Interkulturelle Kompetenz in Schule und Schulsozialarbeit
©2012
Examensarbeit
70 Seiten
Zusammenfassung
Die Bundesrepublik Deutschland ist durch einen sozialen und kulturellen Wandel gekennzeichnet, in dem Kinder und Jugendliche aufwachsen. Wie in anderen Staaten auch beeinflusst die stetige Zu- und Abwanderung unsere Gesellschaft. Dies ist allerdings kein neues Phänomen, sondern hat die Gesellschaftsstrukturen schon immer geformt. Migration gehört damit zu den zentralen Motoren des Wandels, woraus sich neue Formen und Herausforderungen des Zusammenlebens ergeben. Die vielfältigen kulturellen, rechtlichen, sozialen und politischen Ursachen von Migration und die Rahmenbedingungen der Aufnahme im Einwanderungsland Deutschland haben aus der deutschen Gesellschaft ein Land der multidimensionalen Diversität gemacht.
Studien im Rahmen von PISA haben auf die Benachteiligung Heranwachsender mit Migrationshintergrund - darunter auch jene, die mehrsprachig aufgewachsen sind - aufmerksam gemacht und die bildungspolitische Debatte in Deutschland neu entfacht. Damit ist die Bildungssituation der Migrantenkinder zunehmend in den Forschungsschwerpunkt gerückt. Für LehrerInnen und SchulsozialarbeiterInnen bedeutet die veränderte Schulsituation, in der SchülerInnen die unterschiedlichsten Werte und Normen mitbringen, eine neue Herausforderung. Ziel ist es, MigrantInnen eine gleichberechtigte Teilhabe am gesellschaftlichen Leben zu ermöglichen, unabhängig ihrer Herkunft und unter Anerkennung und Förderung ihrer individuellen Ressourcen.
Die vorliegende Arbeit betrachtet Interkulturelle Kompetenz im Kontext der Schule und Schulsozialarbeit und leistet einen Beitrag zu der Frage, inwieweit die Bildungschancen von Kindern mit Migrationshintergrund durch Interkulturelle Kompetenz verbessert werden und die Selektionsmechanismen des deutschen Schulsystems gemildert werden können.
Studien im Rahmen von PISA haben auf die Benachteiligung Heranwachsender mit Migrationshintergrund - darunter auch jene, die mehrsprachig aufgewachsen sind - aufmerksam gemacht und die bildungspolitische Debatte in Deutschland neu entfacht. Damit ist die Bildungssituation der Migrantenkinder zunehmend in den Forschungsschwerpunkt gerückt. Für LehrerInnen und SchulsozialarbeiterInnen bedeutet die veränderte Schulsituation, in der SchülerInnen die unterschiedlichsten Werte und Normen mitbringen, eine neue Herausforderung. Ziel ist es, MigrantInnen eine gleichberechtigte Teilhabe am gesellschaftlichen Leben zu ermöglichen, unabhängig ihrer Herkunft und unter Anerkennung und Förderung ihrer individuellen Ressourcen.
Die vorliegende Arbeit betrachtet Interkulturelle Kompetenz im Kontext der Schule und Schulsozialarbeit und leistet einen Beitrag zu der Frage, inwieweit die Bildungschancen von Kindern mit Migrationshintergrund durch Interkulturelle Kompetenz verbessert werden und die Selektionsmechanismen des deutschen Schulsystems gemildert werden können.
Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
bedeutet die veränderte Schulsituation, in der SchülerInnen die unter-
schiedlichsten Werte und Normen mitbringen, eine neue Herausforde-
rung. Ziel ist es, MigrantInnen eine gleichberechtigte Teilhabe am ge-
sellschaftlichen Leben zu ermöglichen, unabhängig ihrer Herkunft und
unter Anerkennung und Förderung ihrer individuellen Ressourcen (vgl.
Fischer 2005, S. 7). Dieses Bestreben soll mit Hilfe der Bildungs- und
Erziehungseinrichtungen erreicht werden, denn eine multikulturelle Ge-
sellschaft bedarf einer multikulturell ausgerichteten Schule. Im Zuge
dieses Prozesses hat sich die Interkulturelle Pädagogik ausgebildet und
mit ihr der Begriff der Interkulturellen Kompetenz, welcher, als Schlag-
wort zur Beschreibung und Bewältigung der multikulturellen Schulland-
schaft dient. Die vorliegende Arbeit betrachtet Interkulturelle Kompetenz
im Kontext der Schule und Schulsozialarbeit und leistet einen Beitrag
zu der Frage, in wie weit die Bildungschancen von Kindern mit Migrati-
onshintergrund durch Interkulturelle Kompetenz verbessert werden und
die Selektionsmechanismen des deutschen Schulsystems gemildert
werden können.
In Anbetracht meiner zukünftigen Arbeit als Lehrer, werde ich
meinen Schwerpunkt auf den Handlungsbereich der Schule legen und
Schulsozialarbeit als komplementäres Glied und kooperativen Partner
im Kontext der Schule vorstellen. Um mich mit der Leitfrage auseinan-
derzusetzen werde ich zunächst auf die Entstehungsgeschichte Inter-
kultureller Erziehung und Bildung in unserer Gesellschaft eingehen und
den dynamischen Kulturbegriff erläutern, da ohne eine angemessene
Definition dessen, was Kultur ist, die Beschäftigung mit Interkultureller
Kompetenz unbefriedigend wäre. Im Anschluss an den Kulturbegriff
werde ich folglich Interkulturelle Kompetenz definieren und die Aus-
gangsebene dafür auf der Grundlage von Roths und Niekes aufgestell-
ten Grundprinzipien behandeln. Nach der theoretischen Auseinander-
setzung mit Interkultureller Kompetenz folgt ein Kapitel zur praktischen
Umsetzung an Schulen, wobei nicht nur Lernumgebung und Methoden
zur Förderung Interkultureller Kompetenz, sondern auch Messverfahren
dazu vorgestellt werden. Im letzten Teil meiner Arbeit soll die Jenaplan-
Schule als Beispiel einer gelingenden Schule vorgestellt werden. Eine
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Schlussfolgerung am Ende meiner Arbeit soll die zu anfangs gestellte
Leitfrage nochmals aufgreifen und zusammenfassend beantworten.
2 Schulsituation von MigrantInnen in Deutschland
Welche Auswirkungen Bildung und Ausbildung auf den Stellenwert des
gesellschaftlichen Integrationsprozesses von Migranten haben kann,
behandelt der Migrationsbericht der damaligen Ausländerbeauftragten
(vgl. Ausländerbeauftragte der Bundesregierung, 1999, S. 124). Darin
wurde festgehalten, dass ein qualifizierter Schulabschluss sowie eine
abgeschlossene Berufsausbildung, einen entscheidenden Beitrag zur
stabilen Integration von Jugendlichen ausländischer Herkunft mit nied-
rigem Bildungsniveau leisten. Die niedrige Akzeptanz von MigrantInnen
bei der einheimischen Bevölkerung erschwert ihnen zudem nicht nur
die berufliche, sondern auch die soziale Integration (vgl. ebd.).
Der aktuelle Stand im deutschen Bildungssystem bestätigt, dass
SchülerInnen ausländischer Herkunft nach wie vor an Haupt- und Son-
derschulen überrepräsentiert und an Realschulen und Gymnasien deut-
lich unterrepräsentiert sind. Internationale Schulleistungsstudie wie
TIMSS (Trends in International Mathematics and Science Study), PISA
und PIRLS/ IGLU haben erneut die Bildungsbenachteiligung von Schü-
lerinnen und Schülern mit Migrationshintergrund, und darunter auch von
jenen, die mehrsprachig aufgewachsen, im deutschen Schulsystem
bestätigen können (vgl. Mecheril/ Dirim/ Gomolla/ Hornberg/ Stojanov
2010, S. 121). Beim Schulbesuch, bei Schulabschlüssen sowie in der
beruflichen Ausbildung bestehen zwischen deutschen und nichtdeut-
schen Jugendlichen weiterhin signifikante Unterschiede.
Zu der Problematik, dass Kinder und Jugendliche mit Migrations-
hintergrund einer stärkeren Förderung bedürfen, äußert sich Gogolin
auseinander:
,,Sie verharren überrepräsentativ im ,niedrigeren` Schulwesen, sie
verfehlen häufiger selbst den Hauptschulabschluss, sie bleiben
überdurchschnittlich oft ohne jegliche Berufsausbildung" (Gogolin
2003, S. 1).
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Dies führt er auf den deutlichen Leistungsrückstand dieser SchülerIn-
nen im Leseverständnis der deutschen Sprache zurück. Die sprachli-
chen Mängel lösen auch Schwächen in anderen Leistungsbereichen
aus. Soweit die statistischen Daten eine Nationaldifferenzierung zulas-
sen, zeigen sich Tendenzen, dass Jugendliche spanischer Herkunft die
erfolgreichste Gruppe darstellen, gefolgt von Jugendlichen griechischer
und portugiesischer Herkunft. Am ungünstigsten stellt sich die Schulbil-
dung Jugendlicher italienischer und türkischer Nationalität dar (Auslän-
derbeauftragte 1999, S. 129).
2.1 Entstehung interkultureller Erziehung und Bildung in
Deutschland
Zum Thema Interkulturelle Pädagogik findet man innerhalb der Erzie-
hungswissenschaft zahlreiche Diskussionen. Hervorzuheben ist aller-
dings der Umstand, dass die Pädagogik, die sich mit Menschen unter-
schiedlicher kultureller und ethnischer Merkmale beschäftigt, in
Deutschland erst sehr spät entwickelt wurde. Im Zuge der Arbeitsmigra-
tion entstand zunächst die sogenannte Ausländerpädagogik (vgl.
Gudjons 2003, S. 361). Im folgenden Teil soll mit Hilfe von Nieke (2008,
S. 17-21), der die pädagogischen Probleme der Zuwanderung in sechs
Phasen gliedert, ein Abriss über die Entstehung der Interkulturellen Pä-
dagogik gegeben werden.
1. Phase: Gastarbeiterkinder an deutschen Schulen: ,,Ausländerpäda-
gogik als Nothilfe"
Als erkannt wurde, dass der Aufenthalt der Gastarbeiter nicht dem Ro-
tationsprinzip zur Folge von kurzer Dauer sein würde, trat auch für aus-
ländische Kinder die Schulpflicht in Kraft. Die Mängel der deutschen
Sprache ließen einen geregelten Unterricht allerdings nicht zu.
,,Die Praktiker in den Schulen oder anderen Erziehungseinrich-
tungen hatten fehlende Voraussetzungen, Vorkenntnisse,
Schulerfahrungen, nicht zuletzt fehlende Kenntnisse der Unter-
richtssprache ,Deutsch` (...) als Defizit wahrgenommen, die ihre
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Arbeit erschwerten oder unmöglich machten" (Diehm/ Radtke
1999, S. 128).
Auf die teilweise unübersehbare Vergeblichkeit ihrer Versuche, die De-
fizite durch fördernden Unterricht zu kompensieren, reagierten die Prak-
tiker nicht mit einer kritischen Überprüfung ihrer Maßnahmen, sondern
sie erklärten sich das Scheitern mit der herkunftskulturell geprägten
psycho-sozial Ausstattung der Kinder und ihrer Familien.
Zu diesem Zeitpunkt gab es noch keine Didaktik um Deutsch als
Zweitsprache zu erlernen. Als Antwort für das Problem entstanden För-
derklassen, in denen die SchülerInnen auf den deutschsprachigen Un-
terricht vorbereitet werden sollten.
2. Phase: Kritik an der Ausländerpädagogik
Die damals neu geschaffene Ausländerpädagogik wurde stark kritisiert.
Es hieß, dass versucht werde, politische Probleme durch die Pädagogik
zu lösen. Die Pädagogik versuchte politische Probleme zu lösen, war
jedoch nur im Stande die soziokulturellen Missstände zu lindern. Auf-
gabe der Politik ist es gewesen, diese auch gesellschaftlich zu lösen
(vgl. Nieke 2008, S. 15 f). Zugleich wurde der Begriff der Ausländerpä-
dagogik als Stigmatisierung gesehen, weil dabei eine besondere Aus-
länderpädagogik geschaffen werden müsse.
,,Der Begriff dient als Verlegenheitslösung und steht deshalb
meist in Anführungsstrichen, um deutlich zu machen, daß [sic]
man sich zwar der möglicherweise stigmatisierenden Wirkung
des Wortes bewusst ist, sich aber noch nicht für einen anderen
Begriff entscheiden konnte" (Kämper 1992, S. 11).
Die entwickelten Konzeptionen bezogen sich nur auf die MigrantInnen
und schlossen die Einheimischen aus. Diese wurden nur als Messin-
strumente benutzt, um an ihnen die Defizite der Ausländer festzuma-
chen und entsprechend auszugleichen (vgl. Nieke 2008, S. 16).
Gudjons (2003, S. 361) spricht auch polemisch von einer Zwangs-
germanisierung, da es den Anschein macht, als würden die Maßnah-
men tendenziell zu einer Akkulturation führen. Die MigrantInnen müss-
ten sich dementsprechend der dominanten Mehrheitskultur unterord-
nen, so dass die Integration einseitig geschehe. Dieser Arroganz dürfte
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nicht stattgegeben werden, da die Möglichkeit der Rückkehr in das Her-
kunftsland bestehen blieb (vgl. Nieke 2008, S. 16).
Trotz der Kritik an der Ausländerpädagogik kam man zu der Über-
zeugung, die Entwürfe innerhalb einer interdisziplinären Forschungs-
disziplin zu subsumieren (vgl. Jungmann 1995, S. 14). Im Hinblick da-
rauf, dass alle Kulturen gleichwertig sind, entstanden die Konzepte der
Interkulturellen Pädagogik in einer multikulturellen Gesellschaft (Nieke
2008, S. 17). Es kam deshalb zu einer Abkehr der Defizithypothesen
hin zu einer Differenzhypothese beziehungsweise Kulturkonfliktthese
(vgl. Jungmann 1995, S. 14).
3. Phase: Konsequenzen aus der Kritik: Differenzierung von Förderpä-
dagogik und Interkultureller Erziehung
Im Hinblick auf die Tatsache, dass der Aufenthalt der meisten Auslän-
der von Dauer werden sollte, wurde der Versuch unternommen, unter
einem neuen pädagogischen Aspekt heraus Fördermaßnahmen der
Interkulturellen Erziehung zu entwickeln, die sich auf Kinder und Ju-
gendliche ausländischer Herkunft bezogen (vgl. Nieke 2008, S. 18).
Man sah sich zu diesem Zeitpunkt auch gezwungen den Kulturbe-
griff zu definieren und zwischen Herkunftskultur und Migrantenkultur zu
unterscheiden (vgl. Auernheimer 2007, S. 34ff.). Daraus entstand wie-
derum die Kritik, dass die Kultur der MigrantInnen ,,eine im Aufnahme-
land funktionslos werdende Kultur, als bloße Folklore, zu konservieren"
sei (Nieke 2008, S. 18). Ebenso wurde die Befürchtung geäußert, dass
die kulturellen Differenzen überbetont werden könnten. Dadurch könnte
die Diskriminierung verstärkt und die Re-Ethnitisierung der MigrantIn-
nen angetrieben werden (vgl. ebd.).
4. Phase: Erweiterung des Blicks auf die ethnische Minderheiten
Das Blickfeld wurde mit der Zeit von den Gastarbeitern auf weitere eth-
nische Minderheiten, wie etwa Flüchtlinge oder Sinti und Roma, erwei-
tert (vgl. Nieke 2008, S. 18).
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5. Phase: Interkulturelle Erziehung und Bildung als Bestandteil der All-
gemeinbildung
Es setzte sich die Anschauung durch, dass es innerhalb einer multikul-
turellen Sozialstruktur der Gesellschaft für alle Beteiligten wichtig ist,
sich in einer pluralen Gesellschaft bewegen zu können. Innerhalb der
Schule wurde daher versucht diesen Wunsch in die Bildungsbemühun-
gen zu integrieren (vgl. Nieke 2008, S. 19). Auernheimer (2007, S.
37ff.) fügte hinzu, dass durch den Daueraufenthalt der zugewanderten
Arbeiterfamilien außerschulische pädagogische Arbeitsfelder, wie die
Jugendarbeit oder die Schulsozialarbeit, immer bedeutsamer wurden.
6. Phase: Neo-Assimilationismus
Seit den Terroranschlägen des 11. Septembers 2001 hat die Diskussi-
on einer dauerhaft multikulturellen Gesellschaft neue Formen ange-
nommen. Fremde Kulturen werden seit diesem Zeitpunkt von einigen
Einheimischen nicht mehr so erwünscht. Muslime werden sogar unter
Generalverdacht gestellt Deutschland zu bedrohen. Aus diesem Kon-
text heraus hat sich die Toleranzbereitschaft stark verringert, so dass
die ,,die bisherigen Diskurse des Neo-Assimilationismus davon gekenn-
zeichnet sind, dass sie faktisch eine Zwangsakkulturation fordern, also
eine Anstrengung der Zuwanderer, ihre Herkunftskultur zu verlassen
und sich der Mehrheitskultur möglichst vollständig anzupassen" (Nieke
2008, S. 21). Wer sich nicht anpasst, wird mit Sanktionen bestraft, die
sogar bis hin zur Ausweisung reichen können.
Weiterhin sagt Nieke (2008, S. 21), ,,die pädagogischen Bemü-
hungen wenden sich zunehmend von einer interkulturellen Erziehung
und Bildung ab und hin zu einer Integrationsförderung mit Akkulturati-
onsunterstützung". Er stellt bei seinen Ausführungen auch die Frage, ob
der Konflikt eine bloße Phase beziehungsweise Entwicklung sei oder
diese Phase eventuell das Ende der Interkulturellen Pädagogik einleite.
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2.2 Der Kulturbegriff innerhalb der Pädagogik
Der gegenwärtige Standpunkt der Erziehungswissenschaft geht von
einer multikulturellen Gesellschaft aus, in der das Prinzip der Gleichheit
und Anerkennung gilt (vgl. Auernheimer 2007, S. 20). Anerkennung
meint dabei die kulturellen Formen und Inhalte und darf nicht mit Tole-
ranz gleichgesetzt werden, da der Begriff der Toleranz eine Art
Machtassymetrie und damit die Duldung der Minorität von der Majorität
impliziert.
Als Gleichheit ist ,,das Eintreten für die Gleichheit aller ungeachtet
ihrer Herkunft" zu verstehen (ebd., S. 21). Die Interkulturelle Pädagogik
strebt an, die Verschiedenheit und Gleichwertigkeit aller Kulturen anzu-
erkennen und segregierende beziehungsweise assimilatorische Ten-
denzen zu lokalisieren und aufzulösen. Damit bezieht sie sich auf eine
kulturrelativistische Variante. Bevor jedoch darauf eingegangen werden
kann, muss der Kulturbegriff definiert werden.
Jede Arbeit, die sich mit der Thematik der Migration beschäftigt,
bezieht sich auch unmittelbar auf den Begriff der ,,Kultur". Traditionell ist
in der Pädagogik zahlreiche Literatur über das Verhältnis zwischen Er-
ziehung, Bildung und Kultur geschrieben worden (vgl. Nieke 2008, S.
37). Dennoch ist eine eindeutige Definition was Kultur ist, äußerst
schwierig. Es stellt sich stattdessen heraus, dass das Wort ,,Ethnie"
schon synonym für ,,Kultur" verwendet wird.
Das Wort ,,Ethnie" ist aus dem griechischen entlehnt und bedeutet
,,Volk". Dabei meint Volk hier nicht das schriftlich tradierte Volk oder
eines das sich als Nation versteht, sondern vielmehr ein Volk, das sich
als zu einem Stamm zugehörig ansieht und dessen Vorfahren ur-
sprünglich gleich sind (vgl. ebd. S. 38). Weiterhin beschreibt Nieke
(2008, S. 37), dass Ethnien anhand folgender Kriterien unterschieden
werden: Sprache, Rasse, Religion, Kultur, kollektive Selbstdefinition
und ein gemeinsamer Siedlungsraum. Um von einer Ethnie sprechen
zu können, müssen nicht zwangsweise alle Merkmale zutreffend sein.
Es reichen auch schon wenige Merkmale aus, da ,,Ethnie" ein Sammel-
begriff mehrerer Eigenschaften eines Volkes ist, in dem ein Charakteris-
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tikum davon die Kultur ist, wobei die Kultur wiederum nur einen Aspekt
der ganzen Ethnie beschreibt (vgl. ebd., S. 39).
Spricht man nun von Kulturkonflikten beinhaltet dies eine Kontro-
verse, in der es um die Konkurrenz von Siedlungsräumen und deren
Ressourcen oder um das Fremdartige bezüglich der Merkmale von
Rassenunterschieden geht. Genauso wird der Begriff der Ethnie für die
Betrachtung von Lebenslagen zugewanderter Minoritäten benutzt, was
sowohl in der Fremd- als auch in der Selbstwahrnehmung geschieht,
wobei hier meistens der Begriff ,,Ethnizität" gebraucht wird (vgl. Nieke
2008, S. 39ff.).
,,Ethnizität wird (...) verwendet als Bezeichnung für eine Bin-
dung bzw. Identifikation mit einem kulturell definierten Kollektiv,
dem vergemeinschaftende Qualität zugeschrieben wird" (Ham-
burger 2009, S. 116).
Ursprünglich, erklärt Nieke (2008, S. 40), sei der Begriff der ,,Kultur"
benutzt worden, um sich von der Natur abzugrenzen. Er bezeichnet
damit Natur, als die vom Menschen unbehandelte reine Natur. Kultur
meint auch die ,,zweckfreie Schöpfung des Geistes" (Nieke 2008, S.
40), wie beispielsweise die Kunst oder die Philosophie. Ebenso fällt un-
ter dem Terminus der Kultur ,,die Gesamtheit aller Symbole und ihrer
materiellen Manifestation" (ebd.), also die Kodierung von Gegenstän-
den auf ein universelles Verständigungssystem. Kultur zeigt sich au-
ßerdem auch in gesellschaftlichen Zusammenhängen, wie zum Beispiel
Riten, Bräuchen, Sitten, Normen, Werten und vielem mehr, in der Wer-
teorientierung, religiösen Deutungsmustern und in der Sprache (vgl.
ebd., S. 40ff.). Es handelt sich also nicht um abgeschlossene, unverän-
derbare Konstanten, sondern um ein dynamisches,
,,ein in Bewegung befindliches, adaptionsfähiges System. Es ist
nicht hierarchisch aufgebaut, sondern reflexiv, heterogen und
besteht aus mehreren, losen miteinander verkoppelten Sys-
temebenen. Es enthält unterschiedliche Organisationsmuster
und seine Grenzen sind nicht genau angebbar" (Hamburger
2009, S. 108).
Es ist demensprechend schwierig eine genaue Definition für den Begriff
der Kultur zu finden, denn Kultur fließt in alle Deutungs- und Orientie-
rungsmuster ein, welche Kollektive untereinander steuern (vgl.
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Auernheimer 1999, S. 28) und sich im Kontext der Sozialisation interna-
lisiert haben. Sie ist im Unterbewusstsein vorhanden und daher ist es
,,nicht ohne aufwändige Verfahren der Bewusstwerdung und Reflexion
möglich, aus den Denkprägungen und Handlungsschablonen der jewei-
ligen Kultur herauszukommen" (Nieke 2008, S. 44).
Die Pädagogik versucht ethnozentrische Sichtweisen mithilfe die-
ser intensiven Reflexion zu identifizieren. ,,Ethnozentrismus" wird auch
bezeichnet als:
(...) den Terminus, der für Gruppenbezogenheit verwendet
wird; er bezeichnet die Tendenz, die eigene Kultur als den an-
deren überlegen oder als ,besser` als die anderen anzusehen"
(Vivelo 1995, S. 46).
Das Gegenteil der gruppenbezogenen Ansicht ist der Kulturrelativis-
mus, der die Andersartigkeit von Kulturen anerkennt und sie nicht be-
wertet. In der Praxis bedeutet dies, dass man seine eigene Kultur nicht
als den Standard betrachtet und gegenüber anderen Kulturen frei von
Vorurteilen bleibt (vgl. ebd.).
Die völlige Neutralität birgt aber die Gefahr in sich handlungsun-
fähig zu werden, denn ohne davon fest überzeugt zu sein, dass die ei-
gene Weltansicht die richtige ist, ist ein Handeln unmöglich, weil es sich
,,auf einen Bezugsrahmen von nicht ständig bezweifelten und unsiche-
ren Deutungsmustern stützen muss" (Nieke 2008, S. 146).
Auch Prengel betont, dass andere Kulturen anzuerkennen nicht
gleichzusetzen sei mit der bedingungslosen Akzeptanz dieser, da es
innerhalb einiger Kulturen hinsichtlich der Menschenrechte Verstöße
gäbe, die nicht einfach so hingenommen werden dürfen (vgl. Prengel
1995, S. 87). Der Leitgedanke der Interkulturellen Pädagogik ist es ver-
stehen zu wollen, dass Menschen kulturell geprägt und zu begreifen,
welche Besonderheiten, Möglichkeiten und Grenzen sich daraus erge-
ben (vgl. ebd., S. 90). Im besonderen Maße ist es wichtig darauf zu
achten, welche Chancen und Potenziale dies zur Folge hat, um diese in
der Folge zu verstärken.
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2.2.1 Der Begriff der Interkulturellen Kompetenz
Interkulturelle Kompetenz meint die Fähigkeit von Individuen ,,mit Situa-
tionen in der Einwanderungsgesellschaft umzugehen" (Fischer/ Sprin-
ger/ Zacharaki 2005, S. 7). Es ist darauf zu achten wann und wie der
Begriff der Interkulturellen Kompetenz verwendet wird, da selbst Wolf-
gang Hinz-Rommel (1999, S. 17) der Wegbereiter dieses Begriffs in
Deutschland, feststellend sagt, dass mit zunehmender Auseinanderset-
zung mit dem Thema Interkulturelle Kompetenz der Begriff für ihn ,,ver-
schwimmt". In der Verwendung des Begriffs hat sich allerdings das Ver-
ständnis etabliert, dass in Interkultureller Kompetenz viele soziale,
kommunikative und methodische Kompetenzen zusammenwirken. Da-
zu gehören vor allem die Empathiefähigkeit, Akzeptanz, Ambiguitätsto-
leranz -also das Aushalten von Fremdheit, Konfliktfähigkeit, eine perso-
nenzentrierte Haltung in Gesprächen, aktives Zuhören, Beobachtungs-
gabe und Fähigkeit zur Anpassung des eigenen Handlungsrahmens an
die neuen, kulturellen Anforderungen unserer Gesellschaft (vgl. Fischer
et al.2005, S. 7 ff.).
Interkulturelle Kompetenz ist dementsprechend die Voraussetzung
dafür, mit denjenigen Menschen sensibel umgehen zu können, die eine
andere kulturelle Identität besitzen. Dazu bedarf es der Selbstreflexion,
die den Grundstein für die eigene, im weitesten Sinne antirassistische
Werthaltung, legt (vgl. Grünhage-Monetti 2006, S. 30).
Bei der Behandlung des Terminus der Interkulturellen Kompetenz
geht es folglich um die Kulturdimension der Einwanderer. Wie bereits
beschrieben, wird zum einen ein sensibler Umgang mit den unter-
schiedlichen Herkunftskulturen verlangt, zum anderen aber soll die In-
dividualität der MigrantInnen gewahrt werden, was in diesem Postulat
zu Widersprüchlichkeiten führt. Alexander Thomas, Stefan Kammhuber
und Stefan Schmid (2005, S. 188) fassen fünf Punkte zur Bestimmung
Interkultureller Kompetenz zusammen:
1. Interkulturelle Kompetenz ist erforderlich, um angemessene, erfolg-
reiche und zufriedenstellende Kommunikationen zwischen allen Indivi-
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duen herzustellen. Sie ist das Fundament für die Begegnung und Ko-
operation von Menschen verschiedener Kulturen.
2. Interkulturelle Kompetenz ist das Resultat eines Lern- und Entwick-
lungsprozesses.
3. Um Interkulturelle Kompetenz erwerben zu können, muss die Offen-
heit gegenüber fremden Kulturen gewährleistet sein.
4. Interkulturelle Kompetenz kennzeichnet sich durch die Fähigkeit, sich
und andere wahrzunehmen, zu beurteilen, respektieren und würdigen.
5. Ein hohes Maß an Interkultureller Kompetenz ist dann erreicht, wenn
ein differenziertes Urteilsvermögen über andere Kulturen besteht und
aus dem Vergleich zwischen den unterschiedlichen Kulturen eine ,,kul-
turadäquate Reaktions-, Handlungs- und Interaktionsweise generiert
werden kann". Desweiteren zeigt sich die Intensität der Interkulturellen
Kompetenz in kulturellen Überschneidungssituationen, in denen ,,alter-
native Handlungspotenziale, Attributionsmuster und Erklärungskon-
struktionen" verlangt werden. In diesen Situationen, der kulturellen Be-
gegnung, ist Handlungskreativität, Handlungsreflexivität und Hand-
lungssicherheit gefragt.
3 Ausgangsebene Interkultureller Pädagogik
Der Grundstein der Interkulturellen Pädagogik ist nach Roth ,,eine Anth-
ropologie, die von der Würde und Freiheit des Einzelnen ausgeht, von
seiner Subjekthaftigkeit" (Roth 2002, S. 105). Weiterhin führt er an,
,,dass der Mensch als soziales Wesen seine soziale Wirklichkeit wie
auch seine personale Identität in Beziehung und Interaktion erwirbt und
gestaltet" (ebd.). Nach diesen Grundprinzipien stellt Roth Vierzehn
Punkte der Interkulturellen Pädagogik auf, welche die Ziele der Interkul-
turellen Pädagogik richtungsweisend aufzeigen sollen. Alfred Holzbre-
cher, Professor für Allgemeine Didaktik und Schulpädagogik an der Pä-
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dagogischen Hochschule Freiburg im Breisgau, sieht die Aufstellung
Roths (2002, S. 88 ff) als eine der umfassendsten Zusammenstellungen
der Prinzipien Interkultureller Pädagogik.
Punkt 1: Interkulturelle Erziehung wird als pädagogische Antwort auf
die migrationsbedingte Plurale Gesellschaft angesehen, wo-
bei diese Entwicklung auch als ,,strukturelles Element mo-
derner Gesellschaften" betrachtet werden kann.
Punkt 2: Interkulturelle Pädagogik, als offene Handlungskompetenz,
zielt darauf ab die Handlungsfähigkeit innerhalb der Gesell-
schaft zu fördern. Dazu muss sie ,,gesellschaftliche Verände-
rung wahrnehmen und selbst innovative Prozesse einleiten".
Punkt 3: Bei konflikttheoretischen Ansätzen spielt besonders das Ziel
eines friedvollen Umgangs miteinander eine Rolle.
Punkt 4: Interkulturelle Pädagogik ist eine auf das Individuum ausge-
richtet Herangehensweise, bei der ,,an den spezifischen Le-
bensbedingungen, Erfahrungen und Bedürfnissen", also der
Biografie des Menschen angesetzt.
Punkt 5: Durch diese Ausrichtung an der Lebenswelt des Menschen,
bleibt Interkulturelle Pädagogik erfahrungsoffen. Die Inhalte
und das Problembewusstsein sollen also an den Orten ver-
mittelt werden, an denen sich die Menschen unmittelbar auf-
halten, etwa in der Schule oder in der Gemeinde.
Punkt 6: Interkulturelle Pädagogik orientiert sich an der Allgemeinen
Pädagogik, weshalb ihre Prinzipien ,,Lebensnähe, Selbsttä-
tigkeit, Spontanität, Berücksichtigung individueller, sprachli-
cher und kultureller Unterschiede, [...], Freiheit, Selbstbe-
stimmung und Verantwortlichkeit der Person" sind.
Punkt 7: Interkulturelle Pädagogik richtet sich alle Menschen. ,,Integra-
tion [muss] unter Wahrung von Freiräumen zur Gestaltung
eines jeweiligen, kulturellen Habitus mit Angeboten der Be-
gegnung und des Dialoges [erfolgen]".
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Punkt 8: Ein weiteres Ziel besteht in der Förderung der Mehrsprachig-
keit unserer Gesellschaft, sowie des ,,kreativen Elements",
welches in alle Lebensbereiche mit einfließt.
Punkt 9: Interkulturelle Pädagogik versteht sich als offenes und heu-
ristisches Konstrukt, dass sich in allen Bereichen der Erzie-
hung und Bildung wiederfinden soll.
Punkt 10: Der Kulturbegriff wird als ,,gemeinsam geteiltes System von
symbolischen Bedeutungen [verstanden], dass in alle Le-
bensbereichen und Lebensvollzügen stets mit(re)produziert
wird".
Punkt 11: Ebenso wie die Mehrsprachigkeit wird auch kulturelle Plurali-
tät aus interkultureller Perspektive heraus als positiv bewer-
tet. Kulturelle Differenzen müssen dementsprechend in die
Interkulturelle Pädagogik mit einbezogen werden. Wie dies
allerdings erfolgen soll, bleibt eine offene Frage, weil es viele
unterschiedliche Ansätze dazu gibt.
Punkt 12: Das übergeordnete Ziel der Interkulturellen Pädagogik ist
,,Begegnung mit anderen Kulturen Beseitigung von Barrie-
ren [...] Herbeiführung von kulturellem Austausch und kul-
tureller Bereicherung".
Punkt 13: Die Interkulturelle Pädagogik ist keine Disziplin, die für sich
allein steht. Sie arbeitet interdisziplinär mit anderen Wissen-
schaften, wie beispielsweise den Sozialwissenschaften oder
der vergleichenden Erziehungswissenschaft zusammen.
Punkt 14: Interkulturelle Pädagogik ist als Interkulturelle Kompetenz zu
verstehen, welche ,, zur Verständigung der Weltgesellschaft
beitragen soll".
Anstatt wie Roth interkulturelle Standpunkte in den verschiedenen Wir-
kungsräumen aufzudecken, beschränkt sich Auernheimer (2007, S. 21
f.) mehr auf einen verhaltensbestimmenden Orientierungspunkt. Er rich-
tet sich dabei an die Grundprinzipien der Interkulturellen Pädagogik,
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nach denen jede pädagogische Haltung auf der Grundlage einer Plura-
len Gesellschaft analysiert werden sollte.
Zum einen unterscheidet Auernheimer zwischen den Haltungen,
die sich auf Anerkennung und Gleichheit stützen und zum anderen auf
das Wissen, welches zum interkulturellen Verstehen und dem interkul-
turellen Dialog befähigt. Gleichheit meint bezogen auf Interkulturelle
Pädagogik, dass alle Menschen unabhängig ihrer Herkunft, die gleichen
Rechte und sozialen Chancen haben sollen und dass ihre Andersartig-
keit respektiert und jeder Mensch als Rechtssubjekt anerkannt werden
muss (vgl. ebd.).
Jedes Individuum, welches zu einem ,,mündigen Staatsbürger" er-
zogen werden soll, hat nach Roth (2002, S. 125) auch den Anspruch
auf die deutsche Staatsbürgerschaft. Genau dieser Punkt gilt im Hin-
blick auf Deutschland allerdings nicht, da sich die deutsche Staatsbür-
gerschaft hauptsächlich aus dem Abstammungsrecht und nicht durch
die Teilnahme an Bildung oder der Art und Weise der Lebensführung
als ,,mündiger Staatsbürger" ergibt.
Es entsteht dementsprechend eine paradoxe Situation für Migran-
tInnen. Auf der einen Seite werden sie durch das Bildungswesen zu
Menschen erzogen, ,,die aus eigener Überzeugung, Entschließung und
Verantwortung zum politisch Handelnden [werden], um zum Erhalt, ge-
geben falls aber auch zur Veränderung des Staatswesens [beitragen
sollen]" (vgl. ebd., S.123), ihnen aber zugleich das Recht auf die deut-
sche Staatsbürgerschaft verwehrt wird, um im Sinne Roths ein ,,mündi-
ger Staatsbürger" werden zu können. Gleichheit herrscht also nicht auf
den gesamten Gesellschaftebenen und sollte aufgrund dessen beson-
ders im Fokus der Pädagogik stehen, wobei darauf zu achten ist, dass
keine Pädagogisierung von politischen Fragen stattfindet. Eine weitere
Forderung der Gleichheit besteht in der ,,antirassistischen Erziehung".
Dabei soll berücksichtigt werden, dass es Unterschiede gibt und eine
Trennung zwischen Eigenem und Fremden immer automatisch und oft
unterbewusst erfolgt (vgl. Auernheimer 2007, S. 22).
Anerkennung soll hinsichtlich der Interkulturellen Pädagogik, im
Bezug auf Normen und Werte sowie den identitätsstiftenden Inhalten
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entgegengebracht werden, die für Menschen relevant sind, auch wenn
diese von den eigenen Vorstellungen abweichen. Es geht um die
Wahrnehmung der Fremdheit als Komplementarität, in der die Grenzli-
nien über das Verstehen des Fremden hinaus reichen, ihm seine Ei-
genheit zugestanden und anerkannt wird, ohne es vereinnahmen zu
wollen (vgl. Schäffter 1991, S. 26).
Auernheimer betont (2007, S. 21), dass es nicht um die Anerken-
nung von Kulturen ,,als selbstständige Wesenheiten" geht, sondern
vielmehr um die Anerkennung des Individuums innerhalb einer Gesell-
schaft. Ferner geht es ihm um das Gefühl der Zugehörigkeit zu einer
kulturellen Gemeinschaft (vgl. ebd.), woraus die Existenz der eigenen
Kultur bewahrt werden kann (vgl. Hamburger 1994, S. 35).
Demgegenüber gestaltet sich die Anerkennung einer Kultur als
eher schwierig, da jeder Mensch Kultur anders definiert, woraus ein
dynamisches Gebilde entsteht und gerade deshalb die Bedeutung des
Individuums hervorgehoben wird. Die Anerkennung des Einzelnen
hängt dabei stark von den allgemeinen sozialen Wertschätzungen der
Personen innerhalb einer Gesellschaft ab.
Kultur ist folglich kein statisch einheitliches Konstrukt, welches
sich selbst bestimmt, sondern Kultur ist als ein sehr subjektives Gebilde
zu verstehen. Die Interkulturelle Pädagogik muss daher den Anforde-
rungen gerecht werden, die allgemeine Menschenwürde zu wahren und
gleichzeitig kulturelle Unterschiede anzuerkennen (vgl. Auernheimer
2007, S. 22).
3.1 Zwei Grundrichtungen Interkultureller Pädagogik
Nach Manfred Hohmann (1989, S. 15) werden Zwei Grundrichtungen
Interkultureller Pädagogik immer wieder im Umgang mit Fremdheit her-
angezogen. Hohmanns pädagogischer Standpunkt richtet sich dabei
auf die Begegnung und den Konflikt. Er sagt, dass die Begegnungspä-
dagogik als Repräsentation einer Kultur gegenüber Angehörigen einer
anderen Kultur beschrieben werden kann.
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Details
- Seiten
- Erscheinungsform
- Erstausgabe
- Erscheinungsjahr
- 2012
- ISBN (PDF)
- 9783955499204
- ISBN (Paperback)
- 9783955494209
- Dateigröße
- 1 MB
- Sprache
- Deutsch
- Institution / Hochschule
- Justus-Liebig-Universität Gießen
- Erscheinungsdatum
- 2015 (Februar)
- Note
- 1,3
- Schlagworte
- Migrant Interkulturelle Erziehung Critical Incident Methode Soziale Arbeit Jenaplan
- Produktsicherheit
- BACHELOR + MASTER Publishing