Lade Inhalt...

Ist die Eurozone ein optimaler Währungsraum? Eine Analyse für die EUR-12

©2012 Bachelorarbeit 52 Seiten

Zusammenfassung

Seit dem Ende des zweiten Weltkriegs verfolgen die europäischen Regierungen die europäische Einigung, die sich bisher vor allem auf eine wirtschaftliche und monetäre Integration beschränkt. In einem wachsenden Teil Europas gibt es mittlerweile eine einheitliche Währung - den Euro. Da in erster Linie politische Interessen bei der Gründung der Währungsunion ausschlaggebend waren, soll in der vorliegenden Studie nachträglich untersucht werden, ob die Einigung auch aus wirtschaftswissenschaftlicher Sicht Erfolg versprechend ist. Die Analyse für die ersten zwölf Mitgliedsländer basiert auf der Theorie optimaler Währungsräume. Es soll weiterhin untersucht werden, ob sich das Ergebnis durch die Finanzkrise seit 2007 verändert hat.
Es werden zunächst die theoretischen Grundlagen dargestellt, wobei einerseits die Vor- und Nachteile einer gemeinsamen Währung gegenübergestellt und andererseits die Kriterien der Theorie optimaler Währungsräume erläutert werden. Im zweiten Teil wird die Eurozone auf Grundlage der vorgestellten Kriterien evaluiert. Es folgt eine kritische Auseinandersetzung mit der OCA-Theorie und ein Blick auf die Zukunft der Eurozone.

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


Abkürzungsverzeichnis
AD
Aggregate Demand (aggregierte Nachfrage)
AEUV
Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union
AS
Aggregate Supply (aggregiertes Angebot)
BIP Bruttoinlandsprodukt
BNE Bruttonationaleinkommen
ECU European
Currency
Unit
EFRE
Europäische Fonds für regionale Entwicklung
EG Europäische
Gemeinschaft
EMU
Economic and Monetary Union (Wirtschafts- und Währungsunion)
ESF Europäische
Sozialfonds
EU Europäische
Union
EUR-12
Euroraum, bestehend aus den 12 Mitgliedsländern, die bis zum
31.12.2006 den Euro eingeführt haben
EWS Europäisches
Währungssystem
EZB Europäische
Zentralbank
FDI
Foreign Direct Investment (ausländische Direktinvestition)
GIIPS
Griechenland, Italien, Irland, Portugal und Spanien
NACE
Nomenclature statistique des activités économiques dans la
Communauté européenne (Statistische Systematik der
Wirtschaftszweige in der Europäischen Gemeinschaft)
OCA Optimum
Currency
Area
(optimaler
Währungsraum)
OCA-Theorie
Theorie optimaler Währungsräume

Symbolverzeichnis
DI
j
Diversifikationsindex des Land j
realer
Wechselkurs
E nomineller
Wechselkurs
E fester,
nomineller
Wechselkurs
F(u,z) Lohnverhandlung der Gewerkschaft in Abhängigkeit von u und z
IM
i
Importe aus Land/ Region i
P Preisniveau
P
e
erwartetes Preisniveau
r
Korrelationskoeffizient nach Bravais und Pearson
2
Standardabweichung
s
ij
Anteil des Sektors i am BIP in Land j
s
i
*
Anteil des Sektors i am BIP der EUR-12
u Arbeitslosenquote
W Nominallöhne
w(.) Wachstumsrate
X
i
Exporte nach Land/ Region i
X
E
Exportgüter
X
I
Importgüter
X
N
nicht-handelbare
Güter
Y Einkommen
z
Variable, die andere Einflussfaktoren (z. B. gesetzliche Grundlagen) beschreibt

1
1 Einleitung
Schon in den 1920-er Jahren ­ nach Ende des ersten Weltkriegs ­ wurden Rufe nach einer
wirtschaftlichen und politischen Einigung Europas laut. Angst vor einem erneuten Krieg,
dem wirtschaftlichen Verfall und der zunehmenden Bedeutungslosigkeit der europäischen
Staaten im weltweiten Machtgefüge unterstützten diese Einigungspläne, die auch den
Wunsch nach einer gemeinsamen Währung enthielten. Von denselben Motiven geleitet
verfolgen die europäischen Regierungen seit dem Ende des zweiten Weltkriegs die
europäische Einigung, die sich bisher vor allem auf eine wirtschaftliche und monetäre
Integration beschränkt. Nach einigen gescheiterten Versuchen gibt es nun seit 1999
zumindest in einem wachsenden Teil Europas eine einheitliche Währung ­ den Euro (vgl.
Clemens et al. 2008).
Da in erster Linie politische Interessen bei der Gründung der Währungsunion
ausschlaggebend waren, soll in der folgenden Arbeit nachträglich untersucht werden, ob
die Einigung auch aus wirtschaftswissenschaftlicher Sicht Erfolg versprechend ist. Die
Analyse für die ersten zwölf Mitgliedsländer der Eurozone basiert auf der Theorie
optimaler Währungsräume und soll letzten Endes die Frage, ob die EUR-12 ein optimaler
Währungsraum ist, beantworten. Aufgrund der statischen Betrachtung durch die OCA-
Theorie soll weiterhin untersucht werden, ob sich das Ergebnis der Analyse durch die
Finanzkrise seit 2007 verändert hat.
In der vorliegenden Arbeit werden zunächst die theoretischen Grundlagen dargestellt,
wobei einerseits die Vor- und Nachteile einer gemeinsamen Währung gegenübergestellt
und andererseits die Kriterien der Theorie optimaler Währungsräume erläutert werden. Im
zweiten Teil wird die Eurozone auf Grundlage der vorgestellten Kriterien der OCA-
Theorie evaluiert. Es folgt eine kritische Auseinandersetzung mit der Theorie optimaler
Währungsräume und ein Blick auf die Zukunft der Eurozone.

2
2 Theoretische Grundlagen
Im Folgenden werden die Grundgedanken der Theorie optimaler Währungsräume erläutert.
Nach einer kurzen Klärung der Begriffe Währungsraum und Optimalität, gefolgt von
grundsätzlichen Vor- und Nachteilen größerer Währungsräume, werden die ursprünglichen
Kriterien für einen optimalen Währungsraum ­ Arbeitsmobilität, Offenheit und
Diversifikation ­ analysiert und nach Möglichkeiten zur empirischen Überprüfung dieser
Kriterien gesucht. Die Erläuterung weiterer Kriterien optimaler Währungsräume schließt
sich an.
2.1 Währungsräume
Ein Währungsraum ist ,,[...] a domain within which exchange rates are fixed [...]"
(Mundell 1961, S. 657). Er kann, wie in Abbildung 1 dargestellt, unterschiedlich gestaltet
werden.
Abbildung 1: Arten von Währungsräumen
1
Die einfachste Form stellt die Fixierung des Wechselkurses zwischen zwei Währungen, der
in bilateralen Verhandlungen oder einseitig festgelegt wird, dar. Um jedoch der
Wechselkursfixierung mehr Glaubwürdigkeit zu verleihen, ist die Gründung einer
Währungsunion erforderlich. Dabei wird ­ wie etwa in der Eurozone ­ eine gänzlich neue
Währung nebst gemeinsamer Zentralbank geschaffen. Weiterhin ist die ,,[...] vollständige
Liberalisierung des Kapitalverkehrs und volle Integration der Banken- und sonstigen
Finanzmärkte [...]" (Delors 1990, S. 121) nötig. Im Gegensatz dazu kann die Gründung
einer Währungsunion auch einseitig geschehen, indem ein Währungsraum (z. B. Andorra)
die Währung eines anderen Währungsraums (des Euro-Währungsgebiets), die sogenannte
Ankerwährung, übernimmt. In diesem Fall wird die Geldpolitik alleine von der
1
Eigene Darstellung in Anlehnung an (Mundell 1961) und (Alesina et al. 2003)
Währungsraum
Feste Wechselkurse
Währungsunion
Einseitige
Bindung
Bilaterale
Verhandlung
Übernahme einer
Ankerwährung
Schaffung einer
neuen Währung

3
Zentralbank der Ankerwährung betrieben. Mitglieder einer Währungsunion verzichten
zugunsten der Wechselkursstabilität auf eine autonome Geldpolitik (vgl. Rose 2006).
Mundell bezeichnet einen Währungsraum als optimal, wenn gleichzeitig folgende Ziele
erreicht werden: Vollbeschäftigung, Preisniveaustabilität und eine ausgeglichene
Zahlungsbilanz (McKinnon 1963, S. 717). Heute werden diese Bedingungen allgemeiner
formuliert: Wenn der Nutzen die Kosten einer Währungsunion übersteigt, so ist diese
optimal (vgl. DeGrauwe 2007, S. 81ff).
2.1.1 Vorteile einer Währungsunion
Vorteile aus einer Währungsunion entstehen in erster Linie durch die Senkung von
Transaktionskosten und die Sicherheit stabiler Wechselkurse ­ also durch die positive
Beeinflussung der Geldfunktionen
2
. Doch inwieweit eine bestimmte Währung diese
Funktionen erfüllt, hängt stark von der Größe des Akzeptanzbereichs ab. Schon Mundell
stellte fest: ,,Money is a convenience and this restricts the optimum number of currencies."
(1961, S. 662). Der Nutzen einer Währung steigt also mit ihrer Verbreitung.
Geringere Transaktions- und Informationskosten
Je größer ein Währungsraum ist, desto größer ist auch der Markt, auf welchem die
Währung als Zahlungsmittel fungiert. Durch die Gründung einer Währungsunion entfallen
daher alle Kosten, die durch den Umtausch der Währungen ineinander entstehen (vgl.
Willett et al. 1970). Dabei handelt es sich in erster Linie um Gebühren, die üblicherweise
von den Banken für den Umtausch verlangt werden, sowie um Kosten für den zusätzlichen
Beschaffungsaufwand ausländischer Währung. Diese Gebühren können die Entscheidung,
wo und damit in welcher Währung Waren und Dienstleistungen gekauft oder verkauft
werden, beeinflussen. Dadurch kommt es zu ineffizienten Entscheidungen, die Kosten in
Höhe von über 15 Mrd. ECU
3
jährlich verursachen (vgl. Europäische Kommission 1990,
siehe dazu auch Mendizábal 2002).
Da durch eine gemeinsame Währung auch die Preistransparenz steigt, sinken neben den
Transaktions- auch die Informationskosten.
2
Geld wird als Zahlungsmittel, Recheneinheit und als Wertaufbewahrungsmittel verwendet.
3
Die ECU ist der Vorläufer des Euro. Am 1.1.1999 wurde sie in einem Verhältnis von 1:1 durch den Euro
ersetzt. 15 Mrd. ECU entsprachen circa 0,4 % des BIPs der EU.

4
Sicherheit
Feste Wechselkurse wirken sich positiv auf den Handel aus. Je höher die Volatilität
flexibler Wechselkurse ist, desto größer ist das Risiko einer nachteiligen
Wechselkursentwicklung
4
. Damit ist eine Währung weniger gut geeignet, Kaufkraft in
Hinblick auf importierte Güter aufzubewahren (vgl. Tavlas 1993). Einige Autoren
5
haben
versucht, den Einfluss einer Währungsunion auf den Handel innerhalb eines Währungs-
raumes zu quantifizieren. Jedoch weisen die signifikanten Ergebnisse dieser empirischen
Studien eine große Spannweite auf: etwa 50 % bis 290 % zusätzliches Handelsvolumen
werden geschätzt (Alesina et al. 2003, S. 336).
Glaubwürdigkeit und internationale Bedeutung
Länder, die in der Vergangenheit mit hohen Inflationsraten zu kämpfen hatten oder deren
Geldpolitik wenig erfolgreich war, können durch die Gründung einer Währungsunion mit
einem Land mit niedrigerer Inflationsrate und einer erfolgreicheren Geldpolitik
Glaubwürdigkeit importieren. Dies ist eine schnelle und einfache Möglichkeit, um eine
Ära hoher Inflationsraten zu beenden.
Darüber hinaus steigt die weltweite Bedeutung der gemeinsamen Währung, weshalb sie
eventuell auch außerhalb des eigentlichen Gebiets als Wertaufbewahrungs- oder
Zahlungsmittel verwendet wird. Des Weiteren ist der Wechselkurs einer größeren
Währung ­ im Sinne der umlaufenden Geldmenge ­ weniger anfällig für spekulative
Beeinflussungen als sehr kleine Währungen, da einzelne Spekulanten nur einen geringen
Anteil der umlaufenden Geldmenge kontrollieren können.
2.1.2 Nachteile einer Währungsunion
Durch die Einführung der neuen Währung entstehen im Vorfeld erhebliche Kosten
6
. Diese
treten jedoch nur einmalig auf und sollten daher bei einer Kosten-Nutzen-Analyse nicht
betrachtet werden.
4
Risikoaverse Marktteilnehmer, die sich gegen ein solches Risiko absichern wollen, müssen erhöhte Kosten
in Kauf nehmen. Des Weiteren führen falsche Prognosen der Wechselkurse zu ineffizienten Entscheidungen,
da einerseits Renditemöglichkeiten ausländischer Direktinvestitionen überschätzt oder andererseits
unrentablere Inlandsinvestitionen zur Elimination des Wechselkursrisikos bevorzugt werden.
5
Unter anderem (Rose 2000), (Klein 2005).
6
In Verhandlungen müssen sich alle Teilnehmer der neuen Währungsunion auf einen rechtlichen Rahmen
und die Höhe der fixierten Wechselkurse einigen; Software muss umgestellt, alle Preise neu ausgeschrieben
werden (Menu costs); das neue Bargeld muss gedruckt und gegen das alte ausgetauscht werden.

5
Langfristige Nachteile aus der Gründung einer Währungsunion entstehen durch die
zwangsläufige Aufgabe der autonomen Geldpolitik. Dadurch entfallen die Festlegung des
Leitzinssatzes, wodurch indirekt die Zinsen für die Privatwirtschaft beeinflusst werden,
und die Entscheidung über das Volumen der in Umlauf befindlichen Geldmenge. Diese
Instrumente, mit denen indirekt der Wechselkurs gelenkt wird, stehen der nationalen
Zentralbank nun nicht mehr zur Verfügung, um Ungleichgewichte oder unerwünschte
Entwicklungen zu beseitigen. Das betrifft insbesondere den Arbeitsmarkt, die Inflation und
die Zahlungsbilanz (siehe 2.1 Währungsräume: Optimalität, S. 4).
Asymmetrische Schocks
Vor dem Zusammenschluss zu einer Währungsunion konnte jedes Land die Geldpolitik
betreiben, die es gerade für die erfolgreichste gegen auftretende Schocks hielt.
Die Auswirkungen eines asymmetrischen Nachfrageschocks lassen sich leicht mit dem
AS-AD-Modell
7
zeigen. Wie in Abbildung 2, S. 6, beispielhaft dargestellt, befinden sich
zwei Länder in der ersten Periode im Gleichgewicht. In Periode 2 kommt es zu einer
Verschiebung der Präferenzen von Gütern aus Land A zu Gütern aus Land B. Ohne eine
entsprechende monetäre Politik käme es durch die sinkende Nachfrage in Land A zu
Arbeitslosigkeit und einer deflationären Entwicklung, während Land B durch die steigende
Nachfrage mit Inflation zu kämpfen hätte. Zentralbank A wird daher die inländische
Güternachfrage durch eine Niedrigzinspolitik stimulieren, während Zentralbank B durch
steigende Zinsen der Inflation entgegenwirken wird. Dies führt zu einer Abwertung der
Währung A und einer Aufwertung der Währung B. Dadurch wird nun auch die
ausländische Nachfrage nach Gütern aus Land A steigen, die ausländische Nachfrage nach
Gütern aus Land B sinken. So kann das Gleichgewicht der ersten Periode wieder erreicht
werden.
Mit dem Zusammenschluss zu einer Währungsunion muss jedoch eine einheitliche
Geldpolitik betrieben werden. Diese kann nur erfolgreich sein, wenn jedes Mitgliedsland
zeitgleich dieselben Schocks erfährt. Es handelt sich dann um symmetrische Schocks
8
.
Treten jedoch asymmetrische Schocks auf, kann diesen nicht mit einer adäquaten Geld-
7
Das AS-AD-Modell beschreibt das gesamtwirtschaftliche Gleichgewicht auf den Güter- und Geldmärkten
in der mittleren Frist. Das Preisniveau ist im Gegensatz zur kurzen Frist jedoch veränderlich. Die AS-Kurve
leitet sich aus Lohn- und Preissetzungsverhandlungen ab, die AD-Kurve von dem kurzfristigen
Gleichgewicht auf Güter- und Geldmarkt. Siehe dazu unter anderem (Hicks 1937) und (Modigliani 1944).
8
Vereinfachend wird angenommen, dass symmetrische Schocks symmetrische Auswirkungen haben und
vice versa.

6
politik begegnet werden. Je nach Präferenz der gemeinsamen Zentralbank kann entweder
die Arbeitslosigkeit in Land A oder die Inflation in Land B bekämpft werden. Dadurch
entstehen Arbeitslosigkeit, erhöhte Inflation oder langfristige Leistungsbilanzungleich-
gewichte. Diese stellen für die Mitgliedsländer Kosten dar, die bei autonomer Geldpolitik
vermeidbar gewesen wären.
Abbildung 2: Anpassungsprozess bei flexiblen Wechselkursen
In der OCA-Theorie werden meist nach unten hin feste Preise und Löhne angenommen.
Dadurch wird der Anpassungsprozess für Land A noch problematischer. Ursache hierfür
ist die stärker zurückgehende Nachfrage bei gleichbleibendem Preisniveau (siehe in
Abbildung 3, Punkt a). Erst in einer längeren Phase der Anpassung werden die
Unternehmen langsam die Preise ­ und somit das Preisniveau inländischer Güter ­ senken.
Abbildung 3: Anpassungsprozess bei festen Wechselkursen
Die Theorie optimaler Währungsräume untersucht deshalb Kriterien, die die Kosten beim
Auftreten asymmetrischer Schocks minimieren können.
Land B
P*
Y*
1
AS*
AD*
Land A
a
AS
AD
P
Y
2
1
AS
AD
Land A
P
Y
2
1
AS*
AD*
Land B
P*
Y*
1
2

7
2.2 Theorie optimaler Währungsräume
Schon in den 1950er-Jahren beschäftigten sich Ökonomen mit dem Problem fester versus
flexibler Wechselkurse
9
. Der kanadische Nobelpreisträger Robert Alexander Mundell gilt
jedoch als der Begründer der Theorie optimaler Währungsräume. Im Jahr 1961
veröffentlichte er den vielzitierten Aufsatz ,,A Theory of Optimum Currency Areas", in
dem er die Arbeitsmobilität als wichtige Eigenschaft eines optimalen Währungsraums
untersucht. In den nachfolgenden Jahren wurden weitere Kriterien von Ronald McKinnon
(Offenheitsgrad), Peter Kenen (Diversifikationsgrad) und anderen entwickelt. Diese Zeit
war geprägt von fortschreitender wirtschaftlicher Integration in Westeuropa, weltweit
niedrigen Inflationsraten und Kapitalkontrollen in einer Vielzahl von Ländern (Mongelli
2002, S. 2). Mitte der 1970er-Jahre verlor die Theorie aufgrund von Unstimmigkeiten und
des stagnierenden europäischen Integrationsprozesses stark an Bedeutung.
Erst mit dem umfassenden Bericht der Europäischen Kommission ,,One Market, One
Money" (1990), der ausführlich Vor- und Nachteile einer europäischen Währungsunion
untersucht, beginnt eine zweite Phase der intensiven Forschung im Bereich optimaler
Währungsräume. Neben einer Vielzahl empirischer Untersuchungen, insbesondere Europa
betreffend, werden weitere Aspekte
10
der Wechselkursproblematik analysiert und eine
Ordnung der Kriterien nach Relevanz aufgestellt. Tavlas (1993) bezeichnet die zweite
Phase als neue Theorie optimaler Währungsräume.
Für die Entwicklung der Theorie optimaler Währungsräume traf Mundell Grundannahmen,
die zumeist auch in nachfolgenden Arbeiten übernommen wurden:
(1)
Weder Preise noch Löhne sind nach unten hin flexibel, wodurch sie nicht als
natürliches Anpassungsinstrument auf Güter- und Arbeitsmärkten geeignet sind
(Mundell 1961, S. 657).
(2)
Arbeitnehmer unterliegen der Geldwertillusion. Sie sind also eher bereit, reale
Lohneinbußen, die sich durch eine ungünstigere Entwicklung des Wechselkurses
ergeben, hinzunehmen als solche infolge von Inflation oder gar nominellen
Lohnsenkungen (Mundell 1961, S. 663).
Erst in der neuen OCA-Theorie wurden diese Annahmen in Frage gestellt.
9
Zu nennen sind insbesondere Friedman (1953), Meade (1957) und Scitovsky (1958).
10
Beispielsweise die langfristige Wirkung monetärer Politik.

8
2.2.1 Robert A. Mundell: Arbeitsmobilität
Robert A. Mundell untersucht in ,,A Theory of Optimum Currency Areas" (1961) die
Auswirkungen eines asymmetrischen Nachfrageschocks auf das herrschende
Gleichgewicht zwischen zwei Regionen. Regionen werden dafür definiert als ,,[...] areas
within which there is factor mobility, but between which there is factor immobility."
(Mundell 1961, S. 658). Eine Region entspricht also nicht zwangsläufig dem Staatsgebiet.
Des Weiteren ist seine Definition einer Region nicht ausschließlich geografischer Natur.
Herrscht zwischen zwei unterschiedlichen Branchen, beispielsweise der Auto- und der
Kleidungsindustrie, keine Faktormobilität, so sind diese ebenfalls als zwei Regionen zu
betrachten. Mit Faktormobilität meint Mundell lediglich Arbeitsmobilität
11
, da Kapital
seinerzeit aufgrund der technischen Möglichkeiten und gesetzlichen Regelungen kaum
über Landesgrenzen hinweg mobil war.
In seiner Analyse kommt er zu dem Schluss, dass flexible Wechselkurse zwischen
unterschiedlichen Regionen gegenüber einem festen oder flexiblen Wechselkurssystem auf
Grundlage von Nationalstaaten vorzuziehen sind.
Abbildung 4: Eine mögliche Beziehung zwischen Region und Staat nach Mundell
12
Dafür modelliert er zwei Länder, die USA und Kanada, die jeweils ihre eigene Währung
besitzen. Die Fläche der zwei Länder teilt sich in die zwei Regionen Ost und West (siehe
Abbildung 4), in denen Autos beziehungsweise Kleidung produziert werden. Durch eine
Produktivitätssteigerung im Osten kommt es zu einem Überschussangebot an Autos und
einem Unterangebot an Kleidung. Dies führt zu Inflation und steigenden Löhnen im
Westen und Arbeitslosigkeit und langfristig sinkenden Löhnen im Osten (siehe 2.1.2
Nachteile einer Währungsunion, S. 4). Weder feste noch flexible Wechselkurse zwischen
den USA und Kanada können das Problem lösen. Würden jedoch statt den nationalen
11
Arbeitsmobilität bezüglich unterschiedlicher Branchen bedeutet, dass ein Arbeiter von einer Branche zu
einer anderen wechseln kann, ohne zusätzliche Umschulungen zu benötigen.
12
Eigene Darstellung, Umrisskarte von Dalet, Daniel (http://d-maps.com/m/amnord/amnord10.gif [Zugriff:
23.10.2012]).
Ost: Autos
West: Kleidung
Kanada
USA

9
Währungen regionale Währungen eingeführt, die frei auf- und abgewertet werden können,
so könnten Inflation beziehungsweise Arbeitslosigkeit mit der entsprechenden Geldpolitik
bekämpft werden. Daher gilt: ,,The optimum currency area is the region." (Mundell 1961,
S. 660).
Dieses Ergebnis ist praktisch jedoch von geringem Nutzen, da zum einen Währungen ein
Symbol nationaler Souveränität sind und zum anderen die Funktionen des Geldes bei sehr
kleinen Währungsräumen nicht mehr erfüllt sind (Mundell 1961, S. 661f). Deswegen, so
Mundell, sollte Arbeitsmobilität eher ein relatives als ein absolutes Konzept sein. Damit
weicht er die Bedingung für einen optimalen Währungsraum auf und kommt zu folgendem
Ergebnis: Wenn zwischen zwei Regionen die Mobilität der Arbeitskräfte ausreichend groß
ist, stellen sie trotzdem einen optimalen Währungsraum dar. Denn Ungleichgewichte
bezüglich Angebot und Nachfrage auf Güter- und Arbeitsmarkt können durch mobile
Arbeitskräfte reduziert werden, wie die Weiterführung des obigen Beispiels zeigt: Die
Nachfrageverschiebung sorgt für ungleiche Erwartungen bezüglich der Lohnentwicklung
in Ost und West, wodurch eine Wanderung der Arbeitskräfte von Ost nach West angeregt
wird. Dadurch können die Ungleichgewichte auf dem Arbeitsmarkt wieder beseitigt und
die nationalen Währungen aufrecht erhalten werden.
Möglichkeiten der Erfassung
Mundell gibt nicht an, inwieweit man die Arbeitsmobilität innerhalb eines Gebietes
erfassen könnte. Da es sich um ein relatives Konzept handelt, wäre jedoch der Vergleich
mit einem bestehenden Währungsraum sinnvoll.
Zuerst müssen die rechtlichen und sozialen Rahmenbedingungen geprüft werden: Welche
Bedingungen muss ein Arbeiter erfüllen, um von einer Region in die andere zu wandern?
Mit welchen bürokratischen Kosten ist ein solcher Umzug verbunden und welche
Nachteile
13
entstehen dadurch? Gibt es soziale Hürden, wie beispielsweise Sprach- und
Kulturunterschiede? Unterstützen die Rahmenbedingungen die Arbeitsmobilität, so ist
anschließend zu überprüfen, inwiefern sich das Lohnniveau in den einzelnen Regionen
angleicht. Da Lohnunterschiede jedoch keine Aussage über die Höhe der zu
berücksichtigenden Umzugskosten zulassen, ist die Betrachtung der Migrationsströme im
Vergleich zu einem ähnlichen Währungsraum sinnvoll.
13
Etwa der Verlust des Anspruches auf Renten- oder andere Sozialleistungen.

Details

Seiten
Erscheinungsform
Erstausgabe
Jahr
2012
ISBN (PDF)
9783956845765
ISBN (Paperback)
9783956840760
Dateigröße
1.8 MB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Technische Universität Dresden
Erscheinungsdatum
2015 (Februar)
Note
1,7
Schlagworte
Währungsunion Wechselkurs optimaler Währungsraum Währung Euro

Autor

Kristina Riedel wurde 1989 in Leipzig geboren. An der TU Dresden schloss sie 2012 ihren B. Sc. in Wirtschaftswissenschaften mit sehr gut ab. Seitdem studiert sie an der TU Dresden und der Boston University Volkswirtschaftslehre mit dem Schwerpunkt Financial Economics and Global Markets. Die Autorin studiert ebenfalls Mathematik. Mit der aktuellen Krise auf den Finanzmärkten beschäftigte sie sich zuerst während des Abiturs, als sie eine empirische Facharbeit über die Immobilienkrise in den USA verfasste. Seitdem folgten ein Praktikum bei der Deutschen Bundesbank und mehrere Seminararbeiten zu Themen der internationalen Regulierung und Besteuerung von Finanzmärkten.
Zurück

Titel: Ist die Eurozone ein optimaler Währungsraum? Eine Analyse für die EUR-12
book preview page numper 1
book preview page numper 2
book preview page numper 3
book preview page numper 4
book preview page numper 5
book preview page numper 6
book preview page numper 7
book preview page numper 8
book preview page numper 9
book preview page numper 10
52 Seiten
Cookie-Einstellungen