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Klassenunterschiede in den historischen Fertilitätsraten: Auswirkungen der Geburten- und Sterberate auf unterschiedliche Gesellschaften zu unterschiedlichen Zeiten

©2012 Bachelorarbeit 47 Seiten

Zusammenfassung

Der Anspruch dieser Arbeit ist es, den Zusammenhang zwischen den Fertilitätsraten, Sterberaten und dem Wohlstand einer Bevölkerung aufgrund der historischen Daten herzustellen.
Die daraus entstehenden Verknüpfungen können eine weitere Erklärung für das Eintreten der industriellen Revolution sein. Durch diese Zusammenhänge lassen sich darüber hinaus auch weitere Wohlstands- und Armutsphasen in der Weltgeschichte erklären.
Die Arbeit wurde am Lehrstuhl für Wirtschaftsgeschichte an der Ludwigs-Maximilian Universität München unter der Betreuung von Herrn Prof. Davide Cantoni, Ph.D., angefertigt.

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


Tabellenverzeichnis
Tabelle 1:
Herkunft der untersuchten Testamente, Seite 15
Quelle: Survival of the Richest: The Malthusian Mechanism in Pre-
Industrial England, Gregory Clark et al., S.5
Tabelle 2:
Ausgeübte Berufe der Erblasser, Seite 16
Quelle: Survival of the Richest: The Malthusian Mechanism in Pre-
Industrial England, Gregory Clark et al., S.6
Tabelle 3:
Anzahl der Kinder und deren Geschlecht in den Testamenten, Seite 17
Quelle: Survival of the Richest: The Malthusian Mechanism in Pre-
Industrial England, Gregory Clark et al., S.8
Tabelle 4:
Unterteilung in unterschiedliche Berufsklassen, Seite 18
Quelle: Survival of the Richest: The Malthusian Mechanism in Pre-
Industrial England, Gregory Clark et al., S.11
Tabelle 5:
Ergebnis für die Schätzungen der Regressionsvariablen, Seite 20
Quelle: Survival of the Richest: The Malthusian Mechanism in Pre-
Industrial England, Gregory Clark et al., S.13
Tabelle 6:
Aufteilung der Kinder auf die einzelnen Berufsgruppen, Seite 32
Quelle: Economic Status and Reproductive Success in New France,
Gregory Clark et al., S.30

1. Einleitung
Unterschiedliche Geburtenraten zwischen dem armen und dem reichen Teil der Bevölkerung
beeinflussten die historische Entwicklung der Gesellschaften. Es wird gezeigt, dass die
Annahme, dass Reiche eine höhere Geburtenrate hatten als arme meist zutrifft aber in
Einzelfällen auch widerlegt werden kann. Im Weiteren wird auf die unterschiedlichen
Ausprägungen der Gesellschaft durch die höheren Geburtenraten von dem reichen Teil der
Bevölkerung eingegangen, wie beispielsweise der soziale Abstieg. In der Zeit vor der
industriellen Revolution gab es wenig Bevölkerungswachstum, es lag stets unter 1% pro Jahr,
teilweise war auch ein Rückgang der Einwohnerzahl zu verzeichnen.
1
Die Zusammensetzung der Bevölkerung, sprich der Anteil von Armen und Reichen an der
Bevölkerung hat sich jedoch immer wieder geändert. Dies konnte starken Einfluss auf die
Gesellschaft haben. Gregory Clark führt diesen Grund sogar als eine der Hauptursachen dafür
an, dass die industrielle Revolution überhaupt so stattfinden konnte. Im vorindustriellen
England war die Geburtenrate der Reichen deutlich höher als die der Armen, wodurch ein
fortlaufender sozialer Abstieg in der Gesellschaft in Gang gesetzt wurde. Erst dadurch konnte
sich die Denkweise und Bildung der Oberschicht in der gesamten Bevölkerung verbreiten.
Damit wurde auch dem einfachen Arbeiter die Bedeutung der Arbeitsteilung und seiner
eigenen gewissenhaften Arbeit bewusst. Besonders hervorzuheben ist in diesem
Zusammenhang, dass im 18. Jahrhundert in England keine höhere Vergütung für die
Fähigkeit lesen und schreiben zu können erzielt wurde als im 12. Jahrhundert. Sprich es gab
keine wirtschaftlichen Anreize für die Bevölkerung lesen und schreiben zu lernen, was
allerdings keinen Hindernisgrund für die Aneignung darstellte. Diese Ansicht teilen nicht alle
Wissenschaftler und deshalb stieß sie auf teils heftige Kritik von Ökonomen wie
beispielsweise Deirdre N. McCloskey, Hans-Joachim Voth und George Grantham. Dennoch
ist die Bedeutung der unterschiedlichen Fertilitätsraten zwischen Arm und Reich im Verlauf
der Weltgeschichte unumstritten.
2
2. Einfluss der unterschiedliche Geburtenraten
Obwohl die Geschichte der Menschheit vor mehreren millionen Jahren ihren Ursprung fand,
stellen die letzten zwei Jahrhunderte eine große Ausnahme im Bezug auf viele Entwicklungen
1
http://www.census.gov/population/international/data/idb/worldhis.php
2
Vgl. Clark, Gregory, A Farewell to Alms (2007), S.180
1

dar, sowohl das Einkommen pro Kopf als auch das Bevölkerungswachstum betreffend. Selbst
ohne die Betrachtung der letzten 200 Jahre, stellen die letzten 10.000 Jahre eine große
Veränderung aufgrund der neolithischen Revolution dar. Davor gab es so gut wie keine
Entwicklung der Bevölkerung und ebenfalls keine Entwicklung bezüglich des Einkommens.
Seit der Domestizierung von Tieren und Pflanzen ergaben sich erhebliche Verbesserungen in
diesen Bereichen. Durch Arbeitsteilung und gezielter Produktion von Nahrung konnten
erstmals Menschen ohne dem Einsatz von Jagdgebieten ernährt werden. Diese Entwicklung
erreichte mit der industriellen Revolution ihren Höhepunkt und wurde in weiterer Folge zu
diesem Zeitpunkt abgeschlossen.
2.1. Survival of the fittest
Vor der Neolithischen Revolution, der Domestizierung von Pflanzen und Tieren, lebten die
Menschen als Jäger und Sammler in kleinen Gruppen zusammen. Zu jener Zeit gab es auch
noch keine Arbeitsteilung oder Spezialisierung auf bestimmten Gebieten. Je nachdem wie die
Natur in dem Gebiet beschaffen war, konnte man entweder Tiere jagen oder Früchte und
Beeren sammeln. Die Gruppen in denen die Menschen zusammenlebten waren meist sehr
überschaubar und in der Regel nicht viel größer als 20 Personen. Da man nur von der Natur in
der direkten Umgebung leben konnte, wäre es unmöglich gewesen mehrere hundert oder gar
tausende Menschen zu ernähren. Innerhalb dieser Gruppen herrschte eine sehr flache
Hierarchie, Anführer wurden in der Regel nicht benötigt. Natürlich gab es die ,,Big-men"
welche sich besser Gehör verschaffen konnten als andere, allerdings hatte diese Position nicht
viel mit Macht und Entscheidungsgewalt zu tun. Konflikte wurden meist mehr oder weniger
friedlich innerhalb der Gruppe gelöst. Aber auch zu dieser Zeit galt schon, dass die am
wirtschaftlichsten arbeitenden Männer die meisten Nachkommen hatten. Am
wirtschaftlichsten bedeutete damals, dass diese Person bei der Jagd am meisten Fleisch
erbeuten konnte und somit seine Familie ernähren konnte. Das hatte zur Folge, dass
diejenigen die sich am besten an die Lebensumstände anpassten die meisten Nachkommen
hatten. Bei einem Volk in Paraguay, den Aché, hatten die erfolgreichsten Jäger und Sammler
0,31 Kinder pro Jahr, während die weniger erfolgreichen 0,20 Nachkommen hinterließen. Die
Sterberate zeigte keine großen Unterschiede zwischen den beiden Gruppen auf. Das hatte zur
Folge, dass sich nach und nach die besten Gene zum Jagen und Sammeln durchsetzten.
3
3
Vgl. Clark, Gregory, A Farewell to Alms (2007), S.129
2

2.2. Durchsetzen der Geschicktesten
Anfangs waren die Gruppen in denen man lebte sehr klein und die Lebensräume zum Jagen
und Sammeln sehr groß. Dennoch nahm die Dichte in besonders gut zu jagenden Gebieten zu,
sodass Konflikte unausweichlich schienen. Bisher waren diejenigen Männer bei der Wahl zur
Fortpflanzung bevorzugt, welche die besten Gene mit sich brachten. Die besten Gene stellen
in diesen Zusammenhang die beste Veranlagungen dar, um als Jäger und Sammler erfolgreich
sein zu können und in weiterer Folge die größtmögliche Anzahl an Personen ernähren
konnten. Doch durch das nun vermehrte Auftreten von Konflikten in besonders dicht
besiedelten Gebieten bekamen andere Gaben bzw. Gene eine wichtigere Rolle. In der
Entstehungsphase der frühen Gesellschaften war es von Bedeutung, zwei Stämme oder
Gruppen friedlich zu einen. Hier setzten sich die Anführer einiger Jäger-Sammler-Gruppen
und Stämme durch, welche charismatischer, mächtiger und geschickter im Durchsetzen von
Entscheidungen waren als die ,,Big-men" anderer Stämme. Stämme mit mangelhafter
Konfliktlösungsfähigkeit wie die Fayu, ein indonesisches Volk, zerfallen oft wieder in
einzelne Gruppen. Während hingegen gut geführte Stämme mit wirksamen
Konfliktregelungen und soliden Entscheidungsprozessen bessere Techniken entwickeln, ihre
militärische Macht konzentrieren und größere fruchtbare Gebiete in ihren Besitz bringen
können.
4
So haben sich schon seit je her die ,,Reicheren", welche in jeder Epoche anders definiert
wurden, durch eine sicherere Versorgungsgrundlage durchgesetzt und mehr Nachkommen
produziert als die ,,Ärmeren". Wenn diese Anpassung, anfangs durch bessere
Voraussetzungen für das Jagen, dann durch bessere Geschicklichkeit und Intelligenz in der
Führung, nicht stattgefunden hätte, hätten sich vielleicht niemals fortschrittlichere Stämme
bzw. Häuptlingsreiche mit Schrift und komplexen Gesellschaften mit bis zu 50.000
Bewohnern und Institutionen entwickelt.
5
Ebenso war die Entwicklung von Jagen und Sammeln hin zur Agrarwirtschaft ein wichtiger
Schritt. Dadurch war es erstmals möglich in solchen großen Gruppen zusammenleben zu
können und diese Massen mit ausreichend Nahrung zu versorgen. Dies geschah
beispielsweise 2500 BC in den Städten von Sumer. Dort lebten schon bis zu 40.000 Menschen
in einer Stadt zusammen. Als Jäger und Sammler den dazugehörigen Jagdgebieten wäre dies
nicht möglich gewesen.
6
4
Vgl. Diamon, Jared, Arm und Reich (2011), S.355
5
Vgl. Diamon, Jared, Arm und Reich (2011), S.348
6
Vgl. Clark, Gregory, A Farewell to Alms (2007), S. 184
3

2.3. Argumente für und gegen die Annahme der höheren Fertilität von Reichen
Probleme im Zuge der Analyse der demographischen Bedeutung von Unterschieden zwischen
Arm und Reich ergeben sich aus der schwierigen Verallgemeinerung des empirischen
Beweismaterials. Man kann jedoch versuchen allgemeine Modelle zu entwerfen, welche
typische Fälle darstellen und in besonderen Fällen modifiziert werden.
2.3.1. Unterschiedliche Kriterien bei der Wahl der Frau
Ein solches Modell beispielsweise begründet die Aussage, dass Reiche eine höhere
Fertilitätsrate aufweisen als Arme damit, dass Frauen wohlhabender Männer nicht arbeiten
mussten. Dies bedeutet, dass die Kriterien nach welchen sich wohlhabende Männer ihre
Frauen aussuchten, hauptsächlich von sexuellen Neigung, dem Wunsch nach Harmonie und
eventueller Mitgift geprägt waren. Demzufolge waren die Frauen meist jung. Im Gegensatz
dazu suchte sich der ärmere Teil der Bevölkerung, welcher meist aus Bauern bestand, nach
Frauen, welche bereits Erfahrungen in der Verwaltung des Haushalts und des Bauernhofes
sammeln konnten. Diese Erfahrung konnten Frauen aber nur aufweisen, wenn sie davor
bereits eine Dienstzeit im Haushalt eines vermögenden Gutsherrn oder Bauern geleistet
hatten. Da der Bauer meist Land für die Hochzeit kaufen oder den Pachtvertrag neu bestätigen
lassen musste, hatte der Landeigentümer natürlich auch ein Interesse daran, dass die Frau
diese Eigenschaften für eine gute Weiterführung des Bauernhofes mit sich bringt. Daher
hatten ältere Frauen oder Witwen mit eigenem Besitz von Land für Bauern eine größere
Anziehungskraft als junge Konkurrentinnen. Auch die Überlegung, dass eine reifere Frau dem
Bauern weniger Nachfolger schenkt, welche versorgt werden müssen, spielte in diesem
Kontext eine entscheidende Rolle.
7
Ceteris paribus ist das Resultat dieses Modells, dass die Fruchtbarkeit nahe am Gipfel der
Gesellschaftspyramide höher sein musste. Dieser Effekt konnte auch noch verstärkt werden,
da die Reichen die Möglichkeit hatten sich Ammen für die Stillung des Babys anzustellen. So
wurde die Wahrscheinlichkeit, dass die Frauen bald wieder schwanger wurden vergrößert. Ein
Dämpfer für dieses Modell ist die Tatsache, dass Wohlhabende schon viel früher Methoden
zur Verhütung anwendeten.
2.3.2. Versorgungssicherheit durch Reichtum
Ein weiterer Grund für die Annahme, dass die soziale Mobilität in der Gesellschaft nach unten
tendiert, folgt aus der offensichtlichsten Tatsache, dass die Reichen wohlhabender sind. Zu
7
Vgl. Wrigley, E. A., Bevölkerungsstruktur im Wandel (1969), S.102
4

jenen Zeiten bedeutete ,,reich sein" so viel wie ,,satt sein". Dies hat die obere Schicht zwar
nicht gänzlich gegen Seuchen oder Ernteausfälle geschützt, doch waren sie mobiler und
konnten so versuchen, diesen Umständen zu entgehen. Im Weiteren sind wohlgenährte
Menschen robuster und nicht so anfällig für Infektionen wie jene, die seit Monaten am Rand
des Existenzminimums leben.
8
Doch ist auch dieser Effekt nicht eindeutig belegbar. Auf der anderen Seite lebte nämlich der
Großteil der ärmeren Bevölkerung auf dem Land, während Wohlhabendere Menschen in
größeren Städten lebten, wo das Einkommen pro Kopf höher war. Dort verdiente ein Großteil
der Bevölkerung sein Geld mit Tätigkeiten außerhalb des Landwirtschaftssektors. Falls nun
ein oder zwei Jahre die Ernte geringer ausfiel oder gänzlich ausblieb, waren jene, die nicht in
der Landwirtschaft arbeiteten, am stärksten vom Ausfall betroffen, da dort die meisten
Einsparungen vorgenommen wurden. Im Gegensatz dazu konnten sich arme Bauernfamilien
auf dem Land besser ernähren. Ebenso verhielt es sich mit Krankheiten und Seuchen, welche
entweder plötzlich oder im Anschluss an eine Hungersnot auftraten. Dies machte die ohnehin
bereits erschwerte Situation für die Leute in der Stadt noch schlimmer, da sich dort aufgrund
der hohen Bevölkerungsdichte (London hatte beispielsweise im Jahre 1660 bereits etwa
450.000 Einwohner) Epidemien viel schneller ausbreiten konnten als auf dem dünn
besiedelten Land. Im Jahre 1603 starben in London mindestens 33.000 Menschen an der Pest
und weitere 10.000 aufgrund anderer Ursachen. In der gleichen Zeit forderten die Seuchen auf
dem Land nahezu kein einziges Menschenleben, zumindest gab es keine derartigen
Sterbewellen.
9
Allgemein lässt sich dennoch sagen, dass dieses Modell, welches zumindest für den
europäischen Raum eine gute Annäherung darstellt, eine höhere Geburtenrate für Reiche und
somit eine soziale Mobilität nach unten vermuten lässt.
2.4. Beschreibung der vorindustriellen Welt durch das Malthusische Modell
Thomas Robert Malthus war ein britischer Ökonom, der die historische Entwicklung der
Weltbevölkerung analysierte und versuchte diese anhand von Modellen zu erklären.
Allgemein bekannt wurde seine Theorie durch sein Werk ,,An Essay on the Principle of
Population" das im Jahre 1798 erschien. Weitere Werke wie ,,Principles of Economics"
festigten seinen Ruf als herausragender Ökonom und Denker. Mit seiner Arbeit beeinflusste
er auch Menschen außerhalb der Ökonomie, wie zum Beispiel Charles Darwin und dessen
8
Vgl. Wrigley, E. A., Bevölkerungsstruktur im Wandel (1969), S.102
9
Vgl. Wrigley, E. A., Bevölkerungsstruktur im Wandel (1969), S. 97
5

Evolutionstheorie. Malthus´ Versuch die vorindustrielle Welt zu erklären unterliegt der
Annahme, dass die Gewinne von technologischen Fortschritten immer wieder durch die
Vergrößerung der Bevölkerung zunichte gemacht wurden. Dadurch blieb das Einkommen pro
Kopf im Verlauf der Geschichte immer auf einem ähnlichem Niveau. Natürlich unterliegt
dieses auch kurzfristigen Schwankungen, die durch Umwelteinflüsse wie der Pest
hervorgerufen wurden. Langfristig war das Einkommen pro Kopf relativ konstant.
Abbildung 1 zeigt die Entwicklung des Einkommens pro Kopf von 1000 BC bis zur heutigen
Zeit. Da man das Einkommen pro Kopf für die unterschiedlichen Epochen nicht wie
heutzutage einfach anhand des Lohneinkommens bemessen kann, wird hierfür eine
Bemessungsgrundlage gewählt, welche auch von renommierten Ökonomen wie Gregory
Clark unterstützt wird. Dabei wird das Einkommen pro Kopf durch die Versorgung mit
Nahrung, Kleidung, Wärme, Licht und Behausung definiert. Wie man in der Grafik sehen
kann, variiert das Einkommen pro Kopf über die Gesellschaften, Regionen und Epochen
hinweg. Bis kurz vor dem Eintreten der Industriellen Revolution gegen Ende des 18.
Jahrhunderts waren keinerlei langfristige Auf- und Abschwünge erkennbar.
10
Abbildung 1: Historische Entwicklung des Einkommens pro Kopf
10
Vgl. Clark, Gregory, A Farewell to Alms (2007), S.1
6

Es war nur vereinzelten Menschen möglich, wie zum Beispiel dem Adel oder den
Großgrundbesitzern, ihr Einkommen über das substantielle Einkommen, welches gerade zum
Leben ausreichte, zu vermehren. Der Großteil der Bevölkerung im 17. Jahrhundert verfügte
über ein ähnliches Einkommen wie ihre Vorfahren 2000 Jahre zuvor. Dieser Zusammenhang
wird unter dem Begriff ,,Malthusische Falle" zusammengefasst.
2.4.1. Modellannahmen
Da die Produktionsmöglichkeiten für Nahrung, die den größten Anteil am Einkommen
ausmacht, auch nach der Neolithischen Revolution begrenzt waren, mussten sich die
Geburtenraten langfristig den Todesraten angleichen, da ansonsten nicht mehr Leute ernährt
werden konnten.
11
Diese Theorie wird durch eine einfache Grundprämisse belegt:
Jede Gesellschaft verfügt über eine Geburtenrate, welche durch kulturelle und
gesellschaftliche Normen reguliert wird. Mit steigender Wohlfahrt erhöht sich die
Geburtenrate und die Todesrate nimmt ab. Durch die wachsende Bevölkerung sinkt die
Wohlfahrt wieder.
Die Geburten pro Jahr und pro Person definieren die Geburtenrate. Meist wird diese als
Geburten pro 1000 Menschen angegeben, ebenso wie die Todesrate.
12
Daraus ergibt sich für Änderungen der Bevölkerung folgende Definition:
Laut Definition ergibt sich die Änderung der Bevölkerung aus der Geburtenrate abzüglich der
Sterberate. Die höchsten Geburtenraten, die in der Geschichte bisher gemessen wurden, lagen
knapp über 50. Im Jahre 2000 wurden zum Beispiel in Afrika unter anderem folgende
Geburtenraten gemessen: Niger 55; Somalia 52; Uganda 51. Diese Raten stellen allerdings
große Ausnahmen im Verlauf der Geschichte dar. England hatte zum Vergleich in der Zeit
vor der industriellen Revolution Geburtenraten meist niedriger als 30.
13
Die Sterberate hingegen kann stark schwanken, je nachdem ob die Bevölkerung gerade in
Zeiten von Frieden oder Hungersnöten, Kriegen oder Seuchen lebte. Zur Veranschaulichung
dient folgendes Beispiel. Falls eine Bevölkerung eine sehr hohe Geburtenrate wie 50 pro
tausend und gleichzeitig eine Sterberate von 30 pro tausend aufweist, dann wächst diese
11
Vgl. Clark, Gregory, A Farewell to Alms (2007), S.20
12
Vgl. Clark, Gregory, A Farewell to Alms (2007), S.20
13
Vgl. Clark, Gregory, A Farewell to Alms (2007), S.20
7

Bevölkerung mit einer Rate von 20 pro tausend, oder anders ausgedrückt mit einer Rate von
2%. Die Bevölkerungsraten müssen nicht zwangsläufig positiv sein. Deutschlands Wachstum
beispielsweise liegt in dem Zeitraum von 2005­2010 bei -0,2%.
14
Der renommierte Bevölkerungswissenschaftler E.A. Wrigley hat das sinnbildlich wie folgt
veranschaulicht:
,,Die Badewanne füllt sich mit Wasser, das aus dem Hahn fließt und durch das Verschlussloch
wieder abläuft. Die Kapazität des Wasserhahns bestimmt den möglichen Maximalzufluss.
Außer in Fällen, in denen die Altersstruktur der Bevölkerung sehr ungewöhnlich ist, beträgt
die jährliche maximale Zuwachsrate ungefähr 50 : 1000. [...] Daher kann das Wasservolumen
in dem Bad jährlich um höchstens ein Zwanzigstel erhöht werden. [...] In großen
vorindustriellen Bevölkerungen betrugen die Mindestzahlen nur selten weniger als 15 : 1000.
Im Gegensatz zu den vergleichsweise engen Grenzen, die den Veränderungen der
Zuwachszahlen gesetzt sind, war der Durchmesser des Badewannenausflusses in der
vorindustriellen Zeit sehr groß. In schlechten Jahren hatten manche Gemeinden Sterbezahlen
von 200, 300 und sogar 400 : 1000. In relativ kurzer Zeit konnte das Wasservolumen des
Bades durchaus merklich reduziert werden."
15
In Abbildung 2 wird die Annahme für das einfache Malthusische Modell in einer Grafik
zusammengeführt.
14
http://hdr.undp.org/en/reports/global/hdr2011/download/de/
15
E.A. Wrigley ­ Bevölkerungsstruktur im Wandel, S.62
8

Abbildung 2: Langfristiges Gleichgewicht in einer Malthusischen Ökonomie
Langfristig müssen die Geburtenraten den Sterberaten gleichen. N stellt die
Bevölkerungsgröße dar, y das Einkommen. Falls sich die Bevölkerung an dem Punkt
befindet, das Einkommen höher ist als das substantielle Einkommen y* und die
Bevölkerung
kleiner ist als die Bevölkerungsgröße N im Gleichgewicht, übertrifft die
Geburtenrate die Sterberate und die Bevölkerung wächst. Dieser Vorgang dauert solange an,
bis das Einkommen pro Kopf wieder bei y* angelangt ist und die Geburtenrate und Sterberate
im Gleichgewicht sind. Die Geburtenkurve ist positiv mit dem Einkommen pro Kopf
korreliert. Höheres Einkommen pro Kopf bedeutet in der Regel eine höhere Anzahl an
Nachkommen. Die Sterblichkeitskurve ist negativ mit dem Einkommen pro Kopf korreliert.
9

Details

Seiten
Erscheinungsform
Erstausgabe
Erscheinungsjahr
2012
ISBN (PDF)
9783955499303
ISBN (Paperback)
9783955494308
Dateigröße
3 MB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Ludwig-Maximilians-Universität München
Erscheinungsdatum
2013 (Juli)
Note
1,7
Schlagworte
industrielle Revolution Sterberate Malthusian Trap Malthusische Falle Bevölkerungswachstum

Autor

Jonathan M. Grothaus, B.Sc. in Economics, wurde 1987 in München geboren. Sein Studium der Volkswirtschaftslehre an der Ludwigs-Maximilian Universität München schloss der Autor im Jahre 2012 mit dem akademischen Grad des Bachelor of Science erfolgreich ab. Während des Studiums sammelte der Autor umfassende praktische Erfahrung in der IT- und Medienbranche. Fasziniert von den empirischen Möglichkeiten in der Wirtschaftsgeschichte legte der Autor seinen Studienschwerpunkt auf dieses Gebiet. Die dort gewonnenen Erkenntnisse motivierten ihn, sich der Thematik des vorliegenden Buches intensiv zu widmen.
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