Die Auswirkungen des Exposure Drafts 2010/2009 zur Neuregelung des IAS 17 auf ausgewählte Leasingverhältnisse
Zusammenfassung
Ziel dieser Arbeit ist es im ersten Schritt, die internationale Leasingbilanzierung auf den derzeitigen Status Quo hin zu prüfen und aus diesem Standpunkt heraus die Notwendigkeit einer substanziellen Veränderung der aktuellen Regelung zu erläutern. Im Anschluss soll der von beiden Boards vorgeschlagene Exposure Draft untersucht und auf Hinblick seiner Wirkung für den jeweiligen Anwender kommentiert werden. Somit sollen im Zuge der Neuregelung die Konsequenzen des Exposure Drafts aufgegriffen werden, um folglich die Existenzfähigkeit bzw. lückenlose Anwendbarkeit des neuen Standards im Alltag zu ergründen.
Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
1.2 Problemdarstellung und die Notwendigkeit zu einer Reformation
Die Globalisierung der Finanz- und Kapitalmärkte schreitet stetig voran. Entscheidend ist, dass Investoren und Unternehmen in der Lage sind auf internationaler Ebene vergleichbare Informationen zu erhalten, um diese grundlegend für die Bildung von Investitionsentscheidungen zu nutzen. Hierzu ist die Harmonisierung der internationalen Rechnungslegungssysteme ebenso relevant wie eine transparente Darstellung der Jahresabschlüsse. Im Sinne des IAS 1.15 sollen Jahresabschlüsse die primäre Absicht verfolgen die Vermögens-, Finanz- und Ertragslage eines Unternehmens den tatsächlichen Verhältnissen entsprechend darzustellen, um eine optimale Entscheidungsfindung der Investoren gewährleisten zu können.[1] Als Voraussetzung hierzu gilt auch die neutrale Bilanzierung von Leasingverträgen, die die tatsächliche Wirtschafts- und Rechtslage darstellt, um so einer Verzerrung der Bilanzen vorzubeugen. Eben diese Problematik bildet einen der Kernkritikpunkte an der jetzigen Leasingbilanzierung nach IAS 17. Ein Leasingverhältnis ist als ein Nutzungsüberlassungsvertrag zu verstehen bei dem, wie oben bereits hergeleitet, eine Trennung zwischen dem rechtlichen und wirtschaftlichen Eigentum vollzogen wird und so auf Rechtmäßigkeit zu prüfen ist, welche Vertragspartei den Leasinggegenstand in die Bilanz aufzunehmen hat.[2] An dieser Stelle kommen die so oft von Investoren kritisierten Ermessungsspielräume zum Vorschein.[3] Diese Ermessungsspielräume ergeben sich aufgrund der aktuellen Ausgestaltung des Bilanzierungsmodells, so dass die Verteilung der Chancen und Risiken - im wirtschaftlichen Kontext - darüber entscheidet welches Rechtssubjekt letztendlich das Leasingobjekt bilanzieren muss. Die Vorgehensweise beruht auf dem „All-or-nothing-Ansatz“, wonach ein Leasinggegenstand in die Bilanz des Leasingnehmers entweder vollständig aufgenommen oder vollständig weggelassen wird.[4] Kritisiert wird der „Risk-and-Reward-Ansatz“ aufgrund seiner Komplexität und breitgefächerten Natur, wobei vergleichsweise ähnliche Fälle unterschiedlich bewertet werden können.[5] Zeitgleich bietet das „Finanzierung-Operating-Leasing-Modell“ keine wirkliche Alternative. Das unter Kritik geratene Modell erwecke den Anschein, dass die Klassifizierung zwischen Finanzierungs- und Operating-Leasing auf einer objektiven und transparenten Grundlage basiert. Dies sei in Anwenderkreisen jedoch nicht der Fall.[6] Die erheblichen Ermessungsspielräume im Standard 17 erwirken einen derartigen Flexibilitätsgrad, der kaum eine klare, von Dritten nachvollziehbare Trennung erlaubt. Zusätzlich gilt, dass viele Leasingnehmer bewusst den Operating-Leasing-Ansatz nutzen, um mithilfe der Gestaltungsfreiheit der Off-Balance-Sheet-Transaktion die Verträge so zu konzipieren, dass es in der Bilanz zur Verschleierung des Leasinggegenstandes kommt.[7] Die beschriebene Sachlage zeugt von der Erkenntnis, dass das Konzept des Operating-Leasings - nach dem aktuellen Stand der Dinge - dem Unternehmen erlaubt Fremdfinanzierungen in Anspruch zu nehmen, ohne, dass die dazugehörige Verbindlichkeit in der Bilanz ausgewiesen wird. Als unmittelbare Folge werden Unternehmenskennzahlen teilweise zu Gunsten des Leasingnehmers optimiert, wodurch sich u.a. ein positiver Verschuldungsgrad (Fremdkapital / (Fremdkapital + Eigenkapital)) und eine höhere Kreditwürdigkeit ergeben, als dass die reale Sachlage erlauben würde.[8] Vorausgesetzt dem Fall, dass Leasingnehmer gezielt die Off-Balance-Möglichkeit ansetzen, kann es weitreichende Konsequenzen - zum Teil auch negative Auswirkungen - mit sich bringen. Insbesondere sind Investoren der Gefahr ausgesetzt Jahresabschlüsse falsch zu interpretieren. Zur Vermeidung von Fehlentscheidungen bzw. einer verzerrten Wahrnehmung der tatsächlichen Geschäftslage eines Unternehmens sind Nutzer u.a. Investoren gezwungen etwaige Anpassungen an den Jahresabschlüssen vorzunehmen. Hinsichtlich der bilanziellen Bereinigung sind Investoren zwingendermaßen verpflichtet subjektive Einschätzungen vorzunehmen, da diese Teilnehmer sich, ungleich dem Management des Unternehmens, lediglich auf einen begrenzten Informationsfluss stützen können. Einerseits ist dieses Vorgehen für Investoren zeitaufwendig sowie kostspielig zugleich. Andererseits kann die Lage des Unternehmens falsch eingeschätzt werden, was sich wiederum negativ auf das Unternehmen auswirken kann. Zwar liefert das IASB mit IAS 17.10 und 17.11 Anwendungsbeispiele und Indikatoren zur korrekten Darstellung von Finanzierungs- und Operating-Leasing, jedoch wird kritisiert, dass diese Kriterien nicht ausreichend seien, um eine klare Unterscheidung zwischen Finanzierung- und Operating-Leasing treffen zu können. Zusammenfassend ist die derzeitige Bewerkstelligung zur neutralen Darstellung von Leasingverhältnissen weit entfernt von einem effektiven Abgrenzungsmechanismus, wodurch Bilanzen in Ihrer Aussagekraft geschwächt werden, das Postulat der internationalen Vergleichbarkeit nicht gegeben ist und sowohl Verständlichkeit als auch Verlässlichkeit der Bilanzen eingeschränkt werden.[9] Um dem entgegenzuwirken, ist eine umfangreiche Reform der Leasingbilanzierung nach IAS 17 unausweichlich.
2 Die aktuelle Leasingbilanzierung nach IFRS
Der IAS 17 ist auf alle Leasingverhältnisse anzuwenden. IAS 17.2 nennt Fälle, die nicht in den Anwendungsbereich des IAS 17 fallen. Zu den Ausnahmeregelungen gehören die Entdeckung und Verarbeitung nicht-regenerativer Ressourcen (IAS 17.2a), Lizenzvereinbarungen (IAS 17.2b) aber auch Sachverhalte, die von alternativen Standards abgedeckt werden (IAS 17.2).[10] Die aktuelle Leasingbilanzierung geht von einem Risk-and-Reward-Ansatz aus, um eine Unterscheidung bei der Bilanzierung der Leasinggegenstände zu treffen. Die zentrale Problematik beschäftigt sich mit der Frage, welche Partei den Leasinggegenstand bilanzieren muss. Hierzu trifft IAS 17.4 eine Klassifizierung zwischen Finanzierungs- und Operating-Leasing.[11] Finanzierungs-Leasing wird demnach als ein Leasingverhältnis definiert, bei dem im Wesentlichen alle mit dem Leasinggegenstand verbundenen Risiken und Chancen auf den Leasingnehmer übertragen werden (IAS 17.4). Somit bezieht sich diese Definition auf das wirtschaftliche Eigentum. Der Leasinggegenstand ist folglich in die Bilanz des wirtschaftlichen Eigentümers aufzunehmen. Für das Operating-Leasing nimmt der IAS 17.4 eine Negativabgrenzung vor und legt nahe, dass es sich bei Nichterfüllung der Kriterien eines Finanzierungs-Leasings unmittelbar um ein Operating-Leasing handelt. Nach Definition des IASB ist ein Operating-Leasing dann gegeben, wenn der Leasinggeber alle mit dem Leasingobjekt verbundenen Chancen und Risiken behält. Mögliche Risiken für Leasingnehmer und Leasinggeber werden in IAS 17.7 genannt. Darunter fallen Auslastungsrisiken, technische Risiken und Risiken aufgrund geänderter wirtschaftlicher Rahmenbedingungen. Dagegen stellen der gewinnbringende Einsatz im Geschäftsbetrieb, ein realisierter Restwert als auch eine Wertsteigerung die Chancen dar. Gehen sämtliche Chancen und Risiken auf den Leasingnehmer über, erfolgt eine Klassifizierung gemäß der Regeln eines Finanzierungs-Leasings und der Vermögensgegenstand ist zwingend i.S.d. IAS 17.8 in die Bilanz des Mieters zu erfolgen. Eine zeitgleiche Ausbuchung des Aktivpostens aus der Bilanz des Leasinggebers muss gewährleistet sein. Bleiben dagegen alle Chancen und Risiken beim Leasinggeber, spricht IAS 17.4 von einem Operating-Leasing und das Leasingobjekt wird nach IAS 17.8 beim Leasinggeber bilanziert. Im Gegensatz zur Gewinn und Verlustrechnung bleibt die Bilanz des Leasingnehmers im Falle eines Operating-Leasings unberührt.
Die Klassifizierung zu Finanzierungs- oder Operating-Leasing muss rechtens nach IAS 17.13 zu Beginn des Leasingverhältnisses vorgenommen werden. Aufgrund der oben aufgeführten Einschränkungen der Chanen-Risiken-Verteilung, bieten IAS 17.10 und IAS 17.11 Beispiele und Indikatoren, die als Anwendungshilfe für die Klassifizierung zur Finanzierungs-Leasing dienen sollen. Nach IAS 17.10 kann ein Finanzierungs-Leasing vorliegen, wenn mindestens einer der folgenden Kriterien zutrifft:
- am Ende der Laufzeit geht das Eigentum an dem LN über
- es liegt eine hinreichend sichere Kaufoption vor
- die Leasinglaufzeit gleicht überwiegend der wirtschaftlichen Nutzungsdauer
- der Barwert der Mindestleasingraten entspricht im Wesentlichen dem beizulegenden Zeitwert des Leasinggegenstandes
- es handelt sich um ein Spezial-Leasing.
Ebenfalls zu einem Finanzierungs-Leasing können nach IAS 17.11 folgende Indikatoren alleine oder in Kombination führen:
- der Leasingnehmer übernimmt im Falle einer Kündigung seinerseits die Verluste des Leasinggebers
- Gewinne oder Verluste aus Restwertschwankungen stehen dem LN zu
- der Mieter erhält eine günstige Mietverlängerungsoption.
Die Anwendung der IAS 17.10 und 17.11 sind in der Praxis mit Sorgfalt auszuführen als diese lediglich theoretische Anwendungshilfen darstellen.
3 Leasingbilanzierung nach änderungen durch den exposure draft
3.1 Einführung in die neue Leasingbilanzierung
Der Standardentwurf „ED/2010/09 Leases“ sieht eine Änderung des bisherigen Ansatzes vor, um das Off-Balance-Sheet-Accounting zu ersetzen.[12] Im Zuge des neuen Leasingbilanzierung-Modells werden sich wesentliche Veränderungen für Leasingnehmer, wie auch für Leasinggeber ergeben.[13] Nach dem vorgeschlagenen Konzept werden künftig alle Leasingverhältnisse sowohl beim Leasingnehmer, als auch beim Leasinggeber bilanzierungspflichtige Maßnahmen auslösen. Ausnahmen von der Regel bilden die kurzfristigen Leasingverhältnisse.[14] Ein hinreichender Umbruch ergibt sich durch den Wegfall des Finanzierungs- und Operating-Leasing Modells, sodass Off-Balance-Sheet-Effekte ausgehobelt werden. Eine Klassifizierung zwischen Finanzierungs- und Operating-Leasing ist in diesem Fall nicht mehr notwendig.[15] Mit der Abweichung vom bisherigen Ansatz setzen die Standardsetter IASB und FASB ein deutliches Zeichen, um die Ermessungs- und Interpretationsspielräume aus der Leasingbilanzierung zu eliminieren. Dem neuen Konzept zufolge werden generell alle Leasingverhältnisse einheitlich in die Bilanz des Leasingnehmers aufzunehmen sein.[16] Dabei schlägt das IASB den sog. Right-of-Use-Ansatz vor. Folgt man dem Ansatz bilanziert der Leasingnehmer künftig ein Nutzungsrecht an dem Leasinggegenstand (the „right-of-use“ assets), während gleichzeitig eine Verpflichtung zur Zahlung der Leasingraten (liability to make lease payments) passiviert wird.[17] Für die Leasingbilanzierung aus Sicht des Leasinggebers schlägt der ED zwei neue Modelle vor; das Performance-Obligation-Modell und das Derecognition-Modell.[18] Hierbei spielt die Verteilung der Chancen und Risiken weiterhin eine bedeutende Rolle. Behält der Leasinggeber die mit dem Leasingobjekt verbundenen Chance und Risiken, ist das Performance-Obligation-Modell anzuwenden.[19] Kommt das Performance-Obligation-Modell zur Anwendung, hat der Leasinggeber neben dem Leasinggegenstand den Anspruch auf künftige Mieteinnahmen als Forderung und die entsprechende Leistungsverpflichtung zur Überlassung des Nutzungsrechts als Verbindlichkeit zu bilanzieren.[20] Anders verläuft das Verfahren beim Derecognition-Modell. Seinen Namen[21] hat das „Derecognition-Modell“ erhalten, weil eine anteilige Ausbuchung des Leasingobjekts beim Leasinggeber vorgenommen wird, wobei die wesentlichen Chancen und Risiken des Leasinggegenstandes auf den Leasingnehmer über gehen.[22] Neben der Buchung einer Forderung aus zukünftigen Mieteinnahmen seitens des Leasinggebers wird derjenige Anteil ausgebucht, der das Nutzungsrecht des Leasingnehmers darstellt. Der verbleibende Anteil an dem Leasinggegenstand wird weiterhin beim Leasinggeber fortgeführt und soll den Restwert des Leasingobjektes repräsentieren.[23] Zusammenfassend kann gesagt werden, dass das Derecognition-Modell einen schrittweisen Übergang des Leasinggegenstandes vom Leasinggeber auf dem Leasingnehmer darstellt.
3.2 Anwendungsbereich der neuen Leasingbilanzierung
„Ein Leasingverhältnis ist eine Vereinbarung, bei der der Leasinggeber dem Leasingnehmer gegen eine Zahlung oder eine Reihe von Zahlungen das Recht auf Nutzung eines Vermögenswertes für einen vereinbarten Zeitraum überträgt“, lautet noch die aktuelle Definition des IASB.[24] Nach dem Vorschlag in dem ED würde in Zukunft die Definition folgendermaßen lauten: „Ein Leasingverhältnis ist ein Vertrag, bei dem das Recht auf Nutzung eines Vermögenswertes für einen vereinbarten Zeitraum gegen Entgelt übertragen wird.[25] Im Wesentlichen entspricht die Definition der derzeit geltenden Definition. Nicht in den Definitionsbereich des Leasings sollen dabei faktische Veräußerungsgeschäfte fallen.[26] Liegt z.B. zu Beginn des Leasingverhältnisses eine sichere und günstige Kaufoption vor, stellt es einen späteren Eigentumsübergang und somit nach Substanz einen Kauf bzw. Verkauf dar. Um genau dieses Problem der sog. verdeckten Käufe zu unterbinden, sollen zukünftig diese nicht mehr in den Definitionsbereich des Leasings fallen.
Der Anwendungsbereich des neuen Standards basiert auf dem aktuellen IAS 17. Demzufolge soll der neue Standard auf alle Leasingverhältnisse anwendbar sein, außer auf die Entdeckung und Verarbeitung nicht regenerativer Ressourcen. Änderungen gibt es jedoch nach dem neuen Standard auch. Demnach sollen Leasingverhältnisse über biologische- und über immaterielle Vermögenswerte vollständig aus dem Anwendungsbereich des neuen Standards herausfallen.[27] Halten Leasingnehmer Immobilien als Finanzinvestition, sollen sie nach dem ED für die Folgebewertung des Nutzungsrechts am Leasinggegenstand im Gegensatz zur aktuellen Bilanzierung zukünftig das Fair Value-Modell nach IAS 40 anwenden können. Änderungen ergeben sich im diesem Bereich auch für Leasinggeber. Halten sie Leasingverträge über als Finanzinvestition gehaltene Immobilien, die zum beizulegenden Zeitwert bewertet werden, ist der neue Standard für sie nicht anwendbar.[28] Zusätzlich schlägt der ED für Leasingverhältnisse, die kürzer als 12 Monaten sind, eine vereinfachte Bilanzierung vor.[29] Eine weitere Änderung ergibt sich im Bezug auf Leasingverhältnisse, die ebenfalls Dienstleistungsverträge beinhalten. Lautete die Regelung bis dato, dass der Dienstleistungsvertrag in dem Leasingvertrag aufgenommen und als ein einheitlicher Leasingvertrag bewertet werden konnte, müssen nun nach § B5ff des EDs Leasingverträge und Dienstleistungsverträge strikt voneinander getrennt und dargestellt werden, solange die Kosten voneinander getrennt dargestellt werden können.[30] Können die Kosten nicht getrennt zugeteilt werden, wird es als einheitlicher Leasingvertrag behandelt.[31]
3.3 Die zukünftige Rolle des IAS 17.10 und IAS 17.11
Nach der geltenden IFRS-Leasingbilanzierung muss der wirtschaftliche Eigentümer nach dem Risk-and Reward-Ansatz ermittelt werden, um bestimmen zu können, ob das Leasingobjekt vom Leasingnehmer oder dem Leasinggeber bilanziert werden muss. Dafür werden in IAS 17.10 Beispiele und in IAS 17.11 Indikatoren als Anwendungshilfe zur Verfügung gestellt, die dabei behilflich sein sollen die Trennung zwischen Finanzierungs- und Operating-Leasing zu vollziehen und vor allem bestimmen zu können, wann ein Finanzierungs-Leasing vorliegt. Mit der Einführung des Right-of-Use-Ansatzes wendet sich das IASB von dem Risk-and-Reward-Ansatz und der damit verbundenen Klassifizierung von Finanzierungs- und Operating-Leasing ab. Eine Frage, die sich daraus ergibt, ist, ob künftig den erwähnten IAS 17.10 und IAS 17.11 überhaupt noch eine Bedeutung beigemessen wird. Da aber der Right-of-Use-Ansatz sich generell auf eine einheitliche Bilanzierung und zwar beim Leasingnehmer festlegt und die genannten Beispiele und Indikatoren in dem Exposure Draft keine Würdigung erhalten, kann an dieser Stelle festgestellt werden, dass diese in Zukunft auch keine Rolle mehr spielen werden. Nach Abschaffung der Finanzierungs- und Operating-Leasing-Modelle, wäre dies eine unmittelbare, zu erwartende Konsequenz.
3.4 Bilanzierung beim Leasingnehmer
3.4.1 Das Right-of-Use-Konzept
Mit dem vorgeschlagenen Right-of-Use-Ansatz führt das IASB eine fundamentale Veränderung in die Leasingbilanzierung ein. Die wesentliche Veränderung ist die Abkehr von der Objektbilanzierung hin zu einer Bilanzierung von Rechten und Pflichten.[32] Demnach wird das Nutzungsrecht an dem Leasinggegenstand als Vermögenswert und die Verpflichtung zur Zahlung der Leasingraten als Verbindlichkeit des Leasingnehmers eingeführt.[33] Zuspruch erhält dieser Paradigmenwechsel insbesondere aufgrund der Abschaffung der Off-Balance-Sheet-Effekte. Einhergehend sollen nach Plänen des IASB künftig alle Leasingverträge gleich behandelt und Leasingobjekte grundsätzlich beim Leasingnehmer bilanziert werden. Dabei ist die Trennung zwischen Finanzierungs- und Operating-Leasing abzuschaffen und der Wegfall der im Vordergrund stehenden Verteilung der Chancen und Risiken zur Bestimmung des wirtschaftlichen Eigentümers zu erkennen.[34] Dies würde dadurch zustande kommen, da nach dem Right-of-Use-Ansatz künftig die Rechte und Verpflichtungen aus dem Leasingverhältnis maßgeblich für die Bilanzierung des Leasingobjektes wären und nicht mehr der genannte Risk-and-Reward-Ansatz.[35] Nach Ansicht des IASB erfüllt der neue Vorschlag auch die Kriterien des Rahmenkonzepts nach IFRS. Die Anforderung für die Aktivierung des Nutzungsrechts an dem Leasingobjekt und die gleichzeitige Passivierung der Verbindlichkeit zur Zahlung der Leasingraten nach dem Rahmenkonzept sind abgedeckt.[36] Demnach würde der Leasingnehmer durch den Right-of-Use-Ansatz nach dem Vorschlag des ED Nutzungsrecht am Leasinggegenstand bei gleichzeitiger Verpflichtung zur Zahlung der Leasingraten bilanzieren.[37] Trotz Zusprüchen gerät das neue Right-of-Use-Modell unter Kritik. Kritisiert wird neben eines möglichen Herbeiführens einer Bilanzverlängerung, welcher ebenfalls Effekte auf die Kennzahlen hätte, auch eine höhere Mehrbelastung auf die Verwaltung.[38] Unter anderem bedeutet es, dass vorhandene Operating-Leasingverträge angepasst werden müssten, was nicht nur kostspielig für Unternehmen wäre, sondern auch eine Umstellung der internen Informations- und Rechnungslegungssysteme mit sich bringen könnte. Zusätzlich wird kritisiert, dass das neue Right-of-Use-Modell die wirtschaftliche Substanz eines Leasingverhältnisses nicht richtig erfassend darstellt.[39]
3.4.2 Erstbewertung des Leasingverhältnisses beim Leasingnehmer
Nach dem Right-of-Use-Ansatz sind alle Leasingverhältnisse zu Beginn Ihrer Laufzeit zu bilanzieren.[40] Der Beginn der Laufzeit eines Leasingverhältnisses ist der Zeitpunkt, an dem der Leasinggeber dem Leasingnehmer die Nutzung des Vermögenswertes überlässt. Zu diesem Zeitpunkt bilanziert der Leasingnehmer das Nutzungsrecht an dem Leasinggegenstand (sog. „right-of-use-asset“) und eine Verbindlichkeit für die zu leistenden Leasingraten.[41] Dabei hat der Ansatz der Leasingverbindlichkeit zum Barwert der Leasingzahlungen, diskontiert mit dem Grenzfremdkapitalzinssatz des Leasingnehmers zu erfolgen.[42] „ Der Grenzfremdkapitalzinssatz ist der Zinssatz, den der Leasingnehmer am Anfang eines Leasingverhältnisses vereinbaren müsste, wenn er für den Kauf des Leasinggegenstandes Fremdkapital für die gleiche Laufzeit und mit der gleichen Sicherheit aufnehmen würde“. [43] Alternativ kann anstatt des Grenzfremdkapitalzinssatzes auch der vom Leasinggeber verlangte Zinssatz genommen werden, mit der Voraussetzung, dass es verfügbar oder einfach zu ermitteln ist.[44] Der Barwert repräsentiert die vom Leasingnehmer über die Laufzeit des Leasingverhältnisses zu leistende Zahlungen. Die Berechnung des Barwertes beinhaltet die Erwartungen und Schätzungen bezüglich der Laufzeit, bedingter Leasingzahlungen, Optionen, Restwertgarantien und Vertragsstrafen bei vorzeitiger Vertragsbeendigung aus dem Leasingverhältnis.[45] Diese stellen komplexere Leasingverhältnisse dar und dürfen nicht separat, sondern als eine Einheit (single asset and liability approach) behandelt werden.[46] Erwähnenswert ist es, dass die Bewertung der künftigen Zahlungen, Schätzungen und Ermessenentscheidungen bezüglich unsicherer zukünftiger Ereignisse und Umstände erfordern.[47] Ob an dieser Stelle die genannten Schätzungen und Ermessensentscheidungen so günstig seitens des IASB durch den ED gewählt worden sind, kann hinterfragt werden. Auf Nachteile des ED soll jedoch später eingegangen und nähere Erläuterungen vorgenommen werden. Die Erstbewertung des Nutzungsrechts erfolgt ebenfalls mit dem Barwert der Leasingzahlungen, diskontiert mit dem Grenzfremdkapitalzins.[48] Damit das Nutzungsrecht und die Verbindlichkeit zu Beginn des Leasingverhältnisses in gleicher Höhe angesetzt werden können, müssen die Anschaffungskosten des Nutzungsrechts dem Barwert der Leasingzahlungen entsprechen. Fallen dem Leasingnehmer zu Beginn des Leasingverhältnisses zusätzlich direkte Kosten (sog. initial direct costs) zu, die direkt dem Abschluss des Leasingsverhältnisses zugerechnet werden können, sind sie in den Anschaffungskosten einzubeziehen.[49]
[...]
[1] Vgl. § 1 Abs. 15 IFRS Text (2011).
[2] Vgl. Pellens (2011): S. 686.
[3] Vgl. Pellens (2011): S. 686.
[4] Vgl. Pellens (2011): S. 686.
[5] Vgl. S. 5 E/D (2010/09).
[6] Vgl. Pellens (2011): S. 686.
[7] Vgl. Findeisen, K. u. Sabel, E. (2011):o.S. In: Der Betrieb.
[8] Vgl. Pellens (2011): S. 686.
[9] Vgl. Stamm, A. u. Giorgin, A. (2011): o.S.
[10] Vgl. § 17 Abs. 2f IFRS Text. (2011).
[11] Vgl. §17 Abs. 4 IFRS Text. (2011).
[12] Vgl. Din Thi, T. u. Fink, C. u. Schultze, W. (2011): o.S.
[13] Vgl. Laubach, W. u. Findeisen, K. u. Murer, A. (2011): o.S.
[14] Vgl. Pellens (2011): S. 687.
[15] Vgl. Laubach, W. u. Findeisen, K. u. Murer, A. (2011): o.S.
[16] Vgl. § 10 E/D (2010/09).
[17] Vgl. § 10 E/D (2010/09).
[18] Vgl. § 28 E/D (2010/09).
[19] Vgl. § 29 E/D (2010/09).
[20] Vgl. §§ 30/31 E/D (2010/09).
[21] Vgl. Pellens (2011): S. 689.
[22] Vgl. Pellens (2011): S. 689.
[23] Vgl. Pellens (2011): S. 689.
[24] Vgl. § 17 Abs. 4 IFRS Text (2011).
[25] Vgl. § B1-B4 E/D (2010/09).
[26] Vgl. Laubach, W. u. Findeisen, K. u. Murer, A. (2011): o.S.
[27] Vgl. § 5a-d E/D (2010/09).
[28] Vgl. Laubach, W. u. Findeisen, K. u. Murer, A. (2011): o.S.
[29] Vgl. Appendix A, Short Term Lease (2010/09).
[30] Vgl. § B5ff E/D (2010/09).
[31] Vgl. § B5ff E/D (2010/09).
[32] Vgl. Henneberger, M. (2009): o.S.
[33] Vgl. Pellens (2011): S. 687.
[34] Vgl. Pellens (2011): S. 687.
[35] Vgl. Laubach, W. u. Findeisen, K. u. Murer, A. (2011): o.S.
[36] Vgl. Laubach, W. u. Findeisen, K. u. Murer, A. (2011): o.S.
[37] Vgl. Laubach, W. u. Findeisen, K. u. Murer, A. (2011): o.S.
[38] Vgl. Pellens (2011): S. 687.
[39] Vgl. Din Thi, T. u. Fink, C. u. Schultze, W. (2011): o.S.
[40] Vgl. Deloitte (2011): o.S.
[41] Vgl. Pellens (2011), S. 687.
[42] Vgl. Pellens (2011), S. 687.
[43] Vgl. Laubach, W. u. Findeisen, K. u. Murer, A. (2011): o.S.
[44] Vgl. Pellens (2011): S. 687.
[45] Vgl. E&Y (2011): o.S.
[46] Vgl. Pellens (2011): S. 687.
[47] Vgl. Laubach, W. u. Findeisen, K. u. Murer, A. (2011): o.S.
[48] Vgl. Pellens (2011):S. 687.
[49] Vgl. Pellens (2011): S. 687.
Details
- Seiten
- Erscheinungsform
- Erstausgabe
- Erscheinungsjahr
- 2012
- ISBN (PDF)
- 9783955499143
- ISBN (Paperback)
- 9783955494148
- Dateigröße
- 669 KB
- Sprache
- Deutsch
- Institution / Hochschule
- Hochschule Osnabrück
- Erscheinungsdatum
- 2015 (Februar)
- Note
- 2
- Schlagworte
- Internationale Leasingbilanzierung Leasingbilanzierung Leasingvertrag Steuerrecht Leasing
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