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Das vereinfachte UVP-Verfahren: Anwendung und Problemfelder

©2012 Diplomarbeit 52 Seiten

Zusammenfassung

Im Rahmen dieser Diplomarbeit soll das vereinfachte Umweltverträglichkeitsprüfungsverfahren in groben Grundzügen dargestellt werden. Diese Darstellung soll auch für den „Nicht-Juristen“ eine gute Hilfestellung sein, um einen Überblick über Strukturen und Abläufe zu erhalten. Des Weiteren wird bei Punkten, bei denen sich zwischen Gesetzgebung und Rechtsprechung Auffälligkeiten ergeben, das jeweilige Problemfeld aufgezeigt.
Die Diplomarbeit beschäftigt sich ausschließlich mit dem ersten, zweiten und sechsten Abschnitt des Umweltverträglichkeitsverfahrens. Der dritte und vierte Abschnitt werden ausgeklammert, da es hierbei um den Verkehrsbereich geht, der eine Sonderproblemzone der Umweltverträglichkeitsprüfung darstellt. Dieser Bereich hat viele Sonderregelungen, bei denen spezifische Genehmigungskriterien und Parteistellungsregelungen, die vom Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie (BMVIT) und den übrigen für Genehmigungen zuständigen Behörden festgelegt wurden, anzuwenden sind.
Hier hat sich in besonderem Maße gezeigt, dass die anfangs von vielen der Umweltverträglichkeitsprüfung zugeschriebene Bedarfsprüfung nicht nur rechtlich im Rahmen von Genehmigungsbestimmungen nicht möglich ist, sondern auch die Praxis solche Prozesse nicht zulässt.
Diese Diplomarbeit befasst sich ausschließlich mit dem vereinfachten Verfahren. Dieses Verfahren wird mit Strukturen und Abläufen sowie daraus resultierenden Problemfeldern dargestellt. Teilweise werden anlassbezogen Quervergleiche zum „normalen“ Verfahren gezogen.

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


4.2. Projektbeschreibung, Beibringung von Unterlagen

Für das vereinfachte Verfahren benötigt man die nach den Verwaltungsvorschriften erforderlichen Unterlagen, wie zum Beispiel eine Plandarstellung und die Zustimmung der Grundstückseigentümer. Diese Unterlagen können ohne weiteres auch elektronisch eingebracht werden.

Des Weiteren benötigt man eine Umweltverträglichkeitserklärung. Diese Erklärung muss die Beschreibung des Vorhabens nach Standort, Art und Umfang zum Gegenstand haben. Insbesondere muss aber die Beschreibung die physischen Merkmale des gesamten Vorhabens einschließlich des Bedarfs an Grund und Boden während des Bauens und des Betriebes darlegen.

Weiteres sind in die Beschreibung die wichtigsten Merkmale der Produktions- oder Verarbeitungsprozesse, insbesondere hinsichtlich Art und Menge der verwendeten Materialien und Art und Menge der zu erwartenden Rückstände und Emissionen (zB Belastung des Wassers, der Luft und des Bodens, Lärm, Erschütterungen, Licht, Wärme, Strahlung), die sich aus der Verwirklichung und dem Betrieb ergeben, aufzunehmen.

Ein Klima- und Energiekonzept (Energiebedarf, aufgeschlüsselt nach Anlagen, Maschinen und Geräten sowie nach Energieträgern, verfügbare energetische Kennzahlen, Darstellung der Energieflüsse, Maßnahmen zur Energieeffizienz, Darstellung der vom Vorhaben ausgehenden klimarelevanten Treibhausgase und Maßnahmen zu deren Reduktion im Sinne des Klimaschutzes, Bestätigung eines befugten Ziviltechnikers bzw. eines technischen Büros, dass die im Klima- und Energiekonzept enthaltenen Maßnahmen dem Stand der Technik entsprechen), ist ebenfalls beizubringen.

Eine Übersicht über die wichtigsten anderen vom Projektwerber geprüften Lösungsmöglichkeiten und die Angabe der wesentlichen Auswahlgründe im Hinblick auf die Umweltauswirkungen müssen in der Umweltverträglichkeitserklärung enthalten sein.

Die UVP hat zusätzlich eine Beschreibung der voraussichtlich vom Vorhaben erheblich beeinträchtigten Umwelt zu enthalten, wozu insbesondere gehören: Die Menschen, Tiere, Pflanzen und deren Lebensräume, der Boden, das Wasser, die Luft, das Klima, die Landschaft und die Sachgüter einschließlich der Kulturgüter sowie die Wechselwirkungen zwischen diesen Schutzgütern.

Weiters ist eine Beschreibung der voraussichtlichen erheblichen Auswirkungen des Vorhabens auf die Umwelt infolge des Vorhandenseins des Vorhabens, der Nutzung der natürlichen Ressourcen und der Emission von Schadstoffen sowie der Verursachung von Belästigungen der Art, Menge und Entsorgung von Abfällen, vorzunehmen. Es müssen Angaben über die zur Abschätzung der Umweltauswirkungen angewandten Methoden gemacht werden. Das beinhaltet die Beschreibung der Maßnahmen, mit denen wesentliche nachteilige Auswirkungen des Vorhabens auf die Umwelt vermieden, eingeschränkt oder, soweit möglich, ausgeglichen werden sollen.

Schlussendlich ist eine allgemeine verständliche Zusammenfassung der Informationen und eine kurze Angabe allfälliger Schwierigkeiten (insbesondere technische Lücken oder fehlende Daten) des Projektwerbers bei der Zusammenstellung der geforderten Angaben darzustellen. Ein Hinweis auf durchgeführte „Strategische Umweltprüfungen" im Sinne der Richtlinie 2001/42/EG über die Prüfung von Umweltauswirkungen bestimmter Pläne und Programme mit Bezug zum Vorhaben darf nicht fehlen.

4.3. Parteistellung

Partei im Verwaltungsverfahren ist grundsätzlich diejenige Person, die durch den Gegenstand des Verfahrens in ihrer subjektiven Rechtssphäre unmittelbar berührt ist. Solche subjektiven Rechte können sowohl durch das materielle Recht[1] als auch durch das Verfahrensrecht begründet werden.[2]

Es ist nicht immer klar geregelt, ob einer Person subjektive Rechte (ein Rechtsanspruch oder ein rechtliches Interesse), die sie dann zur Partei im Verwaltungsverfahren macht, zukommen. Die Beantwortung solcher Fragen stellt häufig das Ergebnis eines schwierigen Auslegungsprozesses dar.[3] Letzten Endes wird die Parteistellung durch die Behörde selbst begründet, wobei eine nachprüfende Kontrolle des Verfassungs- und Verwaltungsgerichtshofs möglich ist. Die Behörde muss prüfen, welche Interessen von der Rechtsordnung – allgemein – als schutzwürdig angesehen werden.

Ein subjektives öffentliches Recht wird grundsätzlich durch eine Vorschrift des öffentlichen Rechts eingeräumt. Subjektive öffentliche Rechte geben Personen die Möglichkeit, ein bestimmtes Recht selbst gegenüber anderen und gegenüber der Behörde durchzusetzen, am Verfahren selbst teilzunehmen und den Verfahrensgang zu beeinflussen.[4]

Der Einzelne hat Kraft des subjektiven öffentlichen Rechts die Möglichkeit, vom Staat zur Verfolgung seiner Interessen ein bestimmtes Verhalten zu verlangen.[5] Im Rahmen des bestehenden Rechtsschutzes können subjektive öffentliche Rechte bis zu den Gerichtshöfen des öffentlichen Rechts (VfGH und VwGH) verfolgt werden.

Durch Zuerkennung der Parteistellung sind bestimmte Verfahrensrechte in einem Verwaltungsverfahren verbunden:

- Recht auf Akteneinsicht (§ 17 AVG);
- Anhörung der Parteien im Verfahren (§§ 37, 43 Abs. 2, 3 und 4 AVG);
- Stellen von Beweisanträgen durch die Partei;
- Ablehnung eines nichtamtlichen Sachverständigen oder Dolmetschers (53 Abs. 1);
- Ladung zur mündlichen Verhandlung (§§ 41 und 42);
- Verkündung bzw Zustellung des Bescheids (§ 62 Abs. 1 bis 3, § 67g);
- Erhebung von Rechtsmitteln (§§ 57, 63);
- Geltendmachung der Entscheidungspflicht (§ 73);
- Erhebung von Rechtsbehelfen (Antrag auf Wiederaufnahme gem. § 69);
- Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gem § 71).

Das wirtschaftliche Interesse darf nicht mit dem rechtlichen Interesse verwechselt werden. Denn das bloße wirtschaftliche Interesse begründet keine Parteistellung im Verwaltungsverfahren, es sei denn, der Gesetzgeber hätte diese wirtschaftlichen Interessen ausdrücklich als rechtlich geschützte Interessen zuerkannt.[6]

4.3.1. Parteistellung im Sinne des UVP-G

Die Partei- und Beteiligtenstellung sowohl des einfachen als auch ordentlichen Verfahrens ist in § 19 UVP-G geregelt. Demnach haben folgende Personen, Organe und Personengruppen – neben dem Projektwerber[7] natürlich – Parteistellung:

- Nachbarn, die vom Vorhaben betroffen sein können (Z 1);
- Die nach den mitanzuwendenden Verwaltungsvorschriften vorgesehenen Parteien (Z 2);
- Der Umweltanwalt (Z 3 und Abs. 3);
- Das wasserwirtschaftliche Planungsorgan (Z 4 und Abs. 3);
- Die Standortgemeinde und betroffene angrenzende österreichische Gemeinden (Z 5 und Abs. 3);
- Anerkannte Umweltorganisationen (Z 7 und Abs. 6 bis 10).

4.3.1.1. Nachbarn

Zu unterscheiden sind die Nachbarn[8] nach Z 1 von Nachbarn, denen Parteistellung bereits nach dem Materiengesetz zukommt (Z 2). Die Nachbarstellung des UVP-G ist angelehnt an jene des § 75 Gewerbeordnung (GewO), umfasst also jenen räumlichen Bereich, in dem es zu nachteiligen Einwirkungen auf Personen durch das Vorhaben durch Gefährdungen oder Belästigungen kommen kann.[9] [10] Es muss jedoch beachtet werden, dass der Auswirkungsbereich des UVP-G weiter ist als jener der GewO und auch indirekte Auswirkungen im Sinne mittelbarer Auswirkungen, etwa durch Zufahrtsverkehr, umfasst. Es ist von keiner Bedeutung, ob es sich bei den Nachbarn um Inländer oder um EU-Nachbarn oder EWR-Nachbarn handelt. Ausschlaggebend ist nicht die Staatsangehörigkeit des Betroffenen, sondern der Staat, auf den die Immissionen[11] einwirken.[12] Für nicht EU-Nachbarn oder EWR-Nachbarn, „Drittnachbarn“, muss auf den Grundsatz der Gegenseitigkeit abgestellt werden. Nachbarn können demnach sein: Natürliche Personen, die sich im Immissionsbereich des Vorhabens nicht bloß vorübergehend aufhalten, oder Personen, denen in diesem Bereich geschützte dingliche Rechte zukommen sowie Inhaber von Einrichtungen (auch juristische Personen), in denen sich regelmäßig Personen vorübergehend aufhalten.[13] [14]

Der Beginn und Verlust der Parteistellung von Nachbarn richtet sich nach dem Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetz (AVG). Nachbarn haben generell Parteistellung und verlieren diese, wenn sie als Nachbarn nicht spätestens am Tag vor Beginn oder während der mündlichen Verhandlung Einwendungen im Hinblick auf eine Verletzung ihrer subjektiven Rechte bzw in Großverfahren gemäß AVG, wenn sie nicht innerhalb der im Edikt angegeben Frist von mindestens sechs Wochen (diese Frist deckt sich zumeist mit der Auflage gemäß § 9) bei der Behörde Einwendungen erheben.[15]

4.3.1.2. Parteien nach den Materiengesetz

Nach Z 2 haben auch alle Neben-, Legal- und Amtsparteien, die in den mit anzuwendenden Verwaltungsvorschriften vorgesehen sind, Parteistellung, zB Fischereiberechtigte[16] nach § 102 Wasserrechtsgesetz (WRG) 1959, Grundstückseigentümer nach § 116 Mineralrohstoffgesetz (MinroG) oder das Arbeitsinspektorat nach dem Arbeitsinspektoratsgesetz in Verbindung mit der GewO.[17]

- Nebenparteien Personen, deren rechtlich geschützte Interessen durch die Verwirklichung des Projektes der Hauptpartei berührt sind, wie zB Nachbarn im Baurecht oder Gewerberecht.[18]
- Legalparteien Der Materiengesetzgeber selbst stellt durch Definitionen oder Aufzählungen klar, wer in einer Verwaltungssache Parteistellung hat. Mit der Stellung einer Legalpartei ist zwar regelmäßig, nicht aber notwendigerweise die Einräumung eines materiellen subjektiven Rechts verbunden. Ein Beispiel für Parteien ohne subjektives Recht sind die Formalparteien, deren Anspruch auf die Mitwirkung im Verfahren als Partei beschränkt ist. Der Zweck dieser prozessualen Rechtsstellung liegt meist in der Mitwirkung zur Wahrung öffentlicher Interessen.
- Amtsparteien Ein Sonderfall der Formalpartei sind die Organparteien. Hier wird Verwaltungsorganen die Stellung einer solchen Partei eingeräumt.[19] Gegen den verfahrensbeendenden Bescheid können Formal- und Organparteien wegen Verletzung ihrer prozessualen Rechte Beschwerde gemäß Art 131 B-VG erheben, in der Sache selbst haben sie aber mangels materieller subjektiver Rechte keine Beschwerdelegitimation.[20]

4.3.1.3. Der Umweltanwalt

In der Bestimmung des § 2 Abs. 4 wird der Umweltanwalt als ein Organ definiert, das vom Bund oder vom betroffenen Land besonders dafür eingerichtet wurde, um den Schutz der Umwelt in Verwaltungsverfahren wahrzunehmen. Seine Parteistellung im UVP-Verfahren dient der Wahrnehmung öffentlicher Interessen, nämlich des Schutzes der Umwelt und der Einhaltung aller Umweltschutzvorschriften. Die Parteistellung des Umweltanwaltes schließt jedoch nicht die Teilnahmeberechtigung in einem Verwaltungsstrafverfahren mit ein.[21] Ein solches kann der Umweltanwalt, wie jede andere natürliche oder juristische Person, daher bloß anregen. Nach dem Gesetzgeber zufolge ist der Umweltanwalt berechtigt, die Einhaltung von Umweltvorschriften als subjektives Recht im Verfahren geltend zu machen. Der Verfassungsgerichtshof (VfGH) hat jedoch judiziert, dass es sich nicht um „echte“ subjektive öffentliche Rechte handelt, sondern um die Wahrnehmung öffentlicher Interessen und dass der Umweltanwalt als staatliches Organ handelt.[22] Danach hat der Umweltanwalt eine erheblich privilegierte Amts- bzw Formalparteistellung mit einer verstärkten materiellen und prozessualen Rechtsstellung. Da sich die Parteistellung des Umweltanwalts auf eine ausdrückliche gesetzliche Anordnung betreffend die Wahrung öffentlicher Interessen gründet, unterliegt sie demnach auch nicht den Präklusionsfolgen des § 42 AVG. Dem Umweltanwalt steht ein Berufungsrecht unabhängig von der Erhebung von Einwendungen und die Möglichkeit der Amtsbeschwerde bis zum VwGH zu.

4.3.1.4. Wasserwirtschaftliches Planungsorgan

Nach § 55 Abs. 1 iVm §§ 104a und 105 WRG kommt dem wasserwirtschaftlichen Planungsorgan (§ 55 WRG, Landeshauptmann) im UVP-Verfahren Legalparteistellung zur Wahrung wasserwirtschaftlicher Interessen zu.[23] Somit kann das wasserwirtschaftliche Planungsorgan die Wahrung objektiven Rechts im Verfahren durch Berufung sowie durch Amtsbeschwerde beim VwGH geltend machen. Es unterliegt dabei nicht der Präklusionswirkung des § 42 Abs. 1 AVG.

4.3.1.5. Gemeinden

Im UVP-Verfahren haben sowohl betroffene Standortgemeinden als auch angrenzende, durch Auswirkungen des Vorhabens möglicherweise betroffene Gemeinden Parteistellung. Ob auch wirklich eine angrenzende Gemeinde betroffen sein kann, hängt von der Lage des Vorhabens sowie seinem Auswirkungsbereich ab.

Problemfeld:

Schwierig ist die Beurteilung, ab wann die Gemeinden von wesentlichen Auswirkungen des Vorhabens auf die Umwelt betroffen sein können. Nach Ennöckl/N. Raschauer § 19 Rz 21 und Eberhartniger-Tafill/Merl 95 bedarf es schwerwiegender, vom Vorhaben ausgehender mögliche Einwirkungen auf die Interessen der Gemeinde bzw des von ihr vertretenen Gemeindevolkes iSd Art 116 Abs. 2, 118 Abs. 2 und 3 Bundesverfassungsgesetz (B-VG). Bloß geringe Einwirkungen sind aus Gründen der Verfahrensökonomie zu tolerieren.

Zum Beispiel können bei einem in Wien gelegenen Vorhaben nicht alle 23 an Wien angrenzenden Gemeinden betroffen sein.

Der Wortlaut „österreichische Gemeinden“ schließt die privilegierte Parteistellung nicht österreichischer Gemeinden aus. Jedoch können nicht österreichische Gemeinden Parteistellung aufgrund eigenem subjektivem Rechts, zB als beeinträchtigter Eigentümer, erlangen.[24]

Nach § 19 Abs. 3 können die Gemeinden ebenfalls die Einhaltung von Rechtsvorschriften, die dem Schutz der Umwelt dienen, sowie die von ihnen wahrzunehmenden öffentlichen Interessen geltend machen. Die Gemeinden haben somit als staatliches Organ Formalparteistellung und können sowohl Berufung an den Umweltsenat als auch Amtsbeschwerde an den VwGH erheben. Die Gemeinden können dabei sowohl ihre verfahrensrechtliche Teilnahme als auch eine objektiv rechtsrichtige Entscheidung in der Sache geltend machen. Das Beschwerderecht der Gemeinden nach Art 119a Abs. 9 B-VG bleibt vom § 19 unberührt, ebenso ihre allfällige Stellung als mitwirkende Behörde mit frühzeitiger aktiver Miteinbeziehung, Mitwirkungspflichten und Rechten.[25]

4.3.1.6. Anerkannte Umweltorganisationen

Seit November 2004 haben Umweltorganisationen Parteistellung im UVP-Verfahren. Sie können die Einhaltung von Umweltvorschriften geltend machen. Jedoch kann eine Parteistellung nur begründet werden, wenn die Umweltorganisation die Voraussetzungen nach § 19 Abs. 7 (Verfassungsbestimmung) und 8 erfüllen. Demnach hat der Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft im Einvernehmen mit dem Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit auf Antrag mit Bescheid zu entscheiden, ob eine Umweltorganisation die Kriterien des Abs. 6 erfüllt, nämlich,

- der vorrangige Zweck[26] der Umweltorganisation nach dem Vereinsstatut oder Stiftungserklärung dem Schutz der Umwelt dient;
- die Umweltorganisation die gemeinnützigen Ziele[27] im Sinn der §§ 35 und 36 BAO verfolgt;
- die Umweltorganisation vor Antragsstellung mindestens drei Jahre[28] unter dem in § 19 Abs. 6 Z 1 angeführten Zweck bestanden hat;
- die Umweltorganisation (UO) berechtigt ist, das Parteirecht im jeweiligen Bundesland auszuüben.

Absatz 6 nennt Kammern oder andere juristische Personen nicht und deshalb können diese im Rahmen des UVP-G keine Parteirechte als Umweltorganisation ausüben.

Problemfeld:

Umweltorganisationen genießen eine Ausnahme von den Präklusionsregeln des AVG. Umweltorganisationen müssen, um Parteistellung zu erlangen –nach dem Gesetzeswortlaut – während der Auflagefrist schriftliche Einwendungen erheben.[29] Anderer Meinung sind jedoch Ennöckl und Raschauer, die beide davon ausgehen, dass auch die Umweltorganisation wie alle anderen Parteien von Anfang an Parteistellung haben, sie jedoch diese verlieren, wenn sie nicht rechtzeitig Einwendungen erhebt.[30] Im Gegensatz dazu sind nach den Materialien zufolge mündliche Einwendungen von Umweltorganisation vor der Verhandlung bzw während der Verhandlung nicht möglich. Raum für eine Interpretation bietet sich nicht: „Werden innerhalb der Auflagefrist keine Einwendungen erhoben, ist die UO präkludiert“.[31]

[...]


[1] Materielle Rechtsnormen treffen eine inhaltliche Ordnung für menschliches Zusammenleben (zB die Normen des bürgerlichen Rechts). Sie werden von formellen Rechtsnormen unterschieden. Die formellen Rechtsnormen regeln das Verfahren der Rechtsdurchsetzung vor den staatlichen Behörden, also die Durchsetzung von Rechten, die sich aus materiellen Rechtsnormen ergeben (zB das Zivilprozessrecht). Formelles Recht ist immer öffentliches Recht. (Perner in Welser, Fachwörterbuch zum Bürgerlichen Recht (2005) 421.)

[2] Walzel v. Wiesentreu, Grundlagen des Allgemeinen Verwaltungsrechts und des Verwaltungsverfahrensrechts, (2005) 82.

[3] Walzel v. Wiesentreu, Grundlagen des Allgemeinen Verwaltungsrechts und des Verwaltungsverfahrensrechts, (2005) 83.

[4] Walzel v. Wiesentreu, Grundlagen des Allgemeinen Verwaltungsrechts und des Verwaltungsverfahrensrechts, (2005) 83.

[5] Antoniolli – Koja, Allgemeines Verwaltungsrecht, (1996) 103.

[6] Walzel v. Wiesentreu, Grundlagen des Allgemeinen Verwaltungsrechts und des Verwaltungsverfahrensrechts, (2005) 84.

[7] Das UVP-G definiert den Begriff „Projektwerber“ nicht. ISd Art 1 Abs. 2 UVP-RL ist Projektträger eine „ Person, die eine Genehmigung für ein privates Projekt beantragt, oder die Behörde, die ein Projekt betreiben will“. Unter Person ist eine natürliche oder juristische Person zu verstehen.

[8] Einen Überblick über die Parteien und ihre Rechte gibt Berger in Enöckl/N. Raschauer, Umweltsenat 94 f.

[9] Baumgartner – Petek, UVP-G 2000, 201

[10] Grabler/Stolzlechner/Wendl, GewO, zu § 75 mwN.

[11] Emission bedeutet in der Regel jegliche Abgabe von Stoffen oder Energie aus einer Quelle in die Umgebung. Immission beinhaltet die Einwirkung von Emissionen auf die Umwelt, das heißt, bezogen auf die Luftreinhaltung: Die Einwirkung von Luftverunreinigungen auf Pflanzen, Tiere, Menschen und die Atmosphäre. (Quelle: http://www.bmu.de)

[12] Vgl Köhler/Schwarzer § 19 Rz 62; US 11.6,2010, 1A/2009/6-142 “Heiligenkreuz“

[13] siehe dazu die Judikatur zu § 75 GewO

[14] Einer Reitstallbesitzerin kommt hinsichtlich der in ihrem Reitstall eingestellten Nutztiere keine Nachbareigenschaft und somit keine Parteistellung zu. Die Gefährdung des Eigentumsrechts müsste durch den Dritten geltend gemacht werden (US 16.2.2009, 3B/2005/19-72 „NÖ 380 kV-Leitung Etzersdorf-Theiß II“).

[15] Walzel v. Wiesentreu, Grundlagen des Allgemeinen Verwaltungsrechts und des Verwaltungsverfahrensrechts, (2005) 86.

[16] Die Parteistellung als Fischereiberechtige (§§ 15 und 102 Abs. 1 lit b WRG iVm § 19 Abs. 1 Z 2) verleiht keinen Anspruch auf Versagung der Genehmigung, sondern ermöglicht nur, Maßnahmen zum Schutz der Fischerei zu beantragen; diese sind zu berücksichtigen, soweit das Vorhaben dadurch nicht unverhältnismäßig erschwert wird. Darüber hinausgehende subjektive Rechte räumt das UVP-G den Fischereiberechtigten nicht ein. (VwGH 24.10.1995, 94/07/0062; US 12.11.2007, 3B/2006/16-114 „ Mellach/Weitendorf “)

[17] Vgl. Raschauer § 19 Rz 6)

[18] Thienel, Verwaltungsverfahrensrecht (2009) 13.

[19] Grabenwarter, Verwaltungsverfahrensrecht und Verwaltungsgerichtsbarkeit (2011) 13.

[20] VwSlg 12.662 A/1988

[21] Enöckl/N. Raschauer § 19 Rz 17

[22] VfGH 16.6.2004, G4/04; dazu eingehend und kritisch Thallinger, Subjektive Rechte und die Beschwerdelegitimation des Umweltanwalts vor dem VfGH.

[23] Ennöckl/N. Raschauer § 19 Rz 19; siehe weiters § 55 Abs. 4 WRG und zu den verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die Einräumung der Beschwerdelegitimation auch an den VfGH durch diese Bestimmung, Ennöckl/N. Raschauer aaO

[24] Altenburger - Berger, UVP-G2, § 19 Rz 28

[25] Baumgartner – Petek, UVP-G 2000, 207

[26] Das Kriterium des vorrangigen Zwecks iSv Abs. 6 Z 1 erfasst nur Organisationen, die sich in erster Linie dem Umweltschutz widmen. (Vgl RV 648 BlgNR 22. GP)

[27] Die Frage der Gemeinnützigkeit ist nach dem Steuerrecht zu beurteilen.[27] RV 648 BlgNR 22. GP

[28] Zur Ermittlung des Bestehens von drei Jahren muss auf die EuGH Entscheidung vom 15.10.2009 im Fall „Djurgården-Lilla“ abgestellt werden.

[29] Vgl Baumgartner, Parteistellungen im UVP-G, ecolex 2005, 275; Merl, Umweltverträglichkeit neu, RdU 2005/24

[30] Ennöckl - N. Raschauer § 19 Rz 32

[31] Vgl RV 648 BlgNR 22. GP zu § 19

Details

Seiten
Erscheinungsform
Erstausgabe
Jahr
2012
ISBN (PDF)
9783955498641
ISBN (Paperback)
9783955493646
Dateigröße
1012 KB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Leopold-Franzens-Universität Innsbruck
Erscheinungsdatum
2015 (Februar)
Schlagworte
UVP-RL UVP Verfahren Umweltverträglichkeitsprüfungsverfahren Umwelt Gesetzgebung Umweltorganisation

Autor

Stefan Lampert wurde 1989 in Wolfurt, Vorarlberg geboren. Sein Studium der Rechtswissenschaften an der Universität Innsbruck schloss der Autor bereits nach sieben Semestern im Jahre 2012 mit dem akademischen Grad Magister iuris erfolgreich ab. Bereits während des Studiums vertiefte der Autor sein Fachwissen in Umweltrecht sowohl an der Universität Innsbruck als auch an der University of Sydney. Der Autor ist des Weiteren Verfasser von Problemaufsätzen zum Thema Umweltrecht und Ethik. Unter anderem publizierte der Autor folgende Umwelt/Ethik-Problemaufsätze: „Australia and the Ramsar Convention“, „If climate change is the ‘great moral challenge of our generation’, who is responsible for responding to this challenge?“ und “In the light of the non-identity problem, is it possible for our actions at present to harm future generations?”
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Titel: Das vereinfachte UVP-Verfahren: Anwendung und Problemfelder
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