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Chinesische und westliche Entwicklungshilfe in Afrika im Vergleich: Cui bono?

©2013 Bachelorarbeit 57 Seiten

Zusammenfassung

Chinas Afrikapolitik wird von vielen westlichen Politikern und Medien äußerst skeptisch betrachtet. Dabei werden häufig verschiedene Vorwürfe laut, die letztlich darauf hinauslaufen, dass die Entwicklungs- und Wirtschaftspolitik Chinas einzig und allein dem Land selbst nützt. Aber unterscheidet sich die chinesische wirklich von der westlichen Afrikapolitik?
Um diese Frage zu beantworten, wird zunächst einmal die westliche Afrikapolitik rekapituliert - wie entstand die Entwicklungshilfe und wie hat sie sich in den Jahrzehnten darauf verändert. Der zweite Teil der Arbeit befasst sich mit den sino-afrikanischen Beziehungen für den gleichen Zeitraum. Danach wird die aktuelle chinesische Politik näher betrachtet. Unter anderem werden die verschiedenen Hilfsprogramme vorgestellt, die Entscheidungsprozesse nachvollzogen und die Entscheidungsträger vorgestellt, die im Wesentlichen für die Gewährung der verschiedenen Formen chinesischer Entwicklungspolitik zuständig sind. Die Hintergründe für das chinesische Interesse an Afrika, aber auch die des Westens werden ebenfalls mit in die Untersuchung einbezogen.

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


2. Die Entstehung der westlichen Ausprägung von Entwicklungshilfe

Bis heute ist die Entwicklungszusammenarbeit westlich dominiert. Dies gilt für die Ausrichtung der Entwicklungshilfe ebenso wie für die formulierten Ziele. Ein Grund dafür ist das Kolonialsystem, aus dem die Entwicklungspolitik entstanden ist. Das Konstrukt der Entwicklungszusammenarbeit selbst ist noch verhältnismäßig jung (Lachmann 2010, S. 3), hat aber bereits mehrere Veränderungen durchgemacht, die immer von den vorherrschenden Machtkonstellationen innerhalb der nationalen Beziehungen geprägt waren. (Andersen 1995, S. 88) Die Beteiligung der Entwicklungsländer (EL) an den Veränderungsprozessen war darum stets gering; sie wurden meistens in die Rolle der passiven Empfänger gedrängt.

2.1 Die Kolonialhilfe als Ursprung der Entwicklungshilfe

Gemeinhin wird angegeben, dass die Entwicklungspolitik erst nach dem zweiten Weltkrieg ihren Anfang nahm. Allerdings gab es schon in den 20er Jahren durch die Kolonialmächte Frankreich und Großbritannien Hilfsprogramme für deren Kolonien, die in ihren Akzenten den Entwicklungshilfeprogrammen späterer Jahre ähnelten. So förderte Frankreich, basierend auf Plänen des damaligen sozialistischen Kolonialministers Sarraut, Projekte, die öffentliche Arbeiten in den französischen Kolonien unterstützten und finanzierte dies durch staatliche Anleihen. (Büschel 2010, S. 3) In Großbritannien verabschiedete 1929 das Londoner Parlament den Colonial Development Act, durch den jährlich eine Million Pfund für Infrastruktur, Gesundheit, Ausbildung und Agrarentwicklung für die Kolonialgebiete zur Verfügung gestellt wurden. Mittels Krediten und Schenkungen sollte die Entwicklung der Landwirtschaft und der Industrie in den Kolonien vorangetrieben werden. (Kruse-Rodenacker et al. 1970, S. 166)

Diese Förderungen waren aber nicht ausschließlich auf den entwicklungspolitischen Aspekt ausgerichtet, sondern es ging zusätzlich darum, der angespannten Wirtschaftslage Herr zu werden. Die Kolonien sollten als Rohstofflieferanten und als Exportmärkte entwickelt werden (Büschel und Speich 2009, S. 94) und man versprach sich positive Auswirkungen auf den inländischen Arbeitsmarkt. (Kruse-Rodenacker et al. 1970, S. 166)

In Großbritannien erfolgte 1940, als Reaktion auf die wachsenden Spannungen in den Kolonien, eine Weiterentwicklung der Ziele dieses Gesetzes. (Büschel und Speich 2009, S. 94) Der Development und Welfare Act hatte nun erstmalig auch das Ziel, durch Finanztransfers den Lebensstandard in den Kolonien zu heben, indem beispielsweise Mittel auch dazu verwendet wurden, das Erziehungs- und Bildungssystem der Kolonien umzugestalten. Dies war ein erster Schritt von Kolonialpolitik zur Entwicklungspolitik. Allerdings war die Umsetzung dieser Politik nur begrenzt möglich, da die finanziellen Mittel Großbritanniens durch den zweiten Weltkrieg stark eingeschränkt waren. (Kruse-Rodenacker et al. 1970, S. 167)

2.2 Der Wiederaufbau Europas als Blaupause der Entwicklungspolitik

Nach dem zweiten Weltkrieg war zuerst der Wiederaufbau Europas das wichtigste Ziel von Entwicklungsstrategien für die Weltwirtschaft. Noch während dieses Krieges, am 01. Juli 1944, hatten sich Vertreter von 44 Staaten in Bretton-Woods getroffen und einigten sich auf ein neues internationales Währungssystem. Gleichzeitig wurde aber auch darüber diskutiert, wie man die Kriegsfolgen in Europa bewältigen und die soziale, politische und ökonomische Stabilität wiederherstellen könnte. Außerdem gründete man hier auch die Organisationen, die in später Jahren entscheidend an der Entwicklungshilfe beteiligt waren: Die „Internationale Bank für Wiederaufbau und Entwicklung“, umgangssprachlich auch Weltbank genannt, und den internationalen Währungsfond (IFW).

Höhepunkt der Hilfe zum Wiederaufbau Westeuropas war der Marshallplan, so genannt nach dem damaligen US-Außenminister George C. Marshall. Dieser beinhaltete ein Rettungspaket in Höhe von 20 Milliarden Dollar, welches den europäischen Ländern zur Verfügung gestellt werden sollte, wenn sich die Europäer im Gegenzug dazu zu verpflichteten, Pläne für eine Stabilisierung ihrer Staatsfinanzen und für eine ökonomische Belebung vorzulegen. Durch den Marshallplan flossen im Zeitraum von fünf Jahren rund 12,3 Milliarden US-Dollar nach Europa, die teils als langfristige Kredite, teils als Zuschüsse ausgezahlt wurden. (Baumann 1990, S. 22)

Der Erfolg der Wiederaufbauhilfe Europas hatte eine Vorbildpolitik geschaffen, die auch die erste Phase der UN-gesteuerten Entwicklungspolitik in den sechziger Jahren beeinflussen sollte.

2.3 Die Vorphase der öffentlichen Entwicklungshilfe

Schon relativ kurz nach Beendigung des zweiten Weltkriegs hatte ein neuer Konflikt begonnen - der Kalte Krieg. Sowohl die Sowjetunion als auch die USA versuchten mit allen Mitteln ihren Einfluss zu vermehren. Gerade die Entwicklungsländer entwickelten sich dabei zum heißumkämpften Gebiet. Während die Sowjetunion ihr Ordnungs- und Industrialisierungsmodell (Kommunismus) als adäquate Strategie für die wirtschaftliche Entwicklung propagierte, versuchten die USA ihr Entwicklungsmodell durch Finanzhilfe und Beratungstätigkeiten für die Entwicklungsländer attraktiv zu machen. (Menzel 1992, S. 137) Mit den Mitteln der Außenwirtschaftspolitik sollte eine Annäherung an den jeweils anderen verhindert werden. Tatsächlich hatten die westlichen Industrieländer dabei einen großen Vorsprung, denn 90 Prozent der bis zur Mitte der fünfziger Jahre geleisteten „Entwicklungshilfe“ kamen aus den USA sowie von Frankreich und Großbritannien. (Lachmann 2010, S. 4)

Dieses Jahrzehnt war aber auch durch einen anderen Prozess geprägt – der Dekolonialisierung. In Afrika setzte sich eine Unabhängigkeitswelle fort, die in Asien ihren Anfang genommen hatte und die aufgrund der noch immer anhaltenden „Erschöpfung“ der beiden Kolonialmächte Frankreich und Großbritannien schließlich von Erfolg gekrönt war. (Ansprenger 1995, S. 70) Zwischen 1956 und 1966 erklärten sich 31 Staaten Afrikas für unabhängig, allein 17 davon im Jahr 1960. (Gieg 2010, S. 25)

Diese Entwicklung veränderte die politische Weltkarte und damit auch die Zusammensetzung in den Vereinten Nationen (UN), denn nun war die Mehrheit der Mitglieder aus dem sogenannten Süden und gehörte damit zu den Entwicklungsländern. Die Entwicklungspolitik erhielt darum ein größeres Eigengewicht. (Nuscheler 2006, S. 78) Die ab diesem Zeitpunkt erfolgenden Bestrebungen, die Entwicklungspolitik zu verändern, lässt sich am verständlichsten mit dem Dekaden-Modell der Vereinten Nationen darstellen.

2.4 Die erste Entwicklungsdekade (1961 – 1970) – Modernisierung &
Industrialisierung

Die Entwicklungspolitik erfuhr zum Beginn der sechziger Jahre eine regelrechte Institutionalisierung. Beispielsweise wurde 1960 die International Development Association (IDA) gegründet, eine Untergruppe der Weltbank, die mit der Armutsbekämpfung beauftragt wurde, ein Jahr später das Development Assistance Commitee (DAC)[1] und 1965 erfolgte die Gründung der United Nations Development Programme (UNDP). IDA und DAC waren dabei durch die Industriestaaten dominiert (Lachmann 2010, S. 4), in der UN galt dagegen das „eine Nation – eine Stimme“-Prinzip, weswegen hier die Entwicklungsländer mehr Einflussmöglichkeiten hatten.

Gegen den Willen der Industriestaaten und auf Wunsch der Entwicklungsländer wurde 1964 die UNCTAD-Konferenz[2] ins Leben gerufen. Hier bildete sich auch die „Gruppe der 77“, ein Zusammenschluss von Entwicklungsländern, die sich als Vertretung und Stimme der dritten Welt verstanden. (Kaiser und Wagner 1991, S. 204) Die UNCTAD war gedacht als Forum für die Verbindung zwischen Handel und Entwicklung nach dem Muster „ Trade not Aid “. Allerdings konnte sie sich nie richtig durchsetzen und verlor ab den siebziger Jahren zunehmend an Bedeutung, da die westlichen Industrieländer dieses Forum nie in diesem Sinne nutzen wollten. (Andersen 2005, S. 38)

Geprägt war die erste Phase der Entwicklungspolitik durch die Modernisierungstheorie. Die Annahme, die auf den Marshallplan-Erfahrungen in Europa fußte, war, dass sich die Entwicklungsländer aus ihrer schlechten Situation nur befreien könnten, wenn sie eine Industrialisierung nach westlichem Vorbild durchlaufen würden. (Büschel 2010, S. 5) Die Entwicklungshilfe wurde darum als Startkapital betrachtet, das notwendig war, um Investitionen in größerem Maßstab anzuregen, in deren Folge es zu einem sich selbst tragenden Wachstum kommen würde. (Andersen 1995, S. 88) Von dieser so ausgelösten Industrialisierung versprach man sich einen trickle-down -Effekt (Durchsickerungseffekt), der auch die einzelnen Bedürftigen erreichen würde. Einen weiteren positiven Effekt versprachen sich die Entwicklungsländer von einer besseren Einbindung auf dem Weltmarkt. (Büschel 2010, S. 5)

In den nächsten Jahren kam es zwar zu einer durchschnittlichen Wachstumsrate von ca. 5 Prozent in den Entwicklungsländern (2,5 Prozent, wenn man die Entwicklung der Bevölkerungszahlen einbezog), jedoch nicht zum erhofften trickle-down- Effekt. (Andersen 1995) Der von der Weltbank in Auftrag gegebene Pearson-Bericht konstatierte, dass dieses Wachstumskonzept gescheitert sei und begründete dies unter anderem damit, dass es zu einem regionalen Ungleichgewicht gekommen war und die Nutznießer der Entwicklungshilfe fast ausschließlich die Eliten der Entwicklungsländer waren[3]. (Ihne und Wilhelm 2006, S. 10) Unterstrichen wurde weiterhin, dass die Annahme, dass Wachstums automatisch zu Entwicklung führe, möglicherweise zu optimistisch sei und zusätzlich die weltwirtschaftlichen Rahmenbedingungen zu wenig berücksichtigt würden. (Menzel 1992, S. 40) Ein weiterer Kritikpunkt war, dass „[…] Ein Großteil der bilateralen Hilfe [nur dazu diente] kurzfristige politische oder strategische Vorteile zu erlangen oder Exporte der Geberländer zu fördern.“ (Pearson-Bericht (S.22) zitiert nach (Nuscheler 2006, S. 78))

2.5 Die zweite Entwicklungsdekade (1971 – 1980) – Dependenztheorie &
Grundbedürfnisstrategie

Nachdem die Idee von „Entwicklung durch Wachstum“ in die Kritik geraten war, zeigte sich eine deutliche Veränderung in den Grundannahmen, wie Entwicklungshilfe geleistet werden müsse. Die Kritik wurde nicht nur von westlichen Beteiligten geübt, sondern es kam vermehrt zu Kritik aus den Entwicklungsländern selbst. Die Vordenker der Dependenz-Theorie[4] sahen die Schuld für die Unterentwicklung der Entwicklungsländer in dem Verhalten der Industrieländer. Anders ausgedrückt: Der Aufstieg der Industrieländer war nur möglich durch die Ausbeutung der Entwicklungsländer (zum Beispiel durch Kolonialisierung). (Wolff 1998, S. 292) Die Strukturen, die von den westlichen Industrieländern geprägt und dominiert wurden, existierten auch weiterhin, trotz aller Entwicklungshilfe. Damit die armen Länder aufschließen könnten, müsste nach Meinung der Dependenz-Anhänger eine Neue Weltwirtschaftsordnung (NWWO) herbeigeführt werden. (Andersen 1995)

Diese Weltwirtschaftsordnung war auf vier Eckpfeiler aufgebaut. Erstens sollten die Länder das Recht auf die Kontrolle der eigenen Ressourcen erhalten, außerdem wurde eine Demokratisierung der internationalen Organisationen wie Weltbank und IWF gefordert, bei denen die Stimmstärke nach Kapitalgewicht ausgerichtet ist. Zweitens wollte man eine Öffnung der Exportmärkte für die Entwicklungsländer erreichen, die auch den Möglichkeiten der Entwicklungsländer entsprachen. (Beispielsweise waren Agrarexporte mit hohen Handelshemmnissen versehen, während Fertigwaren exportiert werden durften, die aber kaum von Entwicklungsländern hergestellt werden konnten.) Drittens forderte man eine Regulierung der Weltrohstoffmärkte, um den Preisschwankungen zu entgehen, welche die fragile Wirtschaft der Entwicklungsländer belastete. Außerdem forderten die Entwicklungsländer, dass es weiterhin zu einer Förderung der Industrialisierung durch Wissens- und Kapitaltransfers kommen sollte. (Menzel 1992, S. 143f)

Die Entwicklungsländer bemühten sich, bei der UN diese Debatte über die neue Wirtschaftsordnung in Gang zu bringen. Die „Erklärung über die Errichtung einer neuen Weltwirtschaftsordnung“ und die „UN-Charta über die wirtschaftlichen Rechte und Pflichten von Staaten“, welche gegen den Widerstand einiger Industrieländer verabschiedet wurden, kann als kleiner Erfolg für die Entwicklungsländer und die dependenztheoretischen Ansätze verzeichnet werden. (Ihne und Wilhelm 2006, S. 11) Aber zu einer realpolitischen Umsetzung dieser neuen Wirtschaftsordnung führte dies nicht.

Stattdessen wurde 1973 die grundbedürfnisstrategie vorgestellt. Robert McNamara, damaliger Präsident der Weltbank, schloss sich mit dieser Strategie der Kritik des Pearson-Berichtes an, legte die ungerechte Verteilung der Entwicklungshilfe als wesentlichen Faktor des Scheiterns fest und zog daraus den Schluss, dass der Kampf gegen die Armut entwicklungspolitischen Vorrang erhalten müsste. (Nuscheler 2006, S. 79) Die „neue“ Entwicklungshilfe war nun nicht länger auf die Überwindung der industriellen Unterentwicklung gerichtet, sondern es sollte die Armut der Bevölkerung bekämpft werden. Die Programme der Weltbank und der UN wurden dementsprechend angepasst. Auch andere Organisationen wie UNESCO und WHO veränderten und schufen, der Grundbedürfnisstrategie entsprechend, Programme, die allerdings mit ihren Umsetzungen weit hinter den Vorstellungen der Entwicklungsländer und auch der schaffenden Organisationen zurückblieben. (Nuscheler 2006, S. 80)

In den siebziger Jahren gab es noch weitere Änderungen, die elementar für die Entwicklungspolitik waren. Schon 1970 verabschiedeten die Geberländer die UN-Resolution 2626, in der sie sich verpflichteten, die öffentliche Entwicklungshilfe auf 0,7 % ihres Bruttosozialproduktes (heute 0,7 % des Bruttonationaleinkommens) anzuheben. Jedoch haben bis heute nur wenige Länder dieses Ziel auch erreicht. (Ihne und Wilhelm 2006, S. 10f)

Außerdem wurde 1974 erstmalig festgelegt, was als Official Development Aid (ODA) gewertet werden durfte. (Führer 1996, S. 24)

2.5.1 Definition der ODA-Entwicklungshilfe

Die Verhandlungen über diese Festlegungen dauerten mehrere Jahre und sollten dazu dienen, eine bessere Vergleichbarkeit von geleisteter Entwicklungshilfe herzustellen. Bis heute gelten, allerdings mit Erweiterungen, diese Standards für die OECD-Länder, die 1974 geschaffen wurden.

Als Entwicklungshilfe, oder um den englischen Term zu nutzen Official Development Aid (ODA), zählen alle unentgeltlichen oder zinsgünstigen Leistungen, die von Staaten oder multilateralen Organisationen an Entwicklungsländer gewährt werden, wenn sie dabei folgende Punkte erfüllen:

- Ein Schenkungs- oder Zuschussanteil von mindestens 25 Prozent,
- finanziert durch öffentliche Mittel,
- mit dem vorrangigen Ziel der Förderung der wirtschaftlichen Entwicklung und der Hebung des Lebensstandards eines Entwicklungslandes. (Ihne und Wilhelm 2006, S. 25)

Wichtig ist auch, dass die Empfänger Entwicklungsländer oder internationale Organisationen gemäß der Länderliste I bzw. der Liste „Internationaler Organisationen“ des DAC sind. Zu den Hilfsmaßnahmen gehören technische Zusammenarbeit, finanzielle Zusammenarbeit, soweit es keine Darlehen betrifft, Beiträge an internationale Organisationen, soweit sie Entwicklungsländer fördern, und Schuldenerlasse. (Lachmann 2010, S. 6)

Dabei wurde die anrechenbare Leistung in den letzten Jahren immer wieder erweitert. Demnach können die staatlichen Verwaltungskosten, die durch Entwicklungshilfe entstehen ebenso angerechnet werden wie Flüchtlingshilfe (Ihne und Wilhelm 2006, S. 25) oder die Kosten für die Beteiligung an UN-Friedensmissionen. (Nuscheler 2006, S. 92)

2.6 Die dritte Entwicklungsdekade (1981 – 1990) – Das verlorene Jahrzehnt

Für die siebziger Jahre gab die Weltbank erneut einen Bericht in Auftrag, der sich, diesmal unter der Leitung von Willy Brandt, mit der Nord-Süd-Problematik auseinandersetzte. Bezeichnenderweise übernahm dieser Bericht viele Forderungen des Südens, welche die Reformen der Nord-Süd-Beziehungen betraf, und stieß dafür auf viel Kritik. (Nuscheler 2006, S. 80)

Das Ende der siebziger Jahre und der Anfang der achtziger Jahre waren geprägt durch die zweite Ölkrise, den Iran-Irak-Krieg und damit verbunden eine allgemeine Verschlechterung der weltwirtschaftlichen Rahmenbedingungen. (Ihne und Wilhelm 2006, S. 11) Die Zentralbanken der Geberländer reagierten auf diese angespannte wirtschaftliche Lage durch die Anhebung des allgemeinen Zinsniveaus, was eine direkte negative Folge für die Entwicklungsländer mit sich brachte. Diese hatten in den siebziger Jahren vermehrt Kredite mit variablen und zunächst niedrigen Zinssätzen erhalten[5], welche nun heraufgesetzt wurden, woraufhin sich die angenommenen Kredite für diese Länder verteuerten, dazu kamen eine weltweite Rezession und ein starker Preisverfall bei Rohstoffen. Die Schuldenlast für die Entwicklungsländer wurde übermächtig und viele Entwicklungsländer, beispielsweise Angola, Gambia, Kongo und Mosambik, waren nicht mehr in der Lage, die Kredite zu bedienen. (Moyo 2011, S. 46) Nach 1982 war die Schuldenlast der Dritten Welt so stark angewachsen, dass die für den Schuldendienst erbrachten Mittel die vom Norden geleistete ODA sowie private und öffentlich gegebene Kredite überstiegen. (Nuscheler 2006, S. 80)

Die generelle Debatte über Entwicklungshilfe nahm aufgrund dieser wirtschaftlichen Situation und der Folgen des letzten Jahrzehntes erneut eine Wendung. Die Dependenz-Ansätze und die Diskussionen über eine NWWO, die der Brandt-Bericht 1980 noch in seine Überlegungen für innovative Entwicklungshilfe mit einbezog, wurden aufgrund der realen Wirtschaftspolitik bedeutungslos. Alternative Ideen mit sozialistischem Hintergrund waren durch die Krisen des sowjetischen Entwicklungsmodells für die Entwicklungsländer ebenfalls nicht mehr attraktiv. (Andersen 1995, S. 89)

Um die globale Finanzstabilität zu sichern, wurden nun für die Entwicklungsländer durch den Internationalen Währungsfond und die Weltbank Strukturanpassungsprogramme entwickelt, die anstelle von armutsbezogener Entwicklungshilfe gezahlt wurden und die als Nebeneffekt die Lebensbedingungen der Bevölkerung der Entwicklungsländer erheblich verschlechterten und den sozialen Konsens innerhalb dieser Länder negativ beeinträchtigten.(Ihne und Wilhelm 2006, S. 11) Länder, welche die Hilfe von IWF und Weltbank in Anspruch nahmen oder in Anspruch nehmen wollten, mussten sich diesen Anpassungsprogrammen unterwerfen. Die Strukturanpassungsprogramme beinhalteten eine Liberalisierung des Handels und Förderung der freien Wirtschaft, die Reduzierung staatlicher Kredite und Senkung der öffentlichen Ausgaben sowie eine Abwertung der Währung. (Lachmann 2010, S. 18f) Diese Forderungen waren Teile des „Konsens von Washington“, die nicht nur durch den IWF und die Weltbank, sondern auch durch die US-Regierung und international operierende Finanzinstitute durchgesetzt wurden. (Nuscheler 2006, S. 82)

Die dritte Dekade der Entwicklungspolitik verlief für eine Vielzahl der Entwicklungsländer extrem negativ. Zwischen 1980 und 1987 wiesen von 72 Entwicklungsländern 20 eine Stagnation ihrer Entwicklung und 30 negatives Wachstum von 4-7 Prozent auf. Die Entwicklungsländer waren nach diesem Jahrzehnt zu großen Teilen in schlechterer Verfassung als in den fünfziger und sechziger Jahren und weltpolitisch waren sie zu bloßen Bittstellern ohne Druckmittel degradiert. (Menzel 1992, S. 15)

Schon zum Ende der achtziger Jahre mussten der IWF und die Weltbank einsehen, dass ihre Konzeptionen nicht die erwünschten Erfolge brachten und viele der Strukturanpassung zu einer Schädigung im sozialen Bereich geführt hatten. Zwar wurde weiterhin auf marktwirtschaftliche Reformen gebaut, aber dabei sollte zukünftig mehr auf die sozialen und politischen Vorrausetzungen geachtet werden. (Lachmann 2010, S. 19)

2.7 Die vierte Dekade (1991 – 2000) – Neuorientierung und nachhaltige
Entwicklung

Eine Neuorientierung, sowohl in der internationalen Ordnung als auch in der Entwicklungshilfe, ergab sich aus dem Ende des Kalten Krieges.

Zum einen versprach man sich aus dem Wegfall der durch den Ost-West-Konflikt verursachten militärischen Kosten einen höheren Beitrag für die Entwicklungshilfe (die sogenannte Friedensdividende) (Lachmann 2010, S. 19) und zum anderen waren die Geberländer nun von den geostrategischen Sachzwängen des kalten Krieges befreit und konnten partizipatorische Entwicklungspolitik betreiben. (Nuscheler 2006, S. 85) Darunter verstanden die Geberländer die Beförderung von Rechtsstaatlichkeit und Good Governance (Verantwortliches und gesetzmäßiges Regierungs- und Verwaltungshandeln), die Förderung von Demokratisierung, die Durchsetzung von Menschenrechten, aber auch das Unterstützen marktwirtschaftlicher Reformen. (ebd.) Diese Ziele sollten durch eine Konditionalisierung der Entwicklungshilfe erreicht werden, also das Binden der Entwicklungshilfe an eine Verbesserung in den gewünschten Bereichen. (Ihne und Wilhelm 2006, S. 11)

Ein Schlagwort dieser Zeit war die „nachhaltige Entwicklung“, ein Begriff, der erstmals im Brundtland-Bericht 1987 gefallen war und der für mehr als die ökologische Dimension stand, nämlich für alle drängenden Problemfelder der Welt. (Ihne und Wilhelm 2006, S. 12; Nuscheler 2006, S. 86) Es flossen neue Überlegungen in die Debatte ein, die sich mit Nachhaltigkeit, Umweltschutz und Ressourcenverbrauch befassten. Zu den wichtigsten Leitdokumenten dieser Dekade zählt deswegen die Agenda 21, die 1992 in Rio de Janeiro verabschiedet wurde und die in vielen Staaten zur Leitlinie ihrer Entwicklungspolitik wurde, und die acht Millenniums-Entwicklungsziele der Vereinten Nationen von 2000. (Ihne und Wilhelm 2006, S. 11). Dazu gehörten unter anderem die Beseitigung von extremer Armut, die Gleichstellung der Frau, die Sicherung der Grundschulbildung für Kinder und die Sicherung ökologischer Nachhaltigkeit. (United Nations 2012)

Allerdings wirkte sich das Ende des kalten Krieges auf die reale Zahlung von Entwicklungshilfe negativ aus. Statt einer Friedensdividende gab es Budgetkürzungen bei den westlichen Geberstaaten. (Lachmann 2010, S. 19) Zusätzlich wurde die Entwicklungshilfe nun auf mehr Länder verteilt, da auch die neu entstanden Staaten aus dem ehemaligen Ostblock Unterstützung benötigten. (Gieg 2010, S. 17) Die Entwicklungshilfe befand sich in einem Abwärtstrend.

2.8 Die gegenwärtige Situation der Entwicklungshilfe

Die Terroranschläge vom 11. September 2001 führten dazu, dass das sicherheitspolitische Denken des Westens wieder stärker ausgeprägt wurde. Dazu gehörte auch die Erkenntnis, dass Armut und Terror zwar vielleicht nicht direkt miteinander korrelieren, aber eine Bekämpfung der Armut auch der Sicherheit dienen könnte. (Ihne und Wilhelm 2006, S. 12) Daraus erwuchs die Ansicht, dass „state-building“ die neue Aufgabe der Entwicklungspolitik sein sollte. Dies beinhaltet die Idee, durch Hilfsleistung Prozesse zu unterstützen (je nach Ausgangslage systemische oder politische), die notwendig sind, um einen nach westlichen Vorbild geprägten Staat entstehen zu lassen. Diese Idee verknüpft damit die Entwicklungspolitik mit einer sicherheitspolitischen Komponente, da von fragilen oder „failed states“ eine Bedrohung für die ganze Staatenwelt ausgehe. (Debiel et al., S. 14) Allerdings bestand und besteht durch diese Entwicklung die Gefahr, dass die Ziele der Entwicklungspolitik, wie sie in den neunziger Jahren und in den Millenium Development Goals[6] formuliert wurden, in den Hintergrund geraten, da die ODA statt für „reine Entwicklungshilfe“ für UN-Friedens­missionen zweckentfremdet würde. (Nuscheler 2006, S. 93)

2.8.1 Die „Neuen Geber“

Eine weitere Veränderung stellt das Auftreten der „Neuen Geber“ dar, wobei auf viele die Beschreibung „Neu“ nicht zutrifft, da sie schon seit Jahrzehnten Entwicklungshilfe leisten. Zu diesen Gebern zählen unter anderem Saudi-Arabien, Indien, Venezuela und China. (Chahoud 2008) Die Sicht dieser Akteure auf die Entwicklungspolitik ist anders als die der DAC-Geber, da sie bestimmt ist von ihren eigenen Erfahrungen als Entwicklungsländer. Sie vermeiden es sich als Geberländer zu bezeichnen und formulieren stattdessen eine Entwicklungspartnerschaft auf Augenhöhe. Ihre Entwicklungszusammenarbeit ist zumeist geprägt von einer Win-Win-Rhetorik und die Entwicklungshilfe findet vor allem im wirtschaftspolitischen Bereich statt. (Knappe 2011, S. 1) Diese Süd-Süd-Kooperation[7] ist für den Norden eine diffizile Angelegenheit und wird bislang vornehmlich skeptisch betrachtet, während sie von den Entwicklungsländern zumeist begrüßt wird, ist sie doch eine Alternative zu der westlichen Konditionalität der letzten zwei Jahrzehnte, die oft als erneuter Souveränitätsverlust erlebt wurde. (Tull 2008, S. 119)

3. Ein alter „neuer“ Akteur – die sino-afrikanische Verbindung

Auch wenn es häufig als ein solcher bezeichnet wird, ist China kein neuer Akteur in Afrika. Unter den Song (960 -1279) gab es chinesische Verbindungen zu diesem Kontinent und auch der erst seit kurzem als Held wiederentdeckte Seefahrer Admiral Zheng He hinterließ hier im Auftrag der Ming seine Spuren. Auf diese Jahrhunderte alten Kontakte wird heutzutage immer wieder gerne durch die Chinesen verwiesen.[8] Dass die Chinesen entgegen den späteren europäischen Entdeckern nicht als Eroberer kamen und Afrika auch nicht kolonisierten, wird dabei als Beweis für die friedliche und kontinuierliche Beziehung verstanden. (Grimm 2011b, S. 12) Auch die gemeinsam erlittenen Erfahrungen mit Kolonialismus und Imperialismus gelten als Bindeglied zwischen Afrika und China – zumindest rhetorisch. Entgegen der Bekundung der “All-weather-Friendship“ (Guijin 2007, S. 75), gab es in den tatsächlichen diplomatischen Beziehungen in den letzten sechzig Jahren immer wieder Höhen und Tiefen.

3.1 Chinas Afrikapolitik in den fünfziger und sechziger Jahren – Revolutionäre Phase und Zwischenzonentheorie

1949 wurde die Volksrepublik China gegründet und stand nun vor innenpolitischen wie außenpolitischen Herausforderungen. Innenpolitisch stand der Vorsitzende der Zentralen Volksregierung und spätere Staatspräsident Mao Tse-Tung vor der Aufgabe, das durch einen jahrelang andauernden Bürgerkrieg destabilisierte und geschwächte Land wieder aufzubauen, wirtschaftlich zu entwickeln und dabei die Machtverhältnisse zu Gunsten der Kommunistischen Partei zu konsolidieren. Um dies zu ermöglichen lehnte Mao sein kommunistisches Entwicklungsmodell eng an das der UDSSR an. (Sandschneider 1998, S. 170) Mao verkündete jedoch auch, dass China künftig als eigenständige Nation auf der internationalen Bühne auftreten wolle. Aber der Handlungsspielraum Chinas (sowie für alle anderen Nationen) war durch den Kalten Krieg enorm eingeschränkt.

Die gemeinsame Grundlage einer kommunistischen Ideologie führte in logischer Folge dazu, dass sich China und die UDSSR als Verbündete betrachteten, was im „Vertrag über Frieden, Freundschaft und gegenseitige Hilfe“ von 1950 kulminierte. (Xuewu 1998, S. 493) Allerdings trennte die beiden Verbündeten mehr als sie vereinte. Verschiedene politische Verwerfungen, wie die Verurteilung von Stalins Politik nach dessen Tod durch die neue sowjetische Führung und der Versuch der sicherheitspolitischen Einflussnahme durch Chruschtschow, führten zu harscher chinesischer Kritik und weckten bei Mao den Verdacht, dass die UDSSR China zu kontrollieren gedachte und China ebenso unmündig bleiben sollte, wie es zu Beginn des 19. Jahrhunderts unter den Briten gewesen war. Dazu kam die Feststellung, dass das sowjetische Modell für China nicht geeignet war und ein eigener chinesisch-kommunistischer Weg beschritten werden musste. (Xuewu 1998, S. 499) Chinas Führung war bewusst, dass es nicht auf Verbündete im Allgemeinen verzichten konnte, wenn es sich gegen die Supermächte USA und UDSSR behaupten wollte. Das Entwickeln diplomatischer Beziehungen Chinas zu Afrika schien ein Ausweg aus dieser Situation zu sein, denn die diplomatischen Kontakte Chinas beschränkten sich zu diesem Zeitpunkt auf gerade einmal 23 Staaten, von denen zwölf kommunistisch waren; nach Afrika pflegte China überhaupt keine Kontakte, wenn man von jenen zur südafrikanischen Befreiungsbewegung absieht, die seit 1950 bestanden. (Bo 2011, S. 24; Taylor 2006, S. 20)

3.2 Von Bandung bis zur Kulturrevolution

Ein Kerndatum für den Aufbau dieser diplomatischen Beziehungen stellte die Konferenz von Bandung im April 1955 dar. Die Konferenz bestand aus 23 asiatischen und 6 afrikanischen Staaten und hatte das Ziel, die Beziehungen zwischen den beiden Kontinenten zu vertiefen. (Gieg 2010, S. 52) Auf dieser Konferenz verkündete China erstmalig seine fünf Prinzipien der friedlichen Koexistenz[9], welche die chinesische Außenpolitik in den nächsten Jahrzehnten bestimmen sollte. (Asche und Schüller 2008, S. 14) Ein wichtiges Element der chinesischen Selbstdarstellung auf dieser Konferenz, aber auch der folgenden Politik war der Hinweis auf die gemeinsam erlebten Kolonialismus-Erfahrungen, die China und Afrika teilten und die über alle Ideologien hinweg Grundlage sein sollten für die gemeinsame Politik gegen den Imperialismus und den „Neo-Kolonialismus“ der Supermächte. (Men 2010, S. 125) Und diese Politik war erfolgreich: China knüpfte erste wirtschaftliche Beziehungen mit einem afrikanischen Staat (Ägypten) und erste Verbindungen zu den Staaten, die sich in den darauf folgenden Jahren von ihren Kolonialherren unabhängig machten. (Taylor 2006, S. 20) Als Zeichen für sein Interesse an Afrika gründete es 1956 eine eigene Abteilung für Westasien und Afrika in seinem Außenministerium, sandte in den nächsten Jahren Militärhilfe[10] und diplomatische Missionen auf den afrikanischen Kontinent und versuchte eine Koalition der Entwicklungsländer gegen die imperialen Bestrebungen der UDSSR und der USA aufzubauen. Um Letzteres zu erreichen, setzte China auf zwei Strategien. Einerseits baute es zunehmend diplomatische Kontakte zu den frisch unabhängig gewordenen Staaten in Afrika auf (zwischen 1960 und 1965 nahmen 14 Staaten diplomatische Beziehungen zu China auf, (Taylor 2006, S. 23) andererseits unterstützte es auch afrikanische Befreiungsbewegungen durch das 1961 gegründete Afro-Asian-Solidarity Fund Comittee. Die Hilfsleistungen bestanden aus Geld, Waffen und Ausbildung. Chinas Beziehungen zu den afrikanischen Staaten waren dabei nicht ausschließlich von der ideologischen, also kommunistischen Komponente geleitet, sondern richteten sich mehr danach, wie es den sowjetischen Einfluss in Afrika unterminieren konnte. (Taylor 2006, S. 23)

Mao rechtfertigte diese ideologieübergreifende Politik mit der Zwischenzonentheorie. Danach bildeten die USA und die UDSSR jeweils eine Zone, dazwischen gab es die Zwischenzone, die sich noch einmal in zwei Sphären aufteilte. Die Sphäre der westlichen Industrieländer, die von den USA ausgebeutet werden und ihrerseits die Entwicklungsländer ausbeuten, und die Sphäre der Entwicklungsländer, die sich gemeinsam gegen den Imperialismus der Supermächte wehren sollten. (Gieg 2010, S. 54)

Die Wichtigkeit Afrikas für China zu dieser Zeit wird besser ersichtlich, betrachtet man die Anzahl der chinesischen Delegationen, die Afrika in dieser Zeit besuchten: Zwischen 1959 und 1962 gab es insgesamt 87 chinesische Delegationen. Ein Höhepunkt war 1963/64 eine ausgedehnte Afrika-Reise des chinesischen Ministerpräsidenten Zhou Enlai, die einmal mehr zeigen sollte, dass China für Afrika im Kampf gegen Hegemonialbestrebungen jeglicher Art einzustehen gedachte. Es empfahl sich als sozialistische Alternative zur Sowjetunion und als Führung im Kampf gegen die erste und die zweite Welt. (Taylor 2006, S. 22) Hierzu formulierte China acht Prinzipien für wirtschaftliche und technische Entwicklungshilfe im Ausland im Januar 1964.[11]

Einen Rückschlag für die sino-afrikanischen Beziehungen stellte die Kulturrevolution dar, die 1966 ausbrach. Die roten Garden nahmen Einfluss auf die Politik des Außenministeriums, Botschafter in Afrika wurden abberufen und stellenweise gab es von chinesischer Seite Verunglimpfungen afrikanischer Staaten und ihrer Regierungen, die dazu führten, dass diplomatische Beziehungen litten oder ganz abgebrochen wurden. (Taylor 2006, S. 32) Allerdings war diese Phase, so desaströs sie auch für Chinas Ansehen war, nur von kurzer Dauer und 1968, also während der noch andauernden Kulturrevolution, häuften sich die chinesischen Besuche in Afrika wieder und es kam zu Neubesetzungen von Botschafterposten durch die Chinesen. (Gieg 2010, S. 56) Um wieder an Ansehen zu gewinnen, startete China ein umfangreiches Unterstützungsprojekt für Afrika, das zwischen 1970 und 1976 einen höheren Umfang aufwies als das der Sowjetunion oder der USA. (Taylor 2010, S. 70) Dazu zählten Infrastruktur-Projekte wie der Bau einer 1800 kilometerlangen Eisenbahnstrecke zwischen Sambia und Tansania, die sich bis heute positiv auf das Ansehen Chinas in Afrika auswirken. (Taylor 2006, S. 37f)

3.3 Die siebziger und achtziger Jahre – Reform und Stabilität

Die chinesische Strategie, auf afrikanische Verbündete zu bauen, sorgte dafür, dass China international zu mehr Anerkennung gelangte. Nicht zuletzt aufgrund des afrikanischen Blocks gelang es China 1971 Taiwan den Platz als chinesische Vertretung in der UN erfolgreich streitig zu machen und in den UN-Sicherheitsrat aufgenommen zu werden. (Bo 2011, S. 24) Nach dieser Form der Anerkennung nahmen die diplomatischen Beziehungen Chinas sprunghaft zu. (Zwischen 1971 und 1972 nahm China mit 38 Staaten diplomatische Kontakte auf.) Dazu kam eine Verbesserung der Beziehungen zu den USA, die es China ermöglichte, in deren Folge auch mit den westlichen Industrieländern diplomatische Beziehungen zu knüpfen.

1976 starb Mao und Deng Xioaping übernahm die politische Führung. Im Jahre 1978 leitete er eine Reformpolitik ein, die China als Wirtschaftsmacht in der Welt etablieren sollte. Ziel war es, „durch marktwirtschaftliche Reformen eine Steigerung der ökonomischen Leistungsfähigkeit des Systems zu erreichen“. (Sandschneider 1998, S. 181) Diese Steigerung war nur dadurch möglich, dass man sich dem Ausland öffnete, denn die Volksrepublik benötigte Zugang zu Technologien und ausländischem Investitionskapital.

Von diesen Veränderungen war auch die Afrikapolitik Chinas geprägt. Der neue Pragmatismus Chinas zeigte sich beispielsweise darin, dass friedliche Lösungen in Bereichen gesucht wurden, in denen es sich ein Jahrzehnt vorher noch für revolutionär-kämpferische Lösungen stark gemacht hatte. Ursprung für dieses Umdenken war die Erkenntnis von Deng Xioaping, dass Chinas Wachstum eine lang anhaltende und stabile Friedensphase benötigte. Eine weltweite friedliche Entwicklung erschien ihm als Garant für den wirtschaftlichen Aufschwung Chinas. (Bo 2011, S. 26) Darum erweitere China seine Prinzipien für die Zusammenarbeit mit Afrika und sprach nun auch von Stabilität, ökonomischer Entwicklung und praktischen Ergebnissen als Zielen dieser Kooperation. (Gieg 2010, S. 58f)

Die Neuausrichtung täuschte aber nicht darüber hinweg, dass Chinas Interesse an Afrika im Verlauf der achtziger Jahre zurückging. Dies hatte mehrere Gründe: Erstens verlor Afrika an strategischer Bedeutung für China je besser die politischen Beziehungen zu den UDSSR wurden, denn eines der Hauptmotive für Chinas Afrikapolitik war immer, den sowjetischen Einfluss auf dem Kontinent so gering wie möglich zu halten. Dies war nun nicht mehr nötig, da sich unter Gorbatschow die Beziehungen deutlich zum Positiven veränderten. (Gieg 2010, S. 59)

Zweitens war Chinas Reformpolitik auch ein enormer Kraftakt für die Volksrepublik. Statt Entwicklungshilfe zu leisten, wurde sie nun selbst zu einem der größten Empfänger von Entwicklungshilfekrediten durch die Weltbank. (ebd.) (Taylor 2006, S. 61)

Und drittens war Afrika für China wirtschaftlich nicht relevant. Weder hatte es die ökonomischen Ressourcen, die China für seinen Aufstieg benötigte, noch die fortschrittliche Technologie, auf die es für sein Vorankommen angewiesen war. China hielt zwar die Beziehungen aufrecht, allerdings auf einem sehr niedrigen Niveau. (Taylor 2006, S. 61) Für den eigenen wirtschaftlichen Aufstieg musste es sich stärker an den Supermächten und am Westen orientieren.

3.4 Die neunziger Jahre – Re-Orientierung nach Afrika

Ende der achtziger Jahre kam es in China vermehrt zu innenpolitischen Spannungen, da es zwar zu Reformen des wirtschaftlichen, nicht aber zu Reformen des politischen Systems gekommen war. Im April 1989 fanden die ersten Demonstrationen chinesischer Studenten statt, die eine Demokratisierung Chinas forderten. Die Demonstrationen häuften sich und endeten mit der Besetzung des Tiananmen-Platzes durch die Demonstranten. Die Lage eskalierte in der Nacht vom 03. zum 04. Juni, als Truppen der Volkbefreiungsarmee die Besetzung des Platzes gewaltsam beendeten. Auf Seiten der Demonstranten kam es dabei zu einer Vielzahl von Toten und Verletzten. (Sandschneider 1998, S. 183)

Das Vorgehen der Armee, das durch Deng Xiaoping gestattet worden war, wurde durch den Westen stark kritisiert und führte dazu, dass China international isoliert wurde. China hatte nicht mit einer solch harschen Reaktion gerechnet, bewertete die Kritik am Vorgehen gegen die Demonstranten aber als westlichen Versuch der Einflussnahme, die aus einer hegemonialen und imperialen Haltung heraus geäußert wurde mit dem Ziel, den wirtschaftlichen und ökonomischen Aufstieg Chinas zu bremsen. (Taylor 2006, S. 65) Die afrikanischen Staaten reagierten anders als der Westen: Einige schwiegen und andere teilten die Ansicht Chinas über die wahren Beweggründe der Kritik. Gerade Staaten mit autokratischer Führung äußerten Zustimmung zu diesem Vorgehen und einige Länder wie Angola und Namibia gratulierten sogar zu dem Umgang mit den „Konter-Revolutionären“. (Taylor 2010, S. 70)

Diese Reaktionen und die Tatsache, dass China im Westen vorerst isoliert war, führten dazu, dass es, wie schon in den sechziger Jahren, seine Verbündeten in Afrika suchte. Erneut schlossen sich China und Afrika im (rhetorischen) Kampf gegen den Hegemonismus des Westens zusammen und diplomatisch wie wirtschaftlich startete nun eine neue Zusammenarbeit. Der damalige chinesische Außenminister Quian Qichen besuchte in drei Jahren vierzehn afrikanische Länder und das Handelsvolumen mit Afrika steigerte sich um 90 Prozent innerhalb von fünf Jahren. Auch die Entwicklungshilfe versechsfachte sich. Insgesamt zahlte China 1990 374,6 Millionen US-Dollar an 43 Entwicklungsländer, von denen die Hälfte in Afrika lag. (Gieg 2010, S. 61) Die im Gegenzug erfolgte politische Unterstützung afrikanischer Staaten und anderer Entwicklungsländer half gerade in multilateralen Organisationen wie der UN: Beispielsweise scheiterten immer wieder Anträge von EU-Staaten und der USA, Resolutionen bezüglich der Menschenrechtsverletzungen Chinas auf den Weg zu bringen, an dem Widerstand von Entwicklungsländern und afrikanischer Staaten.[12] (Men 2010, S. 131)

Chinas neue Orientierung auf Afrika in den neunziger Jahren kam zu einem günstigen Zeitpunkt: Durch das Ende des kalten Krieges war Afrika nicht mehr von strategischer Bedeutung im Kampf um die Vorherrschaft eines Systems (Kapitalismus durch die USA oder Kommunismus durch die UDSSR) und damit gingen auch die Hilfsmaßnahmen durch die internationalen Akteure zurück, denn diese konzentrierten sich nun vornehmlich auf die unabhängig werdenden Gebiete der ehemaligen Sowjetunion. China dagegen arbeitete am Ausbau seiner Beziehungen zu Afrika. Die chinesische Expansion in Afrika hatte begonnen und erstmalig waren die wirtschaftlichen Interessen Chinas gegenüber Afrika gleichrangig mit den politischen Belangen. (Asche und Schüller 2008, S. 14)

[...]


[1] DAC ist der Entwicklungshilfeausschuss der OECD

[2] United Nations Conference on Trade and Development - Welthandelskonferenz

[3] Die Maßnahmen kamen nur den reichsten 40 Prozent der Bevölkerung zu Gute. Nuscheler 2006, S. 79

[4] Eine alleinstehende Dependenz-Theorie gab es genaugenommen nicht. Es handelte sich eher um eine Vielzahl von Theorien, die vornehmlich in Lateinamerika entwickelt wurden und stellenweise stark gegeneinander ausgerichtet waren. vgl hierzu auch: Wolff 1998, S. 291ff

[5] Die mengenmäßige Importanfrage der IL und die Petrodollar-Überschüsse die durch hohe Rohstoffpreise entstanden waren und die angelegt werden sollten, führten zu extrem niedrigen, stellenweise negativem Realzinsen, welche eine Kreditaufnahme für Entwicklungsländer problemlos möglich machte. Das führte dazu, dass die auf wirtschaftliches Wachstum ausgerichtete Politik der Industrieländer, dieses Wachstum mit geringen Steuern und fragwürdigen Subventionen unterstützte. (Sangmeister 1992, S. 328)

[6] Die Millenium Development Goals wurden 2000 durch die UN-Generalversammlung verabschiedet und enthält 8 Ziele, die bis 2015 erreicht werden sollten. Dazu zählen zum Beispiel: Drastische Reduzierung der Armut, Senkung der Kindersterblichkeit, Bekämpfung von HIV und AIDS und der Aufbau einer weltweiten EntwicklungspartnerschaftBMZ 2006, S. 172

[7] Süd/Süd Kooperation meint die Hilfe der Entwicklungsländer untereinander, diese sprachliche Regelung orientiert sich an der Nord-Süd-Rhetorik in der Debatte um die Entwicklungshilfe.

[8] vgl.hierzu die Rede von Zhou Enlai 1965 in Tansania (zitiert in Taylor 2006, S. 16 ) oder den Beitrag von Liu GuijinGuijin 2007

[9] 1.) Respekt der territorialen Integrität; 2.) Ablehnung von Aggression; 3.) Nichteinmischung in innere Angelegenheiten anderer Länder; 4.) Gleichheit und gegenseitiger Nutzen;5.) friedliche Koexistenz. Asche und Schüller 2008, S. 14

[10] Beispielsweise schickte es 280.000 Freiwillige als Helfer während der Suez-Krise nach Ägypten (Taylor 2006, S. 21)

[11] vgl. Kap 8

[12] So gab es zum Beispiel 2004 einen Antrag der USA bezüglich einer Resolution mit Kritik an China, die mit 28 Stimmen abgelehnt wurde, darunter 14 afrikanische Staaten (Men 2010, S. 131)

Details

Seiten
Erscheinungsform
Erstausgabe
Jahr
2013
ISBN (PDF)
9783955499686
ISBN (Paperback)
9783955494681
Dateigröße
911 KB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Universität Rostock
Erscheinungsdatum
2015 (Februar)
Note
1
Schlagworte
FOCAC Angola Modell Entwicklungszusammenarbeit Entwicklungsdekade Kolonialhilfe

Autor

Stefan Lorenz, B.A., geboren 1981 in Berlin, arbeitete nach seinem Realschulabschluss erst als Bankkaufmann, unter anderem für die KfW und später selbstständig im Medienbereich. Über den zweiten Bildungsweg holte er dann sein Abitur nach. 2009 begann er sein Studium der Politikwissenschaft und des Öffentlichen Rechts an der Universität Rostock, das er im März 2013 erfolgreich abschloss. Im Laufe des Studiums legte er seinen Schwerpunkt auf die Internationale Politik und beschäftigte sich intensiv mit China und dessen Entwicklung und (Wieder-)Aufstieg. Momentan absolviert er sein Masterstudium der Politikwissenschaft mit Schwerpunkt der Area Studies und ist im Fachbereich Internationale Politik angestellt.
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Titel: Chinesische und westliche Entwicklungshilfe in Afrika im Vergleich: Cui bono?
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