2008, S. 8) zielt Beratung allein auf die von der Klientin bzw. des Klient artikulierten Probleme und deren Lösungen ab. Fittkau (2003a, S. 60) beschreibt als zentrales Ziel einer Beratung eine Hilfe zur Selbsthilfe und Ressourcenaktivierung von sich selbst organisierenden Systemen (Gruppen, Organisationen, Individuen) zur Verbesserung deren Lebens- und Leistungsqualität. Auch Krause (2003, S. 28) nennt als übergeordnetes Ziel einer Beratung die Hilfe zur Selbsthilfe. Dabei werden die notwendigen Lernprozesse von den Beraterinnen bzw. den Beratern ausgelöst und angeleitet. Als Lernziele nennt sie den Erwerb von Fähigkeiten, um das eigene Problem zu bestimmen, erreichbare Ziele zu definieren, reflektierte Entscheidungen zu treffen, Handlungspläne zu entwerfen, Ressourcen zu entdecken und zu nutzen und die selbst eingeleiteten Handlungen auf ihre Effektivität hin überprüfen zu können. Für Ansen (2012, S. 146) ist das Ziel einer Beratung, durch die Vermittlung von Wissen und Einsicht sowie Entscheidungs- und Handlungsgrundlagen die Autonomie der Klientinnen und Klienten zu fördern, die durch akute Probleme zumindest vorübergehend unterbrochen ist.
London (2010, S. 36) nennt als kurzfristige Ziele einer Beratung, den Klientinnen und Klienten eine Hilfe bei sachgerechten und wohlüberlegten Entscheidungen zu geben und sie bei der Entwicklung von lebensnotwendigen Selbsthilfekompetenzen zu unterstützen. Außerdem sollen sie durch die Beratung Probleme erkennen und rechtzeitig darauf reagieren können und natürlich Antworten auf gestellte Fragen bekommen bzw. Hilfe erhalten, um die richtigen Ansprechpartner zu finden. Als langfristige Ziele einer Beratung nennt sie, Klientinnen und Klienten zu einer gesundheitsbewussten Denk- und Handlungsweise zu verhelfen. Dies ist jedoch nur dann möglich, wenn die kurzfristigen Ziele verwirklicht werden.
2.6 Anforderungen an Beraterinnen und Berater
Knelange und Schieron (2000, S. 4) betrachten Beratung als ein professionelles, beruflich ausgeübtes Geschehen, dass von Beraterinnen und Beratern Kompetenzen auf verschiedensten Gebieten (z. B. Methodenvielfalt, Fachwissen, Feldkompetenz) verlangt und somit erlernt werden muss.
Die Beraterin bzw. der Berater muss sich auf die Klientinnen und Klienten einlassen können, quasi in deren Schuhen zu gehen (Zegelin, 2012, S. 195). Klientinnen und Klienten kennen selbst ihre Probleme am Besten. Beraterinnen und Berater unterstützen lediglich die Problembewältigung, indem sie ihnen eine Orientierung ermöglichen, bei der Reifung von Entscheidungen helfen, Entwicklungen fördern, Risiken bewusst machen, bei der Kompensation von Verlusten Unterstützung geben und Ressourcen aktivieren (Krause, 2003, S. 24).
Für Zegelin (2012, S. 195) müssen gute Beraterinnen bzw. gute Berater vor allem zuhören, auch das Nicht-Gesagte hören können. Zu schnelle Ratschläge sollen vermieden werden, da diese schnell zu Enttäuschungen führen können, weil es meist nicht darum geht, einen raschen Rat zu bekommen, sondern um das Bemühen, die Situation zu verstehen. Auch für Doll und Hummel-Gaatz (2007, S. 33) ist das Zuhören ein wichtiges Kriterium für eine Beratung.
Dabei ist das Zuhören als keine passive Tätigkeit zu sehen, es signalisiert vielmehr durch (non-) verbale Zeichen Interesse an den Ausführungen der Klientinnen und Klienten. Dies geschieht durch eine offene Körperhaltung, Kopfnicken, Mimik wie Lächeln oder Erstaunen sowie Lautäußerungen. Aus der Sicht der Klientinnen und Klienten besteht die wichtigste Aktivität von Pflegepersonen beim Zuhören darin, da zu sein und sich Zeit zu nehmen. Wichtig in Beratungsgesprächen ist es, sein Gegenüber aussprechen zu lassen, aber auch Pausen und die damit einhergehende Stille zu ertragen (Doll & Hummel-Gaatz, 2007, S. 33).
Zusammenfassend lässt sich an dieser Stelle festhalten, dass Beratung in allen Disziplinen immer als ein gemeinsamer Problemlösungsprozess definiert wird. Beratung soll Unterstützung bei der Ressourcenaktivierung der Klientinnen und Klienten geben und erfordert dabei von Beraterinnen und Beratern dafür notwendige Kompetenzen. Professionelle Beratung gestaltet sich immer als ein Prozess, gilt als eine Kurzzeitintervention und darf nicht mit einer Alltagsberatung oder Therapie gleichgesetzt werden.
3 Beratungsansätze
Im folgenden Teil der vorliegenden Arbeit soll ein allgemeiner Einblick in wichtige Theorietraditionen von Beratung gegeben werden.
3.1 Der humanistische Beratungsansatz
Humanistische Beratungsansätze basieren auf der wissenschaftstheoretischen Basis der humanistischen Psychologie (Doll & Hummel-Gaatz, 2007, S. 19). Sie gehen davon aus, dass der Mensch als Einheit von Körper-Seele-Geist, eingebunden in ein größeres Ganzes, zu betrachten ist (Fuhr, 2003b, S. 104). Das zugrunde liegende Menschenbild geht dabei von einem entscheidungs- und entwicklungsfähigen Menschen aus. Bei der Beratung geht es darum, in einer vertrauensvollen, gleichberechtigten Beziehung durch Krisen entstandene Blockaden zu lösen und Selbstheilungskräfte des Individuums freizusetzen. Im humanistischen Beratungsansatz geht es um die Wertschätzung und Akzeptanz des selbstbestimmten Seins und Werdens. Vordergründig stehen die Annahme von Hilflosigkeit, Betroffenheit und die Auseinandersetzung mit den eigenen Leiderfahrungen und dem (unheilbar) Kranksein. Der Fokus des humanistischen Ansatzes liegt in der Hilfe zur Selbsthilfe bzw. der Unterstützung bei der Selbstbefähigung der Klientin bzw. des Klient zur eigenständigen Problemlösung. Ressourcen der Klientin bzw. des Klient werden in die Beratung miteinbezogen (Doll & Hummel-Gaatz, 2007, S. 19). Das Erfolgskriterium der humanistischen Beratung ist in erster Linie nicht ein messbar verändertes Verhalten und ein erfolgreiches lösen spezieller Probleme. Es geht vielmehr um die Erhöhung der Bewusstheit der Klientin bzw. des Klient, der Kreativität und Nutzung ihrer Potentiale und Ressourcen sowie um das Erkennen von Handlungsalternativen für Problemsituationen (Fuhr, 2003b, S. 116). Das wohl bekannteste und verbreitetste Verfahren dieses Ansatzes ist die klientenzentrierte Gesprächsführung bzw. die nicht – direktive Beratung nach Carl Rogers (Koch-Straube, 2008, S. 105).
Im humanistischen Beratungsansatz ist der Aufbau einer symmetrischen Beziehung zwischen Beraterin bzw. Berater und Klientin bzw. Klient von großer Bedeutung. Die Beraterin bzw. der Berater nutzt non – direktive Techniken wie aktives Zuhören, Spiegeln und Verbalisieren emotionaler Erlebnisinhalte. Damit werden bei der Klientin bzw. dem Klient die Reflexion des eigenen Handelns und der eigenen Gefühle gefördert. Die Beratungsmethoden sollen die Klientin bzw. den Klient dabei unterstützen, eigene Gedanken, Gefühle und Empfindungen zu äußern. Diese Art der Beratung wird als ergebnisoffene Beratung in Abgrenzung zu einer fachlich informativen Beratung im verhaltensorientierten Ansatz bezeichnet (Doll & Hummel-Gaatz, 2007, S. 31).
3.2 Der verhaltensorientierte Beratungsansatz
Vermittlungs- und verhaltensorientierte Ansätze beziehen sich auf die psychologischen Lerntheorien und der daraus entwickelten Verhaltenstherapie. In dem behavioristischen Wissenschaftsparadigma liegt der Fokus auf dem beobachtbaren und objektiv beschreibaren Verhalten, welches erlernt bzw. verlernt werden kann. Haltungen, Emotionen, Lebenswelt- oder Biographiebezüge stehen dabei eher am Rande des Blickwinkels. Ziel dieses Ansatzes ist es, durch Erlernen von Verhaltensänderungen das bestehende Problem der Klientinnen und Klienten zu lösen. Das übergeordnete Ziel der Beraterin bzw. des Beraters ist es, bei der Klientin bzw. dem Klient eine gesundheitsbewusste Denk- und Handlungsweise zu erreichen, die von der Änderung des Lebensstils über den Aufbau neuer Handlungsroutinen bis hin zur Aufgabe angelernter Gewohnheiten reichen. Die Vertreter dieser Theorietradition gehen davon aus, dass informierende, schulende und beratende Aspekte schwer voneinander zu trennen sind, vielmehr sind sie der Meinung, dass diese ineinander greifen (Doll & Hummel-Gaatz, 2007, S. 18).
In der fachlich informativen Beratung des verhaltensorientierten Ansatzes geben Beraterinnen bzw. Berater mit ihrem Expertenwissen direktiv und vorausschauend Informationen weiter (Doll & Hummel-Gaatz, 2007, S. 31). Sie zeigen Optionen und Alternativen auf und instruieren die Klientin bzw. den Klient. Im Weiteren leiten sie Selbstkontrolltechniken und Wahrnehmungsübungen an, um dadurch eine Verhaltensmodifikation oder eine kognitive Umstrukturierung zu bewirken (Doll & Hummel-Gaatz, 2007, S. 32).
3.3 Der systemische Beratungsansatz
Systemische Beratung heißt das Ganze zu betrachten und im Blick zu behalten, also nicht nur ein Problem als solches, sondern dessen Bedeutung im jeweiligen Lebenskontext der Klientin bzw. des Klient. Ebenso nicht nur die Klientin bzw. den Klient als solche, sondern deren Einbindung in ihre soziale Umwelt und den dort gegebenen kommunikativen Wechselbeziehungen und schließlich auch nicht nur diese Lebenswelt als solche, sondern diese im Zusammenhang mit Sinnbezügen, die über das Hier und Jetzt hinausgreifen und dabei das Bewusstsein ermöglichen, Teil eines größeren Ganzen zu sein (Bamberger, 2010, S. 14). Im systemischen Beratungsansatz werden die Biographie und die Lebenswelt der Klientinnen, Klienten und dessen Angehörigen miteinbezogen. Im Fokus stehen nicht nur eine Neuorientierung der Klientinnen und Klienten selbst, sondern die Veränderung im Alltag des ganzen familiären Umfeldes (Doll & Hummel-Gaatz, 2007, S. 21). Die systemische Beratung zielt in erster Linie nicht auf die Persönlichkeitsentwicklung der Klientinnen und Klienten ab, sondern auf konkrete Lösungen für das gesamte System. Dabei wird weniger auf Defizite und Ursachen eingegangen, vielmehr unterstützt die Beraterin bzw. der Berater das System dabei, wieder Optionen und Handlungsmöglichkeiten zu erkennen (Doll & Hummel-Gaatz, 2007, S. 22). Systemische Beratung beschäftigt sich mit sehr unterschiedlichen Problemen wie z. B. akuten oder chronischen Symptomen im Gesundheitswesen oder Eheproblemen und Generationenzwist in der Familienberatung (Schlippe & Schweitzer, 2012, S. 160).
Generell kann sie als ein Versuch angesehen werden, von einem Problemzustand zu einem Nicht-Problemzustand, also zu einer Lösung zu kommen (Schlippe & Schweitzer, 2012, S. 160). Im systemtheoretischen Ansatz werden anhand lösungsorientierter Fragetechniken, zirkulärem Fragen oder Reframing – Übungen versucht, eine Klärung und Deutung der Systembeziehung zu erreichen. Dabei liegt der Fokus nicht darauf, Probleme zu analysieren und die Vergangenheit zu rekonstruieren, sondern Lösungsmöglichkeiten für die Zukunft zu finden (Doll & Hummel-Gaatz, 2007, S. 32). Weiterentwicklungen des systemischen Beratungsansatzes führen zu spezifischen Konzepten wie Organisationsberatung, Paarberatung oder der lösungsorientierten Beratung (Doll & Hummel-Gaatz, 2007, S. 21).
3.4 Der tiefenpsychologische Beratungsansatz
Tiefenpsychologische Verfahren gehen auf Sigmund Freud und die von ihm entwickelte Psychoanalyse zurück. Die Tiefenpsychologie hat im Laufe der Geschichte Wandlungen erfahren und verschiedene Schulen entwickelt. Als gemeinsamer Nenner kann die Annahme des Unbewussten genannt werden. Das Unbewusste ist dem Menschen nicht unmittelbar zugänglich, steuert seine Gefühle und offenbart sich in Träumen, Fehlleistungen und Versprechern. Im Unterbewussten sind unbewältigte Konflikte gespeichert, die, da sie unerträglich sind, vom Menschen bewusst nicht wahrgenommen und abgewehrt werden. Abwehrmechanismen sind bis zu einem gewissen Ausmaß eine gesunde Reaktion des Menschen und stützen seine Lebensfähigkeit. Beruhen diese Erlebens- und Verhaltensweisen sehr stark auf Abwehrmechanismen, kommt es unweigerlich zu Diskrepanzen gegenüber dem Erleben und den Erfordernissen der Realität. Diese vom Menschen als Leiden wahrgenommenen Diskrepanzen können sich zu schwerwiegenden Konflikten steigern, welche als Neurosen bezeichnet werden (Koch-Straube, 2008, S. 108). Die Aufgabe der tiefenpsychologischen Therapie liegt im Aufdecken und Durcharbeiten der seelischen Konflikte, deren Entstehen bis in die frühe Kindheit zurückreichen kann (Koch-Straube, 2008, S. 109).
4 Beratungsprozess
Mit dem Beratungsprozess werden Ausschnitte des Beratungsgeschehens thematisiert, welche sich auf den Ablauf und die Dynamik beziehen. Unabhängig von einzelnen Beratungsschulen, wie z. B. der systemischen oder verhaltensorientierten Ausrichtung, folgt eine professionelle Beratung einem systematischen Aufbau, der vom Erstgespräch und der Diagnostik über Entscheidung für bestimmte Interventionen bis zum reflektierten Abschluss reicht (Ansen, 2012, S. 145). Das Wissen über den Beratungsprozess ist für Beraterinnen und Berater eine unabdingbare Voraussetzung, um Methoden und Techniken der Gesprächsführung sinnvoll einzusetzen (Ansen, 2012, S. 154). Es liefert Klientinnen und Klienten sowie Beraterinnen und Beratern eine Orientierung und spendet in einem begrenzt vorhersehbaren Verlauf ein Mindestmaß an Sicherheit (Ansen, 2012, S. 145).
4.1 Beratungsprozess nach Doll und Hummel-Gaatz
In weiterer Folge wird der Beratungsprozess nach Doll und Hummel-Gaatz (2007, S. 28) genauer beschrieben. Doll und Hummel-Gaatz (2007, S. 26-27) stellten fünf verschiedene Beratungsprozesse dar und leiteten aus dieser Synopse für die Beratung in der Pflege ein am etablierten Pflegeprozess orientiertes Phasenmodell ab (Doll & Hummel-Gaatz, 2007, S. 28).
4.1.1 Phase 1
Zu Beginn des Beratungsprozesses stellen die Kontaktaufnahme und der Aufbau einer symmetrischen Beziehungs- und Vertrauensbasis die Grundvoraussetzung für eine gelingende Beratung dar. Diese Beziehungsebene ermöglicht es den Klientinnen und Klienten und dessen Bezugspersonen, ihre Anliegen und Probleme vorzubringen und sich zu öffnen (Doll & Hummel-Gaatz, 2007, S. 28).
Die erste Phase muss abhängig davon, ob sie bereits in eine Pflegebeziehung eingebettet ist oder losgelöst in einem strukturierten, geplanten Beratungsangebot stattfindet, unterschiedlich intensiv und bewusst gestaltet werden (Doll & Hummel-Gaatz, 2007, S. 28).
4.1.2 Phase 2
In dieser Phase ist das diagnostische Denken der Beraterin bzw. des Beraters von zentraler Bedeutung. Es gilt den objektiven Beratungsbedarf und das subjektive Beratungsbedürfnis herauszufiltern. Durch ein strukturiertes Beobachten, waches Analysieren der Gesamtsituation durch z. B. Fragen und Spiegeln und einem gemeinsamen Bewerten kann das Problem als Ausgangspunkt der Beratung erkannt und korrekt benannt werden (Doll & Hummel-Gaatz, 2007, S. 28).
Je nach dem Beratungsansatz werden unterschiedliche Schwerpunkte fokussiert:
- Probleme aus der individuellen Klientinnen- und Klientensicht erfassen
- Einflussfaktoren, Ursachen und Symptome des Problems bzw. der Probleme erheben
- Gefühle der Klientinnen und Klienten klären helfen, diese wahrnehmen und in den Prozess einzubeziehen (Doll & Hummel-Gaatz, 2007, S. 29)
4.1.3 Phase 3
In der dritten Phase wird gemeinsam mit der Klientin bzw. dem Klient eine gemeinsame Zielsetzung ausgehandelt, die vom jeweiligen Beratungsansatz abhängig ist. Humanistische Ansätze zielen auf das psychosoziale Coping und die Integration von Emotionen ab. Der verhaltensorientierte Ansatz hat Anpassungsprozesse im Bereich der Alltagskompetenz zum Ziel und erweist damit einen wichtigen Beitrag in der konkreten Auseinandersetzung mit dem Krankheits- und Therapieerfolg. Der systemische Blickwinkel, der besonders bei chronischen Erkrankungen an Bedeutung gewinnt, ergänzt diese beiden Ansätze (Doll & Hummel-Gaatz, 2007, S. 30).
Die Beraterin bzw. der Berater fasst in dieser Phase der Beratung die Erkenntnisse zusammen und stellt verschiedene Optionen dar, um zu klären, welches Ziel erreicht werden soll (Doll & Hummel-Gaatz, 2007, S. 30).
4.1.4 Phase 4
In der vierten Phase geht es um das Entwickeln von Lösungen, das sowohl auf der Beziehungsebene als auch auf der Inhaltsebene stattfindet. Es kann als eine Verschränkung von Beziehungs- und Problemlösungsprozessen verstanden werden. Die Beziehungsebene ist geeignet, Klientinnen, Klienten und Bezugspersonen in ihrem Bewältigungsprozess zu begleiten, Gefühle zu explorieren und subjektive Deutungen nachzuvollziehen. Die Problemlösungsebene unterstützt diesen Prozess und ermöglicht, unter Einbeziehung von Ressourcen und biographischen Kontext, konkrete Handlungsmöglichkeiten zu erkennen. Die Beraterin bzw. der Berater wendet dabei Techniken des Fragens an, hört der Klientin bzw. dem Klient aktiv zu und entwickelt gemeinsam mit ihnen Alternativen. Abhängig vom Beratungsansatz ist auch hier ein Kontinuum von eher direktiven bis hin zu non-direktiven Verhalten der Beraterin bzw. des Beraters zu beobachten (Doll & Hummel-Gaatz, 2007, S. 30).
4.1.5 Phase 5
Diese Phase wird als Reflexion bezeichnet und dient einer Bewertung des Gesprächsverlaufs, einer Zusammenfassung des Erkenntnisgewinnes und der Vereinbarung von konkreten Handlungsschritten. Die Klientin bzw. der Klient hat an dieser Stelle die Möglichkeit, sich darüber zu äußern, wie zufrieden er mit dem Verlauf und den Ergebnissen des Gespräches ist. Auch die Beraterin bzw. der Berater sollte für sich Zeit einräumen, das Gespräch auf der Metaebene zu betrachten und das eigene Verhalten reflektieren und hinterfragen (Doll & Hummel-Gaatz, 2007, S. 30).
Die Selbstreflexion der Rolle als Beraterin bzw. Berater findet außerhalb des Gespräches statt, gehört aber zu einem professionellen Beratungsprozess (Doll & Hummel-Gaatz, 2007, S. 30).
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Details
- Seiten
- Erscheinungsform
- Erstausgabe
- Erscheinungsjahr
- 2013
- ISBN (PDF)
- 9783955498191
- ISBN (Paperback)
- 9783955493196
- Dateigröße
- 279 KB
- Sprache
- Deutsch
- Erscheinungsdatum
- 2015 (Februar)
- Note
- 1
- Schlagworte
- professionelle Beratung Beratungsansatz Beratungsprozess Gesundheitspflege Pflege