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Kirchgemeinde im Sozialraum: Voraussetzungen für professionelle Gemeindediakonie

©2012 Masterarbeit 72 Seiten

Zusammenfassung

Die vorliegende Arbeit thematisiert die Schwierigkeit gemeindediakonischen Handelns innerhalb der Kirchgemeinden, welche mit Menschen in Kontakt treten und die Möglichkeit besitzen, über ihre Kirchgemeindegrenzen hinaus in den Sozialraum als Treffpunkt und als Mitgestalter und Aktivator zu wirken. Im Zentrum des Interesses stehen hierbei das Verhältnis von „Kirchgemeinde“ und „Sozialraum“ und die Rolle der „Gemeindediakonie“ und der Versuch, eine Einordnung der unterschiedlichen Verständnisse vorzunehmen. Dies erfolgt unter Berücksichtigung der Frage, wie die Kirchgemeinde professionell im Sozialraum agieren kann, und wird von der Intention geleitet zu überlegen, wie ein derartiges gemeindediakonisches Engagement professionell gestaltet werden kann.
Dabei wird jedoch keinesfalls der Anspruch erhoben, einen abschließenden Konzeptentwurf von (professioneller) Gemeindediakonie bzw. kirchgemeindlichen Engagements aufzustellen, sondern es soll im Gegenteil dazu angerregt werden, bisherige gemeindediakonische Aktivitäten als solche zu erkennen, zu würdigen und im Blick auf den Sozialraum weiter zu hinterfragen, was darüber hinaus von der Kirchgemeinde geleistet werden kann.

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


2. Die Rolle der Gemeindediakonie

Im nachfolgenden Kapitel wird die Rolle der Gemeindediakonie im Verhältnis von Kirchgemeinde zum Sozialraum beleuchtet. Dabei wird im ersten Schritt die soziologisch-systemtheoretische Betrachtung von Diakonie dargestellt und im zweiten Schritt das Verständnis von Diakonie nach J.H.Wichern.[1] In der darauf folgenden Betrachtung werden weitere Konzeptionen bzw. Schwerpunkte der Gemeindediakonie dar- und Kernfragen für gemeindediakonische Aktivitäten der Kirchgemeinde aufgestellt.

2.1 Diakonie in der Gesellschaft

Eine Einordnung der Diakonie erfolgt über die soziologische Systemtheorie von N.Luhmann,[2] welche hier in Anlehnung an H.Haslinger nicht in ihrer Gänze ausgeführt wird, sondern vielmehr der Fokus darauf liegt, „[…] aufzuzeigen, wie die Diakonie in der Gesellschaft verortet ist, wie Diakonie in der Gesellschaft ‚funktioniert‘.“[3]

Grundlage ist die Beschreibung der Theorie sozialer Systeme[4] ausgehend von „der Welt“:

„Die Welt ist die Gesamtheit der Wirklichkeiten, es gibt kein ‚außen‘ der Welt, nichts mehr ‚hinter‘ der Welt. […] Die Welt ist ‚die Gesamtheit der möglichen Ereignisse‘. Als solche beinhaltet die Welt immer mehr Möglichkeiten des Geschehens, des Erlebens und Handelns, als ein Teilbereich der Welt, d.h. eine bestimmte Gesellschaft, für sich realisieren kann.“[5]

Die „Welt“ ist so komplex, dass Menschen sie nur ausschnittweise beschreiben können, sie sich also nur ihre Wirklichkeit von Welt konstruieren können. Diese Konstruktionen der Wirklichkeit durch die Bildung von verstehbaren Beschreibungen nennt N.Luhmann Reduktion der Wirklichkeit:

„Die unbestimmte Komplexität der Welt (uK) wird reduziert auf die bestimmte oder eben reduzierte Komplexität (r/bK) eines Systems. Ein System nimmt nun aber die Reduktion von Komplexität nicht beliebig vor, sondern so, dass sie ‚sinnvoll‘ ist, d.h. dass sich das System dadurch konstituieren und stabilisieren kann.“[6]

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 1: Systemtheorie nach N.Luhmann

Systeme grenzen sich durch ihre reduzierte Komplexität ab, wobei das „Außerhalb“ von Systemen deren Umwelt (U) darstellt. Diese Systeme bzw. Gesamtsysteme (S/Gs) sind gleichbedeutend mit der jeweiligen Gesellschaft. Sie „[…] umfassen den gesamten Bereich, in dem Menschen grundsätzlich mit anderen Menschen in Kommunikation treten und sich in ihrem Zusammenleben aufeinander beziehen können […].“[7] Dabei ist es nicht nötig, dass die Angehörigen eines Systems sich als zum System dazugehörig wahrnehmen und wirklich in Kontakt treten – die Möglichkeit dazu ist aber gegeben. Die direkte Kommunikation von Mensch zu Mensch wird als Interaktion bezeichnet.

Die Komplexität der Wirklichkeit und die damit verbundene Vielzahl an Deutungsmöglichkeiten bringt eine Differenzierung innerhalb des Gesellschaftssystems hervor, es „[…] entstehen Teilsysteme (Ts) und – weil sich die interne Differenzierung auf weiteren Ebenen fortsetzt – Teilsysteme von Teilsystemen (Ts²). Wichtige Teilsysteme sind z.B. Wirtschaft, Politik, Justiz, Religion, Wissenschaft; Industriebranchen oder Parteien bilden entsprechende Teilsysteme nachrangiger Ordnung.“[8]

Die spezifischen Wirklichkeitsreduktionen in den Ts ermöglichen eine Stabilisierung des S/Gs, was die Funktion der Teilsysteme für das Gesamtsystem beschreibt. N.Luhmann bezeichnet diesen Differenzierungsprozess als funktionale Differenzierung. Die Interaktion zweier Teilsysteme wiederum wird als deren Leistung bezeichnet und der Binnenbezug erfolgt durch Reflexion.[9]

Die Funktion der Religion als eines der Teilsysteme innerhalb der Gesamtgesellschaft beschreibt N.Luhmann in der Aufgabe der Kontingenzbewältigung (Kb). Unter Kontingenz ist die große Vielfalt der möglichen Wirklichkeitsbeschreibungen bzw. reduzierten Komplexitäten zu verstehen. Alles scheint möglich zu sein und ist gleichzeitig doch wieder unvollständig. Der Religion kommt dabei die Funktion zu, als wertegestütztes Korrektiv einer Beliebigkeit der Reduktionen entgegenzuwirken. „Anders gesagt: Es bedarf der stabilisierenden Übereinkunft, dass die systemspezifischen Möglichkeiten des Geschehens und Handelns gleichsam ‚ihre Richtigkeit‘ haben. Das ist […] der systemstabilisierende Beitrag der Religion.“[10]

Dabei stellt die Religion nur eines von verschiedenen Teilsystemen dar, was zur Folge hat, dass sie sich mit anderen Teilsystemen (z.B. Wirtschaft, Bildungswesen) in Beziehung setzen muss, „[…] indem sie in Gestalt der Organisation Kirche für diese eine Leistung erbringt. Diese Leistung kann gemäß der Logik der Luhmannschen Theorie nicht identisch sein mit der Funktion der Religion, da sich ja die Funktion auf das Gesamtsystem, die Leistung hingegen auf Teilsysteme bezieht.“[11] N.Luhmann definiert die Leistung der Religion in der Form der Diakonie.[12] G.K.Schäfer ergänzt, dass Leistungen für personale Systeme mit Seelsorge bezeichnet werden.[13] Die Theologie ist dabei der Binnenbezug der Religion, also deren Reflexion.[14]

Die Diakonie kann gleichsam als eine Brücke zwischen den verschiedenen Teilsystemen angesehen werden. Durch sie tritt das Teilsystem Religion mit den anderen Teilsystemen in Interaktion. Dieses Verständnis birgt aber die Frage nach einer Fremdnormierung mit sich,[15] da die „[…]‚Diakonie‘ darauf angewiesen ist, daß [sic] ihre Leistungen von anderen Teilsystemen akzeptiert werden, unterliegt sie dem Zwang, sich den Erwartungen und Normen der Empfängersysteme unterzuordnen.“[16] G.K.Schäfer sieht sogar die Gefahr, dass die Kirche durch die Diakonie „[…] über den immer größer werdenden Relevanzverlust der religiösen Funktion hinwegtäusche.“[17] [18]

2.2 J.H.Wicherns Gutachten über den Diakonat

In seinem Gutachten zum Diakonat stellte J.H.Wichern 1848 ein eigenes Verständnis bzw. Konzept der gemeindediakonischen Verantwortung der Kirche auf. Dabei betont er u.a., dass das Diakonat ein gleichberechtigter Teil des (einen) Amtes der Kirche ist und neben dem verkündigenden Priesteramt eine Verortung in den Kirchgemeinden haben muss.[19]

2.2.1 Grundgedanken

Ausgangspunkt für J.H.Wichern ist das Reich Gottes, verstanden als die rettende Liebe durch Jesu Christi.[20] Der Reich-Gottes-Gedanke bildet den „[…] fundamentalen Begründungs- und Normierungszusammenhang christlich-kirchlicher Gestaltung und christlichen Handelns […].“[21] Im Anteil am bzw. im Auftrag zur Ausbreitung des Reiches Gottes auf Erden begründet J.H.Wichern den Auftrag kirchlicher Arbeit oder besser eines jeden Christen zur „[…] Durchdringung aller Lebensbereiche mit den Prinzipien und Kräften des Reiches Gottes, mithin mit Gerechtigkeit und Frieden, Liebe und Wahrheit.“[22]

Dabei geht J.H.Wichern von einem konfessionsübergreifenden demokratischen Verständnis von Kirche aus und legt Wert auf die „[…] Belebung der Parochialgemeinden durch die Bildung kleiner Gemeinschaften ernster Christen […]“,[23] welche sich in Hauskreisen oder Interessengruppen (und später Vereinen) organisieren – zusammengefasst unter der Formel des allgemeinen Priestertums, welches nicht zu verwechseln ist mit dem Priester amt.[24]

Diakonie teilt sich seinem Verständnis nach in die freie, kirchliche und die bürgerlich-staatliche Diakonie auf:

Die freie Diakonie umfasst dabei die individuelle Aufgabe eines jeden Menschen[25] „[…] in spontaner Nächstenliebe […]“[26] im eigenen Umfeld zu wirken. Diese Dimension stellt die ursprünglichste dar. Leitendes Prinzip ist dabei die Selbsthilfe innerhalb der primären Bezugsgruppen.[27]

Unter kirchlicher Diakonie versteht er dabei jegliche durch und in kirchlichen Institutionen organisierte und initiierte Arbeit. Nach E.Eidt hat diese Dimension ihren Ursprung in der gottesdienstlichen Gemeinschaft mit Fürbitte, Abendmahl, Seelsorge und Sammlungen für Bedürftige.[28]

Die bürgerliche Diakonie umfasst die staatlich gesteuerte Sozialen Arbeit. Das bedeutet für J.H.Wichern vor allem „[…] durch eine aktive Wirtschafts- und Sozialpolitik die Entstehung von Armut zu vermeiden und strukturell, will heißen, gesamtwirtschaftlich und politisch bedingte Notstände zu minimieren und aufzuheben.“[29] Nach R.Zitt wirkt in dieser Dimension die Diakonie vor allem als Freier Wohlfahrtsverband „[…] im Rahmen des Solidaritätsprinzips als Anwaltschaft zugunsten von Menschenwürde, sozialer Gerechtigkeit, Freiheit und Mündigkeit sowie auch für strukturelle Reformen und Gesetze.“[30]

Eine andere Systematik – der Diakone beschrieben durch konzentrische Kreise – fasst E.Eidt zusammen:

„Die ursprünglichste Form der Diakonie, die in Wicherns Bild den innersten Kreis bildet, ist die wechselseitige Fürsorge und Verantwortung zwischen Menschen. […] Der Kern der christlichen Diakonie, die den mittleren Kreis bildet, findet sich in der christlichen Gemeinde, innerhalb derer die diakonische Zuwendung sich als Wechselspiel zwischen ‚Diakonieempfängern‘ und ‚Diakonieanbietern‘ gestaltet. Nach außen, auf den Außenkreis seines Modells gerichtet, gründet sich Gott auch im Leben der Völker einen neuen Haushalt. Die Regierungen sind hier als Diakone Gottes und ihrer Völker gedacht.“[31]

Als allgemein strukturgebend für Diakonie kristallisiert sich bei J.H.Wichern das Konzept des Diakonats heraus.[32] Der Diakonat bildet neben dem Priesteramt die zweite Dimension des Apostolats, dem Auftrag der Kirche und kann somit als das Diakonen amt verstanden werden,[33] welches sich in Anlehnung an das Priesteramt auf verschiedene Ebenen aufgliedert „[…] vom Gemeindediakonat bis hin zum Kirchen- oder Archidiakonat.“[34] J.H.Wichern plädiert damit für ein Amt des „Diakons“, „[…] ohne deshalb aber die Diakonie als Aufgabe und Ausdruck des allgemeinen Priestertums zu verkürzen.“[35]

Dem Diakonat gibt J.H.Wichern neben der Versorgung der Armen auch die Aufgabe, für ein Bewusstsein zur Diakonie innerhalb der Kirchgemeinde und für gerechte Teilhabechancen innerhalb des Sozialraums zu sorgen.[36] Demnach ist der Diakonat nicht auf innergemeindliche Diakonie begrenzt, sondern immer auch nach außen gerichtet.[37] Das verkündigende Moment des Amtes der Kirche ist dabei aber auch im diakonischen Amt vertreten, genauso wie die Verkündigung des Evangeliums auch zur bürgerschaftlichen Diakonie gehört.

Das Diakonatskonzept zusammenfassend beschreibt G.K.Schäfer:

„In bezug [sic] auf den Staat schreibt Wichern der Kirche vor allem eine anwaltschaftliche Funktion zu. Sie soll die Interessen der Armen gegenüber dem Staat vertreten und gleichsam als Sprachrohr der Armen Einfluß [sic] auf die Gesetzgebung nehmen. […] Im Blick auf die freie Diakonie kommt dem Diakonat in seinen verschiedenen Stufen Wicherns Auffassung nach die Aufgabe zu, freie Initiativen zu stützen und zu koordinieren, die Geister der vielfältigen Bestrebungen zu unterscheiden und der Gefahr einer ‚Herrschaft des spielenden und würfelnden Dilettantismus‘ im Bereich der freien Liebesarbeit durch die Ausbildung sozialer Fachkompetenz und die systematische Aufbereitung von Informationen zu begegnen.“[38]

2.2.2 Wirkungsgeschichte

Ausgehend vom Diakonatskonzept J.H.Wicherns haben sich drei verschiedene Grundverständnisse herauskristallisiert und weiterentwickelt.

Wichern I beschreibt dabei die Entwicklung diakonischer Vereine bis hin zum verfassten Diakonischen Werk der EKD. Die Kirche scheint mit ihren Hierarchien und Schwerpunktsetzungen nicht immer förderlich für kleine (diakonische) Initiativen zu sein, sodass J.H.Wichern „[…] versucht, im Vereinsgedanken die Befreiung des allgemeinen Priestertums aus den durch kirchliche Satzungen, die Parochie und das Pfarramt gesetzten Grenzen zu deklinieren.“[39] Mit dem Vereinsgedanken versucht J.H.Wichern zudem die Vielzahl an kleinen und wenig koordinierten Initiativen zu bündeln und somit eine Vernetzungsstruktur zur gegenseitigen Unterstützung aufzubauen.[40] Nach G.K.Schäfer entwickelt sich das Vereinswesen zur primären Organisationform des sozialen Protestantismus.[41] Die Folge dieser Entwicklung war zweierlei: Zum einen kam es zu einer Professionalisierung und Ausdifferenzierung der diakonischen Aktivitäten, was im Blick auf die sich ausdifferenzierenden Bedarfe nicht verwunderlich ist,[42] und zum anderen entstand eine Nebenstruktur von verfasster Kirche und verfasster Diakonie. U.Kleinert beschreibt in dieser Entwicklung das Problem der Schwerpunktsetzung angesichts der sich verändernden Ressourcen:

„[…] als das Geld knapper war oder wurde, entschied man sich aus theologischen Gründen dafür, (möglichst) jeder Gemeinde einen Pfarrer/eine Pfarrerin zu belassen, Organisten und Katecheten/Religionspädagogen notfalls mehreren Gemeinden zuzuordnen, Sozialdiakone aber […] auf der Kirchenkreisebene anzusiedeln, das heißt, für sie weniger Stellen vorzusehen. Das widerspricht zwar Wicherns Konzept des Gemeindediakonats, entspricht aber der lutherischen Dogmatik, nach der Wortverkündigung über alles geht.“[43]

Die Doppelstrukturen mit ihren je eigenen Stärken, Schwächen, Ansatz- und Schwerpunkten bieten demnach die Gefahr, dass die Einheit von Verkündigung und Diakonie, von Wort und Tat, innerhalb jeder Kirchgemeinde aus dem Blick gerät. So spricht z.B. G.K.Schäfer von einer Entfremdung zwischen der anerkannten und hochprofessionellen Diakonie und der Kirchgemeinde, „[…] in deren Praxis die soziale Verantwortung verkümmert ist bzw. der die Diakonie abhanden gekommen ist.“[44]

Wichern II: Nach 1945 kritisiert E.Gerstenmaier den zu starken Bezug auf den Einzelfall.[45] Dem stellt er die Notwendigkeit entgegen, „[…] charitatives [sic] Handeln dort, wo es notwendig ist, zu einem sozialen, politisch verantworteten Handeln zu machen.“[46] Der Fokus erweitert sich vom Einzelfall auf den Sozialraum. Die bürgerlich-staatliche Diakonie muss Unterstützung erfahren, zumal die Gesellschaft große Wandlungen seit der Zeit J.H.Wicherns erlebt hat. Der vormals christliche Staat ist nunmehr ein weltanschaulich neutraler und säkularer Staat geworden. Die Folge davon fasst E.Eidt zusammen:

„[…] es muss geklärt werden, wo möglicherweise ein evangelisches Wächteramt als Gegenüber zu Staat und Gesellschaft einzusetzen hat oder wo christliche Nächstenliebe weit über sozialstaatlich verordnete Verantwortung hinausgehen muss. Diese Herausforderung stellt sich in einer funktional differenzierten Gesellschaft in zugespitzter Form dann, wenn das Wirtschaftssystem alle anderen Subsysteme mit einer Steuerungslogik dominiert und die Gestaltungskraft der Politik durch ihre Selbstbegrenzung auf Fragen des Machterhalts erheblich an Glaubwürdigkeit verloren hat.“[47]

Mit Wichern III brachte T.Strohm 1998 eine weitere Blickrichtung zur Diskussion. Dabei legt er den Fokus auf die freie und spontane Diakonie, „[…] die sich heute in den modernen Formen freiwilligen sozialen Engagements manifestiert […].“[48] Seine Kritik richtet sich an die „[…] Reaktions- und Lückenbüßerfunktionen […]“[49] der Sozialen Arbeit und dem Fehlen von langfristigen, zielgruppenabhängigen und sozialräumlich orientierten Strategien.[50] Eine solche umfassende Soziale Arbeit kann seiner Meinung nach nicht (nur) von professionellen Sozialarbeitern geleistet werden, sondern bedarf einer Vielzahl an angeleiteten Ehrenamtlichen und (unterstützten) eigenständigen Initiativen.

Wichern III zusammengefasst bedeutet:

„Es geht um Selbsthilfepotenziale, neue Zusammenschlüsse und Initiativen […] um bürgerschaftliches Engagement, Berücksichtigung von lebensweltlichen Kontexten und Förderung sozialer Kompetenz, d.h. angestrebt werden neue Bündnisse und Vernetzungen. Das schließt Verzicht auf kirchliche Bevormundung, die Förderung persönlicher Verantwortung und die kritische Partnerschaft mit dem Staat sowie die Kooperation mit allen, die guten Willens sind, mit ein.“[51]

Zwischenresümee

N.Luhmann und J.H.Wichern wählen unterschiedliche Ansatzpunkte um die Rolle bzw. Funktion von Diakonie zu beschreiben:

Der Systemtheorie geht es um eine Interaktion zwischen dem Religionssystem zu anderen gesellschaftlichen Teilsystemen. Die Aufgabe der Diakonie besteht darin, als auf (christlichen) Werten basierendes Korrektiv soziale und strukturelle Problemlagen in anderen Teilsystemen zu bearbeiten und anzumahnen. Dabei kann die Religion „[…] aber nicht den Anspruch erheben […] mit seiner Diakonie in andere Teilsysteme, z.B. Wirtschaft, Medien oder Politik, verändernd einzuwirken, […]“[52] sondern kann lediglich Hilfe am Einzelfall bieten und auf eine Veränderung der Struktur hinweisen. Diese muss durch das jeweilige System selbst erfolgen.

Der Ausgangspunkt ist bei J.H.Wichern dagegen im gegenseitigen Dienst innerhalb der Kirchgemeinde und darüber hinaus zwischen Kirche und ihrem Sozialraum. Diakonie wird hierbei als eine Art selbstverständliche und gegenseitige Fürsorge bzw. Hilfe verstanden. Durch E.Gerstenmaiers Postulat des Wichern II bekommt die Diakonie auch hier eine mahnende und korrigierende Funktion.

Beiden ist aber das Verständnis gleich, dass diakonisches Handeln eine Brücke von Kirche und ihrer Umwelt oder konkreter zwischen Christen und ihren Mitmenschen und ihrem Sozialraum darstellt und nicht nur innergemeindlich ausgerichtet ist.

2.3 Gemeindediakonie als Brücke zwischen Kirchgemeinde und Sozialraum

2.3.1 Überblick über weitere Konzeptionen von Gemeindediakonie

Neben den Diakonieverständnissen von J.H.Wichern und N.Luhmann stellt H.Steinkamp drei Typen von Kirchgemeinden vor:

Der erste Typus ist die volkskirchliche Pfarrei.[53] Sie ist geprägt von einer Betonung der Verkündigung und Liturgie. Diakonisches Handeln äußert sich v.a. durch Sammlungen – H.Steinkamp spricht von einer „Loskauf-Mentalität“[54] – und in der „[…] Rekrutierung ehrenamtlicher Mitarbeiter für die verbandlich organisierte Diakonie/ Caritas […].“[55]

In der aktiven Kirchgemeinde sieht er einen zweiten Typus.[56] Dieser äußert sich in einer starken Orientierung an den Bedürfnissen und Interessen der Gemeindeglieder. „Die Gemeindeleitung fungiert als Aktivitätszentrum, als Forum organisatorischer Planung und Entscheidung. […] Gemeinde erscheint als ‚Markt der Möglichkeiten‘; alles ist auf Aktivierung und Aktivitäten angelegt.“[57] Eine dieser Aktivitäten ist die Gemeindediakonie. Die Einordnung zwischen andere Kreise und Gruppen birgt das Problem in sich, dass sie nur von einem Teil der Gemeinde getragen wird und sich somit entweder neben der Gemeinde her weiterentwickelt oder aufgrund einer anderen Interessenlage aufgelöst wird.

Als dritten Typus beschreibt H.Steinkamp die Basisgemeinden:

„Für bestimmte Basisgemeinden ist kennzeichnend, daß [sic] sie an diakonischen Aktivitäten, über Diakonie sich überhaupt bilden, oder daß [sic] Diakonie eine so zentrale Funktion solcher Gemeinden ausmacht, daß [sic] durch sie ihre Identität weitgehend bestimmt wird […].“[58]

F. und C.A.Schwarz beschreiben diakonisches Handeln in der „Ekklesia“ im Gegensatz zur „Kirche“.[59] Dabei umfasst Ekklesia den Gemeinschaftsaspekt unter den Christen und den gegenseitigen Dienst aneinander. Ekklesia ist kirchgemeinde- eventuell sogar konfessionsübergreifend zu verstehen. Kirche dagegen ist die Institution der Glaubensgemeinschaft. Gemeindediakonie definiert sich als gemeinschaftsbildender und verbindender Akt „[…] über alle trennenden Unterschiede und gesellschaftlichen Segregationsmechanismen hinweg. Gemeinde stellt sich als Solidargemeinschaft und integrierte Gemeinde dar.“[60] Das Hauptaugenmerk gemeindediakonischer Arbeit liegt auf dem innergemeindlichen Dienst am Nächsten, welcher sich schwerpunktmäßig in einer integrierenden ehrenamtlichen Begleitung äußert. Die Schwäche bei diesem Ansatz liegt im Mangel an der Betrachtung des Dienstes über die Ekklesia hinaus.

M.Herbst dagegen beschreibt Gemeindediakonie als Teil des missionarischen Gemeindeaufbaus.[61] Dabei legt er Wert darauf, dass „[…] der diakonische Arbeitsbereich durch die Einbettung in den Gesamtrahmen der Gemeinde sein spezifisches Gepräge gewinnt […].“[62] Einbettung bedeutet in diesem Zusammenhang, dass es keine ausschließlich spezialisierte und professionalisierte Form der Gemeindediakonie geben soll, sondern alle Gemeindeglieder mit ihren Kompetenzen und Ressourcen Teil am Diakonat aller Gläubigen haben. „Den Experten wird im Blick auf das diakonische Handeln der Gemeinde eine dem Pfarrer analoge Rolle der Anleitung zugeschrieben.“[63] Liegt die Stärke dieses Ansatzes in der Wertschätzung der Gemeindediakonie als durch alle Gemeindemitglieder getragener Arbeitsbereich, kann der Begriff „missionarischer Gemeindeaufbau“ ein verzwecktes Verständnis der Hilfe am Nächsten als Missionierungswerkzeug suggerieren.

1986 brachte die EKD die Studie „Christsein gestalten“ in die Diskussion ein.[64] Sie betont stark den sozialräumlichen Bezug der Kirchgemeinde – der „[…] parochialen Symbiose von Christengemeinde und Bürgergemeinde […].“[65]

Die Nachbarschaft existiert kaum noch als enges Beziehungsnetz, sondern gerade in großstädtischen Wohnvierteln kommt es zunehmend zu einer Anonymisierung. Die Verortung der Kirchgemeinde als Teil der Nachbarschaft bietet dabei die Chance „[…] die latent vorhandenen Beziehungsnetze und Solidaritäten zu aktivieren und Nachbarschaft in neuer Weise als Raum der Nächstenliebe und des konkreten Christseins zu deuten und zu gestalten.“[66] Dabei liegt der Schwerpunkt auf einer kommunikativen Gemeindediakonie bspw. in Form von Besuchsdiensten, Nachbarschaftsfesten, seelsorgerlichen Gesprächen oder Bürgerinitiativen. Die Stärke dieses Konzeptes von Gemeindemitgliedern im Kontakt und Austausch mit den Menschen vor Ort liegt in der Chance als „[…] ‚Frühwarnsystem‘ für entstehende Notlagen […]“[67] zu wirken. Eine Grenze legt dabei m.E. die „Schwellenangst“. Die Institution Kirchgemeinde erreicht nicht alle Menschen vor Ort, sondern kann im Gegenteil Menschen, die negative Erfahrungen mit „Kirche“ gemacht haben, abschrecken, egal wie gut und hilfreich die Angebote sind.

G.K.Schäfer weist auf einen weiteren Aspekt der Gemeindediakonie hin, welches sich unter dem Stichwort der „Ganzheitlichkeit“ zusammenfassen lässt. Dabei beschreibt er einen Mangel an der Verbindung von diakonischer und seelisch-geistlicher Dimension von Kirche. Seiner Beobachtung nach ist Diakonie eher „[…] als beliebiges, denn als konstitutives Element der Gemeindepraxis […]“[68] vorzufinden. In seinem Verständnis, ist Gemeindediakonie aber eher als beistehendes Handeln und damit als ganzheitliche Hilfe zu verstehen, d.h. dass die Kirche sowohl „leiblich“ als auch „geistlich“ helfend wirkt.[69] Nicht nur die Beratungsstelle oder die Armenspeisung sollte im Mittelpunkt (professioneller) gemeindediakonischer Hilfe stehen, sondern ebenso das mutmachende Gespräch, das hoffnungsspendende Gebet und die befreiende Seelsorge hinzukommen.

U.Kleinert sieht vor allem die Kirchenkreissozialarbeit[70] in der Verantwortung das Bewusstsein zur Gemeindediakonie in den Gemeinden zu wecken bzw. aufrecht zu erhalten, sowie die Schulung und Begleitung von Ehrenamtlichen zu gewährleisten. Hinzu kommt, dass sie vom Staat weitestgehend unabhängige Arbeit leisten kann für die es bisher keine Finanzierung gibt, da sie ein durch Kirche bzw. DW getragener Arbeitsbereich ist.[71]

Zwei Anfragen lassen sich an diesem Ansatz stellen. Zum einen ist da die Frage nach dem Verhältnis von Kirchgemeinde(leitung) zum Kirchenbezirk. Ein unklares bzw. schwieriges Verhältnis kann dabei zu unnötigen Missverständnissen und Behinderungen der Arbeit führen. Zum anderen ist fraglich inwieweit ein regional ausgerichteter Kirchenbezirksmitarbeiter die Menschen und Kirchgemeinden in den verschiedenen Sozialräumen vor Ort aktivieren und befähigen kann, ist er doch selbst kein Teil des Sozialraumes.

Zusammenfassend ist festzustellen, dass es eine Vielzahl an Schlagworten gibt, mit denen das Verhältnis von Kirchgemeinde und Sozialraum bezeichnet werden kann, ob als „Kirche für andere“ (D.Bonhoeffer),[72] „Kirche mit anderen“ (P.Neumann),[73] „Gemeinde Gottes im armen Volk“ (J.Moltmann),[74] „Kirche bei anderen“ (U.Kleinert),[75] „Kirche in Bewegung“ (G.K.Schäfer),[76] „Kirche im Mitgehen“ (J.Degen),[77] „Kirche neben anderen“, „Kirche vor Ort“, „Kirche am Weg“ u.v.m. Letztlich geht es immer darum, dass die Kirchgemeinde eine Beziehung bzw. eine Interaktion mit ihrem Sozialraum eingeht und sich dem auch nicht entziehen kann. Sie ist im Kontakt mit Menschen und bildet eine feste Konstante im Sozialraum und kann dabei selbst als Sozialraum verstanden werden, in dem sich (bestenfalls) verschiedenen Milieus, Alter, Meinungen und Kompetenzen, aber auch Nöte und Lebensgeschichten versammeln.[78] Dabei eint die oben beschriebenen Konzeptionen, dass sie das Schwergewicht der Kirchgemeinde in der nachbarschaftlichen (freien, ehrenamtlichen, ganzheitlichen, solidargemeinschaftlichen) Gemeindediakonie sehen und Hauptamtliche als Unterstützung und zur Schulung zur Seite stehen. Der Dienst am Nächsten stellt quasi ein Ideal einer diakonischen Kirchgemeinde dar.

M.E. liegt in diesem Verständnis von Gemeindediakonie ein wesentlicher Aspekt, aber dieser beschreibt die Gemeindediakonie nur zu einem Teil. Ein anderer Aspekt klingt m.E. in dem Gedanken der Kirchenbezirkssozialarbeit und bei Wichern I an: Die Gemeindediakonie auf einer fachlich kompetenten und ausgebildeten Ebene, die von Ehrenamtlichen nur bedingt erfüllt werden kann.[79]

2.3.2 Thesen zur Gemeindediakonie

Zur Einordnung was Gemeindediakonie i.S. der vorliegenden Arbeit umfasst und was nicht, werden oben dargestellte Aspekte thetisch zusammengefasst und konturiert.

1. Gemeindediakonie ist auf die Parochie und den Menschen darin bezogen.

Der Begriff Gemeindediakonie bezeichnet das diakonische Handeln (in all seinen Dimensionen) auf der Ebene der Kirchgemeinde. Die Kirchgemeinde ist für eine bestimmte Parochie zuständig – in der Terminologie von A.Götzelmann umfasst sie die räumlich-geografische Dimension des Gemeinwesens.[80] Darüber hinaus hat sie aber auch eine soziale und individuelle Ausrichtung, in ihrer Verkündigung und ihrer Seelsorge richtet sie sich an jeden Einzelnen.

Die gesamtgesellschaftliche rechtlich-politische Dimension in einem weitgefassten territorialen Sozialraum erfüllt sich m.E. nach weniger in der Kirchgemeinde, sondern vielmehr durch ihre überregionalen Strukturen bzw. Kooperationen im Kirchenbezirk und der Landeskirche. Dies bedeutet jedoch nicht, dass die einzelne Kirchgemeinde unpolitisch ist, sondern im Gegenteil, auch sie kritisch gegenüber sozialen Ungerechtigkeiten in ihrem Umfeld agieren soll.

Dabei steht die Kirchgemeinde nicht allein den sozialen Problemlagen gegenüber, sondern zielt in der Verbindung mit anderen Gemeinden (bestenfalls auch konfessionsübergreifend), diakonischen Einrichtungen und anderen sozialen Trägern auf eine aktive Gestaltung funktionierender Sozialräume.[81]

2. Gemeindediakonie verortet sich im „Dazwischen“

Der Systemtheorie N.Luhmanns folgend, bildet die Religion ein eigenes Teilsystem innerhalb der Gesamtgesellschaft. Die Diakonie fungiert dabei als eine Brücke zwischen den verschiedenen Teilsystemen. Ausgehend vom Religionssystem mit dessen eigenen Strukturprinzipien und Schwerpunkten ist sie denen der anderen Systeme nur im begrenzten Maße unterworfen. Begrenzt bedeutet dabei, dass bspw. ökonomische Aspekte auch für die diakonische Arbeit gelten, aber diese dennoch die Freiheit haben, „[…] Leistungen zu produzieren, die in dieser Form durch staatliche oder am Markt agierende Institutionen nicht erbracht werden […]“[82] können, da systemstrukturierende Merkmale dem entgegenstehen.

Auf die Gemeindediakonie bezogen bedeutet dieses Verständnis, dass sie von der Kirchgemeinde ausgehend zwischen dieser und den Menschen vor Ort, den Kooperationspartnern und dem Sozialraum agiert:

„In einer Lokalisierung ‚dazwischen‘ sind es Diakone und Diakoninnen, ein diakonischer Ausschuss der Gemeinde oder diakonisch eingestellte Mitglieder, die die tägliche Umgebung, das Dorf oder das Wohnviertel nach möglichen institutionellen Partnern oder Verbündeten absuchen, mit denen man die Option für eine humane Gesellschaft teilt. […] Hierdurch erwirbt man sich die Kenntnisse von sozialen Problemen. Ein diakonischer Kairos entsteht, wo jemand die Frage nach den Signalen der Bewohner und Bewohnerinnen stellt, wo man die Signale versteht und wo reziproke Beziehungen zu Anderen zustande kommen.“[83]

3. Gemeindediakonie ist ein Bewusstsein und keine Methode.

Es gilt der Grundsatz J.H.Wicherns vom allgemeinen Priestertum auch für die Gemeindediakonie i.S. eines Diakonats aller Gläubigen. Die Gemeindediakonie sollte zum Selbstverständnis eines jeden Christen zählen. Sie ist Ausdruck der christlichen Nächstenliebe, die sich in unterschiedlichen Ausprägungen und Formen äußert wobei sich „[…] spontane Hilfe, freiwilliges Engagement und berufliche soziale Arbeit […]“[84] ergänzen.

Als Standards in der gemeindediakonischen Arbeit gelten wie oben unter 1.1 dargestellt die Ausrichtung an den Themen der Menschen vor Ort und eine Hilfe zur Selbsthilfe bei der Nutzung vorhandener (eventuell noch unentdeckter) Ressourcen im Sozialraum.

4. Kirchgemeinden sind gemeindediakonisch aktiv.

Kirchgemeinden sind in vielen Bereichen schon gemeindediakonisch aktiv und halten „[…] aktuell bereits viele soziale Gestaltungselemente und Dienstleistungen für das Gemeinwesen bereit.“[85]

Dabei können in einem institutionellen Verständnis von Gemeindediakonie Arbeitsfelder wie die Betreibung von Kindergärten, Beratungszentren, Sozialstationen, Alten- oder Pflegeheime identifiziert werden.[86] Das Problem dabei ist aber, dass es sich hier zumeist um hauptamtlich ausgeprägte Gemeindediakonie handelt, und dabei der Großteil der Gemeindemitglieder, die nicht in einem pflegerischen oder erzieherischen Beruf arbeiten, nicht mit im Diakonat eingeschlossen wird.

[...]


[1] Vgl. weitere Konzepte bzw. Schwerpunktsetzungen in dieser Arbeit Kapitel 2.3.1

[2] Ich stütze mich dabei vor allem auf die Ausführungen zu Luhmann, 1982/1977 von Haslinger, 2009, S.113-120; dazu Schäfer, 1994, S.236: „Die Rezeption eines systemtheoretischen Ansatzes für die Fragen nach dem Verhältnis Gemeinde – Diakonie und nach der Diakonie der Gemeinde kann in der Tat dazu beitragen, Problembestände zu erhellen und Wahrnehmungen zu strukturieren.“

[3] Haslinger, 2009, S.113; vgl. dazu ebd., Hervorhebungen im Original, d.Vf.: „Für die Beschreibung, wie Diakonie in der Gesellschaft faktisch (unabhängig von den Kriterien ihres theologischen Selbstverständnisses) ‚funktioniert‘, bietet Luhmanns systemtheoretisches Diakonieverständnis immer noch eines der aussagekräftigsten Instrumentarien […].“

[4] Siehe dazu in dieser Arbeit Kapitel 1.1 die Ausführungen zum systemischen Denken.

[5] Haslinger, 2009, S.113f

[6] Haslinger, 2009, S.114; siehe dazu Abbildung 1, S.16

[7] Haslinger, 2009, S.114

[8] Haslinger, 2009, S.114

[9] Nach Haslinger, 2009, S.114f

[10] Haslinger, 2009, S.116; dazu Eisert-Bagemihl, In: Eisert-Bagemihl/Kleinert, 1999, S.46: „Soziologisch, in Anlehnung an Niklas Luhmanns Theorie, ist es die Funktion der Kirche und ihrer Verkündigung, den Menschen Deutungsmuster zur Verfügung zu stellen […]. Die Verkündigung bildet nach Luhmann die Innenseite der Kirche, Diakonie, als die Außenseite der Kirche, kommt weitestgehend ohne diese aus.“

[11] Haslinger, 2009, S.117; ebenso bei Zitt, In: Herrmann/Horstmann, 2006b, S.215

[12] Vgl. dazu Luhmann, 1977/1982, S.58; Hervorhebungen im Original, d.Vf.: „Für Diakonie ist bezeichnend, daß [sic] sozialstrukturelle Probleme in personalisierter Form, also an Personen wahrgenommen werden (und das heißt natürlich in gewisser Weise auch: nicht als sozial strukturelle Probleme wahrgenommen werden). Diese Wahrnehmungsweise ermöglicht es dem Religionssystem, Zuständigkeiten für ‚Restprobleme‘ oder Personbelastungen und Schicksale in Anspruch zu nehmen, die in anderen Funktionssystemen erzeugt, aber nicht behandelt werden. Sie schirmt das Religionssystem außerdem gegen allzu starke Interferenzen mit anderen Funktionssystemen – zum Beispiel gegen die Versuchung einer diakonischen Umverteilung des Eigentums, einer diakonischen Außenpolitik, Konjunkturpolitik, Forschung usw. ab.“

[13] Nach Schäfer, 1994, S.232; Nach Haslinger, 2009, S.114 versteht Luhmann unter personalen Systemen einzelne Menschen und als soziale Systeme werden Menschengruppen bezeichnet.

[14] Nach Haslinger, 2009, S.117

[15] Vgl. Haslinger, 2009, S.119 und Schäfer, 1994, S.233; ebenso bei Zitt, In: Herrmann/Horstmann, 2006b, S.215

[16] Schäfer, 1994, S.232f

[17] Schäfer, 1994, S.233

[18] Bezugnehmend auf Wichern, J. H., Gutachten über die Diakonie und den Diakonat. In: Meinhold, P. (Hrsg.) (1958ff). Johann Hinrich Wichern – Sämtliche Werke. Bd.III/1. Berlin u.a.: Lutherisches Verlagshaus, S.130-184

[19] Zum Verhältnis vom Diakonat zum Amt der Kirche vgl. auch EKD, Texte 58, S.7ff und dazu in diesem Kapitel die Ausführungen zum Diakonat und in dieser Arbeit Kapitel 3.4.

[20] Vgl. Schäfer, 1994, S.91f

[21] Schäfer, 1994, S.92

[22] Schäfer, 1994, S.93; dazu Schäfer/Herrmann, In: Herrmann/Horstmann, 2006a, S.157: „Zugleich erhielt die christliche Liebestätigkeit der Zeit mit dem Stichwort ‚innere Mission‘ einen konzeptionellen Rahmen.“

[23] Schäfer, 1994, S.79

[24] Vgl. dazu Schäfer, 1994, S.84: „Wicherns praktische Vorschläge konturieren die Praxis einer Gemeinde, die geprägt ist durch Mündigkeit und Demokratie. Entscheidendes Strukturprinzip ist die Entfaltung des allgemeinen Priestertums. Die Postulate ‚Freiheit‘, ‚Gleichheit‘, ‚Brüderlichkeit‘ finden in der Gemeinde – allerdings in entpolitisierter Weise – ihre Realisierung, eine Realisierung, die zugleich auf umfassende Verbreiterung drängt."

[25] Vgl. dazu Schäfer, 1994, S.114: „Wichern unterstreicht nachdrücklich die prinzipielle Verpflichtung eines jeden Christenmenschen zur allgemeinen Diakonie […].“

[26] Zitt, In: Herrmann/Horstmann, 2006b, S.219; ebenso bei Eidt, 2011, S.20

[27] Nach Schäfer, 1994, S.114

[28] Vgl. Eidt, 2011, S.21f; ebenso bei Schäfer, 1994, S.108

[29] Schäfer, 1994, S.107

[30] Zitt, In: Herrmann/Horstmann, 2006b, S.219

[31] Eidt, 2011, S.18f; ebenso bei Schäfer, 1994, S.229

[32] Vgl. dazu Schäfer, 1994, S.103: „In ekklesiologischer Hinsicht enthält Wicherns Konzept des Diakonats als Strukturmerkmal der verfaßten [sic] Kirche die Zu-Mutung, daß [sic] sich die Kirche als solche der sozialen Wirklichkeit menschlicher Existenz verantwortlich zuwende.“

[33] Nach Schäfer, 1994, S.110f; dazu ebd.: „[…] gleichwohl sieht er [J.H.Wichern, Anm. d.Vf.] im Primat des Wortes den Vorrang des Predigt- bzw. Pfarramtes begründet.“

[34] Schäfer, 1994, S.110

[35] Schäfer, 1994, S.114; Zum Amtsverständnis im weiteren und engeren Wortverständnis vgl. Eidt, 2011, S.71f, Hervorhebung im Original, d.Vf.: „An der Interpretation des ‚ ministerium ecclesiasticum ‘ in Artikel V [der Confessio Augustana, Anm. d.Vf.], für das Melanchthon in der deutschen Übersetzung die Bezeichnung ‚Predigtamt‘ wählt, entscheidet sich häufig, ob das Diakonenamt zu den geistlichen Ämtern gezählt wird oder nicht. Bei einer engen, nur auf Wort (im Sinne des in der Predigt gesprochenen Wortes) und Sakrament (im Sinne von Taufe und Abendmahl) ausgerichteten Interpretation wird der Diakonat in der Regel ausgeschlossen. Eine weite Interpretation, die berücksichtigt, dass die Kommunikation des Evangeliums eine vielgestaltige, weit über das gesprochene Wort und die beiden Sakramente hinausreichende ist, bleibt dagegen offen für die Einbeziehung des Diakonats in den Kreis der geistlichen oder kirchlichen Ämter […].“

[36] Nach Eidt, 2011, S.25

[37] Nach Eidt, 2011, S.18 als „missionarische Diakonie“ zu verstehen.

[38] Schäfer, 1994, S.112

[39] Schäfer, 1994, S.98

[40] Vgl. Strohm, In: Herrmann/Horstmann, 2010, S.18

[41] Nach Schäfer, 1994, S.97

[42] Vgl. Schmidt, In: Herrmann/Horstmann, 2006b, S.66: „Professionalisierung, Ökonomisierung, Politisierung und Verrechtlichung sind nicht einfach bedauerliche Unvermeidlichkeiten. Sie sichern in erster Linie soziale Standards […].“

[43] Kleinert, In: Eisert-Bagemihl/Kleinert, 1999, S.9; Hervorhebung im Original, d.Vf.

[44] Schäfer, 1994, S.228

[45] Vgl. Herrmann/Horstmann, In: Herrmann/Horstmann, 2010, S.9

[46] Gerstenmaier, zit.n. Herrmann, In: Herrmann/Horstmann, 2006a, S.260

[47] Eidt, 2011, S.65

[48] Zitt, In: Herrmann/Horstmann, 2006b, S.220

[49] Strohm, In: Herrmann/Horstmann, 2010, S.20

[50] Vgl. Strohm, In: Herrmann/Horstmann, 2010, S.20: „[…] z.B. durch Aufbau sozialer Netzwerke, die soziale Unterstützung sowohl in präventiver als auch kurativer und rehabilitativer Weise wirksam werden lassen.“

[51] Herrmann/Horstmann, In: Herrmann/Horstmann, 2010, S.9

[52] Haslinger, 2009, S.117

[53] Nach Steinkamp, 1985, S.38ff

[54] Steinkamp, 1985, S.39

[55] Schäfer, 1994, S.235

[56] Nach Steinkamp, 1985, S.55ff

[57] Schäfer, 1994, S.235f

[58] Steinkamp, 1985, S.84; Hervorhebungen im Original, d.Vf.

[59] Nach Schäfer, 1994, S.328-340

[60] Schäfer, 1994, S.334

[61] Nach Schäfer, 1994, S.341-348

[62] Schäfer, 1994, S.345

[63] Schäfer, 1994, S.345

[64] Nach Schäfer, 1994, S.349-355; vgl. EKD, 1987

[65] EKD, 1987, S.102; dazu ebd.: „Der Ort, das Dorf, die Stadt oder das Quartier bilden die Grundeinheit ‚kirchlicher Versorgung‘, die christliche Gemeinde ist zuerst und vor allem die Gemeinde der beisammen wohnenden Nachbarn.“

[66] EKD, 1987, S.103

[67] Schäfer, 1994, S.352; ebenso bei Degen, In: Kleinert, 1992, S.42: „In der kleinen Öffentlichkeit der Ortgemeinde könnte für diese neuen und für zahlreiche bekannte Notlagen die Sprache gefunden werden und der Mut wachsen, in die größere Öffentlichkeit hineinzusprechen.“

[68] Schäfer, 1994, S.231

[69] Nach Schäfer, 1994, S.223

[70] In Sachsen wird diese Arbeit als „Kirchenbezirkssozialarbeit“ bezeichnet. Anstellungsträger ist aber das jeweilige DW und nicht wie der Name suggerieren könnte, der Kirchenbezirk.

[71] Nach Kleinert, In: Eisert-Bagemihl/Kleinert, 1999, S.106

[72] Bonhoeffer, 1997, S.206; ebenso bei EKD, 1987, S.109; vgl. dazu Steinkamp, In: Kleinert, 1992, S.52: „Es geht nicht um das Dasein der Kirche für beliebige ‚andere‘, wie es in bestimmten ‚missionarischen‘ Denkfiguren durchscheint und oft eine subtile Form der Vereinnahmung, der Ausweitung von Mitgliedschaft darstellt. Es geht vielmehr um die je konkrete Parteinahme der Kirche für Marginalisierte, Entrechtete, Benachteiligte.“

[73] Neumann, In: Kleinert, 1992, S.75-88

[74] Moltmann, In: Herrmann/Horstmann, 2006a, S.337f; Hervorhebung durch Vf.

[75] Kleinert, In: Kleinert, 1992, S.13

[76] Schäfer, 1994, S.222

[77] Degen, In: Kleinert, 1992, S.43

[78] Dazu eeb, 2008, S.63: „Eine Kirchgemeinde lebt mitten in unserer Gesellschaft und spiegelt deren typische Situation wider.“

[79] Vgl. dazu in dieser Arbeit Kapitel 3.3 und 3.4

[80] Vgl. in dieser Arbeit Kapitel 1.1 die Ausführungen zum Gemeinwesen.

[81] Vgl. dazu DW der EKD, 2007b, S.25 und Horstmann/Neuhausen, 2010, S.1

[82] Merchel, In: Evers et al., 2011, S.247

[83] De Roest, In: Herrmann/Horstmann, 2010, S.152; ähnlich bei Eisert-Bagemihl, In: Eisert-Bagemihl/Kleinert, 1999, S.132

[84] Gohde, In: Herrmann/Horstmann, 2006b, S.7

[85] Götzelmann, In: Herrmann/Horstmann, 2006b, S.284

[86] Vgl. Zitt, In: Herrmann/Horstmann, 2006b, S.208: „Kindergarten und Gemeindekrankenpflege waren und sind die beiden traditionellen Säulen hauptamtlicher und institutionalisierter Diakonie in der Gemeinde.“

Details

Seiten
Erscheinungsform
Erstausgabe
Jahr
2012
ISBN (PDF)
9783955499815
ISBN (Paperback)
9783955494810
Dateigröße
1.3 MB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Evangelische Hochschule für Soziale Arbeit Dresden (FH)
Erscheinungsdatum
2015 (Februar)
Note
2
Schlagworte
Gemeindediakonie Nachbarschaftshilfe Inklusionsarbeit Sozialraumakteur Kirchenvorstand
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Titel: Kirchgemeinde im Sozialraum: Voraussetzungen für professionelle Gemeindediakonie
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