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Sexueller Missbrauch an Kindern und Jugendlichen: Die Folgen und der Umgang damit

©2010 Bachelorarbeit 59 Seiten

Zusammenfassung

Sexueller Missbrauch begegnet einem derzeit überall und man bekommt aufgrund des sensationslüsternen Medienspektakels um diese Fälle den Eindruck, dass Kinder und Jugendliche nirgendwo mehr sicher sind.
Aus diesem Grund hat die Autorin untersucht, wie es den Kindern und Jugendlichen, oder besser gesagt heute schon meist Erwachsenen damit geht. Wie können sie mit einer solchen Erfahrung leben? Und wie kann man sie von pädagogischer Seite aus bestmöglich dabei unterstützen?
Als staatlich anerkannte Erzieherin hat die Autorin ihr Arbeitsfeld auch während des Studiums nie verlassen. Während ihrer Tätigkeiten in einem Heim für behinderte Kinder, der Kinderbetreuung im Frauenhaus oder auch einem Praktikum in einer Beratungsstelle für Kinder, Jugendliche und Eltern, hat die Autorin immer wieder mit Kindern und Jugendlichen gearbeitet, die sexuell missbraucht wurden. Aus dieser langjährigen persönlichen Erfahrung heraus hat die Autorin die vorliegende Studie geschrieben, um eine Hilfestellung im Umgang mit Betroffenen zu geben und über die unterschiedlichen Folgen von Missbrauch zu informieren.

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


2.2.8. Alter des Opfers und/ oder des Täters

Laut Brockhaus und Kohlshorn ist es sinnvoll, sexuellen Missbrauch gegenüber Kindern und Jugendlichen von sexueller Gewalt gegenüber Erwachsenen abzugrenzen, da die Dynamiken dieser beiden Phänomene zwar viele Gemeinsamkeiten haben, aber aufgrund unterschiedlicher gesellschaftlicher Positionen wichtige Unterschiede aufweisen. Der Begriff des sexuellen Missbrauchs an Kindern wird in der Regel vom Säuglingsalter bis zur Pubertät erfasst. In manchen Fällen auch noch bis zur Volljährigkeit, welche aber das Maximum ist. Eine sexuelle Ausbeutung wird allerdings erst dann gesehen, wenn der Täter eine bestimmte Anzahl von Jahren älter ist als das Opfer. Dadurch wird sexueller Missbrauch unter Gleichaltrigen ausgeschlossen. Dies erscheint eindeutig als nicht sinnvoll, „denn Kinder und Jugendliche gleichen Alters können körperlich, psychisch und kognitiv auf einem sehr unterschiedlichen Entwicklungsniveau sein.“ (Brockhaus und Kohlshorn 1993, S. 26 f) . Ich erinnere mich zum Beispiel an einen Vorfall in einem Ort hier im Odenwald in dem mehrere Heime wie auch eine Werkstatt für Menschen mit Behinderung sind. Ein junger Mann von vielleicht 19 Jahren wurde dort über Monate hinweg auf dem öffentlichen Spielplatz von drei 15jährigen zu sexuellen Handlungen genötigt, bis es einer Passantin auffiel, die den Vorfall meldete. Dieser junge Mann war augenscheinlich älter als die Jugendlichen, aber er war in seiner Entwicklung psychisch wie auch kognitiv deutlich auf einem niedrigeren Stand, was die Jugendlichen ausnutzen. Würde man nur nach dem Alter gehen, wäre hier kein sexueller Missbrauch geschehen.

2.3. Grundzüge gesetzlicher Grundlagen

Auf der Internetseite des Vereins für Betroffene, Partner und Gegner von sexuellem Kindesmissbrauch werden aus dem Strafgesetzbuch (StGB) die § 176 StGB, § 167 a StGB, § 176 b StGB, § 184 StGB zum Thema Gesetze genannt. (vgl. Verein für Betroffene, Partner und Gegner von sexuellem Kindesmissbrauch, Internet).

Der § 176 StGB hat die Überschrift << Sexueller Missbrauch von Kindern>>. Hier wird definiert, dass eine Person unter 14 Jahren ein Kind ist und dass es mit einer Freiheitsstrafe zwischen 6 Monaten und 10 Jahren oder einer Geldstrafe geahndet wird, sexuelle Handlungen an einem Kind zu vollziehen oder an sich von dem Kind vornehmen zu lassen. Bestraft wird auch, wer ein Kind sexuelle Handlungen mit einem Dritten vollziehen lässt. Das Vorspielen von pornographischem Material oder entsprechendes Reden mit dem Kind wird in diesem Absatz auch als Straftat benannt. Wichtig ist auch der letzte Absatz, der deutlich macht, dass schon der Versuch strafbar ist und nicht erst die Tat. (vgl. a.a.o.).

§ 176 a StGB unter dem Titel <<Schwerer sexueller Missbrauch von Kindern>> setzt ein Mindestmaß von einem Jahr Freiheitsstrafe an für einen Erwachsenen (eine Person über 18 Jahren), der mit einem Kind den Beischlaf vollzieht oder ähnliche sexuelle Handlungen, die mit dem Eindringen in den Körper verbunden sind an dem Kind vornimmt, oder von dem Kind an sich vornehmen lässt. Oralverkehr wäre ein Beispiel dafür. Wenn die Tat von Mehreren gleichzeitig begangen wird und/ oder das Kind in Gefahr schwebt davon schwere körperliche, wie seelische Verletzungen davon zu tragen oder in seinem Entwicklungsstand geschädigt wird, wie auch wenn der Täter innerhalb der letzten 5 Jahre wegen einer solchen Straftat verurteilt wurde, wird auch dieses Mindestmaß als Strafe angesetzt. Wenn ein Erwachsener eine von den oben genannten Strafen begeht und die Absicht hat, diese zum Gegenstand einer pornographischen Darstellung zu machen und diese zu veröffentlichen, also zum Beispiel den Oralsex mit einem Kind auf Video aufzunehmen und im Internet zu veröffentlichen, wird er mit einer Mindestfreiheitsstrafe von 2 Jahren geahndet. Mit einer Mindestfreiheitsstrafe von 5 Jahren wird ein Erwachsener geahndet der dass Kind in einem der oben genannten Szenarien körperlich schwer misshandelt oder dadurch in Todesgefahr bringt. (vgl. a.a.o.)

§ 176 b StGB trägt die Überschrift <<Sexueller Missbrauch von Kindern mit Todesfolge>>. Hier wird deutlich gemacht, dass ein Erwachsener der bei einer der oben genannten Taten leichtfertig das Kind tötet oder durch seine Taten den Tod verursacht, mit einer Mindestfreiheitsstrafe von 10 Jahren geahndet wird. (vgl. a.a.o.)

§ 174 StGB trägt den Titel <<Sexueller Missbrauch von Schutzbefohlenen>> und untersagt den Missbrauch von Schutzbefohlenen unter 18 Jahren von Seiten eines Erwachsenen dem dieses Kind anvertraut wurde. Gründe dafür, dass das Kind einem Erwachsenen anvertraut wurde könnten Erziehung, Adoption oder Ausbildung sein. Der Erwachsene nutzt in diesem Fall das Abhängigkeitsverhältnisses des Kindes zu ihm aus. Hierunter würde zum Beispiel ein Lehrer fallen, der seine minderjährige Schülerin sexuell missbraucht. (vgl. Bange 2008, S. 23 f).

„Exhibitionistische Handlungen stellt der § 183 StGB unter Strafe.“ (a.a.o.)

§ 184 StGB trägt den Titel <<Verbreitung pornographischer Schriften>>. Wer einem Kind in irgendeiner Art und Weise pornographische Schriften zugänglich macht, anbietet oder gibt, ausstellt, vorführt oder diese an einem öffentlichen freizugänglichen Ort darbietet, in einem Leihhandel anbietet der auch Kindern den Zugang erlaubt oder versucht so etwas im Versandhandel zu verkaufen wird mit einer Freiheitsstrafe von einem Jahr oder einer Geldstrafe geahndet. Darunter fallen auch pornographische Verbreitungen im Rundfunk. Sind in diesen pornographischen Darstellungen Gewalt oder sexuelle Handlungen von Menschen an Tieren zu sehen, wird die Verbreitung, die öffentliche Ausstellung, das Zugänglich machen, der Verkauf, der Kauf, der Verleih und die Herstellung davon mit einer Freiheitsstrafe von bis zu 3 Jahren oder einer Geldstrafe geahndet. Wenn in einer solchen Darstellung der sexuelle Missbrauch von Kinder zu sehen ist, gilt oben genanntes auch und wird mit einer Freiheitsstrafe von 3 Monaten bis zu 5 Jahren geahndet. Ist dieser sexuelle Missbrauch wirkliches Tatgeschehen oder wird sehr realitätsnah dargestellt, wird die Freiheitsstrafe zwischen 6 Monaten und 10 Jahren angesetzt, falls der Täter gewerbsmäßig handelt oder Mitglied einer Bande ist, die sich zum Zweck der Begehung solcher Taten zusammengefunden hat. Wer solche pornographischen Darstellungen besitzt, sich selbst oder anderen zugänglich macht, im Internet zum Beispiel auf Seiten mit Kinderpornographie surft, wird mit einer Geldstrafe oder einer Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr geahndet. Wird dies allerdings aus beruflichen Gründen getan, zum Beispiel wenn ein Polizist aus beruflichen Gründen im Internet auf der Suche nach illegalen Websites mit pornographischen Darstellungen von Kindern ist, wird keine Ahndung erfolgen. Gegenstände die solche Straftaten wie oben genannt beweisen sollen, wie zum Beispiel Ordner mit pornographischem Bildmaterial mit Darstellungen von Kindern, werden immer eingezogen. (vgl. Verein für Betroffene, Partner und Gegner von sexuellem Kindesmissbrauch, Internet).

Es gibt allerdings auch Gesetze, die die so genannte Verjährung betreffen. Auf der Internetseite des Vereins für Betroffene, Partner und Gegner von sexuellem Kindesmissbrauch gibt es hierzu eine Sparte unter dem Titel <<Rechtliches>>. Allgemein ist der Begriff der Verjährung im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) § 194 I BGB definiert. „Im Strafrecht bedeutet Verjährung, dass der Staat sein Strafverlangen nicht mehr durchsetzen kann.“ (a.a.o.) Da es allerdings Probleme bereitet,die Verjährung korrekt zu berechnen, da verschiedene Delikte unterschiedlich schnell verjähren, ist es immer schwierig zu beurteilen ob eine Anzeige überhaupt noch Sinn macht. Grundsätzlich kann man allerdings sagen, dass bei Sexualdelikten in Bezug auf Minderjährige die Verjährungsfrist erst mit deren 18. Geburtstag beginnt. Dies wurde durch § 78 b StGB festgelegt, da viele solcher Taten in der Familie geschehen und aus solchen Gründen, wie zum Beispiel durch falsche Rücksichtnahme von nahen Verwandten, oft nicht direkt bei der Polizei angezeigt werden. Wie oben bereits genannt, gibt es verschiedene Verjährungsfristen, die sich nach dem Schweregrad der Tat richten. Für eine Straftat nach § 176 StGB mit einer Höchststrafe von bis zu 10 Jahren zum Beispiel, würde die Verjährungsfrist 10 Jahre betragen. (vgl. a.a.o.).

2.4. Ausmaß und Dunkelziffer

Laut dem Verein für Betroffene, Partner und Gegner von sexuellem Missbrauch sind am 10.3.10 um 13:00 Uhr seit es den Verein gibt, 49.349 Kinder von sexuellen Übergriffen betroffen (vgl. Verein für Betroffene, Partner und Gegner von sexuellem Missbrauch, Internet). Auf ihrem Flyer weisen sie daraufhin, dass statistisch gesehen alle 4 Minuten 2 Kinder missbraucht werden. Pro Jahr werden circa 320.000 Kinder sexuell missbraucht. Die Dunkelziffer wird auf 300.000 Kinder pro Jahr geschätzt, laut dem Flyer des Vereins. (vgl. a.a.o.). Bange spricht von insgesamt circa 300.000 Fällen jedes Jahr und einer Dunkelziffer von 1:18 bis 1:20. Er beruft sich dabei auf die Polizeilichen Kriminalstatistiken (PKS) (vgl. Bange 2004, S. 31 f). Dass es überhaupt eine Dunkelziffer gibt und dass diese so hoch anzusiedeln ist, hängt damit zusammen, dass viele Missbrauchsfälle in der Familie geschehen und dass das Kind dadurch einem besonderen Druck ausgesetzt ist dieses Verbrechen für sich zu behalten. Allerdings ist das Kind, auch wenn der Täter nicht zur Familie gehört, oft durch Drohungen oder Einschüchterungen daran gehindert sich zu offenbaren. Viele sind auch nach der Tat von einer so genannten posttraumatischen Amnesie betroffen, so dass sie sich, wenn überhaupt, erst nach einiger Zeit des Geschehenen bewusst werden. (vgl. a.a.o.).

Konkrete Zahlen zu nennen ist scheinbar ziemlich schwierig, da es auch immer auf die jeweilige Definition von sexuellem Missbrauch ankommt, zum Beispiel ob man eine weite oder eine enge Definition von sexuellem Missbrauch heranzieht. (vgl. Bange 2008, S. 24 ff). „Die Ergebnisse verschiedener Studien über das Ausmaß der sexuellen Gewalt gegen Mädchen und Jungen macht deutlich, dass die Studien nicht ohne weiteres vergleichbar sind, variieren sie doch u.a. in Abhängigkeit von der verwendeten Definition sexuellen Missbrauchs, der Stichprobenauswahl und der Befragungsmethode.“ (Bange 2008, S. 24). Eine repräsentative Studie wurde allerdings von dem Kriminologischen Forschungsinstitut Niedersachsen 1992 durchgeführt. Insgesamt wurden 1.661 Frauen und 1.580 Männer anhand eines Fragebogens mit 7 Fragen zum Thema <<sexueller Missbrauch>> befragt. 6 der Fragen beschrieben konkrete sexuelle Handlungen und die 7. Frage war unspezifisch formuliert zu sonstigen sexuellen Handlungen. In der Instruktion wurden die Teilnehmer darauf hingewiesen, dass es sich bei den Vorfällen um Ereignisse aus der Kindheit oder Jugend handeln soll, bei denen der Täter mindestens 5 Jahre älter war als sie selbst zu dem Zeitpunkt, sie die Handlung nicht gewollt oder nicht verstanden haben und das Ziel der Handlung die sexuelle Erregung des Täters war. In dieser Studie gaben 18,1 % der Frauen sowie 6,2 % der Männer an, sexuell missbraucht worden zu sein. Wurden Altersgrenzen festgesetzt, zum Beispiel bis zu einem Alter von 14 Jahren sank die Zahl der Fälle bei den Frauen auf 10,7 % und bei den Männern auf 3,4 %. (vgl. Bange 2008, S. 25 f). „Dies illustriert, welchen Einfluss die Definition auf das erhobene Ausmaß hat.“ (Bange 2008, S. 26).

2.5. Täter und Opfer

Bei Tätern die Kinder sexuell missbrauchen, wird oft von Pädophilie gesprochen. Enders wehrt das aber völlig ab, mit der Begründung dass der Begriff <<pädophil>> übersetzt <<kinderlieb>> bedeutet, was in diesem Zusammenhang als sehr unpassend erscheint. Hierbei geht es wohl weniger um die <<Liebe>> zu Kindern und um das sexuelle Verlangen nach ihnen, sondern um den Kontext der Handlungen. So wechseln zum Beispiel viele Täter nach der Aufdeckung ihrer Handlungen in ihrem beruflichen Tätigkeitsfeld eben jenes und gehen in die Altenpflege um dort weitere Verbrechen ausüben zu können. (vgl. Enders 2008, S. 96 ff).

Täter können aus dem nahen familiären Umfeld kommen, dem außerfamilialen Nahbereich, wie auch aus dem beruflichen Umfeld des Täters, daher bietet die Warnung vor dem <<bösen fremden Mann>> in der Regel keinen ausreichenden Schutz für Kinder und Jugendliche. Eine bestimmte Schichtzugehörigkeit der Täter ist auch nicht zu erkennen. In der Regel ist Missbrauch eine Wiederholungstat und kein einmaliges Geschehen. Viele Täter missbrauchen im Laufe ihres Lebens eine große Anzahl von Kindern und Jugendlichen. (vgl. Enders 2008, S. 55 ff).

Die Täter handeln in den meisten Fällen sehr zielgerichtet und planen ihre Handlung lange im Voraus. Sie nehmen Kontakt zu den Opfern auf und erkunden alles was mit ihnen zusammenhängt und was sie beschäftigt, wie ihre Wünsche, Träume und Ängste. (vgl. Enders 2008, S. 55 ff). „Dabei sind sie sich durchaus bewusst, dass sie etwas Unrechtes tun. Sie schaffen einen Kontext, in dem eigentlich <<nichts passiert>> ist, z. B. tarnen sie den Missbrauch in einem Spiel oder durch Aufklärung, kommen bei Nacht und vermeiden Blickkontakt und Gespräche. Der Handlungsablauf ist oft ritualisiert und läuft nach dem selben Schema ab.“ (Verein für Betroffene, Partner und Gegner von sexuellem Kindesmissbrauch, Internet). Oft nehmen Täter sehr geschickt Kontakt zu dem Kind auf, zum Beispiel durch häufiges Aufhalten in der Nähe der Kinder oder an Orten an denen die Kinder häufig sind, wie zum Beispiel Spielplätze oder Freibäder. Eine weitere Sparte um die Kontaktaufnahme mit den Kindern zu verharmlosen, ist die des ehrenamtlichen Engagements. Viele Täter benutzen ein solches als Denkmantel für ihre eigentlichen Pläne und agieren zum Beispiel als Übungsleiter im Sportverein, oder bei Jugendgruppen. Andere entscheiden sich für eine berufliche Tätigkeit in einem sozialen Arbeitsfeld, zum Beispiel als Erzieher oder Therapeuten. Enders führt auch an, dass einige Täter sich gezielt Partnerinnen mit einem geringen Selbstwertgefühl oder einem sehr traditionellen Rollenbild suchen, die ihre eigenen Interessen nur in geringem Maße vertreten. Dies kann zu einer großen Abhängigkeit vom eigenen Ehemann führen, wie auch zu der Unsicherheit, ihn nicht verlassen zu können. Solche Mütter sind oft weniger in der Lage, dann auch ihre eigenen Kinder entsprechend zu schützen. Das Internet bietet zu dem ganz neue Zugangsmöglichkeiten unter denen Täter sich anonym oder unter falschen Angaben Kindern nähern können. Die 12 jährige Freundin im Schüler-VZ kann somit unter Umständen ein 42 jähriger Mann sein. (vgl. Enders 2008, S. 57 ff).

Lange Zeit unterlag man der Annahme, dass Frauen nur Mittäter sein können, aber nie direkte Täter, weshalb auf diesem Gebiet bisher weniger ausgiebig geforscht wurde. Sexueller Missbrauch bei dem Frauen die Täter sind wird oft verharmlost und gegenüber dem Missbrauch von Männern völlig ausgeblendet. (vgl. Enders 2008, S: 107 ff). „Eine solche Sichtweise vergisst nicht nur, dass das Ausmaß der Folgen des Missbrauchs für das Opfer nicht davon abhängig ist, ob ihr/ ihm offene oder subtile Formen der Gewalt zugefügt werden, sondern ignoriert außerdem sadistische Gewalttaten, die Frauen und weibliche Jugendliche an Kindern und Jugendlichen verüben.“ (Enders 2008, S. 108). Da Frauen in der Regel als warme, liebevolle, vertrauenswürdige Personen gelten, wird sexueller Missbrauch von Frauen von deren Opfer oft als noch größerer Vertrauensbruch empfunden, als sexueller Missbrauch von Männern. (vgl. Enders, S. 112 ff).

„Mädchen werden zu etwa einem Drittel von Tätern und Täterinnen aus der eigenen Familie missbraucht ((Stief-) Väter, Brüder, Mütter, im Haushalt lebende Opas). Der größte Teil kommt aus dem außerfamilialen Nahbereich – z.B. Verwandte, Pädagogen, männliche Jugendliche, Babysitter. Männliche Opfer werden meist von Bezugspersonen aus dem außerfamilialen Nahraum (z.B. Bekannte, Pädagogen, Trainer) und von Fremden sexuell ausgebeutet. Die Täter und Täterinnen kommen mit 10– 20 % etwas seltener aus der Familie.“ (Enders 2008, S. 57).

Grundsätzlich ist zu sagen, dass es desto leichter für einen Erwachsenen wird ein Kind zu missbrauchen, je höher das Maß an Autorität und Vertrauen ist, das in ihn gesetzt wird und desto geringer die Autonomie und Widerstandsfähigkeit des Opfers ist. (vgl. Enders 2008, S. 71).

2.6. Phasen des Missbrauchs

Die Phasen des sexuellen Missbrauchs laufen in der Regel ähnlich ab, egal ob Täter oder Täterin, weshalb ich im Folgenden immer von Tätern schreiben werde, um es sprachlich zu vereinfachen. Dabei sollte aber nicht ausgeblendet werden, dass derselbe Vorgang auch bei Täterinnen ablaufen kann.

Nach einer ersten Kontaktaufnahme wird vom Täter in der Regel erst einmal die Widerstandsfähigkeit des Opfers getestet. Häufig haben Täter eine besondere Wahrnehmung dafür, welche Kinder aufgrund ihrer Geschichte verletzlich sind und wie sie diese Verletzlichkeit in ihrem Sinne nutzen können, um das Kind sexuell zu missbrauchen. (vgl. Enders 2008, S. 63 ff). „Die Gefahr Opfer sexueller Ausbeutung zu werden, ist umso größer, je mehr Defizite ein Kind in Bezug auf Sicherheit, Zuwendung, Anerkennung, Liebe und Wärme aufweist.“ (Enders 2008, S. 63). Kinder die gelernt haben, dass man Erwachsenen auf keinen Fall widersprechen darf sind auch besonders gefährdet, da sie sich auch in für sie unangenehmen Situationen nicht trauen werden einem Erwachsenen gegenüber <<Nein>> zu sagen. (vgl. Enders 2008, S. 63 f).

Der nächste Schritt ist häufig eine „Desensibilisierung des Opfers in Bezug auf körperliche Berührungen“ (Enders 2008, S. 68). Hier werden häufig immer wiederkehrende sexuelle Grenzüberschreitungen des Täters gegenüber dem Kind gemacht. Sie überschreiten Schritt für Schritt die jeweiligen Grenzen des Kindes. Wenn dieses anfängt vehement zu protestieren, ist es aus Sicht des Täters häufig kein geeignetes Opfer mehr. Beispiele hierfür wären sexualisierte Bemerkungen die der Täter dem Opfer gegenüber macht, wie auch <<zufällige>> Berührungen oder ähnliches. (vgl. Enders 2008, S. 68 f).

Die Strategien der Täter dienen auch dazu die Wahrnehmungen zu vernebeln, sei es vom Kind oder von den Eltern, um das Kind gefügig zu machen und die Eltern dazu zu bringen dem Kind nicht zu glauben falls es doch etwas erzählen sollte. Beliebte Sprüche hierzu waren ja schon immer <<Wie kannst du so etwas über diesen netten Mann sagen?!>> oder ähnliches. (vgl. Enders 2008, S. 70 ff).

Weitere Schritte wären dann die Verführung des Opfers, durch besondere Aufmerksamkeit die der Täter ihm zukommen lässt und nach der sich die ausgewählten Kinder oft sehnen. Als nächstes würde der Täter wohl den Tatort und den Zeitpunkt wählen. Dadurch dass die Täter häufig den Tagesablauf ihres Opfers ganz genau kennen, kann das Verbrechen häufig innerhalb einer sehr kurzen Zeitspanne geschehen. (vgl. a.a.o.).

Im nächsten Schritt ignoriert der Täter dann den Widerstand des Opfers. Kindliche Gegenwehr ist in diesen Fällen oftmals zwecklos. Das Kind sagt zwar, dass es etwas nicht möchte oder ihm etwas nicht gefällt, der Täter übergeht dies aber und umgeht mit Raffinesse diesen Widerstand. Zum Beispiel durch die Aussage, dass man es nur häufiger tun müsste und dann würde es ihm besser gefallen oder dass es sich das unangenehme Gefühl nur einbilden würde. (vgl. a.a.o.).

Der nächste Schritt von Seiten des Täters wäre das Opfer zu isolieren und zu kontrollieren, damit diese das Geschehen nicht verraten können und sich in ihrer Einsamkeit nur noch mehr an den Täter binden. (vgl. a.a.o.)

Danach erklären Täter das Geschehene oft zum gemeinsamen Geheimnis und drohen dem Kind mit den schlimmsten Folgen, sollte dieses sich jemals offenbaren. Diese Drohungen erfolgen in Form von psychischer wie auch physischer Gewalt. Eine häufige Drohung hierbei ist, dass die Eltern umgebracht werden, wenn das Kind etwas verrät. (vgl. a.a.o.).

Dabei weißt der Täter häufig dem Opfer die Schuld für das Geschehene zu. Da das Kind die Aufmerksamkeit des Täters zu Beginn auch genossen hat, fühlt es sich nun in einer bestimmten Art und Weise auch für die Folgen davon verantwortlich. Der Täter unterstützt es häufig darin mit solchen Aussagen wie, dass das Kind es ja freiwillig gemacht hätte oder dass es das Kind ja selbst gewollt hätte. (vgl. Enders 2008, S. 88 ff).

3. Folgen von sexuellem Missbrauch

3.1. Begriffliche Abgrenzung zwischen Kurz- und Langzeitfolgen

Man vermutet, dass Kinder auch in ihrem späteren Erwachsenenleben negative Folgen von einem sexuellen Missbrauchserlebnis tragen. Forscher gehen davon aus, dass der Schweregrad des sexuellen Missbrauchs sich auf die Stärke der negativen Folgen auswirkt. Je schwerer das Missbrauchserlebnis, umso heftiger die negativen Folgen im späteren Leben. Hierbei wird eine grundsätzliche Unterscheidung in Kurz- und Langzeitfolgen vorgenommen. (vgl. Moggi 2004, S. 317).

Kurzzeitfolgen gehören zur unmittelbaren Reaktion des Kindes auf sexuellen Missbrauch, sowie die unmittelbaren Folgen davon. Diese treten in der Regel innerhalb der ersten beiden Jahre nach dem ersten sexuellen Missbrauch auf. Als Langezeitfolgen werden die Folgen bezeichnet, die die Dauer der Kurzzeitfolgen überschreiten oder die erst nach der Dauer dieser zwei Jahre nach dem ersten sexuellen Missbrauch, zum Beispiel erst im Erwachsenenalter, auftreten. (vgl. Moggi 2004, S: 317 ff).

„Kurzzeitfolgen sind für die sexuelle Kindesmisshandlung charakteristische Verhaltensauffälligkeiten, sowie psychische und psychosomatische Symptome und Syndrome, bei deren Vorliegen die Diagnose <<sexuelle Kindesmisshandlung>> gestellt werden kann, wenn sich nach sorgfältiger professioneller Abklärung Hinweise für ein angebliches Misshandlungsgeschehen finden lassen.“ (Moggi 2004, S. 318). Diese Kurzzeitfolgen werden in der Regel in vier Störungsgruppen aufgeteilt: emotionale Störungen, somatische und psychosomatische Störungen, Störungen des Sexualverhaltens und Störungen des Sozialverhaltens. Auf diese Folgen werde ich in einem der nächsten Punkte näher eingehen. Grundsätzlich lassen sich Kurzzeitfolgen aber in zwei Breitbandfaktoren unterteilen. In die internalisierenden und externalisierenden Reaktionsformen auf den erfolgten sexuellen Missbrauch. Internalisierende Reaktionen sind gegen die eigene Person gerichtete Reaktionen, wie Depressionen oder Ängste. Externalisierende Reaktionen sind gegen die Außenwelt gerichtete Reaktionen, wie das Weglaufen von Zuhause oder offene Aggressionen gegen andere Menschen. (vgl. Moggi 2004, S. 317 ff).

Langzeitfolgen von sexuellem Missbrauch sind um einiges vielfältiger in ihren Erscheinungsformen als die Kurzzeitfolgen. Es lässt sich kein typisches Symptom ableiten, das auf einen sexuellen Missbrauch in der Kindheit hindeutet. Allerdings kommen einige Langzeitfolgen gehäuft vor, wie Angststörungen und Depressionen, Posttraumatische Belastungsstörung, Persönlichkeitsstile und -störungen, substanzgebundenes Suchtverhalten, selbstschädigendes Verhalten, Suizidalität, psychosomatische Symptome, dissoziative Störungen, Schlafstörungen, Essstörungen, sexuelle Störungen wie auch Störungen in sozialen Beziehungen. Auch auf diese Folgen werde ich in einem der nächsten Punkte ausführlicher eingehen. (vgl. a.a.o.) „In ihren Literaturübersichten kommen verschiedene Autoren zu dem Schluss, dass in der Mehrzahl Untersuchungen emotionale (v.a. Depression, Angst, niedriges Selbstwertgefühl), interpersonale (v.a. Misstrauen und Reviktimisierung) und sexuelle Störungen (v.a. sexuelle Funktionsstörungen) als typische Langzeitfolgen festgestellt werden. In jüngster Zeit wird vermehrt der Posttraumatischen Belastungsstörung und der Border­line- Persönlichkeitsstörung als Langzeitfolgen Aufmerksamkeit geschenkt.“ (Moggi 2004, S. 321). Grundsätzlich können besonders die Langzeitfolgen als Produkt der traumatischen Ereignisse, wie auch als Versuch der Verarbeitung und des Verstehens dieser gesehen werden. (vgl. Birck 2001, S. 21).

3.2. Geschlechtstypische Unterschiede

1990 wurde von Finkelhor noch festgestellt, dass Mädchen wie Jungen gleichermaßen unter den Kurzzeitfolgen, wie auch unter den Langzeitfolgen eines sexuellen Missbrauchs leiden würden. Jungen würden allerdings eher externalisierende Kurzzeitfolgen zeigen, im Gegensatz zu Mädchen, die eher internalisierende Kurzzeitfolgen zeigen würden. Sicher ein Hinweis auf die jeweilige geschlechtstypische Sozialisierung. 1997 stellten Rind und Tromovitch dann allerdings fest, dass Mädchen häufiger angeben würden unter den Folgen sexuellen Missbrauchs zu leiden und dass sie im Gegensatz zu Jungen auch tendenziell stärker darunter leiden würden. Laut den Autoren könnte man das darauf zurückführen, dass Mädchen häufig in sehr jungem Alter heftigeren Formen sexuellen Missbrauchs ausgesetzt waren als Jungen. Da vorher ja bereits aufgezeigt wurde, dass Opfer von schwerem sexuellem Missbrauch heftiger und länger unter den Folgen davon leiden, könnte dies eine Begründung für ihre Ergebnisse sein. Eine weitere Begründung ist aber auch in der bereits oben genannten unterschiedlichen Sozialisation von Mädchen und Jungen erkennbar, denn aufgrund dieser ist es auch denkbar, dass Mädchen und Jungen sexuelle Missbrauchserfahrungen unterschiedlich erleben, bewerten und auch unterschiedlich damit umgehen. (vgl. Moggi 2004, S. 322).

3.3. Die 4 traumatogenen Dynamiken nach Finkelhor und Browne

Finkelhor und Browne versuchen sexuellen Missbrauch anhand von 4 traumatogenen Dynamiken zu beschreiben. Diese 4 Dynamiken sind ins Deutsche übersetzt <<traumatische Sexualisation>>, <<Verrat>>, <<Ohnmacht>> und <<Stigmatisation>>. Da diese Dynamiken das Selbstkonzept des Kindes oder Jugendlichen, sowie auch seine Ausrichtung auf die Welt ändern, werden sie von Finkelhor und Browne als Hauptursache des Traumas und der damit verbundenen Folgen betrachtet. (vgl. Birck 2001, S: 35).

Da in Familien in denen sexueller Missbrauch vorkommt, oft eine sehr sexualisierte Atmosphäre herrscht und sich damit, wie auch mit den Handlungen des Täters, die Vorstellung des Kindes oder des/ der Jugendlichen von normalem sexuellem Verhalten und sexueller Moral verzerrt, kommt es hier zu der ersten traumatogenen Dynamik, der traumatischen Sexualisation. Diese führt auch zu Verwirrungen des Kindes oder des/ der Jugendlichen in Bezug auf die eigenen sexuellen Wünsche und Vorstellungen, wie auch auf die eigene sexuelle Identität. Außerdem wird für die Opfer das Erleben von Sexualität mit den Gefühlen von Angst und Schrecken gekoppelt. (vgl. Brick 2001, S. 35 f).

„Verrat erlebe das sexuell missbrauchte Kind dadurch, das jemand dem es vertraut, es verletzt und ihm Schmerzen zufügt.“ (Birck 2001, S. 35) Das Selbe gilt natürlich auch für Jugendliche. Sie fühlen sich allerdings nicht nur von dem Täter verletzt, sondern auch von ihrem Umfeld, das ihnen keinen Schutz bietet. (vgl. a.a.o.).

Opfer von sexuellem Missbrauch haben häufig das Gefühl ausgeliefert zu sein, da ihr Körper immer wieder überfallen wird und ihre Wünsche und ihr Wille dabei keine Rolle spielen. Egal wie sie sich verhalten, sie können dem Täter nicht entkommen. Dadurch fühlen sie sich ohnmächtig und/ oder handlungsunfähig, womit die dritte traumatogene Dynamik <<Ohnmacht>> zum tragen kommt. Ohnmächtig fühlen sich die Opfer allerdings auch, wenn sie jemandem das von ihnen Erlebte schildern und ihnen kein Glaube geschenkt oder nichts unternommen wird, um das Geschehen zu beenden. (vgl. Birck 2001, S. 37.)

„Die traumatogene Dynamik <<Stigmatisation>> bedeutet nicht nur, dass sich das missbrauchte Kind schlecht und schuldig fühlt und sich für das Geschehene schämt, seine traumatische Erfahrung isoliert es auch, einerseits, weil es sie verschweigen muss, andererseits dadurch, dass es sich der Übergriffe schämt oder sich als anders und fremd erlebt.“ (a.a.o.) Hinzu kommt dabei noch, dass das Opfer sich die Schuld nicht nur selbst zuweist, sondern sie auch häufig noch von ihrer Umwelt zugewiesen bekommt. Der klassische Satz dazu wäre ja <<Sie ist selbst Schuld wenn sie so einen kurzen Rock trägt!>>. Das Stigma, dass das Kind oder der/ die Jugendliche an sich selbst erlebt, wird auch noch von anderen Reaktionen der Umwelt verstärkt wie zum Beispiel Hysterie, Entsetzen und das Bedürfnis sich zu distanzieren. Dies beeinträchtigt das soziale Lebend er Betroffenen sehr und verstärkt Gefühle von Andersartigkeit, Fremdheit und Isolation. (Birck 2001, S. 37 f).

3.4. Posttraumatische Belastungsstörung

„In Zusammenhang mit sexuellem Missbrauch von Kindern wird auf das Modell der posttraumatischen Belastungsstörung zum Verständnis von Folgen nach traumatischen Ereignissen zurückgegriffen.“ (Birck 2001, S. 24). Eine posttraumatische Belastungsstörung, auch PTBS genannt, ist nicht von einem bestimmten Alter abhängig. Sie kann in jedem Lebensalter auftreten und hat bestimmte Auslöser, wie zum Beispiel ein Ereignis oder eine Serie von Ereignissen, die die Bewältigungsmöglichkeiten des Opfers übersteigen. Diese Ereignisse sind meistens sehr bedrohlich und gehen mit Gefühlen von Hilflosigkeit und Schutzlosigkeit einher. Das Weltbild des Opfers wird dadurch erschüttert. In der Regel wird PTBS von Ereignissen ausgelöst, die in einem Zusammenhang mit dem direkten oder indirekten Erleben von Gewalt stehen. (vgl. Wicker Klinik Bad Wildungen Abteilung Psychosomatik/ Psychotherapie 2010, Internet). „Formen der direkten Gewalt sind unter anderem gewalttätige Überfälle, Vergewaltigung, Folter, Geiselnahme, schwere Unfälle, Katastrophen, Kriege und sexuelle Traumatisierung in der Kindheit sowie lebensbedrohliche Erkrankungen. Von indirekter Gewalt spricht man, wenn Menschen Zeugen von schwerwiegender Gewalt werden. Dies betrifft häufig Menschen, die im beruflichen Umfeld mit Gewalt konfrontiert sind, wie zum Beispiel Angehörige der Polizei, der Feuerwehr, des Katastrophenschutzes und von Rettungsdiensten.“ (a.a.o.).

Wenn jemand einer traumatischen Belastung ausgesetzt war, kann er in der Regel sein Leben fortführen ohne PTBS zu entwickeln oder ständig an das Ereignis zu denken, obwohl das Geschehene natürlich immer Spuren hinterlässt. Einige Menschen sind allerdings nicht in der Lage das Geschehene in ihre gemachten Lebenserfahrungen zu integrieren. Sie beginnen verschiedene spezifische Muster zu entwickeln die der Vermeidung oder Übererregung dienen. Sie beginnen ihr Leben um das Trauma herum zu organisieren, statt es wie oben genannt in ihre Erfahrungen zu integrieren. (vgl. a.a.o.). Ich betreute zum Beispiel mal einen Jungen, der von seinem Vater über mehrere Jahre hinweg sexuell missbraucht wurde. Hier nenne ich ihn M. Als diese Situation auch beim Jugendamt offenkundig wurde, wurde M. in einem Heim fremduntergebracht. Danach folgten mehrere Wechsel von Kinderheim zu Kinderheim, bis er im Alter von 16 Jahren in einem Kinderheim für Behinderte landete, in dem ich zu diesem Zeitpunkt mein Anerkennungsjahr machte. Dieser Junge hatte zu Beginn das Bedürfnis, jedem den er kennenlernte als erstes direkt nach dem Nennen seines Namens zu berichten, dass er sexuell missbraucht wurde. Er ordnete jedes Kennenlernen und jede Situation um seine Missbrauchserfahrung herum. Ob ein Mensch nach einem traumatischen Erlebnis allerdings PTBS entwickelt oder nicht, hängt von der jeweiligen Persönlichkeit des Menschen und der psychosozialen Unterstützung die derjenige vor, während und nach dem traumatischen Erlebnis erhält ab. (vgl. Richter- Appelt 2002, S. 419).

„Typische Merkmale einer Posttraumatische n Belastungsstörung sind das wiederholte Erleben des Traumas in sich aufdrängenden Erinnerungen (Nachhallerinnerungen, Flashback, auch Intrusion genannt). Diese sind gekennzeichnet von einer Reaktivierung der traumatischen Situation mit begleitenden Bildern, Worten, Affekten, Körpersensationen, Gerüchen etc. Intrusionen sind keine Erinnerungen, sondern Reaktivierungen, an denen das Amygdalasystem maßgeblich beteiligt ist.“ (Wicker Klinik Bad Wildungen Abteilung Psychosomatik/ Psychotherapie 2010, Internet). Das zuvor erfolgte traumatische Erlebnis wird immer wieder erlebt entweder durch belastende Träume mit Bezug zu dem Erlebten, sich wiederholende aufdringliche Erinnerungen an das Erlebnis, Wiederholungszwang (bedeutet, dass sich das Opfer ständig so verhält und so fühlt als ob das Erlebnis wiederkehrt) und/ oder intensives psychisches Leid in Bezug auf Reaktivierungen. (vgl. Richter- Appelt 2002, S. 418 f). Solche Reaktivierungen können durch verschiedene Auslöser erfolgen. Zum Beispiel durch Geräusche, Gerüche oder Ähnlichkeit im Äußeren mit dem Täter. (vgl. Wicker Klinik Bad Wildungen Abteilung Psychosomatik/ Psychotherapie 2010, Internet). In dem Film <<Folgen>> berichtete zum Beispiel ein Mann, dass er sich immer unwohl fühlt, wenn er Männern begegnet, die ein sehr männliches Gebaren aufweisen. (vgl. Folgen – der Film, 28:10 – 28:25). Solche Flashbacks treten auch häufig in Situationen auf, in denen Ruhe herrscht oder auch Reizarmut. Häufig erfolgen sie also vor dem Einschlafen oder in Form von Alpträumen. Opfer erleben häufig schmerzende Körperempfindungen, lebensbedrohliche Not oder qualvolle Angst, ohne sich direkt an das Ereignis erinnern zu können. Auf der anderen Seite fühlen sie sich generell dumpf und stumpf in ihrem alltäglichen Empfinden. Dies kann zu Gefühlen von Leere, Einsamkeit, Entfremdung von Anderen und dem Gefühl eine eingeschränkte Zukunft zu haben, führen. Weitere Symptome Von PTBS sind übermäßige Wachsamkeit, Reizbarkeit, Wutausbrüche, Konzentrationsschwierigkeiten, wie auch Ein- und/ oder Durchschlafstörungen. (vgl. Wicker Klinik Bad Wildungen Abteilung Psychosomatik/ Psychotherapie 2010, Internet).

Mädchen und Jungen die von sexuellem Missbrauch betroffen sind, wie auch ihre Kontaktpersonen leiden häufig darunter, dass sie ihre Stimmungen nicht mehr kontrollieren können, was auch zu dem Symptombild von PTBS gehört. (vgl. Enders 2008, S. 167). „In einem Augenblick sind sie zu Tode betrübt, im nächsten himmelhoch jauchzend. Ihre Impulse, Wünsche, Bedürfnisse, Gefühle und Empfindungen bekommen eine ungeahnte Heftigkeit und Intensität.“ (a.a.o).

Das oben beschriebene Symptombild muss „länger als einen Monat anhalten und es muss in klinisch bedeutsamer Weise Leiden und Beeinträchtigung erlebt werden in sozialen, beruflichen oder anderen wichtigen Funktionsbereichen. Die Störung folgt dem traumatischen Ereignis mit einer Latenz von Wochen bis Monaten.“ (Richter- Appelt 2002, S. 419).

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Details

Seiten
Erscheinungsform
Erstausgabe
Erscheinungsjahr
2010
ISBN (PDF)
9783955499051
ISBN (Paperback)
9783955494056
Dateigröße
1006 KB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Hochschule Darmstadt
Erscheinungsdatum
2015 (Februar)
Note
3
Schlagworte
Opfer Täter Gewalt Revikitimisierung Sexualverhalten

Autor

Lena Marie Raubach, geb. Heusel, ist staatlich anerkannte Erzieherin und besitzt einen BA für Soziale Arbeit. Darüber hinaus ist sie SAFE-Trainerin, Entspannungspädagogin für Kinder und Jugendliche sowie systemische Familientherapeutin. Während des Studiums war sie in verschiedenen Heimeinrichtungen tätig und absolvierte ein Anerkennungsjahr in der ambulanten Familienhilfe. Zur Zeit ist sie mit dem Aufbau einer eigenen Praxis beschäftigt.
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Titel: Sexueller Missbrauch an Kindern und Jugendlichen: Die Folgen und der Umgang damit
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