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Unternehmerische Flexibilität durch Kurzarbeit: Chancen und Risiken aus Sicht des Mittelstandes

©2011 Bachelorarbeit 49 Seiten

Zusammenfassung

Diese Bachelorarbeit befasst sich mit der Beschreibung des arbeitsmarktpolitischen Instrumentes Kurzarbeit sowie deren gesetzlicher Grundlage und historischen Hintergrundes. Darüber hinaus werden sowohl das Potential als auch die Chancen und Risiken analysiert, welche beim Einsatz von Kurzarbeit vor allem für mittelständische Unternehmen entstehen können.
Kurzarbeit wird von Unternehmen eingesetzt, um flexibel auf konjunkturell schwierige Situationen zu reagieren und gleichzeitig Entlassungen zu vermeiden sowie Fachkräfte zu halten. War Kurzarbeit lange Zeit ein Instrument der Großunternehmen, wird es heute überwiegend von mittelständischen Unternehmen eingesetzt. Wohl der wichtigste Schritt zu einem von dem Mittelstand akzeptierten Instrument waren die umfangreichen Kurzarbeitergeld-Regelungen in der jüngsten Finanz- und Wirtschaftskrise. Die Kosten bei Kurzarbeit und ein durch den Einsatz von Kurzarbeit hinausgezögerter struktureller Wandel bergen allerdings für Unternehmen ein nicht zu unterschätzendes Risiko. Chancen und Gefahren dieses Instrumentes liegen somit nah beieinander.

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


2.2 Aktuelle gesetzliche Grundlage von Kurzarbeit

Über die letzten Jahre und vor allem während der aktuellen Wirtschaftskrise gab es zahlreiche gesetzliche Veränderungen bezüglich der Kurzarbeitergeld-Regelungen. Diese Veränderungen werden im Kapitel 4 unter der zeitlichen Entwicklung der Kurzarbeit erläutert. An dieser Stelle wird die aktuell gültige gesetzliche Grundlage inklusive der Anspruchsvoraussetzungen wiedergegeben.

Für die Zeit vom 1. Februar 2009 bis 31. März 2012 gelten in Deutschland mit dem Gesetz zur Sicherung von Beschäftigung und Stabilität vereinfachte Zugangs­voraussetzungen zum Bezug von Kurzarbeitergeld (Kug) (vgl. Bundesagentur für Arbeit, 2010b). Die folgenden Voraussetzungen und Bedingungen muss ein Unternehmen erfüllen, um im Betrieb kurzarbeiten zu lassen:

§ Der Einsatz von Kurzarbeit muss mit den Tarifverträgen beziehungsweise mit den individuellen Arbeitsverträgen der Arbeitnehmer vereinbar sein und der Betriebsrat muss mittels einer Betriebsvereinbarung der Einführung zustimmen (vgl. Wöhe, 2008, S. 143). Gibt es im Unternehmen keinen Betriebsrat, müssen alle betroffenen Mitarbeiter dem Einsatz von Kurzarbeit zustimmen (vgl. Bundes­agentur für Arbeit, 2010c).

§ Bevor das Instrument Kurzarbeit zum Einsatz kommen kann, müssen Flexibilitäts­reserven wie Arbeitszeitkonten, Überstundenabbau oder freiwilliger Lohnverzicht der Belegschaft weitgehend ausgereizt sein. (vgl. Crimmann & Wießner, 2009, S. 1, 6)

§ Nach §§ 169 ff. SGB III müssen folgende Anspruchsvoraussetzungen für den Bezug von konjunkturellem Kurzarbeitergeld erfüllt sein:

1. Erheblicher Arbeitsausfall mit Entgeltausfall:

Ein solcher liegt vor, wenn er auf wirtschaftlichen Gründen oder einem unabwendbaren Ereignis beruht und er vorübergehend und nicht vermeidbar ist. Aktuell kann bereits für einen Mitarbeiter Kurzarbeitergeld beantragt werden, wenn ein Entgeltausfall von mehr als 10 Prozent nachgewiesen werden kann (vgl. Bundesministerium für Arbeit und Soziales, 2010a, S. 5).

2. Betriebliche Voraussetzungen:

Das Unternehmen muss mindestens einen Arbeitnehmer beschäftigen. Zudem sollte eine konkrete Aussicht darauf bestehen, dass sich die wirtschaftliche Lage in absehbarer Zeit wieder normalisiert (vgl. Crimmann & Wießner, 2009, S. 9).

3. Persönliche Voraussetzungen:

Der Arbeitnehmer muss nach Beginn des Arbeitsausfalls versicherungspflichtig beschäftigt sein und das Arbeits­verhältnis darf weder gekündigt noch durch einen Aufhebungs­vertrag aufgelöst sein.

4. Anzeigepflicht:

Das Unternehmen muss den Arbeitsausfall bei der zuständigen Agentur für Arbeit schriftlich anzeigen und die Notwendigkeit von Kurzarbeit nachweisen.

Sind alle Bedingungen erfüllt, zahlt die Bundesagentur für Arbeit dem Unternehmen als Entgeltersatzleistung Kurzarbeitergeld (vgl. Crimmann & Wießner, 2009, S. 1). Damit soll ein Teil des durch den Arbeitsausfall entstandenen Lohnausfalls ersetzt werden (vgl. Klamroth, Reimer & Renn, 2010, S. 4). Die Unternehmen berechnen zunächst die Höhe des Kurzarbeitergeldes und zahlen es an die Beschäftigten aus, welches wiederum dem Unternehmen von der örtlichen Agentur für Arbeit erstattet wird (vgl. Bundesministerium für Arbeit und Soziales, 2010a, S. 4). (Berechnung des Kurz­arbeiter­geldes siehe Kapitel 2.3)

Die Bundesagentur für Arbeit übernimmt aktuell in den ersten sechs Monaten der Kurzarbeit die Hälfte der Sozialversicherungsbeiträge für das betroffene Unternehmen. Ab dem siebten Monat übernimmt sie diese sogar vollständig. Bilden sich die Arbeitnehmer während der Kurzarbeit weiter, werden die kompletten Sozial­versicherungs­beiträge von der Bundesagentur für Arbeit vom ersten Monat an über­nommen. (vgl. Crimmann & Wießner, 2009, S. 9)

Die Bezugsfrist für das Kurzarbeitergeld beginnt mit dem ersten Kalendermonat, für den ein Unternehmen Kurzarbeitergeld erhält und ist einheitlich für alle Arbeitnehmer gültig (vgl. Crimmann & Wießner, 2009, S. 9). Je nach Anspruchszeitpunkt des Kurz­arbeiter­geldes gelten verschiedene Bezugsfristen: entstand der Anspruch in 2009, gilt eine Bezugsfrist von 24 Monaten, entstand er in 2010, gelten 18 Monate und entsteht er in 2011, gelten 12 Monate (vgl. Bundesministerium für Arbeit und Soziales, 2010b).

2.3 Berechnung des Kurzarbeitergeldes

Als Berechnungsgrundlage für das Kurzarbeitergeld bei teilweisem Arbeitsausfall dient die Differenz zwischen dem eigentlich erzielten Bruttoentgelt (Sollentgelt) des Arbeitnehmers und dem tatsächlich erzielten Bruttoentgelt (Istentgelt) für die tatsächlich geleistete Arbeit. Für den Nettowert dieses Differenzbetrages zahlt die Bundes­agentur für Arbeit Kurzarbeitergeld in Höhe von 60 Prozent beziehungsweise 67 Prozent, je nachdem ob Kinder zu berücksichtigen sind oder nicht. Diese Regelung gilt auch bei vollem Arbeitsausfall, das heißt 100 Prozent Kurzarbeit, und entspricht der Höhe des Arbeitslosengeldes I. In der nachfolgenden Abbildung sind die Berechnungen grafisch dargestellt. (vgl. Crimmann & Wießner, 2009, S. 2)

Abbildung 2: Berechnung des Kurzarbeitergeldes (Kug) bei teilweisem und vollem Arbeitsausfall

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: Crimmann & Wießner, 2009, S. 2

Bei der Angabe des Sollentgeltes ist zu beachten, dass es nur bis zur Beitrags­bemessungs­grenze in der Rentenversicherung gültig ist (vgl. Bundesagentur für Arbeit, 2009, S. 11). „Die Beitrags­bemessungs­grenze bezeichnet ein jährliches Arbeits­einkommen, bis zu dem im jeweiligen Sozialversicherungszweig Beiträge entrichtet werden. Die Beitragsbemessungsgrenze ist eine dynamische Grenze, die jeweils zum 1. Januar eines Jahres an die allgemeine Einkommensentwicklung angepasst wird“ (Bundesministerium der Finanzen, 2010b). Diese betrug 2010 monatlich 5.500 Euro im Westen Deutschlands und 4.650 Euro im Osten (vgl. Bundesagentur für Arbeit, 2009, S. 11).

In einigen Tarifverträgen sind für den Arbeitszeitausfall durch Kurzarbeit Arbeits­zeitgrenzen (Mindest­arbeits­stunden­zahlen) vereinbart, welche die weitere Kürzung der Löhne bei Unterschreitung einer gewissen Arbeitszeit verhindern. Darüber hinaus gibt es in vielen Wirtschaftszweigen und Bezirken tarifliche Lohngarantien (Mindestlöhne) beziehungsweise Zuschussregelungen, die dem Arbeitnehmer ein gewisses Mindest­einkommen sichern beziehungsweise das gesetzliche Kurzarbeitergeld aufstocken. Das Ausmaß der Arbeitszeit- und Lohnkürzungen ist somit in den meisten Fällen durch Garantie­klauseln eingeschränkt. (vgl. Bach & Spitznagel, 2009, S. 3)

3 Spezifizierung des Mittelstandes

Dieses Kapitel beschäftigt sich mit dem Begriff des wirtschaftlichen Mittelstandes. Zuerst wird dieser Begriff definiert und anschließend die Bedeutung des Mittelstandes für die deutsche Wirtschaft dargestellt.

3.1 Mittelstandsdefinition

Für den Begriff Mittelstand im Bezug auf die Wirtschaft gibt es keine einheitliche Definition. Je nach Zweck gibt es verschiedene Merkmale zur Abgrenzung und somit auch verschiedene Definitionen (vgl. IfM Bonn, o.J.). In dieser Arbeit wird die Definition des Bundesministeriums der Finanzen verwendet, ergänzt durch die Definition des Institutes für Mittelstandsforschung (IfM) Bonn.

Nach dem Bundesministerium der Finanzen zählt in Deutschland „ein Unternehmen zum Mittelstand, wenn es weniger als 500 Mitarbeiter beschäftigt, maximal 50 Millionen Euro Jahresumsatz erwirtschaftet und sich nicht mehrheitlich im Eigentum eines Großunternehmens befindet“ (Bundes­ministerium der Finanzen, 2010a).

Das Institut für Mittelstandsforschung Bonn unterscheidet zudem beim Begriff des Mittelstandes zwischen kleinen und mittleren Unternehmen (KMU), wie die folgende Tabelle zeigt. (vgl. IfM Bonn, 2002)

Tabelle 1: KMU-Definition des IfM Bonn

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: IfM Bonn, 2002

3.2 Bedeutung des Mittelstandes in der deutschen Wirtschaft

Das Bild der deutschen Wirtschaft ist geprägt durch den Mittelstand. Mehr als 99 Prozent der Unternehmen sind dem Mittelstand zuzurechnen, denen mehr als 78 Prozent der sozial­versicherungspflichtig Beschäftigten angehören. Das entspricht etwa 21 Millionen Arbeitnehmern. Allerdings erreichen Investitionen und Umsatz des Mittelstandes nicht einmal die Hälfte der gesamt­wirtschaftlichen Leistung in Deutschland. Großunternehmen besitzen den Vorteil, mehr Kapital einsetzen und eine höhere Produktivitätsrate vorweisen zu können. (vgl. Bundesministerium der Finanzen, 2010a)

Der Mittelstand besitzt als Hauptarbeitgeber in der deutschen Wirtschaft eine große Bedeutung. „KMU sorgen in ihrer Vielfalt für wirtschaftliche Stabilität und sind integraler Bestandteil einer ausgewogenen Unternehmensgrößenstruktur, die den Strukturwandel erleichtert, Innovationen fördert und damit letztlich zu mehr Wachstum und Wohlstand in einer Ökonomie beiträgt“ (Mittelstandsmonitor, 2010, Vorwort). Im folgenden Kapitel wird jedoch deutlich, dass Ereignisse wie die jüngste Finanz- und Wirtschaftskrise auch am Mittelstand nicht spurlos vorbei gehen.

4 Zeitliche Entwicklung der Kurzarbeit aus Sicht des Mittelstandes

In diesem Kapitel wird zunächst die zeitliche Entwicklung der Kurzarbeit von der Entstehung des Instrumentes bis hin zu dessen Nutzung in der heutigen Zeit betrachtet. Es folgt eine ausführliche Analyse der Inanspruchnahme von Kurzarbeiter­geld in der jüngsten Finanz- und Wirtschaftskrise, insbesondere aus Sicht des Mittel­standes.

4.1 Die historische Entwicklung der Kurzarbeit

Die Ur-Form des Instrumentes Kurzarbeit geht bis in die Zeit des deutschen Kaiser­reiches zurück, in der es vor allem für große Industriebetriebe und den Bergbau genutzt wurde. Das Tabaksteuergesetz von 1909 und das Kali-Gesetz von 1910 sind die gesetzlichen Vorläufer und regelten den Ausgleich des Arbeits- und Verdienst­ausfalls in der Tabakverarbeitung, im Kalibergbau und in der Dünge­mittel­industrie. Die Arbeiter bekamen Kurzarbeiterfürsorge für Arbeitsausfälle, welche aus Anhebungen von Zöllen und Steuern oder vorübergehenden Stilllegungen von Werken aufgrund von Produktions­quoten resultierten. (vgl. Bundesagentur für Arbeit, 2010a; Holzmayer, 1989, S. 9 ff.)

Nach Beendigung des Krieges wurde Kurzarbeit erstmals branchen­übergreifend im Deutschen Reich in die staatliche Arbeitslosen­unterstützung aufgenommen. (vgl. Brenke, Rinne & Zimmermann, 2010, S. 2)

Zum ersten massenhaften Einsatz von Kurzarbeit kam es zu Zeiten der Hyperinflation von 1923 in der Weimarer Republik. Ein Viertel der arbeitenden Bevölkerung war zu dieser Zeit von Kurzarbeit betroffen. Die bis dato gültigen Regelungen mussten verbessert werden. Mit der Verordnung über die Erwerbslosenunterstützung von 1924 wurde die Kurzarbeiterunterstützung eingeführt. Diese Verordnung und das spätere Gesetz über Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung (AVAVG) von 1927 waren die Basis für die Regelungen des Kurzarbeitergeldes in der Form, wie wir sie heute kennen. (vgl. Brenke, Rinne & Zimmermann, 2010, S. 4; Bundesagentur für Arbeit, 2010a)

Während der beiden Weltkriege trat die Förderung der individuellen Belange des einzelnen Arbeitgebers, das heißt die sozialpolitischen Motive der Kurzarbeit, in den Hinter­grund. Das Instrument Kurzarbeit diente der betriebsfördernden Belegschafts­erhaltung aus kriegswirtschaftlichen Motiven. Die Flucht der Arbeiter in die unterstützte Voll­arbeits­losigkeit sollte vermieden werden. Das Interesse und die Bereitschaft zur Weiterleistung der Arbeit in kriegswirtschaftlich wichtigen Industriezweigen beziehungs­weise die Wiederaufnahme der Arbeit für den Wiederaufbau der deutschen Volks­wirtschaft nach den Kriegen sollten gestärkt werden. (vgl. Holzmayer, 1989, S. 20 ff., 56)

Um die in der Nachkriegszeit entstandene Rechtssplitterung der Kurzarbeit zu beenden, gab es 1957 eine umfassende Reform des AVAVG. Die Unterstützung wird seitdem Kurzarbeitergeld genannt und bundeseinheitlich geregelt. (vgl. Holzmayer, 1989, S. 61)

Als Mitte der sechziger Jahre die ersten Wirtschaftskrisen der Nachkriegszeit Deutschland trafen und die Zeiten des deutschen Wirtschaftswunders mit Wachstum und teilweiser Vollbeschäftigung ablösten, erfuhr Kurzarbeit eine breite Akzeptanz als Instrument zur Steuerung des Arbeitsmarktes. Gebraucht wurde ein arbeitsmarkt­politisches Instrument, welches notwendige Strukturanpassungen der Wirtschaft ermöglichte und die ersten Wirtschaftskrisen in der Bundesrepublik sozialverträglich überbrückte. Darum löste 1969 das Arbeitsförderungsgesetz (AFG) das bis dahin gültige Gesetz über Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung ab. Dieser Wechsel war auch eine Abkehr von den liberalistischen Vorstellungen von Arbeitslosigkeit des 19. Jahrhunderts, wonach sie als gegebenes Naturereignis hinzunehmen sei, hin zu Vorstellungen einer sozialen Marktwirtschaft. (vgl. Bundesagentur für Arbeit, 2010a; Holzmayer, 1989, S. 74, in Anlehnung an Siegers, 1972, S. 841 f.)

Den bis dahin bedeutendsten historischen Einsatz erfuhr die Kurzarbeit zu Zeiten der Deutschen Wende, nachdem Mitte der siebziger und in der ersten Hälfte der achtziger Jahre Kurzarbeit zur Überbrückung der beiden Ölpreiskrisen genutzt wurde. Als nach der deutschen Einheit Anfang der neunziger Jahre weite Teile der Produktion auf dem Gebiet der Deutschen Demokratischen Republik einbrachen, wurde Kurzarbeit nicht als ein Instrument für einen vorübergehenden Arbeitsausfall eingesetzt, sondern als Linderung für die Anpassungs­prozesse auf dem Arbeitsmarkt. Sie sollte als eine Art erste Hilfe solange den wirtschaftlichen Umbruch abfedern, bis die Wirtschaft und die angestrebte Privatisierung in den neuen Bundesländern auf eigenen Beinen stand und bis andere arbeitsmarkt­politische Instrumente wie Arbeitsbeschaffungs-, Weiter­bildungs- und Umschulungs­maßnahmen griffen. (vgl. Brenke, Rinne & Zimmermann, 2010, S. 4 f.)

Bereits kurze Zeit nach Einführung der Kurzarbeitergeld-Regelung in den neuen Bundesländern nahmen 1,7 Millionen Kurzarbeiter diese Unterstützung in Anspruch. Der Höchststand wurde schließlich im April 1991 mit über 2 Millionen Empfängern erreicht. In der bisherigen Geschichte der Kurzarbeit waren diese Zahlen beispiellos (siehe Abbildung 3). (vgl. Völkel, 1992, S. 2)

Abbildung 3: Entwicklung der Leistungsempfänger von Kurzarbeitergeld in Deutschland

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: Bundesagentur für Arbeit - Statistik, 2010

In der Vergangenheit war Kurzarbeit ein Instrument der Großindustrie, welches vor allem in Krisenzeiten eingesetzt wurde. Prinzipiell kann man von einer unter­nehmerischen Flexibilität durch Kurzarbeit sprechen, da sie sich auf die Anpassungs­fähigkeit des Arbeitsmarktes an veränderte wirtschaftliche Bedingungen bezieht. Allerdings standen nicht die individuellen Belange der Arbeitgeber und –nehmer im Vordergrund, sondern übergeordnete, volks­wirtschaftliche Motive. Kurzarbeit wurde genutzt, um Regionen zu stabilisieren, wirtschaftliche Umbrüche abzufedern und wichtige Wirtschafts­zweige aufrecht zu erhalten. Der Mittelstand spielte dabei keine Rolle.

4.2 Entwicklung und Inanspruchnahme von Kurzarbeitergeld in der jüngsten Finanz- und Wirtschaftskrise

Den letzten großen Einsatz erlebte das Instrument Kurzarbeit in der jüngsten Finanz- und Wirtschaftskrise. Als Reaktion auf diese Krise beschloss die Bundes­regierung verschiedene Maßnahmenpakete und Gesetzesänderungen bezüglich Kurzarbeit. D ie Zugangsvoraussetzungen zum Bezug von Kurzarbeitergeld wurden vereinfacht und die Regelungen insgesamt attraktiver für Unternehmen gestaltet. So wurden zum Beispiel in den Konjunkturpaketen I und II sowie der Maßnahme „Kurz­arbeitergeld plus“ schrittweise die Bezugsfristen des Kurzarbeitergeldes verlängert und umfangreiche Erstattungsregelungen der Sozialversicherungsbeiträge eingeführt (siehe Kapitel 2.2). Das Ziel solcher Maßnahmen war es, die Konjunktur wieder zu stärken und Arbeitsplätze zu sichern. (vgl. Bundesagentur für Arbeit, 2010b; Bundesministerium der Finanzen, 2008, 2009; Bundesministerium für Arbeit und Soziales, 2010a, S. 1, 5 )

Zudem versuchte der Gesetzgeber mittels dieser Regelungen das Instrument Kurzarbeit vor allem für mittelständische Unternehmen attraktiver zu gestalten. Eine Schätzung für die Wahrscheinlichkeit von Kurzarbeit des Institutes für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung ergab, dass sich mit der Betriebsgröße die Wahrscheinlichkeit für Kurzarbeit erhöht. Große Unternehmen besitzen gegenüber kleineren meist andere und höhere Flexibilisierungspotenziale, die sie zudem häufig leichter organisieren können. Die folgende Analyse der Inanspruchnahme von Kurzarbeit zeigt, dass vermehrt mittelständische Unternehmen dieses Arbeitsmarktinstrument in der jüngsten Krise einsetzten. (vgl. Crimmann & Wießner, 2009, S. 7)

In Tabelle 2 werden die Kurzarbeiterzahlen nach § 170 SGB III sowie deren Aufteilung nach Betriebsgröße von Januar 2008 bis Juni 2010 aufgeführt.[1] Die genannte Zeitspanne dokumentiert die Entwicklung der Kurzarbeit während der jüngsten Finanz- und Wirtschaftskrise. Ab Oktober 2008 stieg die Anzahl der Kurzarbeiter stark an und erfuhr ihren Höhepunkt im Mai 2009, als über 1,4 Millionen Menschen Kurzarbeitergeld empfingen. Anschließend fielen die Zahlen wieder, allerdings langsamer als sie vorher angestiegen waren. Den aktuellsten endgültigen Daten (von Dezember 2010) der Statistikabteilung der Bundesagentur für Arbeit zufolge, gab es im Juni 2010 noch rund 390.000 Kurz­arbeiter.

Tabelle 2: Kurzarbeiter nach Betriebsgröße (für § 170 SGB III)

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: Bundesagentur für Arbeit - Statistik, 2011 (siehe Anhang 1)

In Abbildung 4 ist die prozentuale Aufteilung der Kurzarbeiter auf Mittel­stand und Groß­unternehmen beziehungsweise Unternehmen mit 500 und mehr Beschäftigten dargestellt. Der Mittelstand beschäftigt konstant mehr Kurzarbeiter als Groß­unternehmen. Vor dem Anstieg der Kurz­arbeiter­zahlen im Oktober 2008 im Durch­schnitt sogar 90 Prozent. Mit dem Eintreffen der Krise auf dem deutschen Arbeitsmarkt veränderte sich das Verhältnis zwischen Mittelstand und Groß­unternehmen. Kurzarbeiter waren vermehrt den Großunternehmen zu­zuordnen. Der Spitzenwert für Groß­unternehmen belief sich im Februar 2009 auf circa 45 Prozent. Ab diesem Zeitpunkt näherte sich das Verhältnis wieder langsam den Werten von vor der Krise, erreichte diese allerdings noch nicht.

Abbildung 4: Prozentuale Aufteilung der Kurzarbeiter auf Mittelstand und Betrieben mit mehr als 500 Beschäftigten

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Eine solche Anzahl von Kurzarbeitenden wie im Mai 2009 ist bis zum heutigen Zeit­punkt nur zu vergleichen mit den Kurzarbeiterzahlen zu Zeiten der Deutschen Wieder­vereinigung (siehe Abbildung 3). Der Unterschied zu vergangenen Einsätzen des Instrumentes Kurzarbeit besteht darin, dass nun viel mehr Betriebe die Unterstützung durch die Bundes­agentur für Arbeit beantragten und die durchschnittliche Zahl von Kurzarbeitern pro Betrieb vergleichsweise gering war (vgl. Brenke, Rinne & Zimmermann, 2010, S. 5). Das lässt darauf schließen, dass viele Kleinbetriebe zum Instrument Kurzarbeit griffen.

Um diese Aussage zu stützen wird nun betrachtet, wie viele Betriebe in dem genannten Zeitraum nach § 170 SGB III kurz­arbeiten ließen und wie deren Aufteilung auf Mittelstand und Großunternehmen war. Tabelle 3 zeigt diese Aufteilung in absoluten Zahlen, Abbildung 5 in Prozent.

Mit dem Anstieg der Kurzarbeiterzahlen stiegen auch die Zahlen der kurzarbeitenden Betriebe. Im Juli 2009 nutzten über 60.000 Unternehmen die Flexibilisierungs­maßnahme, der absolute Spitzenwert in der jüngsten Krise. Von diesen Unternehmen waren circa 98 Prozent dem Mittelstand zuzuordnen. Wie in Abbildung 5 zu sehen ist, kamen dauerhaft weit über 90 Prozent der kurzarbeitenden Betriebe aus dem Mittelstand. Der höchste prozentuale Anteil der Großunternehmen lag im Juni 2009 bei lediglich circa 3 Prozent.

[...]


[1] Die Tabellen in diesem Unterkapitel sind Ausschnitte einer Statistik, welche von der Statistik­abteilung der Bundesagentur für Arbeit zusammengestellt wurde. Die Abbildungen basieren auf den Werten dieser Tabellen. Die vollständigen Daten befinden sich im Anhang.

Details

Seiten
Erscheinungsform
Erstausgabe
Jahr
2011
ISBN (PDF)
9783955498788
ISBN (Paperback)
9783955493783
Dateigröße
1 MB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Georg-August-Universität Göttingen
Erscheinungsdatum
2015 (Februar)
Note
2,7
Schlagworte
Arbeitsmarktpolitik Kurzarbeitergeld arbeitsmarktpolitisches Instrument Finanzkrise Wirtschaftskrise

Autor

Daniel Franz, B.Sc., wurde 1987 in Wiesbaden geboren. Sein Bachelorstudium der Betriebswirtschaftslehre an der Georg-August-Universität in Göttingen schloss der Autor im Jahre 2011 erfolgreich ab. Zum Zeitpunkt der Veröffentlichung seines Buches absolvierte der Autor sein betriebswirtschaftliches Masterstudium an der Universität zu Köln mit dem Schwerpunkt „Accounting and Taxation“.
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