Medientheoretische Eigenschaften des Internets und deren Prägewirkungen für politische Kommunikation und Prozesse innerhalb einer partizipatorischen Gesellschaft
Zusammenfassung
In der Tradition Marshal McLuhans und Neil Postmans gibt Peter Grabowitz einen Überblick über die bisherigen großen Kommunikationsrevolutionen und deren Folgen: Von der Stimme über das phonetische Alphabet und die Schrift zum Buchdruck und nun von den optisch-elektronischen zu den digitalen Medien und damit dem mächtigsten Kommunikationsinstrument der Menschheitsgeschichte, dem Internet. Dessen Prägewirkung für die menschliche Gesellschaft und Weltwahrnehmung im Allgemeinen und die Auswirkungen auf politische Kommunikation und daraus entstehenden Partizipation im Besonderen.
Dabei ist es immer das Kommunikationsmedium selbst, das ‘eine Welt mit sich bringt’, das seine Eigenheiten auf die menschliche Gesellschaft überträgt. Nicht der Mensch beherrscht seine Technik, macht sich diese zu Diensten - vielmehr lockt diese ihn mit Arbeitserleichterung und Machterweiterung, bewirkt dabei aber Veränderungen, die weit über den individuellen Gebrauch hinausreichen.
Der Buchdruck brachte die Aufklärung, der Telegraph hatte als Folge das Konzept ‘Nachrichten’, das Fernsehen marginalisierte inhaltliche Substanz und machte Emotion zur treibenden Diskurskraft. Und das Internet...?
Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
II. Dominante Kommunikationsmedien: Strukturmerkmale und Prägewirkungen
Dieses Kapitel beschreibt die Wirkungen, die dominante Medien auf die Kommunikationssituation innerhalb von Gesellschaften hatten und haben, ausgehend von medientheoretischen Eigenschaften dieser. Die Prägewirkungen der Strukturmerkmale sollen auf ihren Einfluss auf die Umstände von Kommunikation und damit auf politische Prozesse und gesellschaftliche Ordnungsprinzipien hin betrachtet werden.
Diese Mediengeschichte umfasst die Epochen oraler und handschriftlicher Kultur, obwohl diese nicht kommunikative Grundlage einer partizipatorischen Gesellschaft waren. Die demokratischen Anteile an den politischen Strukturen des antiken Athen oder auch Rom folgten eher oligarchischen Prinzipien, eine Demokratie der Eliten.
Dazu sei gesagt, dass die Wirkungen eines Mediums nicht unabhängig sind von weiteren Faktoren. Es besteht kein monokausaler Zusammenhang zwischen medialen Prägewirkungen und gesellschaftlichen Veränderungen. Jedoch können abhängig von der Umwelt in die ein Medium trifft, verschiedene Dynamiken dafür sorgen, dass unterschiedliche Prägewirkungen stärker zum Tragen kommen. Gerade für die Betrachtung eines Konvergenzmediums wie des Internets ist das McLuhan-Diktum, dass der Inhalt eines Mediums ein anderes (älteres) Medium ist, zu beachten. Beispielhaft sei die Rückkehr der Stimme im Radio genannt. Das Internet verbindet variabel zahlreiche ältere Kommunikationsformen auf einer neuen technischen Grundlage. Erkenntnisse zu diesen können Rückschlüsse für die Entwicklung des Internets erlauben.
1. Stimme
Die Geschichte der (dominanten) Kommunikationsmittel beginnt mit der Stimme. Sie stellt den Ausgangspunkt und Bezugsrahmen für andere Kommunikationsformen und deren Einordnung dar. Die orale Kommunikationssituation ist räumlich wie zeitlich geprägt durch Unmittelbarkeit und somit förderlich für den individuellen Dialog. Auch ist die Stimme neben dem ausgesprochenen Gedanken (z.B. in Form verschiedener Stimmtechniken) selbstpräsent in der kommunizierten Botschaft und bestimmt deren Verständnis mit.[1]
The written word spells out in sequence what is quick and implicit in the spoken word.[2]
Die Verständnisförderung über und die Instrumentalisierung der Wirkung dieses „semantischen Überschusses“[3] waren Ziele der antiken Rhetorik. Die orale face-to-face Kommunikationssituation wurde im Hinblick auf ihre Schwächen und Stärken, aber auch ihre Instrumentalisierbarkeit hin betrachtet.
Einerseits sollte die Stimme in ihrer Leistungsfähigkeit als Kommunikationsmittel gestärkt werden. So traten die Regeln von Rede und Gegenrede, die disziplinierte Abfolge eines Streitgesprächs der gedanklichen Unstrukturiertheit einer durch akustische Eindrücke geprägten Wahrnehmung entgegen, indem sie eine Ordnung einbrachten. Die Rhetorik bändigte die Stimme zum Zweck einer rationaleren gesellschaftlichen Kommunikation.
Andererseits zeigte sie aber auch den Einfluss der den Dialog begleitenden Umstände auf. So spielen Kleidung und der Ort eines Vortrags genau so eine Rolle für die Rezeption, wie die Gestik, Aussprache und Betonung des Redners. Das Verständnis dieser Dynamik ermöglicht es Emotionen zu wecken und Menschen zu überzeugen, ohne notwendigerweise rational argumentativ schlüssig zu sprechen. Shakespeares Brutus wendet sich nach dem Mord an Caesar an das Volk und kann dieses auf seine Seite ziehen, indem er innerhalb eines kunstvollen Vortrags das Eingeständnis seiner Tat vermischt mit Lobpreisungen auf sein Opfer, aber auch der Anprangerung dessen vermeintlicher Machtgier und den Interessen des Volkes schadender Herrschaft.[4] Der Mangel einer schlüssigen Begründung ist nicht bedeutungslos, kann hier jedoch mittels der Verquickung von emotionaler und sachlicher Ebene ausgeglichen werden, wie generell die Rede inhaltliche Widersprüche auszuhalten weiß, solange rhetorische Mittel geschickt eingesetzt werden. Unabhängig davon, ob die tatsächlichen Bewohner des antiken Rom so überzeugbar waren, sind hier plakativ die manipulativen Möglichkeiten des aus der Stimme entspringenden rhetorischen Vortrags vorgeführt.
In einer von der Stimme geprägten kommunikativen Umwelt folgt die Wahrnehmung nicht einem rationalen Aufbau. Vielmehr spiegelt sie die Gleichzeitigkeit und das Fehlen von Bezugspunkten des akustischen Hörvorgangs. Die Sozialisierung und das „Leben im akustischen Raum“[5] limitieren die Möglichkeiten für gesellschaftlichen Diskurs. Orale Stammeskulturen unterlagen diesen Beschränkungen besonders stark und erst die Rhetorik des antiken Griechenland widersetzte sich ihnen durch die Strukturierung und Regulierung des dialogischen Disputs. Der Meinungsaustausch nach rhetorischen Grundsätzen innerhalb der Agora Athens oder des Forums Roms stellte einen Entwicklungsschritt dar hin zu dem, was Havelock den alphabetischen Verstand[6] nannte, die Wendung hin zu einer rationaleren, wissensbasierteren gesellschaftlichen Kommunikation. Im Gegensatz zum Stammeshäuptling, der Streitsituationen mittels Sprichwörtern, Redensarten und Gleichnissen zu lösen hat, versuchte man in einer antiken Gerichtsverhandlung die Wahrheit systematischer und argumentativer zu ergründen.[7] Die zentrale Rolle der Rhetorik in dieser zeigte aber auch Grenzen ihrer Leistungsfähigkeit auf. So ist ein komplexes auf Gesetzen fußendes Rechtssystem nur möglich unter Zuhilfenahme eines leistungsfähigen Speichermediums. Ohne permanente Fixierung gesellschaftlicher Regeln und Zustände in allgemein rezipierbarer und verbreitbarer Form, sind der Herrschaftsausübung wie der Beteiligung der Öffentlichkeit an Entscheidungsprozessen Grenzen gesetzt.
2. Phonetisches Alphabet / (Hand-)Schrift
Die phonetische Alphabetschrift trennt erstmals Sprecher und Gesprochenes. Die zeitlichen und örtlichen Dimensionen der Kommunikation verändern sich, auch kann der Adressatenkreis einer schriftlichen Botschaft unbestimmt sein.
Schrift ermöglicht es, die Grenze der Interaktion unter Abwesenden zu überschreiten. Man kann nun Informationen auch für Abwesende und ins situativ Unbekannte hinein fixieren. Seither ist es möglich, gesellschaftlich zu kommunizieren und doch einsam zu bleiben. Was Kant als erhabene Haltung rühmt: „Gesellschaft nicht bedürfen, ohne doch ungesellig zu sein.“, setzt eben diese Abstraktionsleistung voraus. D.h. aber auch umgekehrt: Schrift muß die fehlende Situationsevidenz, die mangelnde Eindeutigkeit von real Präsentem durch Standardisierung und kommunikative Disziplin kompensieren.[8]
Im Fehlen räumlicher und zeitlicher Unmittelbarkeit während der Kommunikationssituation sah Aristoteles eine (weitere) Entfernung von der zu vermittelnden Ursprungsidee. Bereits die Sprache sei nur ein Abbild von Vorstellungen einer Idee. Die Schrift entferne die Kommunikation weiter von der Wahrheit.[9] Platon sah in ihr ein reines Speichermedium, welches im Gegensatz zur Sprache nicht zu einer erörternden, dialogischen Kommunikation in der Lage ist: Schrift sei ungeeignet Weisheit zu vermitteln.[10] Beide benennen die fehlende Dialogfähigkeit der Schrift im Sinne eines unmittelbar interaktiven Gesprächs, können aber noch nicht absehen wie diese „Zerdehnung der Kommunikationssituation“[11] zu einer neuen Form der Rezeption und letztlich Kommunikation führt. Die schriftliche one-to-one und one-to-many Kommunikation befördert „einen mit Begriffen arbeitenden Diskurs“.[12] Der Sender muss sich um Regelhaftigkeit und begriffliche Disziplin in der Anwendung der Schrift bemühen, um seine Gedanken zu kommunizieren. Auf Seiten des Empfängers entwickelt sich eine Methodik der Auslegung, die Hermeneutik, welche rationalen Prinzipien folgend versucht den Inhalt des Geschriebenen zu ergründen. So beginnt die Entstehung einer „geistigen Infrastruktur für kumulative, wissensbasierte Kommunikation.“[13]
Während die Möglichkeiten einer räumlich stark ausgeweiteten Kommunikation und erhöhten Speicherkapazität die Errichtung bürokratischer Verwaltungsapparate zur Organisation größerer Gesellschaften ermöglichen, findet gesamtgesellschaftlich keine weite Verbreitung der Lesefähigkeit statt. Die Manuskripte der Klöster sind teuer herzustellende Einzelstücke und noch weit entfernt von der Gebrauchsliteratur des Buchdruckszeitalters. Diese Manuskriptkultur ist geprägt durch eine geringe Verregelung der Schriftlichkeit: Orthographie, Grammatik und Interpunktion sind nicht normiert. Einen wichtigen Bestandteil des Lesevorgangs macht somit die Erschließung des Geschriebenen aus. Dabei ist der Lesevorgang zunächst kein privater, innerlicher Rezeptionsvorgang, sondern oralen Tradition folgend ein lautes Vorlesen. Auch ist Werken zumeist keine eindeutige Autorenschaft zuordenbar, vielmehr werden diese fortgeführt, oftmals durch die Rezipienten selbst. Dies resultiert in wechselndem Schreibstil, wechselnder Textgestaltung und wechselnden Meinungen innerhalb desselben Schriftstücks, was wiederum die folgende Rezeption erschwert.
Die Manuskriptkultur leitet den Übergang von der oralen zur literalen Kultur ein, wobei erstmals die Prinzipien rationaler, reflexiver und begriffsorientierter Kommunikation zum Tragen kommen. Lesen und Schreiben sind aber noch nicht weit verbreitete Alltagspraxis, dementsprechend kann die Schrift nicht ihre volle Prägewirkung auf die Gesellschaft entfalten.[14] Individualisierung als Folge einer persönlichen gedanklichen Auseinandersetzung mit Geschriebenem ist noch nicht weit fortgeschritten und wird erst mit dem Buchdruck und der damit einhergehenden Verbreitung der Alphabetisierung zum Massenphänomen, welches den zu politischer Partizipation innerhalb einer größeren Gesellschaft fähigen Menschen hervorbringt.
3. Buchdruck
Der Buchdruck führt die „Verdrängung der Welt der Töne und Bilder in die Hintertreppenexistenz der Künste […]“[15] herbei. Der schriftliche Diskurs bricht endgültig mit den Traditionen von Materialität und Performanz rhetorischer Kommunikation. Die Standardisierung des Druckbildes, der Grammatik und Orthographie steht im Dienste der Verbreitbarkeit und vereinfachten Rezeption, führt aber auch zu einer Uniformierung und Verregelung der Sprache, die letztlich territorial übergreifende Landesprachen hervorbringt. Diese Form rational strukturierter Kommunikation lässt Gedanken hervortreten und erlaubt somit deren systematische Betrachtung und Kritik, woraus sich letztlich die wissenschaftliche Methode entwickelt.
Die Schrift lässt das gesprochene Wort erstarren und ruft damit den Grammatiker, den Logiker, den Rhetoriker, den Historiker, den Wissenschafter auf den Plan – all jene, die sich die Sprache vor Augen führen müssen, um zu erkennen, was sie bedeutet, wo sie irrt und wohin sie führt.[16]
Die Möglichkeit einer kurzfristigen massenhaften Vervielfältigung und Verbreitung von Druckschriften in Form von Büchern, Pamphleten und Zeitungen konstituiert letztlich das erste effektive Massenkommunikationsmittel. Gemäß der Definition von Maletzke ist Massenkommunikation „Kommunikation, bei der Aussagen öffentlich durch technische Verbreitungsmittel indirekt und einseitig an ein disperses Publikum vermittelt werden.“[17] Den erweiterten Medienbegriff McLuhans zugrundelegend unterfällt bereits die Alphabetschrift dieser Definition. Jedoch bleibt ihre gesellschaftliche Penetration beschränkt aufgrund technischer Limitierungen und sozialer Umstände. Der Buchdruck hingegen ist in der Lage seine Prägewirkungen gesellschaftsübergreifend zu entfalten. Dadurch nimmt er nicht nur Einfluss auf die gesellschaftliche Sphäre, die Form sozialer Organisation und Machtausübung, sondern bereitet den Nährboden für Individualität und Ich-Bildung und damit letztlich für eine Zivilgesellschaft.
Die Entwicklung findet dabei nicht kausal aufeinanderfolgend, sondern im Wechselspiel statt. Die Möglichkeiten der (technisch effizient umsetzbaren) Massenkommunikation schaffen eine Nachfrage, die wiederum Grund zu Verbesserung und Ausbau der Herstellung gibt. Im Gegensatz zu handschriftlichen Manuskripten findet eine Nutzbarmachung durch Eliten, aber eben auch durch breitere Gesellschaftsschichten statt. Die Konsequenz des Bedürfnisses nach Verbreitung der Lesefähigkeit ist die Schulpflicht innerhalb staatlich organisierter Einrichtungen. Die zentrale Organisation führt zu einer territorial übergreifenden Homogenisierung von Grammatik und Orthographie und lässt so Landesprachen entstehen.
Insbesondere diese Landessprachen werden zu Massenmedien, denn sie erlauben die Ansprache eines Großteils der Bevölkerung eines Staatengebildes und nivellieren somit den Einfluss geographischer Entfernung auf die Möglichkeiten gesellschaftlichen Diskurses, aber auch staatlicher Machtausübung.[18] Einheitlich strukturierte bürokratische Staatsordnungen folgen in ihrem Aufbau den Prinzipien des Buchdrucks von Kausalität und Rationalität und bedienen sich dabei dessen Speicher- und Kommunikationsmöglichkeiten zur Verwaltung und Lenkung der Gesellschaft. Solche Systeme bedürfen einer alphabetisierten Bevölkerung, sowie eines ausgebildeten Beamtenapparats.
Die fortschreitende Durchdringung der Literalität im öffentlichen, aber auch privaten Raum, erschüttert bestehende Wissensmonopole, beginnend mit der Übersetzung der Bibel aus dem Lateinischen. Breite Teile der Bevölkerung sind nun in die Lage versetzt individuell im Privaten Kommunikation zu rezipieren. Dabei wird der Mensch auf sich selbst zurückgeworfen, er muss sich den Inhalt erschließen und kann nicht auf anderweitige audiovisuelle Stimulation oder kommunikative Interaktion hoffen.
Der Leser muß [sic!] sich mit intellektueller Wachsamkeit wappnen. Leicht ist das nicht, denn wenn er vor dem Text die Augen aufschlägt, ist er allein. Seine Reaktionen beim Lesen sind isoliert, sein Verstand ist ganz und gar auf sich selbst gestellt. Wer den kalten Abstraktionen gedruckter Sätze gegenübertritt, hat es mit der nackten Sprache zu tun, Schönheit oder Gemeinschaft kommen ihm nicht zu Hilfe. Deshalb ist Lesen seinem Wesen nach eine ernsthafte Tätigkeit. Und es ist eine ihrem Wesen nach rationale Tätigkeit.[19]
Diese Art Botschaften zu erfahren formt die menschliche Wahrnehmung und Denkweise insofern, dass nun die analytische Überprüfung eines logischen Aufbaus, sowie die Gewichtung und Beurteilung von Argumenten in den Vordergrund des Rezeptionsvorgangs rücken: Der gesellschaftliche Diskurs wird rational(er).
Gleichzeitig geht aus der Kommunikationssituation der stillen Lektüre ein in seiner Individualität gestärkter Mensch hervor. Der Leser muss Methoden und Maßstäbe entwickeln das Geschriebene nachzuvollziehen, einzuordnen und zu bewerten, während dem Verfasser als Autor eine Bühne zur Selbstentfaltung zur Verfügung steht, die innerhalb der Manuskriptkultur mit ihrer Methode des anonymen Fortschreibens bestehender, einzigartiger Werke nicht gegeben war. Paradoxerweise hat der Buchdruck aber auch eine homogenisierende Wirkung auf die Gesellschaft und damit ihren kleinsten Nenner, das Individuum. Die vereinheitlichte Sprache, das zentrale Schulsystem, Formen gesellschaftlicher Organisation und Kommunikation erschaffen einen aufgeklärteren und bewussteren Menschen, der gegen bestehende Machtmonopole für seine persönlichen Rechte einzutreten in der Lage ist, diese gewonnene Freiheit jedoch nur innerhalb der der Kommunikationssituation immanenten Grenzen ausübt. So sind die Speicherkapazitäten des Buchdrucks groß, in Relation zur menschlichen Aufnahmefähigkeit grenzenlos, es fehlt aber an einem „System der Eliminierung“.[20] Die Schule institutionalisiert das Wissen indem es die für das Individuum unbeherrschbare Menge an Daten ordnet, sie schematisiert dadurch aber auch „kulturelle Partizipation“[21].
Die Freiheit aller und die Garantie gleicher Rechte für alle setzen die Subsumption der Einzelnen unter ein Schema voraus.[22]
Auf dem Nährboden eines rationalen Diskurses konstituieren sich Zivilgesellschaften, die beginnen althergebrachte Machtstrukturen und Dogmen zu hinterfragen. Martin Luthers Bibelübersetzung gepaart mit seinen Brandschriften gegen die katholische Kirche überzeugt und mobilisiert viele Menschen. Der Versuch gesellschaftlicher Mitgestaltung äußert sich hier noch großteils im blutigen Kampf verschiedener Religionsauffassungen und Weltanschauungen.
Die französische Revolution soll der Durchsetzung der – im literarischen Diskurs entwickelten – Ideale der Aufklärung dienen. Auch sie verläuft blutig, stärkt aber mittelfristig die Idee einer partizipatorischen Gesellschaft mit individueller Teilhabe an Machtausübung sowie dem Schutz vor Willkürherrschaft.
In diesen Beispielen spielt das gedruckte Wort als Mittel und Motor des Diskurses und der daraus entspringenden Folgen zwar eine zentrale Rolle, die Literalisierung der Gesellschaften ist aber nicht so umfassend wie in Nordamerika von der Mitte des 17. bis weit ins 19. Jahrhundert hinein.[23] Neil Postman beschreibt das „Amerika im Zeitalter des Buchdrucks“[24] als eine Gesellschaft bestimmt von einer enormen Schriftenproduktion, sowie den höchsten Alphabetisierungsraten seiner Zeit.[25] Die prägende Dominanz des Buchdrucks ist hier so groß, dass die Gesetzmäßigkeiten des Textaufbaus und der schriftlichen Argumentation übertragen werden auf Vorträge und mündliche Dispute.[26] So folgt auch der politische Diskurs auf beiden Seiten des Kommunikationsverhältnisses den Vorgaben der Buchdruckprodukte Buch, Zeitung und Pamphlet. Der Empfänger ist geschult Inhalte im Hinblick auf ihre logische Stringenz hin zu überprüfen und besitzt die Konzentrationsfähigkeit und Ernsthaftigkeit sich in ein Thema zu vertiefen. Der Sender verhält sich entsprechend:
Und so konnten Amerikas Politiker ihre Ideen in einem ernsthaften, öffentlichen Austausch vor einem Auditorium erörtern, das qua Wissen und qua Konzentrationsfähigkeit in der Lage war, stundenlange Diskussionen mit höchstem Engagement zu verfolgen. Denn die Buchdruckkultur hatte in Amerika die Intelligenz hervorgebracht, die dem objektiven, rationalen Gebrauch des Verstandes Vorrang gab und öffentlichen förderte, der auf ernsthaften logisch-geordneten Inhalten basierte.[27]
Die Entwicklung geht soweit, dass nur noch dem Buchdruck zugetraut wird die Komplexität politischer Fragestellungen zu vermitteln und deren Diskussion zu erlauben. Der Analphabet, dem die Fähigkeit fehlt dem schriftlichen Diskurs zu folgen, ist nicht wahlberechtigt.[28]
Der vom Buchdruck erzeugte ernsthafte und strukturierte Dialog ist in der Lage die komplexen Zusammenhänge staatlicher Verwaltung an eine über die Landesprache verbundene Gruppe von Menschen zu kommunizieren. Dabei überwindet er die Schwierigkeiten, die die geographische Ausdehnung und große Bevölkerung einer solchen Gesellschaft darstellen. Aus der Fähigkeit zur politischen Teilnahme erwächst die Forderung zum Recht dazu. Mit der Erkämpfung des Rechts brechen Machtmonopole auf und breite Teile der Bevölkerung werden an der Machtausübung beteiligt. Wahlen von Repräsentanten und Abstimmungen zu Sachentscheidungen konstituieren gesellschaftsübergreifende partizipatorische Strukturen.
So führt der Buchdruck zu größeren Gesellschaften indem er deren Verwaltung und Organisation erlaubt. Dabei entwickeln sich Informationsstrukturen, die den Nährboden darstellen für den Wunsch breiterer Teile der Bevölkerung nach gesellschaftlicher Beteiligung. Die Ausgestaltung des daraus entspringenden partizipatorischen Systems fußt wiederum auf den technischen Möglichkeiten, sowie Strukturprinzipien des Buchdrucks: Wahlen von Repräsentanten basierend auf einem rationalen, argumentativem politischen Diskurs, dessen Informationsgrundlage Zeitungen und Bücher darstellen.
4. Optische-Elektronische Medien
Die Alleinherrschaft des Buchdrucks als prägendes Kommunikationsmittel geht zu Ende mit der Verbreitung des Telegraphen, der das erste in einer Reihe optisch-elektronischer Medien darstellt, deren Auftreten eine neue Kommunikationsumwelt konstituieren wird. In dieser verschwinden die Prägungen des Buchdrucks von Denkweise und gesellschaftlicher Organisation nicht – im Gegensatz beispielsweise zur zum Ende der Gutenberg-Galaxis hin marginalisierten Stimme – jedoch werden sie abgeschwächt beziehungsweise modifiziert durch die prägenden medientheoretischen Strukturmerkmale der neuen Techniken.
a. Telegraph
Bereits die auf transportierbaren Trägern fixierte Schrift überwindet zwar geographische Grenzen, jedoch zerdehnt sie die Kommunikation aufgrund der zum Transport notwendigen Zeit. Der Telegraph ermöglicht erstmals eine fast instantane Kommunikation über weite Strecken. In einer Kommunikationsumwelt geprägt von Erörterung und inhaltlicher Auseinandersetzung erfährt die zusätzliche Beschleunigung der Botschaftsversendung zunächst keine Anwendung.[29] So wird die neue Technik nicht in den Dienst bestehender Kommunikationsverfahren gestellt, es muss vielmehr erst eine Verwendung gefunden werden. Die Bedürfnisse der sich zur selben Zeit ausbreitenden Eisenbahn verhelfen dem Telegraphen zu einer solchen. Ein breites Publikum wird erst erreicht als Verleger beginnen das Produkt des Telegraphen zu einem Geschäftsmodel auszubauen. Presseagenturen entstehen und mit ihnen Zeitschriften, die die Schnelligkeit des Telegraphen zum Qualitätsmerkmal des Produkts (Tages-)Nachrichten erheben. Der Reiz des Neuen, manchmal Exotischen, meistens Aktuellem verhilft dem Leser zu einem Gefühl der Ausdehnung seiner Wahrnehmung und damit Beteiligung. Jedoch ist diese Art von Erfahrung passiv und die interessante Nachricht zwar unterhaltsam, zumeist wohnt ihr aber kein tieferer Inhalt inne, sie ist kontextfrei und für das tatsächliche Dasein des Rezipienten oftmals bedeutungslos.
Der Angriff des Telegraphen auf die aus dem Buchdruck erwachsene Definition von Urteilsbildung hatte drei Stoßrichtungen: Er verschaffte der Belanglosigkeit, der Handlungsunfähigkeit und der Zusammenhanglosigkeit Eingang in den Diskurs.[30]
Diese Veränderungen sind für McLuhan repräsentiert im Unterschied des Layouts von Zeitungen vor und nach der Verwendung von Telegraphenmeldungen:
One way to grasp the change from the mechanical to the electric age is by noticing the difference between the layout of a literary and a telegraph press, say between the London Times and the Daily Express, or between The New York Times and the New York Daily News. It is the difference between columns representing points of view, and a mosaic of unrelated scraps in a field unified by a dateline.[31]
Der Telegraph ist geeignet zur Übermittlung von Botschaften, nicht jedoch – ganz im Gegensatz zum Buchdruck – zur Speicherung und Erörterung dieser.[32] Demgemäß findet die Verwendung statt: Eine Nachricht ist spätestens mit ihrem Empfang veraltet und damit bereit von der nächsten ersetzt zu werden. Die vermeintliche Bedeutung von Aktualität belegt jede Meldung mit einem Verfallsdatum und erzeugt eine Erwartungshaltung, das Bedürfnis auf dem Laufenden zu bleiben. Im Ergebnis wird Information zur Gebrauchsware in einem Markt kontextloser Meldungen. Die Tagesnachricht ist das Produkt der Nutzung des Telegraphen.
b. Fotografie
Die Fotografie flankiert den Telegraphen in seinen die Buchdruckkultur erschütternden Prägungen. Sie gibt der Botschaft eine neue Gestalt indem sie nicht abstrakt die Welt beschreibt, sondern einen konkreten Ausschnitt präsentiert. Dabei existiert das Foto kontextlos, es macht keine eindeutigen, überprüfbaren Aussagen und fordert keine Stellungnahme und ist damit einer diskursiven Kritik entzogen.
Stattdessen ermöglicht es eine gedanklich passivere, emotionalere Rezeption. Damit läutet es die Rückkehr eines irrationalen Moments in die Kommunikationssituation ein.[33]
Prägende Nutzung findet die Fotografie unter anderem innerhalb der Presse in Illustrierten und Fotoreportagen. So verändert sich die Natur der Informationsgrundlage gesellschaftlichen Diskurses. Die von Logik, rationaler Struktur und Erörterung geprägte Kommunikationsumwelt des Buchdrucks wird erschüttert in ihrer Monopolstellun g. Inhaltlicher Tiefe, Kohärenz und geistige Auseinandersetzung stellen Telegraph und Fotografie nun sich fortlaufend ersetzende Botschaften entgegen, deren Rezeption emotional, geprägt von Faszination und Unterhaltung verläuft und deren Inhalte zumeist keine Schnittmenge mit der Alltagswelt der Menschen haben.
Die bruchstückhafte Diskurskultur wirkt sich auf die politische Kommunikation aus. Die Aufmerksamkeitsspanne und analytische Rezeptionsfähigkeit des Bürgers geht zurück. Kurze, pointierte Wahlslogans entsprechen der Form der neuen Kommunikationsumgebung. Die Folge ist eine Reduzierung der Komplexität politischer Argumentation bis hin zum opportunistischen Populismus, der nicht inhaltlich fundiert, nur emotional ansprechend sein muss. Der Politiker passt sich an und versucht nicht mehr nur zu überzeugen, sondern gemocht zu werden. Telegraph und Fotografie überstülpen ihre medientheoretischen Eigenschaften der Politik so weit, dass die emotionale Wahrnehmung des öffentliches Bildes eines Politikers zum gewichtigen Wahlargument wird. So präsentiert sich schon Abraham Lincoln auf Fotos als Familienvater, die suggestive Kraft der Bilder nutzend.[34] Auch wird politische Propaganda zum Machtinstrument. Sie spricht Emotionen an und behauptet Zusammenhänge, deren Belegung in einer vom erörternden Diskurs entfremdeten Gesellschaft nicht mehr essentiell ist.
Diese Entwicklungen führt das Fernsehen fort. Traten Telegraph und Fotografie, aber noch gegen gefestigte Strukturen der Buchdruckkultur an, trifft das wirkungsmächtigere TV auf eine gemischte Medienökologie, die mittlerweile auch Radio und Film beinhaltet und in der der literarische Diskurs nur noch ein Randdasein fristet.
c. Fernsehen
Das Fernsehen führt die kommunikativen Prinzipien des Telegraphen und der Fotografie fort. Dabei verstärkt es bestehende Prägewirkungen, vor allem aber wird es gesamtgesellschaftlich zum dominanten Kommunikationsmedium mit einer fundamentalen Ausstrahlungswirkung auf alle Lebensbereiche.
Das Fernsehen ist die Leitstelle der neuen Epistemologie. Kein Publikum ist so jung, daß [sic!] es vom Fernseher ausgeschlossen wäre. Keine Armut so tief, daß [sic!] sie auf das Fernsehen verzichten müßte [sic!]. Keine Erziehung so erhaben, daß [sic!] sie vom Fernseher nicht beeinflußt [sic!] würde. Und es gibt vor allem kein Thema von öffentlichem Interesse – Politik, Nachrichten, Erziehung, Religion, Wissenschaft, Sport -, das im Fernsehen nicht vorkäme. Und dies bedeutet, daß [sic!] das Verständnis der Öffentlichkeit für diese Themen durch die Perspektive des Fernsehens geprägt wird.[35]
Dabei ist der Wirkungsgrad der Prägung zwar abhängig von Ausmaß und Art der Nutzung, es kann aber zu Beginn des 21. Jahrhunderts vom Fernsehen als weltweit dominantem Kommunikationsmedium gesprochen werden, wenn auch die gesellschaftliche Durchdringung nicht überall gleich groß ist. Der durchschnittliche Deutsche sah 2011 ein Viertel seiner wachen Zeit fern[36], der durchschnittliche US-Bürger ein Drittel.[37] Der Grund für diese zentrale Stellung innerhalb der Kommunikationsumwelt ist nicht in einer generellen strukturellen Überlegenheit zu suchen, die zu einem massenhaften Einsatz der Technik geführt hat. Die Entwicklung ist vielmehr geprägt von einer Blindheit gegenüber medientheoretischen Prägewirkungen. Der Mensch glaubt sich auf neue Inhalte einzulassen, stattdessen akzeptiert er stillschweigend eine veränderte Form der Kommunikation mit einer ganz eigenen Diskurskultur. Kritik an Inhalten findet sich schnell ein, die Auseinandersetzung mit den gesellschaftlichen Auswirkungen einer Kommunikationsumwelt beginnt aber erst spät und wird nur von wenigen Akademikern geführt. Ist der Mensch erst einmal hineingezogen, fällt es ihm leicht sich anzupassen.
Wie bei Goethes Der Fischer:
Sie sprach zu ihm, sie sang zu ihm;
Da war's um ihn geschehn;
Halb zog sie ihn, halb sank er hin
Und ward nicht mehr gesehn.[38]
Der objektive Aussagegehalt ist nur ein Teil der Botschaft, vielmehr ist sie bildbestimmt und damit wie die Fotografie geeigneter das Konkrete darzustellen. Einzelschicksale und individuelle Menschen rücken anstelle abstrakter Zusammenhängen in den Mittelpunkt der Betrachtung. Dabei findet die Auseinandersetzung emotional-ästhetisch, nicht rational-kritisch statt. Der Zuschauer erfährt keine Widerstände während des Fernsehkonsums, er muss nicht geduldig und strukturiert sich eine komplexe Fragestellung erarbeiten und dazu mental Stellung beziehen. Die Befriedigung der intellektuellen Auseinandersetzung wird ersetzt durch die Freude an Unterhaltung, einer Unterhaltung, die keine Anforderungen stellt und ohne Vorbildung zugänglich ist, indem sie emotionales Empfinden in den Mittelpunkt des Kommunikationsvorgangs rückt.[39] Sollte das Fernsehen in der Lage sein einen rationalen Diskurs zu fördern oder jedenfalls ihm nicht zu schaden, so hat sich diese Nutzungsweise nicht manifestiert beziehungsweise wurde verdrängt vom Programm, das dem Diktum der Unterhaltung folgt.
Dabei ist der Unterhaltungscharakter des Fernsehens für sich unschädlich. Problematisch ist nur die absolute Ausdehnung seiner Diskurskultur auf alle Lebensbereiche beziehungsweise der Umstand, dass es als primäre Informationsgrundlage politischer Prozesse dient. Die auf Unterhaltung zugeschnittene Kommunikationsform des Fernsehens ist zur selbstverständlichen, praktisch nicht mehr wahrgenommenen Bühne gesellschaftlichen Diskurses geworden.[40] Dabei ist derjenige Politiker erfolgreich, der gut im Fernsehen rüberkommt, indem er ästhetisch angenehme und emotional befriedigende Bilder produziert – nicht derjenige, der versucht komplexe Inhalte in einem Medium zu erörtern, welches dafür ungeeignet ist. Die Folge einer Kommunikationsumwelt, die keinen großen Wert auf kohärente Argumentation legt, ist ein unmündiger Bürger, der dem dem Buchdruck entsprungenen System der partizipatorischen Demokratie nicht gewachsen ist. Das Recht für sich und seine Mitmenschen gesellschaftliche Ausgestaltung mitzubestimmen kann er formal wahrnehmen. Fraglich ist aber inwieweit er in der Lage ist, diejenigen politischen Fraktionen auszuwählen, deren Amtsführung seinen tatsächlichen Interessen folgen wird – und sie dafür auszuwählen, dass sie dies tun.[41] In der Wirklichkeit des Fernsehens bestimmt eine diffuse Collage von Bildern, Assoziationen und Emotionen, die ein politischer Kandidat zu wecken weiß, über die Zustimmung, die er erfährt. Der Nachweis fundierter Sachkenntnis und die Thematisierung der für den Bürger real – oftmals eben nicht deckungsgleich mit medial – bedeutenden Fragestellungen spielen in diesem Diskurs nur eine untergeordnete Rolle: Wie, wo und in welcher Kleidung jemand etwas sagt, ist im TV wichtiger als was er sagt und ob das Gesagte mit dem Alltag des Wählers zu tun hat.
Die Folge ist eine politische Kommunikationsumwelt in der Inhalte auf der Strecke bleiben – Inhalte, die bedeutsam werden in dem Moment, in dem Wähler wie Politiker die Fernsehwirklichkeit verlassen (müssen).
III. Internet
Zum Ende des zwanzigsten Jahrhunderts hin betritt eine neue Technik die vom Fernsehen dominierte und von weiteren Medien wie Radio, Film, Telefon und Buchdruck flankierte bestehende Medienökologie, welche die Kommunikationsgrundlage für eine Wirklichkeit darstellt, die noch zahlreiche Ausprägungen aufweist, die auf die Dominanz der Buchdruckkultur zurückgehen, darunter politische Wahlsysteme.
Der Begriff Internet – kurz für interconnected networks – bezeichnet heutzutage insbesondere die vielfältige globale Nutzung des Hypertext Transfer Protocols (HTTP) innerhalb des World Wide Web (WWW) mithilfe eines Webbrowsers, sowie den Versand und Empfang von E-Mails und das (optional videogestützte) Gespräch mittels Voice-over-IP (VoIP) Diensten wie Skype. In seinen Ursprüngen ist die Technologie primär ein Werkzeug zur geteilten Nutzung der Rechenleistung von geographisch voneinander getrennten Computern. Die Möglichkeit des Versands von Informationen in digitalisierter Form verwandelt letztlich den Computer vom reinen Rechenwerkzeug zum Kommunikationsmittel. Dabei sind Dateneingabe und
-ausgabe variabel in ihrer Form. Sie vereinen die Eigenschaften vorheriger Medien zu einem Hybrid- oder Konvergenzmedium.[42] Übertragungsformen wie Video, Ton, Text und Bild, aber auch Kommunikationsmodi wie one-to-one, one-to-many und many-to-many werden eingebettet innerhalb eines vernetzten Ordnungssystems, auf das der Rezipient Einfluss nehmen und mit dem er interagieren kann.
Die Attraktivität und Wachstumsdynamik des Internets erklärt sich darüber hinaus durch die weitreichenden Möglichkeiten, vorgängig bestehende Kommunikations- und Interaktionspraktiken zu integrieren. Bereits heute modifiziert, ergänzt oder ersetzt das Internet in diesem Sinne eine Vielzahl historisch gewachsener Kulturtechniken samt den für sie relevanten Einzelmedien. Es vereinigt in sich und rekombiniert bereits jetzt die Eigenschaften von Individual-Kommunikationsmedien, Gruppen-Kommunikationsmedien und Massenmedien.
[…]
Das Internet kann so verstanden werden als eine „kumulative, multimediale Evolution, die alles leistet, was alte Medien je für sich zu leisten imstande sind, aber vor allem eine Eigenheit aufweist: das interaktive Potential“.[43]
So wird das Internet genutzt: der User liest, hört und sieht im Internet, nicht aber das Internet. Die Anwendungsweisen sind vielfältig und in ihrer Zusammensetzung freier und weniger festgelegt als bei früheren Kommunikationsmitteln. Die rasante Entwicklung und Verbreitung von Diensten und Programmen, die ein breites Spektrum von Kommunikationsmodi zulassen ist begünstigt durch die „Kommunikationsexplosion“, die vor allem das TV, aber auch Radio, Film und Druckschriften seit den 1980er Jahren verursacht haben.[44] Der dadurch verbreitete Hang zu Kommunikation ebnet den Weg für die Annahme einer Technik, die in weniger als 20 Jahren seit ihrer Markteinführung ein Drittel der Weltbevölkerung zu ihren Nutzern zählt.[45]
Fraglich ist nun welche Tendenzen der Kommunikation das Internet von älteren Medien übernimmt, welche nicht und welche neuen es einbringen wird. Schon jetzt zeichnet sich eine zukünftige umfassende Kulturprägung ab. Wenn der Buchdruck demokratische Systeme ermöglichte indem er zunächst eine rational-kritische Denkweise etablierte und dann als informative und logistische Grundlage für Wahlkampf und -gang diente, wenn das Fernsehen Inhalte zugunsten von Emotionen und Erörterung zugunsten von Unterhaltung innerhalb des politischen Diskurses austauschen konnte, wie wirkt sich dann das Internet aus? Wird es die Umsetzung der Prinzipien politischer Repräsentation fundamental verändern? Welche Auswirkungen hat es auf die Gestaltungsmöglichkeiten individueller politischer Partizipation? Welche Kandidaten bevorzugt es? Eine abschließende Prognose würde den Bereich der Futurologie betreten, auch weil sich diese neue Medienökonomie noch stetig verändert und weiter entwickelt. Möglicherweise lassen sich aber den medientheoretischen Strukturmerkmalen des Internets Tendenzen von Prägewirkungen entnehmen.
1. Medientheoretischer Determinismus
Wenn es auch die medientheoretischen Eigenschaften sind, die die enorme kulturelle Prägung entfalten, sind sie nicht der einzige Faktor, der über die Durchsetzungskraft einer Technik entscheidet.
Im Falle des Internets wurde die rasante weltweite Verbreitung beispielsweise begünstigt durch die Möglichkeit der Nutzung bestehender Telefon- beziehungsweise Satellitennetze. Der Anschluss sowie die für den Internetzugang benötigten Geräte sind innerhalb weniger Jahre nach Markteinführung zu erschwinglichen Alltagsprodukten geworden, Internet Cafes bieten zusätzlich massenhaft Zugang, insbesondere auch in ärmeren Regionen der Welt. Äußerlich operiert das Internet in denselben Formen wie vorherige Techniken. Die tiefe kulturelle Verankerung der Übertragungsformen Bild, Ton und Text wird nicht erschüttert, vielmehr bleibt eine zugangserleichternde Vertrautheit erhalten. Rein oberflächlich betrachtet fällt das Internet innerhalb der Medienökonomie, die es betritt, weniger auf, als beispielsweise der Film dies zu seiner Zeit tat.[46]
Die Methodik der folgenden Betrachtung orientiert sich an einem medientheoretischen Determinismus, der zwar die Ansicht ablehnt Kommunikations-„Technologie [sei] an sich kein Motor für gesellschaftliche Veränderung […]. Technologie ist in vielerlei Hinsicht ein Kind ihrer Zeit – nicht etwa umgekehrt unsere Gesellschaft ein Ergebnis technologischer Umwälzungen“[47], aber zugesteht, dass kulturelle Umstände eine Rolle spielen, wenn auch ihr Einfluss nicht immer so groß sein mag, wie es hier anklingt:
Netzbasierte Kommunikation als technische Neuerung kann nicht losgelöst von der umfassenden Kulturentwicklung gesehen werden. Die Veränderungen der modernen Lebensführung sind vielfältig. Sie haben ihre Ursache nicht in der Entstehung neuer technischer Artefakte. Vielmehr ist es ein komplexer Mix aus sozialen, kulturellen und technischen Faktoren, der jeweils Veränderungen bewirkt oder verhindert, auch im politischen Bereich. Netzbasierte Kommunikation ist somit nur ein Faden im „Gewebe“ Kultur.[48]
2. Umstände der Kommunikationssituation
Die klassische Kommunikationssituation ist der face-to-face Dialog zweier Menschen am selben Ort zur selben Zeit. Die Alphabetschrift, Rauchzeichen, das Radio und überhaupt Techniken zurückgehend bis zu den ersten Wandmalereien in Höhlen modifizieren diese Umstände unterschiedlich. Das Internet konvergiert die bisherigen Modi der Kommunikationsbeteiligung, der Kommunikationsrichtung sowie räumlicher und zeitlicher Gegebenheiten und erweitert sie um weitere.
a. Kommunikationsbeteiligung
Chat und Videophonie Programme und Dienste, private Forennachrichten und E-Mail sind beispielhaft dafür, wie das Internet einen one-to-one Austausch ermöglicht. Dabei vereint es Telefon und Telegrafie genauso wie Brief oder SMS.[49]
Die o ne-to-many Kommunikation beinhaltet in ihrer Bezeichnung bereits das konstituierende Merkmal eines Massenmediums, die „Übermittlung einer Nachricht von einem Sender zu vielen Empfängern“.[50] Die klassischen Formen wie Radio, Fernsehen und Zeitung erfahren eine Ergänzung beispielsweise durch Internetseiten, Videostreamingdienste oder auch durch den Hersteller, der an die Nutzer einer Software in diese eingebettete Botschaften um Bitte zur Registrierung oder Update des Programms verschickt. Erstmals können aber auch Einzelpersonen Massen ansprechen. Die Aufwertung des Individuums entspringt der Erweiterung des one innerhalb der bisherigen one-to-many Kommunikation. Die technischen und finanziellen Voraussetzungen zum Versenden einer Botschaft an einen großen Adressatenkreis sind durch das Internet enorm gesunken, so dass Einzelpersonen massenmedial kommunizieren können ohne Teil einer finanzstarken Organisation zu sein. Über beispielsweise Blogs oder YouTube-Kanäle kann theoretisch jedermann eine Vielzahl von Rezipienten ansprechen.
Es ist schwierig ein Äquivalent bei früheren Kommunikationsmitteln für den many-to-many Informationsaustausch zu finden, den Online-Foren, Mailinglisten oder Kommentarfunktionen auf Webseiten erlauben. Gruppenversammlungen ermöglichen diesen in einem räumlich und zeitlich reglementierten, Telefonschaltungen in einem zahlenmäßig begrenzten Sinne. Die Kommunikation zwischen einer größeren Zahl gleichberechtigter Beteiligter in Text und/oder Ton und/oder Bild auch über weite Strecken hinweg findet erstmalig über das Internet statt.
b. Kommunikationsrichtung: Der Rückkanal
Wie die Ermöglichung von many-to-many Kommunikation bereits impliziert, besitzt das Internet einen Rückkanal, der dem Empfänger das Zurücksenden auf demselben Kanal erlaubt mittels dessen der Sender die Botschaft kommuniziert hat.[51] Im Gegensatz zur unidirektionalen Kommunikation der Massenmedien ist dadurch eine bidirektionale beziehungsweise bei mehreren sendenden und empfangenden Personen multidirektionale Kommunikation verfügbar.[52]
Dies steht in krassem Kontrast zu den klassischen Massenmedien, die nur in eine Richtung senden. Für deren Rezipienten ist Informationsaufnahme ein passiver, fremdbestimmter Akt. Fernsehzuschauer entscheiden häufig fernzusehen, nicht eine bestimmte Sendung einzuschalten. Dem Internetnutzer hingegen bieten sich Möglichkeiten zu Interaktion und Mitgestaltung des Kommunikationsprozesses.
Zuvorderst entscheidet er über die zu nutzenden Dienste und anzusteuernden Inhalte. Dabei gibt es im Rahmen des WWW kein überblickbares Programm. Vielmehr betritt der User einen aus seiner Sicht unendlichen virtuellen Raum, dessen Inhalte er mittels Suchmaschinen und kontextbezogener Empfehlungen in Form von Links erschließen muss. Aufgrund der Struktur des Hypertexts kennt dieser Prozess keinen Anfang, kein Ende und keinen festen Verlauf. Dabei ist die Idee eines nicht festgelegten Aufbaus beziehungsweise der offenen Lektüre nicht generell neu, sondern theoretisch auch in älteren Medien möglich (z.B. Enzyklopädie), im Internet wird sie aber zum Strukturprinzip.[53]
Zugleich ruft die dezentrale, offene Struktur des Hypertextes einen „active reader“ auf den Plan, der durch die spezifische Nichtlinearität des Hypertextes in weitaus größerem Maße zur Mitarbeit aufgerufen ist, als der Leser von herkömmlichen, gedruckten Texten.[54]
Weiterhin erlaubt der Rückkanal die Überprüfung der gesendeten Informationen durch den Empfänger und fördert somit eine kritische Rezeptionshaltung. Der Nutzer kann mehr Inhalte zum betreffenden Thema abrufen, Zweitmeinungen einholen und gegebenenfalls seine Erkenntnisse an selber Stelle wieder kommunizieren. Zu Zeiten der Buchdruckkultur definierten sich Experten auch und gerade über den Zugang zu Fachliteratur. Die kritische Überprüfung im Sinne der wissenschaftlichen Methode war publizierenden Autoritäten vorbehalten. Diese verlieren stark an Bedeutung in einer Medienökologie, in der der durchschnittliche Nutzer breiten Zugang zu Fach- und Faktenwissen hat. Dadurch verflachen die Hierarchien, es kommt nicht mehr so sehr auf Einzelmeinungen an, sondern auf die Erkenntnisse und Zusammenhänge, die sich aus der Vernetzung ergeben.
Der klügste Mensch im Raum ist nicht derjenige, der vorne steht und Vorträge hält und es ist auch nicht die kollektive Intelligenz aller im Raum. Die klügste Person im Raum ist der Raum selbst: das Netzwerk, dass Menschen und Ideen zusammenbringt und Verbindungen zu denen schafft, die außerhalb sind.[55]
Schließlich kann der Internetnutzer den Kommunikationsprozess mitgestalten indem er aktiv die Erkenntnisfindung unterstützt. In einem Akt kollektivem Fortschreibens knüpft das Internet hier an die Manuskriptkultur an. Dabei werden im Rahmen der Kommunikation alle Rollen von potentiell allen Beteiligten gespielt. Innerhalb des Diskurses zu einem Thema können Nutzer Fragestellungen, Handlungsanweisungen und Erörterungen dieser sowohl rezipieren, als auch beitragen. Aus der Vernetzung der Quellen und Beiträge entspringt eine dynamische Informationsstruktur, die fortlaufend rezipiert, überprüft und erweitert wird.
c. Zeitliche/Räumliche Eigenschaften
Das Internet vereint die bisherigen Formen instantaner und zeitversetzter Kommunikation von Bild, Ton und Text. Ausprägungen wie Chat, E-Mail, VoIP-Dienste oder Onlineforen integrieren die Kommunikationsmodi von Telefon, Telegraph, Brief oder persönlichem Gespräch in einem Medium. Dabei steht der größte Teil seiner Informationen und Dienste durchgehend zur Verfügung und kann weltweit abgerufen werden. Räumliche Distanz verliert dadurch zunehmend an Bedeutung als Faktor menschlicher Interaktion. Bereits das Fernsehen hat es geschafft seine Inhalte einem globalen Publikum zugänglich zu machen. Dabei brachte es die Menschen aber nicht näher zueinander, sondern lediglich sich und seine Diskurskultur in ihre Leben. Unabhängig von den Prägewirkungen ihrer Diskurskultur[56] erschufen nationale, landessprachliche Sendenetzwerke Inseln von großteils unabhängigen Medienökonomien mit hauptsächlich auf den Unterhaltungsbereich beschränkter inhaltlicher Vernetzung.
d. Einordnung
Der Rückkanal im Allgemeinen und die sich aus einer many-to-many Kommunikation ergebenden Interaktionen im Speziellen eröffnen mehr Menschen die Möglichkeit zur geographisch unbeschränkten aktiven Teilnahme am politischen Diskurs. Dieser kann fortlaufend – live und zeitversetzt – jederzeit von theoretisch überall geführt werden. Die informative Grundlage sowie das Meinungsspektrum gesellschaftlichen Diskurses werden dadurch, genauso wie durch die Möglichkeit des Individuums Massen anzusprechen erweitert. Eine technisch so mächtige Kommunikationsform impliziert eine Tiefe und Qualität des Diskurses, die sicherlich noch nicht zu einem definierenden Merkmal der durchschnittlichen Internetnutzung aufgestiegen ist. Dennoch zeichnen sich schon jetzt Dynamiken ab, die politische Kommunikation und damit politische Prozesse zu transformieren in der Lage sind.
aa. Kommunikationsgeschwindigkeit als Voraussetzung von Partizipation
Eine Tendenz lässt sich der Erhöhung der Geschwindigkeit der Informationsvermittlung entnehmen. McLuhan sieht in der Geschwindigkeit von Kommunikation eine Voraussetzung der Weiterentwicklung einer partizipatorischen Regierungsform.
As the speed of information increases, the tendency is for politics to move away from representation and delegation of constituents toward immediate involvement of the entire community in the central acts of decision. Slower speeds of information make delegation and representation mandatory.[57]
In der kommunikativen Umwelt eines Monopols des Buchdrucks ist eine direkte Befragung des Elektorats zu politischen Sachfragen nur im Ausnahmefall zeitlich und logistisch umsetzbar. Die Folge ist ein repräsentatives System gewählter Abgeordneter, welche im Namen des Volkes agieren sollen, aber beispielsweise in Deutschland rechtlich eben nur ihrem Gewissen verpflichtet sind.[58] Die komplexe Millionengesellschaft wird auf absehbare Zeit trotz der Verfügbarkeit räumlich und zeitlich unbeschränkter Kommunikation nicht auf Wahlen politischer Repräsentanten als Ausdruck gesellschaftlicher Partizipation verzichten können. Dennoch erscheint eine Veränderung der Natur dieser Repräsentation bereits im Gange zu sein. Der Bundestagsabgeordnete Peter Altmaier über seine Nutzung des Kurznachrichtendienstes Twitter :
Aber ich glaube, wir würden etwas falsch machen, wenn wir die neuen Medien nur als Einbahnstraße der Kommunikation von der Politik an die Bürger verstehen würden. Hier ist zum ersten Mal ein Dialog mit Zehntausenden von Menschen möglich. Mir werden Fragen gestellt zum Euro, zum sogenannten Staatstrojaner oder zur Umweltpolitik. Ich versuche, diese Fragen zu beantworten, und plötzlich beteiligen sich Dutzende, ja Hunderte von Menschen und erreichen damit Tausende andere. Das ist eine Form der Kommunikation, die es bisher so nicht gab. Umgekehrt kann ich Fragen stellen, auf die ich in kürzester Zeit Hunderte Antworten erhalte. Daraus hat sich ein echter Dialog entwickelt. Ich habe jetzt neben meinem realen saarländischen Wahlkreis noch einen virtuellen Wahlkreis.[59]
Diese Form der Interaktion mit einem Abgeordneten ist nicht nur geeignet Ansichten zu vermitteln und damit ein breiteres Meinungsspektrum abzudecken, sie macht politische Prozesse transparenter und somit nachvollziehbarer. Zwischen Bürger und Repräsentant kann sich ein gemeinsamer kommunikativer Lebensraum entwickeln, der Wirkung über die einzelne Interaktion hinaus zeigt. So erhält der Bürger Einblick in die Komplexität politischer Fragestellungen und die damit verbundenen alternativen Sichtweisen, kann direkt und informell Rückmeldung bieten und auf die Themenschwerpunkte des Politikers einwirken.[60]
Dabei spielen weder Wohnort, noch Geschlecht, noch Äußerlichkeiten, Nationalität oder Vermögensstand der Kommunikationsbeteiligten eine hervorgehobene Rolle. Die Kommunikationsformen des Internets umfassen zwar Bild und Ton, diese sind aber nicht dominant und auch nicht flüchtig. Im Gegensatz zum Fernsehen fixiert das Internet auch die audiovisuellen Kommunikationsbeiträge, flankiert sie häufig mit Textbeiträgen und erlaubt deren wiederholte Rezeption und damit kritische Betrachtung. So fußt die Internetkommunikation eher auf Rationalität und Inhalten als auf Äußerlichkeiten und Emotionen.[61] Jedenfalls ist die inhaltliche Überprüfung politischer Aussagen ein fast schon natürlicher Vorgang in einer Kommunikationsumwelt, die Information so leicht zugänglich macht. Die Verfügbarkeit von Information gepaart mit deren instantaner Kommunizierbarkeit führt zu einer Beschleunigung von Diskursabläufen. Einerseits kann so ein Politiker nur Schritt halten, wenn er sich des Internets bedient und damit eine enorme Veränderung der Diskurskultur hinnimmt, andererseits eröffnet ihm dieses neue Wege der Entscheidungsfindung.
Die Existenz des Netzes bedeutet eine enorme Beschleunigung: Innerhalb von Minuten und Stunden verbreiten sich Tatsachen und Gerüchte, werden Meinungen gebildet und verworfen. Die Reaktionszeiten für die Politik werden immer kürzer: Wenn ein Vorfall bekannt wird, muss man einen Tag später sprechfähig sein, sonst hat man schon verloren. Unser Aktionsradius vergrößert sich aber enorm. Die Rückkopplung zwischen Wählern und Gewählten erfolgt in Echtzeit.[62]
Die Netzkommunikation nivelliert oder schwächt jedenfalls die Bedeutung von gesellschaftlichen und äußerlichen Unterschieden sowohl unterhalb der Bürger als auch im Verhältnis Bürger – Repräsentant ab. Dabei wirkt diese Angleichung über Landes- und Sprachgrenzen hinweg und bringt so die Menschen mit Bezug auf deren Lebenssphären zusammen, anstatt wie das Fernsehen oder der Telegraph ihnen willkürliche Bruchstücke globaler Geschehnisse zu präsentieren.[63]
bb. Folgen diskursiver Gleichberechtigung
Diese diskursive Gleichberechtigung wirft Fragen auf bezüglich der Qualität des Diskurses.[64] So sorgt die totale Vernetzung dafür, dass überall im Netz über alles gesprochen wird – aber sicherlich nicht überall gleich profund. Diese Kritik legt die Maßstäbe einer Kultur der Massenmedien an, in der vergleichsweise wenige G atekeeper sowohl die Agenda wie die Inhalte kontrollieren.[65] Begreift man die Ausprägungen des Internets als Einzelmedien statt als vernetzte Gesamtstruktur, so fällt es leicht Beispiele für irrationale, sachfremde oder belanglose Diskursbeiträge zu finden.[66] Diese Betrachtungsweise ist einer veralteten Erwartungshaltung geschuldet, ganz im Sinne von McLuhans Rückspiegeldenken wird versucht alte Kommunikationsmodi auf neue Medien während einer Zeit des Umbruchs der Kommunikationsumwelt anzuwenden.[67] Dabei sind aber nicht die Inhalte einzelner Kommentare, Blogeinträge oder Onlineforen von Bedeutung, sondern die Veränderungen der Kommunikationsstruktur an sich. So stellt sich die Frage, ob die Kritik sich nicht eigentlich (unbewusst) gegen die Beteiligung breiterer Gesellschaftsschichten am gesellschaftlichen Diskurs richtet und die Hervorhebung ungebildeter, vulgärer oder illegaler Beiträge nur ein Mittel im Kampf der politischen, wirtschaftlichen und publizistischen Machthaber um den Erhalt der Kontrolle über die gesellschaftlichen Kommunikationskanäle darstellt. Der klassische Kanon der Tagesschau, der den Versuch darstellt, einen gemeinsamen thematischen Nenner seiner heterogenen Zuschauerschaft zu bedienen hat keinen Raum für die Darstellung differenzierter Meinungsbilder oder gesellschaftlicher Randthemen. Ein Aufbrechen des Agenda-Setting -Monopols der etablierten Informationseliten hin zu einem Nebeneinander dieser mit den durch das Internet ermöglichten Akteuren führt zu einer größeren Vielfalt der gesellschaftlich diskursiv behandelten Fragestellungen.[68] Diese heterogene Informations- und Kommunikationsumwelt fördert inhaltliche Differenzierung und eine generelle Dezentralisierung gesellschaftlicher Meinungsmacht, wie sie der Buchdruck nach sich zog.[69]
cc. Anonyme Kommunikation – Fluch oder Segen?
In diesem Zusammenhang findet sich auch Kritik an der Möglichkeit anonymer Kommunikationsbeteiligung.[70] Zum einen schütze sie kriminelle Handlungen, zum anderen animiere sie zu einer vorschnell geäußerten Meinung, der der Sender möglicherweise nicht zugeordnet werden wollen würde und die er demnach nicht tätigen würde, wäre seine Identität an sie geheftet.
Ersteres ist ein Scheinargument, da eine technische Umsetzbarkeit der absoluten Verhinderung anonymen Zugangs zum Internet unmöglich ist (ohne eine fundamentale, globale Neustrukturierung der technischen Infrastruktur und Rechtslage). So können kriminelle Aktivitäten bestenfalls erschwert, nicht aber verhindert beziehungsweise geahndet werden mithilfe einer vermeintlichen Identifizierbarkeit des benutzten Netzzugangs. Auch haben Studien gezeigt, dass eine Aufhebung der Anonymität der Netznutzer gegenüber den Behörden zu keiner Verbesserung der Strafverfolgung führt.[71] Sie würde primär der Durchsetzung von Klientelinteressen dienen - im Sinne der politikwissenschaftlichen Organisations- und Bürokratietheorie sind staatliche Behörden immerwährend daran interessiert mehr Befugnisse und höhere Etats zu erlangen und nur notfalls gewillt einmal erlangte Machtmittel abzugeben.[72]
Das zweite Argument fordert die Aufhebung der Anonymität der Menschen untereinander im Rahmen von Diskursbeiträgen, sei es beispielsweise als Blogautor oder Kommentator eines Artikels auf der Webseite eines Nachrichtenmagazins. Es ist den Formen anonymer Kommunikation des Internets positiv anzurechnen, dass sie die „Überwindung der Schwellenangst in Bezug auf Partizipation“[73] befördern. Ein genereller Klarnamenzwang würde diese Dynamik stören. Außerdem würde er das Nutzungsverhalten eines Users Dritten wie Versicherungen, Arbeitgebern oder kommerziellen Datenhändlern zugänglich machen. Aufgrund der technischen Nichtdurchsetzbarkeit eines solchen erscheint es interessanter zu fragen, inwieweit eine freiwillige, punktuelle Angabe einen Mehrwert zu bieten in der Lage ist und welchen Einfluss sie auf die Diskurskultur haben kann. Dabei ist entscheidend, ob und welche Formen (vermeintlich) unerwünschter Beiträge verhindert beziehungsweise ermöglicht werden könnten. Die primäre Stoßrichtung betrifft die Diskursatmosphäre. Meinungsäußerungen auf Facebook seien im Durchschnitt zivilisierter als solche, denen der Autor nicht zugeordnet werden kann.[74] Fraglich ist, ob diese Fähigkeit zur Zurückhaltung eine Unfähigkeit zum Diskurs verdeckt oder ob sie einer Selbstzensur gesellschaftlich unerwünschter Beiträge gleichkommt. Das Wissen um die negativen Auswirkungen auf die eigene Reputation aufgrund einer Äußerung verändert vielleicht das kommunikative Verhalten, nicht aber die tatsächlichen Vorstellungen und Ansichten eines Menschen. Zu klären bleibt aber, inwieweit es das Internet selbst (in Form seines Strukturmerkmals anonyme Kommunikation) ist, das hier eine kommunikative Tendenz evoziert oder ob es vorhandenen Tendenzen nur einen Kanal bietet. Jedenfalls erscheint nur das reine argumentum ad hominem als pauschal nicht schützenswert. Dazu bedarf es aber keines Klarnamenzwanges, sondern nur angemessener Administration entsprechender Dienste. Das Ziel sollte dabei aber die Integration der Kommunikationsteilnehmer sein, nicht die Unterdrückung beziehungsweise vermeintliche Anpassung sein.
Es geht nicht einfach um die Aufspürung von gefährlichem Gedankenmüll durch investigative Sondereinheiten; die Frage ist vielmehr, wie der Diskurs im Internet insgesamt organisiert sein müsste, damit Auseinandersetzungen - ohne dass es letztlich eine Garantie dafür gibt - wahrscheinlicher auf zivile Weise ausgetragen werden als auf hasserfüllte und gewalttätige Weise.[75]
Im Hinblick auf die Ermöglichung gesellschaftlicher Partizipation stellt die Reflektion eines größeren Teils des Meinungsspektrums einer Gesellschaft – sozusagen das im Gegensatz zu den alten Massemedien vollständigere Spiegelbild – einen Mehrwert dar.
dd. Gefahr und Folgen der Informationsflut
Diese größere Ausdifferenzierung des Meinungsspektrums beziehungsweise deren Voraussetzung, die Erweiterung des Akteurskreises, bringt aber die Gefahr einer „ Informationsüberflutung“[76] mit sich. Die Menge und das breite Spektrum an verfügbarer Information erfordern die Fähigkeit zu Navigation, Selektion und Evaluation. Dabei ist die Schwierigkeit weniger die Unmöglichkeit der individuellen Rezeption auch nur des Bruchteils der angebotenen Datenmengen. Vielmehr ist es das Erfordernis der konstanten geistigen Aktivität und kommunikativen Interaktion. So besitzt das Fernsehen theoretisch auch einen Rückkanal, zu dessen Nutzung es aber nie gekommen ist.[77] Dieser Entwicklung dürfte dieselbe Erklärung zugrunde liegen, die häufig für den dominanten Erfolg des Mediums angeführt wird. Castells bezeichnet das Phänomen als „Grundinstinkt eines faulen Publikums“:[78] Bei der Informationsbeschaffung bestehe eine Tendenz den „Weg des geringsten Widerstandes“[79] zu gehen. Im Falle des Internets kann dies eine Einstiegshürde darstellen, die ein vom passivierenden Fernsehdiskurs geprägtes Publikum von der Nutzung abschreckt. Sollte eine solche Abschreckungswirkung bestehen, so hat sie die rasante Verbreitung der neuen Technik höchstens verlangsamt, nicht verhindert – dabei bleibt es aber fraglich, inwieweit die genannte Tendenz Prägungswirkung auf die Art der Nutzung ausübt.
So lässt sich ein Trend hin zu propriäteren Navigationsumgebungen beziehungsweise gefilterten Inhalten erkennen. Die optische und inhaltliche Heterogenität der Ergebnisse einer Suchmaschinensuche wird umgangen, indem zum einen auf die Webangebote schon vor dem Internetzeitalter etablierter Nachrichtendienste zurückgegriffen wird, zum anderen indem geschlossene Systeme wie die Kommunikationsplattform Facebook oder der Software zum Download anbietende App Store der Firma Apple genutzt werden. Vergleichbare Portale von AOL, Yahoo oder GMX sind in der Anfangszeit des Internets gescheitert beziehungsweise konnten sich nicht prägend durchsetzen.[80] Die Vermutung liegt nahe, dass die Nutzer der ersten Stunde eben gerade nicht sich in ihren Wahl- und Interaktionsmöglichkeiten beschränken lassen wollten. Die vereinfachte Nutzbarkeit stellte für diese Kommunikationspioniere kein Argument dar, der Verlust an Autonomie und interaktivem Potential hingegen schon. Seit dieser Zeit ist die Anzahl der Internetnutzer explodiert und das Medium zum Alltagswerkzeug geworden. Der Grund hierfür ist sicherlich mehr in der Notwendigkeit der Nutzung (auch des Computers an sich) im Arbeitsleben, sowie dem aus der Perspektive des Individuums unendlichen Unterhaltungsangeboten zu suchen als in einer aktiven Neugierde auf die kommunikativen Fähigkeiten und Möglichkeiten der Technik. Diese neuen User wollen Dienste des Internets einfach nutzen, ohne sich dabei aber auf die Technik als solche einlassen zu müssen.
Durch die Entwicklung des Internets zum Massenmedium hat sich ein gravierender Strukturwandel der Nutzer vollzogen – von den experimentierfreudigen Internetpionieren, die die Möglichkeiten des Netzes in seiner vollen Breite ausschöpfen, hin zu der überwiegenden Zahl an Nutzern, die ihre wenigen, für sie relevanten Websites gefunden haben, die von ihnen immer wieder gezielt angesteuert werden.[81]
Optisch und bedientechnisch homogene plattformübergreifende Benutzeroberflächen, die gefilterte Inhalte anbieten, vereinfachen Einstieg und Nutzung, begrenzen aber die Auswahl und Interaktionsmöglichkeiten. Der vorgenannte „Grundinstinkt eines faulen Publikums“[82] führt zu einer Habitualisierung der Nutzung, die standardisierte Abläufe bevorzugt. Die Folge ist eine Art Parallelinternet, welches Verzweigungen zum dezentralisierten und ungefilterten Rest des globalen Netzwerks aufweist, insgesamt aber ein vergleichsweise geschlossenes System darstellt. Den Nutzern dieser Filtersysteme werden durch den Betreiber kontrollierte und autorisierte Inhalte angeboten. Weiterhin bestimmt dieser über die inhaltlichen und technischen Interaktionsmöglichkeiten. So besitzt Facebook einen Like-, aber keinen Dislike-Button, auch ist anonyme Kommunikation dort praktisch nur durch Verstoß der Teilnahmerichtlinien möglich und selbst bei falscher Angabe der persönlichen Daten zumindest im eigenen Freundeskreis transparent – für Google ist das Nutzungsverhalten insbesondere technisch nicht hochversierter Menschen unabhängig von persönlichen Angaben umfassend nachvollziehbar. Der Apple App Store bietet Programme nur für Apple Produkte, offenbart dabei seine Kriterien für eine Freischaltung des Programms eines Drittanbieters aber nicht – bekannt ist beispielsweise die Filterung von Pornographie aufgrund einer persönlichen Abneigung des verstorbenen Chefverkäufers Steve Jobs, welche er in einer Art Orwellschen Neusprech als „freedom from porn“ bezeichnete.[83]
Ob Facebook, Google, Apple, Microsoft oder andere marktführende Anbieter internetbasierter Dienste und Hardware, sie alle versuchen den weit verbreiteten technischen Analphabetismus zu nutzen. Dabei bieten sie nicht (mehr) bloß Dienste oder Software im Rahmen einer übergeordneten Gesamtstruktur an, vielmehr versuchen sie sich als Gatekeeper der Internetnutzung zu etablieren, einer Internetnutzung, die großteils oder vollständig über ihre Dienste stattfindet. Zu diesem Zweck verwenden sie Lockmittel in Form von Funktionen und Angeboten, die einen Mehrwert für die Nutzer darstellen, diese aber vor allem langfristig an die spezifische Kommunikationsstruktur eines Herstellers binden, der dadurch in die Lage versetzt wird Kontrolle über Inhalte von Kommunikation, sowie das Angebot von Diensten und Programme auszuüben und dadurch Einfluss auf die Diskurskultur zu nehmen. Die Kompatibilität zwischen den einzelnen Plattformen ist dabei oftmals bewusst eingeschränkt oder erfordert zusätzliche Maßnahmen.[84] Die Folge ist eine Fragmentierung der Gesamtstruktur des Internets, in der die Nutzung geprägt ist von den ihr jeweils zugrunde liegenden Diensten und deren Kommunikationstendenzen. Dabei profitieren institutionalisierte Anbieter in dreierlei Hinsicht im Hinblick auf ihre Position im gesellschaftlichen Kommunikationsprozess.
Erstens gewinnen sie Macht zum Agenda-Setting zurück.[85] Sie können vielfältig auf das Kommunikationsverhalten der Menschen im Internet einwirken. So entscheidet beispielsweise Google über die Freigabe eines Programms zum Download für Smartphones mit einem Android- Betriebssystem, wie es Apple für solche mit iOS -Betriebssystem tut, die Nachrichtenangebote von etablierten Zeitungsverlagen und Fernsehsendern sind weiterhin zentrale Anlaufstellen für Informationen und Facebook fällt die Macht zu, den Diskurs im größten globalen Netzwerk technisch zu gestalten und inhaltlich zu moderieren. Steigt das Soziale Netzwerk auf zu einem global dominanten Kommunikationsmittel – manche würden sagen, dass es dies bereits getan hat[86] - so wird seine Diskurskultur prägend auf die Form des gesellschaftlichen Diskurses einwirken. Diese Arbeit fragt nach allgemeinen kommunikativen Tendenzen des Internets und soll keine Prognosen für die Entwicklung dessen spezifischer Ausprägungen ergründen – insbesondere weil deren Zusammensetzung und Position im Kommunikationsprozess noch immer ständigem Wandel unterworfen ist und nur eine Momentaufnahme bieten könnte. Dennoch sei gesagt, dass historisch betrachtet kommerziellen Anbietern mehr daran gelegen ist eine Nachfrage zu erschaffen und diese dann gewinnbringend zu befriedigen als gesellschaftliche Entwicklungen voranzutreiben. Unabhängig von ideologischen Überlegungen besteht das Ziel eines börsennotierten Unternehmens wie Facebook zunächst einmal in der Maximierung des Kundenkreises und damit potentiellen Gewinns. Um keine Nutzer zu verschrecken, ist es bedacht auf eine inkludierende, freundliche Atmosphäre. Dieser Logik entspricht das Fehlen eines Dislike-Buttons. In einer auf Harmonie und Zustimmung fußenden Diskurskultur haben es unangenehme gesellschaftliche Fragen schwierig. Eckles bezeichnet diese Dynamik als „friendly world syndrome“.[87]
Zweitens werden institutionalisierte Anbieter in die Lage versetzt prägend die Zukunft der Internetkommunikation mitzugestalten, wobei die große Mehrheit der Menschen die grundlegenden technischen Entscheidungen nicht nachvollziehen kann beziehungsweise kein Recht hat, das über die Macht eines Kunden hinausgeht, auf diese einzuwirken.
Drittens gewinnen institutionalisierte Anbieter eine starke Position an der Schnittstelle zwischen Produzent und Rezipient medialer Inhalte zurück. Die vermeintliche Auflösung der Distanz zwischen diesen beiden, die die Kommunikationskanäle des Internets erlauben können, wird so in ihrer Entwicklung verlangsamt.
Inwieweit Filtersysteme eine Homogenisierung der Internetnutzung unter den ihnen eigenen Diskursregeln herbeiführen werden bleibt abzuwarten. Es sei aber gesagt, dass die Wahl- und Interaktionsmöglichkeiten betreffend die kommunizierten Inhalte in jedem Falle die des Fernsehens weiterhin weit übersteigen werden – fraglich wird nur sein, inwieweit diese kommunikative Aktivität politischen Diskurs umfassen wird.
Dieselbe Kommunikationsschwemme, die eine passivierende Überforderung beim Bürger auszulösen in der Lage ist, kann zu einer kommunikativen Abstumpfung auf Seiten von (per E-Mail, Twitter, Facebook, etc.) kontaktierten Politikern führen mit der Folge einer Nichtrealisierung interaktiver Potentiale.[88]
3. Tendenzverstärkung
Das Internet vereint alle bisherigen Kommunikationsmodi älterer Medien nicht nur, es verstärkt oder erweitert sie auch.[89] So ergänzt die Videophonie die Übertragung von Ton durch das Telefon mit Bildern, beschleunigen E-Mails die Geschwindigkeit weiter und dehnen den Adressatenkreis des Telegraphen aus und digitale Datenbanken überbieten in ihrem Angebot an Informationen Bibliotheken.[90] Die Speicherkapazitäten des Internets sind praktisch grenzenlos bei vergleichsweise geringen Kosten. Die Materialität früherer Speichermedien spielte eine prägende Rolle für die Organisationsprinzipien gesellschaftlicher Erinnerungskultur. Lagerung und Transport beschränkten sowohl die Menge an Daten, als auch deren Verbreitung. Im Internet sind diese Beschränkungen aufgehoben. Weder der individuelle Nutzer, noch die Gesamtstruktur an sich sind gezwungen aufgrund mangelnder Kapazitäten Daten zu löschen.[91] So fehlt das Erfordernis der gesellschaftlichen Festlegung von Relevanzkriterien für die Inhalte des Internets. Das Fehlen einer Löschlogik schafft Raum für ein größeres und differenzierteres Themen- und Meinungsspektrum, generiert aber den Bedarf nach Sortier- und Navigationshilfen, die die gezielte Rezeption ermöglichen.[92] Ideologisch betrachtet bedeutet dies einen fundamentalen Umbruch im Hinblick auf die Zusammensetzung der Informationen, die eine Gesellschaft speichert und zugänglich macht. Es gilt das (technisch-rechtliche) Prinzip der Netzneutralität demgemäß Internetprovider allen Datenverkehr gleich zu behandeln haben.[93] Im Internet findet jede Nische ihren Platz: A ll content is equal.
Es bleibt abzuwarten inwiefern die weitere kommunikative Ausdifferenzierung sozialer Spielarten zu einer entsprechenden Erweiterung der Ausdrucksformen menschlicher Individualität führt. Jedenfalls können gesellschaftliche Fragestellungen, die nicht in das Themenspektrum oder die Struktur der Narration älterer Nachrichtendienste passen, ein Forum finden, in welchem Interessierten und Betroffenen nicht nur die Teilnahme am Diskurs offen steht, sondern die Möglichkeit gegeben wird mit Gleichgesinnten ein Anliegen auf die politische Agenda zu heben. Dabei resultiert die gleichberechtigte Verfügbarkeit einer Meinung natürlich noch nicht in einer gleichberechtigten gesellschaftlichen Akzeptanz. Dennoch sind die Möglichkeiten breiter Teile der Bevölkerung einer Millionengesellschaft gesellschaftlich Gehör zu finden erweitert.
Politisch relevant werden in Zukunft rechtliche Fragen der Regelung von Netzneutralität, sowie der Angebote von Suchmaschinenbetreibern, im Speziellen die der Suche und Suchausgabe zugrunde liegenden Prinzipien. Nie zuvor waren die Stellschrauben des Kommunikationsverhaltens so vieler Menschen in so wenigen Händen – wenn Google bestimmte Inhalte filtert oder deren Priorität bei der Ausgabe der Suchergebnisse senkt, entfernt es diese für seine Nutzer aus dem Pool möglicher gesellschaftlicher Streitfragen.
4. Informationszugang und –verbreitung
Das Internet konvergiert und verstärkt alle ton-, text- und bildbasierten Kommunikationsmodi und erlaubt deren multimediale Verwendung auf PCs, Smartphones und Laptops, aber auch Radarfallen oder Kühlschränken. Dabei sind die Inhalte (prinzipiell)[94] unabhängig von Zeit und Ort verbreitbar und verfügbar. Diese völlige Freiheit des Informationsflusses erfordert Kontextualisierungs- und Selektionsmechanismen. Im Gegensatz zu den Massenmedien sieht das Internet für seine Rezipienten dabei eine aktive Rolle im Informationsprozess vor.[95] Die Struktur des Hypertextes bietet diesen die Kontrolle über oder jedenfalls große Einflussmöglichkeiten auf den Kommunikationsverlauf. Kuhlen bezeichnet den Hypertext als „Medium der nichtlinearen Organisation von Informationseinheiten.“[96] Der Leser gestaltet die konkrete Form seiner Lektüre mit jedem geklickten Link mit.
Fraglich ist ob dabei die personelle Trennung von Autor und Leser aufgehoben wird.[97] Der Internetnutzer agiert in eigener Sache als Autor, wenn er per Browser Inhalte des WWW auswählt oder deren Anordnung festlegt. Zwar bestimmt er aktiv und selbstständig die Inhalte des Rezeptionsvorgangs mit, kommuniziert dabei aber keine eigenen, hinterlässt keine Veränderungen oder Ergänzungen und erschafft kein rezipierbares Werk. Vollständig anders ist dies im Falle von Wikis[98], innerhalb derer mehrere Autoren an einem Artikel schreiben und Korrekturen vornehmen. Weitere Vermengungen der Rollen von Rezipient und Autor bestehen in Bewertungssystemen multimedialer Inhalte. So ist die Bewertung des Konsumenten eines YouTube-Videos relevant für die zukünftige Popularität des Beitrags. Jedenfalls kann im Fall des Hypertextes nicht generell von einer vollständigen Aufhebung zwischen Autor und Leser gesprochen werden, wenn auch Letzterem im Rahmen gesellschaftlicher Informationsvermittlung dabei eine aktive Rolle zukommt.[99] So fällt ihm auch die Macht zu, die Suchmaschinen darstellen können. Das Internet bietet den Bürgern Zugang zu mehr Informationen als je ein Medium zuvor. Dabei individualisieren Suchmaschinen die tatsächlich jeweils rezipierten Inhalte. Die Kontrolle über diesen Vorgang liegt zum einen beim Betreiber, der über die Parameter der Suchergebnisse bestimmt und zum anderen eben beim Nutzer. Die Suchmaschinenrecherche bietet ein breites Spektrum an Optionen und erlaubt die vielfältige Verknüpfung von Suchbegriffen. Es ist die kompetente Nutzung, die es der Einzelperson ermöglicht gesellschaftliche Fragestellungen nachzuvollziehen und sich eine unabhängige Meinung zu bilden.[100] Dabei lauern Fallstricke nicht nur bei der Suche selbst, sondern auch im Rahmen der Interpretation der gewählten Beiträge. Wie der Buchdruck bietet das Internet den Menschen ein Werkzeug zu einer erörternden, aktiven Kommunikation. Darüber hinaus kann es einer partizipatorischen Millionengesellschaft als Informationsgrundlage dienen indem es nicht nur endlose Mengen differenzierter Inhalte bereitstellt, sondern diese auch den für sie relevanten Personen zuzuleiten in der Lage ist.
Offensichtlich ist das informationsverarbeitende System Buch der Komplexität unserer sozialen Systeme nicht mehr gewachsen.[101]
Dabei spielt aber die Medienkompetenz im Allgemeinen und die Internetkompetenz im Speziellen eine große Rolle. Unterschiedliche Intensitäten und Arten der Nutzung, sowie verschiedene soziale Hintergründe haben ein breites Spektrum an Nutzertypen entstehen lassen.[102] Beim Fernsehen definieren sich diese nur über die davor verbrachte Zeit und die geschauten Sender. Beim Internet sind weniger die Inhalte ein Kriterium als die Art und Weise wie ihre Rezipienten auf sie gestoßen sind. So ist heutzutage einerseits die Gruppe derer, die selbstständig nach neuen für sie relevanten Websites suchen deutlich in der Minderheit[103] und andererseits die Navigation mittels Filterblasen wie Facebook im Aufwind, die einem Inhalte basierend auf den Vorlieben anderer Teilnehmer des Netzwerks anbieten und einen passiveren Konsum erlauben. Ob die Entwicklung hin zu einer (effektiven) gesellschaftlich verankerten Medienkompetenzschulung geht oder sich fremdbestimmte Navigationsoberflächen durchsetzen, bleibt abzuwarten. Im Hinblick auf die Umsetz- und Erhaltbarkeit partizipatorischer Strukturen, insbesondere solcher, die dem Bürger das regelmäßige Mitbestimmungsrecht gewähren, aber auch der individuellen Sicherheit vor Betrug und Schadsoftware ist auf Ersteres zu hoffen. Schon heute transformiert die neue Informationskultur gesellschaftliche Bereiche.
So kann z.B. heute prinzipiell über das Internet ein Gesetzgebungsverfahren unter Einbezug aller Expertisen und Beratungsschritte völlig transparent erfolgen und zwar auf eine Weise, in der sich die Bürger zeitnah in jedem Stadium des Verfahrens über den Stand der Dinge informieren, entsprechende Dokumente einsehen und sich dazu fundiert ihre eigenen Meinung bilden können.[104]
Weiterhin verändert sich die Erinnerungskultur insofern, dass auch Nischeninhalte nicht nur erhalten werden können aufgrund erhöhter Speicherkapazitäten, sondern Interessierten die Rezeption offen steht. Die Folge ist eine Diversifizierung des kollektiven Kulturgedächtnisses.
Schließlich sei verwiesen auf die Auswirkungen auf despotische Regierungen beziehungsweise Regierungen im Allgemeinen. In einer Welt des totalen Informationsflusses ist die Wahrscheinlichkeit erhöht, dass Machtmissbräuche nicht nur an die Öffentlichkeit gelangen, sondern dies auch zeitnah geschieht.[105] Hinzu kommt eine Veränderung gesellschaftlicher Maßstäbe im Hinblick auf die Verfügbarkeit von Information. Eine Erwartungshaltung hin zu Transparenz ist die Folge. So ist ein Erklärungsansatz für die Revolutionen des Arabischen Frühlings 2011 die Unfähigkeit der Despoten zur Kontrolle der freien Kommunikation des Internets. Nicht nur bot diese ihren Nutzern eine Vorstellung der Freiheiten einer nicht beherrschten Zivilgesellschaft, sie versorgte sie auch mit Informationen über ihre Machthaber und ermöglichte die Mobilisierung einer Gegenöffentlichkeit. Auch in bereits freiheitliche Gesellschaften kann die erhöhte Transparenz von Regierungen nicht nur dazu beitragen rechtliche Verfehlungen aufzudecken, sondern dem Bürger erlauben politische Prozesse besser nachzuvollziehen. Nicht zu verwechseln in ihren Wirkungen ist die ebenfalls durch das Internet ermöglichte Transparenz des Individuums, der zum gläsernen Bürger zu werden droht. In diesen Bereich werden die zentralen derzeitigen politischen Machtkämpfe rund um die Ausgestaltung der Technik ausgefochten, letztlich die Frage wer Zugriff auf welche Informationen erhält. Im Hinblick auf ein partizipatorisches Gesellschaftsmodell erscheint im Zweifelsfall die Prämisse korrekt: Der Bürger soll alles über die Regierung erfahren, die Regierung nichts über den Bürger. Dabei muss auch eine freiheitliche Gesellschaft Abstriche hinnehmen, wie die Voraussetzungen des Steuerrechts oder eines Führerscheins. Sie sollte aber äußert vorsichtig damit sein, aus Gründen einer diffusen Angst vor Gefahren heraus Überwachungssysteme im Orwellschen Ausmaß zu installieren.[106] Die vielfältigen Formen der Überwachung gesellschaftlicher Kommunikation, die innerhalb des letzten Jahrzehnts mit der Begründung der Terrorabwehr, der Bekämpfung von Internetkriminalität, sowie auf Betreiben der Film- und Musikindustrie weltweit eingerichtet wurden, sind primär dazu geeignet Machthaber zu schützen.
5. Modularität
Es gibt nicht das Internet. Damit ist nicht nur die stetige Erweiterung und Veränderung seiner Inhalte gemeint, wie sie schon beispielsweise bei Buchdruck und Fernsehen zu beobachten war. Dem Internet ist eine Dynamik von Anpassung, Weiterentwicklung und Umstrukturierung inhärent. Seine Dienste modifizieren stetig die angebotenen Kommunikationsmodi, deren äußere Form und Navigationsoberfläche. Die Zusammensetzung der kommunikativen Struktur des Mediums selbst, das Verhältnis seiner Komponenten ist konstanten Veränderungen unterworfen. So führen neue Skripte[107] die Automatisierung von Kommunikationshandlungen fort, während Personalisierungstendenzen, befeuert durch den Aufstieg Sozialer Netzwerke wie Facebook beziehungsweise der Akkumulation und Verknüpfung persönlicher Daten durch institutionalisierte Akteure wie Regierungen oder dem Suchmaschinenbetreiber Google, Einfluss ausüben beispielsweise auf die Möglichkeiten anonymer Diskursteilnahme. Das Internet ist nicht das erste Kommunikationsmedium, das verschiedene Strukturkonfigurationen erlaubt – das Koaxialkabelnetz des amerikanischen Kabelfernsehens hätte theoretisch einen Rückkanal besessen.[108] Es ist aber das erste Medium seit dem Buchdruck, das eine solche Vielzahl von möglichen Konstellationen der Kommunikationssituation aufweist und dabei übertrifft es auch diesen um Längen, was die schiere Menge betrifft.
Diese vielfältige Modularität bietet einen Ansatzpunkt für Manipulations- beziehungsweise strukturelle Lenkungsversuche. So kann das in seinen Ursprüngen von staatlicher Regulierung und ökonomischer Einflussnahme weitgehend freie Internet in seiner Kommunikationsvielfalt beschränkt werden. Dies gilt sowohl für die konkret ausgegebenen Inhalte wie auch die technischen Ausprägungen der Kommunikation.
Erstere betreffen sich auf das Urheberrecht berufende rechtliche Regulierungsbestrebungen der Produzenten medialer Inhalte sowie staatliche Zensurmaßnahmen, deren Stärke und Stoßrichtung stark variieren kann und abhängig ist davon, wie entschieden eine Regierung ist, die Kontrolle über die im Internet geteilten Informationen zu behalten beziehungsweise einen freien Austausch seiner Bevölkerung auf diesem Weg zu verhindern.
Letztere umfassen beispielsweise Fragen der Regulierung der Netzneutralität, der Ausgestaltung der Funktionsweise von Suchmaschinen, der systematischen Kommunikationsüberwachung der Bevölkerung durch Provider zum Zwecke der Gefahrenabwehr und polizeilichen Aufklärungsarbeit oder der Akkumulation und kommerziellen Verwertung der persönlichen Daten der Nutzer eines Dienstes durch den Betreiber.
Das Ringen um die Ausgestaltung und gesetzliche Regulierung des Internets ruft insbesondere dessen davon betroffene Nutzer auf den Plan. Die Folge ist eine häufige Beschäftigung des Internets mit sich selbst. Institutionelle Eingriffe in die Struktur bedeuten insbesondere für diejenigen, die das Medium zu ihrem zentralen Informations- und Kommunikationsmitteln gemacht haben, auch einen Eingriff in die persönliche Lebenswelt.
Junge Hyperaktive und Junge Flaneure, E-Consumer und Routinierte Informationsnutzer haben sich das neue Medium umfassend zueigen gemacht oder sind dabei, seine Möglichkeiten breit zu erschließen und auszuschöpfen. Im Alltag dieser Gruppen, die zusammengenommen fast die Hälfte aller Onlinenutzer ausmachen, ist das Internet nicht mehr wegzudenken.[109]
So könnte das Internet zum ersten gesellschaftlich dominanten Kommunikationsmedium werden, bei dem die Bevölkerung signifikant an der strukturellen Ausgestaltung mitwirkt. Der Grund hierfür ist einerseits sicherlich in den freiheitlichen Tendenzen der Internetkommunikation an sich zu suchen, andererseits aber auch in der verzögerten Reaktion der Eliten auf das Medium, die die Entwicklung zunächst unterschätzt beziehungsweise nicht nachvollzogen haben und denen nun die Beeinflussung etablierter Strukturen schwerer fällt als es dies möglicherweise getan hätte, hätten sie von Anfang an agiert. So gehört aus Bürgersicht der Kampf gegen kommunikative Beschränkungen im Internet zu den bisherigen Sternstunden gesellschaftlicher Partizipation.[110]
Mit der Modularität der Struktur des Internets geht eine Modularität seiner Nutzungsweisen und damit kommunikativen Prägungen einher. Das Ergebnis einer „Teilnahme von der eigenen Lebenssphäre aus“[111] ist ein breites Spektrum individueller Rezeptionsvorgänge.
Für die Mehrheit der Bevölkerung hat sich das Internet als eine feste Größe der Medienwelt etabliert. Seine funktionale Komplexität als Kommunikations- und Informationsmedium sowie als Unterhaltungsplattform und Shoppingkanal erlaubt sehr unterschiedliche Zugänge und Nutzungsmöglichkeiten, die sich in den vergangenen Jahren stetig weiterentwickelt haben.[112]
Die Botschaften des Fernsehens sind ausgelegt auf das Erreichen eines möglichst großen Adressatenkreises, ihre Inhalte stellen den kleinsten gemeinsamen Nenner gesellschaftlicher Relevanz dar.[113] So handeln Nachrichtensendungen einen Kanon von Themengebieten ab, von denen nur der Wetterbericht für sich in Anspruch nehmen kann, regelmäßig signifikanten Einfluss auf das alltägliche Handeln der Menschen auszuüben. Im Gegensatz zum massenmedialen Prinzip des TV steht beim Internetkonsum die individuelle Relevanz der Inhalte im Vordergrund. Die Rezeption findet selektiv statt, die Auswahl ist dabei für fast jedes Thema groß und für viele praktisch grenzenlos. Die fortschreitende Personalisierung von Suchmaschinenergebnissen[114] und automatisierten Filtermechanismen wie Facebooks Personalized News Stream [115] führt dazu, dass Nutzer sich innerhalb des Internets nur in einer homogenen eigenen Welt bewegen, in der sie Inhalte selektieren und rezipieren und je mehr sie dies tun, desto besser lernt die Suchmaschine oder der jeweils genutzte Filterdienst ihr Nutzungsverhalten kennen und dementsprechend passgenauer werden seine Vorschläge.
In einer permanenten Spirale verstärkt der Suchalgorithmus menschlich bequemes Verhalten und gibt dem Nutzer immer mehr von dem, was er ohnehin schon kennt und will: ähnliche Musik, ähnliche Bücher und ähnliche Freunde. Unsere Suchergebnisse zeichnen so das Bild von egozentrischen Konsumenten.[116]
Die Folge ist eine Dynamik, die Pariser als „filter bubble“ bezeichnet. Er sieht ein Persönliches Informationsökosystem[117] als Gefahr für den gesellschaftlichen Diskurs. Der Nutzer bekommt mehr von dem vorgeschlagen, was ihn bisher interessierte und dem er zustimmte. Den Filtersystemen zentraler Anbieter wie Google oder Facebook stehen dabei Unmengen an Informationsbruchstücken zur Verfügung, mittels derer sie Vorlieben und Ansichten ermitteln. Ihr Bild vom Nutzer bestimmt mit, was er zu sehen bekommt – und was nicht. Die Ausblendung den (vermeintlichen) Interessen des Nutzers widersprechender Vorschläge im Rahmen von Produktwerbung erscheint kommunikationstheoretisch unbedenklich, die Ausblendung den eigenen Interessen und vor allem Meinungen widersprechender Diskursbeiträge hingegen birgt Risiken für politische Aushandlungsprozesse, welche gegenseitigen Verständnisses und Kompromissbereitschaft bedürfen. Diese Dynamik ist aber noch in einem relativ frühen Entwicklungsstadium. Ob die automatisierten Filtersysteme einiger weniger Anbieter zu den zentralen Navigationsoberflächen des Internets werden und wie dann deren Ausgestaltung aussieht, bleibt abzuwarten. Jedenfalls erscheint auch hier der Weg zu einer bewussten und aktiven Nutzung die technische Aufklärung und Medienkompetenzschulung, wie sie McLuhan bereits für frühere Medien als Weg „zum emanzipativen Mediengebrauch“[118] propagiert hat.
6. Ermöglichung von Gemeinschaften
Die Kombination aus Rückkanal, Informationszugang und –teilbarkeit und der vielfältigen Modularität der Nutzungsweisen fördert die Bildung von Gemeinschaften.[119] Castells definiert solche virtual communities als „selbstdefiniertes elektronisches Netzwerk interaktiver Kommunikation, in dessen Mittelpunkt ein gemeinsames Interesse oder ein gemeinsamer Zweck steht, obwohl manchmal auch die Kommunikation selbst zum Ziel wird.“[120] Die Folge ist eine fortschreitende Differenzierung der Gesellschaft und ihrer kulturellen Ausprägungen.[121] Dabei können diese Gemeinschaften vielfältige Formen annehmen. Sie können institutionalisiert sein in Form von Onlineforen, Mailinglisten oder Chat Channels innerhalb des IRC oder sich kurzfristig und in ihrer Existenz zeitlich begrenzt bilden beispielsweise als Reaktion auf politische Entwicklungen. Neben den Möglichkeiten für individuelle Selbstentfaltung können sie eine gesamtgesellschaftliche Rolle spielen, wenn ihre Kommunikationsinhalte bedeutsam werden im Rahmen politischer Öffentlichkeit. Dabei können sie Beiträge und Meinungen zum bestehenden Themenkanon der Öffentlichkeit beitragen, diesen aus der Perspektive einer „ Teilöffentlichkeit, die sich z.B. um ein Einzelthema, einen Regionalbezug oder eine bestimmte gesellschaftliche Gruppe konstituiert“[122] ergänzen oder in Form einer Gegenöffentlichkeit versuchen für die Gemeinschaft vermeintlich bedeutende, aber dennoch aus der Kommunikation ausgeblendete Sachverhalte auf die öffentliche Tagesordnung zu bringen.[123]
Öffentlichkeit ist nicht monolithisch, sondern ein vielschichtiges, dezentrales Phänomen, ein offenes und inklusives Netzwerk mit fließenden zeitlichen, sozialen und sachlichen Grenzen.[124]
Über Beiträge zum gesellschaftlichen Diskurs hinaus, kann sich das Wirken virtueller Gemeinschaften auch materiell manifestieren. So beschreibt Rheingold die Beziehungen innerhalb des Netzwerks The Well als physische Treffen, sowie seelische und finanzielle gegenseitige Unterstützung umfassend.[125] Die Proteste im Iran in Reaktion auf die Wahlen 2009, die Revolutionen des arabischen Frühlings 2011, die gegen Wahlbetrug und Präsident Putin gerichteten Proteste in Russland 2011/12, aber auch lokalere Begehren wie der Protest gegen das Bahnhofsprojekt Stuttgart21 stellen nur eine Auswahl von Beispielen der möglichen Wirkungskraft staatsfreier, interaktiver Bürgerkommunikation dar. An dieser Stelle sei nicht unerwähnt, dass diese Freiheit auch Schattenseiten hat, denn sie kann zum Zwecke krimineller Handlungen genutzt werden.[126]
Die Möglichkeit einer gesellschaftlichen Beteiligung aus dem Internet heraus kann nicht nur bestehende nationale Zivilgesellschaften stärken beziehungsweise bei deren Ausbildung helfen, sondern wirkt auch internationalisierend. Die Entstehung einer transnationalen Öffentlichkeit, also einer Nationalitäten und geographische Entfernungen transzendierenden Sphäre sozialer Kommunikation, ist gehindert durch Sprachbarrieren, aber eben auch durch Oberflächlichkeiten, kulturelle Vorurteile und andere von den eigentlichen Inhalten der Kommunikation ablenkende Eigenschaften. Im Internet wird zwar die Sprachbarriere nicht aufgehoben, zumindest aber sind textbasierte Inhalte Sprachanfängern leichter zugänglich als gesprochene, die keine Zeit zum Nachschlagen bieten und zusätzlich abhängig von Aussprachetechniken sind. Die restlichen Hemmnisse einer transnationalen zivilgesellschaftlichen Kommunikation sind im Internet nicht gegeben oder abgeschwächt. Geschlecht, Hautfarbe, sozialer Status, Nationalität, äußere Merkmale stehen zurück hinter den Inhalten der Kommunikation. In Zeiten realer Globalisierung von Wirtschaft und Migration erscheint zivilgesellschaftlicher Austausch über Ländergrenzen hinweg eine Notwendigkeit zur Erlangung demokratischen Einflusses auf die Dynamiken gegenseitiger globaler Beeinflussung und Abhängigkeit. Das Internet kann hier nach Bedarf spezifischen Fragestellungen und deren Betroffenen Diskursräume verschaffen und ist dabei in der Lage geographisch und kulturell getrennte Lebenssphären zusammenzuführen, wie es die massenmedial kommunizierenden Techniken mit ihren nationalen Informationsökologien nicht vermochten.
[…] denn Neue Medien verändern die kulturelle Bedeutung von räumlicher Nähe und Distanz. Das vernetzte Individuum wächst - so eine verbreitete Auffassung - mit seinen interaktiven und kommunikativen Handlungen über die Grenzen lokaler Gemeinschaft und nationaler Gesellschaften gleichsam hinaus und kann am transnationalen kulturellen Austausch partizipieren und sich als Einzelperson, als Mitglied einer Gruppe oder einer internationalen Bewegung zur Geltung bringen.[127]
[...]
[1] Vgl. Liebrand, Schneider, Bohnenkamp, Frahm: Einführung in die MKW, S.143.
[2] McLuhan: Understanding Media, S.85.
[3] Vgl. Liebrand, Schneider, Bohnenkamp, Frahm: Einführung in die MKW, S.143.
[4] Vgl. William Shakespeare: Julius Caesar, S.97.
[5] Kloock/Spahr: Medientheorien, S.59.
[6] Vgl. Halverson: Havelock on Greek Orality and Literacy, in:Journal of the History of Ideas , Vol.53/1, S. 148.
[7] Ong: Orality and Literacy. The Technologizing of the Word, S.35.
[8] Norbert Bolz: Am Ende der Guttenberg Galaxis, S.183f.
[9] Vgl. Liebrand, Schneider, Bohnenkamp, Frahm: Einführung in die MKW, S.150.
[10] Vgl. Platon: Phaidros.
[11] Vgl. Liebrand, Schneider, Bohnenkamp, Frahm: Einführung in die MKW, S.149.
[12] Castells: Der Aufstieg der Netzwerkgesellschaft, S.375.
[13] ebd.
[14] Vgl. Roesler/Stiegler: Grundbegriffe der Medientheorie, S.193.
[15] Castells: Aufstieg der Netzwerkgesellschaft, S.375.
[16] Postman: Wir amüsieren uns zu Tode, S.22.
[17] Maletzke: Psychologie der Massenkommunikation, S.32.
[18] Vgl. McLuhan: Die Guttenberg Galaxis, S.293.
[19] Postman: Wir amüsieren uns zu Tode, S.67-68.
[20] Bolz: Am Ende der Guttenberg Galaxis, S.184.
[21] ebd.
[22] Kloock/Spahr: Medientheorien, S.66-67.
[23] Vgl. Hart: The popular book, S.8.
[24] Postman: Wir amüsieren uns zu Tode, S.44.
[25] Vgl. a.a.O., S. 46-49.
[26] Vgl. a.a.O., S.57-58.
[27] Kloock/Spahr: Medientheorien, S.112-113.
[28] Vgl. Postman: Wir amüsieren uns zu Tode, S.81.
[29] Vgl. Liebrand, Schneider, Bohnenkamp, Frahm: Einführung in die MKW, S.203.
[30] Postman: Wir amüsieren uns zu Tode, S.85.
[31] McLuhan: Understanding Media, S.270.
[32] Vgl. Postman: Wir amüsieren uns zu Tode, S.90.
[33] Vgl. Kloock/Spahr: Medientheorien, S.112-113.
[34] Vgl. Liebrand, Schneider, Bohnenkamp, Frahm: Einführung in die MKW, S.183.
[35] Postman: Wir amüsieren uns zu Tode, S.99-100.
[36] http://www.agf.de/daten/zuschauermarkt/sehdauer (14.02.12).
[37] http://blog.nielsen.com/nielsenwire/wp-content/uploads/2011/04/State-of-the-Media-2011-TV-Upfronts.pdf (14.02.12).
[38] Goethe: Der Fischer.
[39] Vgl. Kloock/Spahr: Medientheorien, S.115.
[40] Vgl. Elsner/Müller: Der angewachsene Fernseher, S.392-393.
[41] Postman: Wir amüsieren uns zu Tode, S.166-167.
[42] Vgl. Döring: Sozialpsychologie des Internet, S.425.
[43] Grunwald / Banse / Coenen / Hennen: Netzöffentlichkeit und digitale Demokratie, S.32-33.
[44] Castells: Aufstieg der Netzwerkgesellschaft, S.381.
[45] World Internet Usage and Population Statistics 2011: http://www.internetworldstats.com/stats.htm.
[46] Vgl. Liebrand, Schneider, Bohnenkamp, Frahm: Einführung in die MKW, S.187.
[47] Audenhove / Lievens / Cammaerts: Neue Demokratie durch neue Medien?, S.273.
[48] Grunwald / Banse / Coenen / Hennen: Netzöffentlichkeit und digitale Demokratie, S.54.
[49] Vgl. Bockmühl: Demokratische Willensbildung im Internetzeitalter, S165.
[50] Roesler/Stiegler: Grundbegriffe der Medientheorie, S.137.
[51] Vgl. Roesler/Stiegler: Grundbegriffe der Medientheorie, S.218.
[52] Vgl. Grunwald / Banse / Coenen / Hennen: Netzöffentlichkeit und digitale Demokratie, S.36.
[53] Vgl. Simanowski: Digitale Literatur, S.131.
[54] Roesler/Stiegler: Grundbegriffe der Medientheorie, S.86.
[55] David Weinberger nach Jeff Jarvis: 2040 fließt Wissen frei durchs Netz, S.2.
[56] siehe dafür II.4.c.
[57] McLuhan: Understanding Media, S.221.
[58] Vgl. Art. 1 I des deutschen Grundgesetzes: „ […] Sie [Die Abgeordneten] sind Vertreter des ganzen Volkes, an Aufträge und Weisungen nicht gebunden und nur ihrem Gewissen unterworfen.“.
[59] Interview mit Peter Altmaier (MdB) in der Sächsischen Zeitung vom 25.10.2011.
[60] Vgl. Audenhove / Lievens / Cammaerts: Neue Demokratie durch neue Medien?, S.275.
[61] Vgl. Logan: Understanding New Media, Chapter 5.1, S.6.
[62] Altmaier: Mein neues Leben unter Piraten, in: http://www.faz.net/aktuell/feuilleton/debatten/digitales-denken/politik-und-internet-mein-neues-leben-unter-piraten-11493287.html (14.2.2012).
[63] Vgl. Grunwald / Banse / Coenen / Hennen: Netzöffentlichkeit und digitale Demokratie, S.54.
[64] Vgl. Audenhove / Lievens / Cammaerts: Neue Demokratie durch neue Medien?, S.274.
[65] Vgl. Bockmühl: Demokratische Willensbildung im Internetzeitalter, S172.
[66] Vgl. Plake/Jansen/Schuhmacher, S.109.
[67] Vgl. Kloock/Spahr: Medientheorien, S.70f.
[68] Vgl. Bockmühl: Demokratische Willensbildung im Internetzeitalter, S181.
[69] Vgl. McLuhan: Die Guttenberg Galaxis, S.275f.
[70] Interview mit Bundesinnenminister Friedrich, in: http://www.spiegel.de/politik/deutschland/0,1518,778803,00.html (14.2.2011).
[71] Vgl. Max-Planck-Institut für Strafrecht: Schutzlücken durch Wegfall der Vorratsdatenspeicherung?, S.120ff.
[72] für eine Darstellung von Organisations- und Bürokratietheorie: Jäger/Oppermann: Bürokratie- und organisationstheoretische Analysen der Sicherheitspolitik.
[73] Audenhove / Lievens / Cammaerts: Neue Demokratie durch neue Medien?, S.274.
[74] Vgl. Schloemann: Wenn Habermas auf @biggi37 trifft, in: http://www.sueddeutsche.de/digital/debatte-zur-anonymitaet-im-netz-wenn-habermas-auf-biggi-trifft-1.1130908 (14.2.2012).
[75] ebd.
[76] Grunwald / Banse / Coenen / Hennen: Netzöffentlichkeit und digitale Demokratie, S.67.
[77] Vgl. Roesler/Stiegler: Grundbegriffe der Medientheorie, S.218.
[78] Castells: Der Aufstieg der Netzwerkgesellschaft, S.378.
[79] ebd.
[80] Vgl. Großmann/Koschek: Unternehmensportale, S.28f.
[81] Vgl. van Eimeren / Gerhard / Frees: Internetverbreitung in Deutschland: Potential vorerst ausgeschöpft?, S.355.
[82] Castells: Der Aufstieg der Netzwerkgesellschaft, S.378.
[83] Vgl. http://gawker.com/5539717/steve-jobs-offers-world-freedom-from-porn (22.02.12)
[84] Beispielhaft sei hier der Streit von Apple und Adobe um den Nutzung von Flash genannt.
[85] Vgl. Bockmühl: Demokratische Willensbildung im Internetzeitalter, S182.
[86] Laut Eigenangabe hatte Facebook im Dezember 2011 845 Millionen monatlich und 425 Millionen täglich aktive Nutzer: http://newsroom.fb.com/content/default.aspx?NewsAreaId=22 (22.02.12).
[87] Eckles: The Friendly World Syndrome induced by simple filtering rules, unter: http://www.deaneckles.com/blog/386_the-friendly-world-syndrome-induced-by-simple-filtering-rules.
[88] Vgl. Grunwald / Banse / Coenen / Hennen: Netzöffentlichkeit und digitale Demokratie, S.67.
[89] Vgl. Logan: Understanding New Media, Chapter 5.0, S.5.
[90] Vgl. Cloninger: Understanding the Web as Media.
[91] Vgl. Weinberger: To know, but not understand: On Science and Big Data, S.3.
[92] siehe dazu: III.4.: Informationszugang und -verbreitung
[94] Ein Gegenbeispiel stellt hier die chinesische Internetzensur dar.
[95] Vgl. Logan: Understanding New Media, Chapter 5.2, S.7.
[96] Kuhlen: Hypertext. Ein nicht-lineares Medium zwischen Buch und Wissensbank, S.27.
[97] Woolley: Die Wirklichkeit der virtuellen Welten, S.178.
[98] der berühmteste Vertreter: www.wikipedia.de.
[99] Vgl. Roesler/Stiegler: Grundbegriffe der Medientheorie, S.87.
[100] Vgl. Weinberger: To know, but not understand: On Science and Big Data, S.2.
[101] Bolz: Zur Theorie der Hypermedien, S.17.
[102] Vgl. Grunwald / Banse / Coenen / Hennen: Netzöffentlichkeit und digitale Demokratie, S.45-47.
[103] Vgl. van Eimeren / Gerhard / Frees: Internetverbreitung in Deutschland: Potential vorerst ausgeschöpft?, S.355.
[104] Vgl. Grunwald / Banse / Coenen / Hennen: Netzöffentlichkeit und digitale Demokratie, S.82.
[105] Vgl. Logan: Understanding New Media, Chapter 5.2, S.8.
[106] in Deutschland z.B. die verdachtslose Speicherung personenbezogener Daten durch staatliche Einrichtungen zum Zwecke einer Verbesserung der Strafverfolung.
[107] technisch codierte Handlungsweisen.
[108] Vgl. Roesler/Stiegler: Grundbegriffe der Medientheorie, S.218.
[109] Oehmichen / Schroeter: Die OnlineNutzer Typologie (ONT), S.386.
[110] Vgl. Piratenpartei: Das „Zensursula-Gesetz“ ist tot, unter http://www.piratenpartei.de/node/1335/51060.
[111] Audenhove / Lievens / Cammaerts: Neue Demokratie durch neue Medien?, S.274.
[112] Oehmichen / Schroeter: Die OnlineNutzer Typologie (ONT), S.386.
[113] Vgl. Castells: Der Aufstieg der Netzwerkgesellschaft, S.379.
[114] Vgl. Bulban, Franziska / Trotier, Kilian: Wir begegnen uns nur noch selbst, unter http://www.zeit.de/2012/04/Google-und-Google-Plus.
[115] Eigenbeschreibung des Personalized News Streams durch Facebook: http://www.facebook.com/help/?page=132070650202524 (03.03.12).
[116] Vgl. Bulban, Franziska / Trotier, Kilian: Wir begegnen uns nur noch selbst, unter http://www.zeit.de/2012/04/Google-und-Google-Plus.
[117] Parramore: Eli Pariser on the future of the Internet, unter: http://www.salon.com/2010/10/08/lynn_parramore_eli_pariser.
[118] Kloock/Spahr: Medientheorien, S.70f.
[119] Vgl. Logan: Understanding New Media, Chapter 5.5, S.11.
[120] Castells: Der Aufstieg der Netzwerkgesellschaft, S.406.
[121] Vgl. Grunwald / Banse / Coenen / Hennen: Netzöffentlichkeit und digitale Demokratie, S.54.
[122] a.a.O., S.71.
[123] Vgl. a.a.O., S.72.
[124] a.a.O., S.72.
[125] für einen Überblick: Rheingold: Virtuelle Gemeinschaft. Soziale Beziehungen im Zeitalter des Computers.
[126] Street: Masse Media, Politics and Democracy, S.264.
[127] http://www.tab-beim-bundestag.de/de/publikationen/berichte/ab074.html, Abschnitt Kulturelle Globalisierung und Neue Medien
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- Erstausgabe
- Erscheinungsjahr
- 2012
- ISBN (PDF)
- 9783955499594
- ISBN (Paperback)
- 9783955494599
- Dateigröße
- 764 KB
- Sprache
- Deutsch
- Institution / Hochschule
- Universität zu Köln
- Erscheinungsdatum
- 2015 (Februar)
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- 1,7
- Schlagworte
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