Wie die Gentechnik den Maisanbau in Mexiko bedroht: Eine Studie über die rechtlichen, biologischen und sozio-ökonomischen Folgen
Zusammenfassung
In diesem Buch werden zuerst die Entwicklungen der landwirtschaftlichen Strukturen Mexikos von den Zeiten der Maya bis heute und die für die Tortilla-Krise relevanten Zusammenhänge erklärt. Folgend zeigt eine Einführung in die biologischen Grundlagen, weshalb eine Koexistenz von konventionellen und gentechnisch veränderten Sorten nicht möglich ist. Anschließend werden die rechtlichen Grundlagen dargestellt, um eine entstehende Abhängigkeit zwischen Bauern und agrarindustriellen Konzernen und die sozio-ökonomischen Konsequenzen zu beleuchten. Die Veranschaulichung der entstehenden Problematik zwischen mexikanischen Maisbauern sowie Agrarkonzernen beschränkt sich auf das Unternehmen Monsanto, welches die meisten Anträge für einen probeweisen Anbau gentechnisch veränderter Sorten in Mexiko gestellt hat.
Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
2. Entwicklung des Maisanbaus in Mexiko
“Corn is indigenous to Mexico; it is the principal food staple, and it is heavily engrained in national culture” (Rivera 2009: 89).
Zwei Tonnen Mais pro Hektar werden in Mexiko durchschnittlich geerntet. Das Saatgut gelber und weißer Maissorten wird von den Bauern in den Frühlingsmonaten bis zum Frühsommer ausgesät. Die breite Vielfalt der lokalen Sorten ist an die Umweltbedingungen in Mexiko, insbesondere an die Regenzeit zwischen Mai und Oktober, angepasst. Die Ernte findet zwischen September und Januar statt. Circa 50% der gesamten Maisproduktion werden in vier der 31 mexikanischen Bundesstaaten angebaut. Die circa 2,7 Millionen Maisbauern, welche 67,5% der mexikanischen Landwirte ausmachen, können in zwei Gruppen unterteilt werden. Die landwirtschaftlichen Flächen werden in Mexiko weitgehend von Kleinbauern kultiviert. Zwei Drittel dieser Kleinbauern haben eine Landfläche von weniger als fünf Hektar zur Verfügung und erreichen einen durchschnittlichen Ernteertrag von circa 1,8 Tonnen pro Hektar, von welchem circa 57% für den eigenen Konsum benötigt werden. Lediglich ein Drittel der Bauern besitzt größere Landflächen, erntet durchschnittlich 3,2 Tonnen pro Hektar und nutzt circa 13,6% der Maisernte zur Selbstversorgung (vgl. ebd.: 89 f.).
Der Maisanbau in Mexiko fand seinen Anfang um das Jahr 5000 v. Chr. und schon im Jahre 2300 v. Chr. stellte Mais circa 50% der Nahrung für die Bewohner erster fester Siedlungen dar (vgl. Riese 1972: 13). Auch heute noch wird Mais traditionell angebaut und ist, damals wie heute, als Grundnahrungsmittel wichtiger Bestandteil der nationalen Lebensgrundlage. Da seit mehreren Jahrzehnten die mexikanische Maisernte zur Deckung der nationalen Nachfrage nicht mehr ausreichend ist, wird etwa ein Viertel des Bedarfs durch den Import aus den Vereinigten Staaten gedeckt. Heute gehört Mais neben Zucker zu den Haupterzeugnissen der mexikanischen Agrarwirtschaft. Im Jahre 2007 wurden in Mexiko 52 Millionen Tonnen Zucker auf einer Fläche von circa 700 000 Hektar produziert, 23 Millionen Tonnen Mais wurden auf über sieben Millionen Hektar Land geerntet (vgl. FAOSTAT: agricultural production domain: area harvested, production quantity of maize and sugar cane). Im Jahre 2009 stieg die Menge an aus den Vereinigten Staaten importiertem Mais von 7,7 auf 9 Millionen Tonnen im Vergleich zum Vorjahr an, wohingegen der Ernteertrag der mexikanischen Eigenproduktion von 2008 auf das Jahr 2009 von 25 Millionen Tonnen auf 22,5 Millionen Tonnen erheblich gesunken war (vgl. Toepfer International: Statistische Informationen zum Getreide- und Futtermittelmarkt Edition Dezember 2009).
2.1 Die Geschichte des Maisanbaus – von den Mayas bis zum 21. Jahrhundert
Im Folgenden wird dargestellt, welche Bedeutung dem nationalen Maisanbau, insbesondere für die ländliche Bevölkerung, zukommt. Es werden die Umstände erklärt, welche im Jahre 2007 in Mexiko zur Tortilla-Krise und zwei Jahre später zu einer Legalisierung des versuchsweisen Anbaus gentechnisch veränderter Maissorten in Mexiko geführt haben.
Die heutigen Strukturen des Maisanbaus in Mexiko sind in der geschichtlichen Entwicklung des Landes begründet und finden ihren Anfang in der Kultur sowie in der Religion der Maya, welche das Wissen um die verschiedenen Maissorten, die Anbauformen sowie die religiösen Traditionen von Generation zu Generation weitergegeben haben.
Hinter der Geschichte des Mais standen in prähistorischen Zeiten Menschen, die ihr Saatgut offensichtlich verehrten. Der Mais war den altamerikanischen Völkern Mesoamerikas heilig. Ein Geschenk der Götter war er und das Mittel zum Leben. Bis zum heutigen Tag kennen die campesinos in Mesoamerika Hunderte von Pflanzen, ihre Eigenschaften und kurative Wirkungen. Der Mais aber steht im Zentrum der meisten Rituale, die mit der agrikulturellen Lebensweise dieser Region verbunden sind (Kaller-Dietrich 2001: 32).
Mais hatte zu Zeiten der Maya eine sehr große kulturelle und religiöse Bedeutung. Je nach Reifegrad wurde die Maispflanze namentlich differenziert, eine Vielzahl von Gerichten zubereitet und verschiedenen Gottheiten zugeordnet. In dem heiligen Buch der Maya-Völker Kiché und Kakchikel, dem Pop Wuj, beschreibt der Schöpfungsmythos drei Versuche der Muttergöttin Ixmukané den Menschen zu schaffen; erst nachdem sie beim vierten Versuch vier Männer und vier Frauen aus gelbem und weißem Mais geformt hatte, war sie mit dem Ergebnis zufrieden. Diese Menschen waren, der Legende nach, den Göttern dankbar für ihre Erschaffung und das ihnen gegebene Leben.
Ist es ein Wunder, daß die Genesis der altamerikanischen Überlieferung annimmt, daß die ersten Menschen aus Maisteig geformt wurden? Nicht aus Lehm, nicht aus Holz; nur die Maismenschen vermochten die Göttlichen zu verehren, zu sprechen und zu singen (Kaller-Dietrich & Ingruber 2001: 9).
Da die Götter jedoch Sorge hatten, diese Menschen könnten zu weise geraten und ihnen so ebenbürtig sein, verschleierten sie den Menschen die Augen und beschränkten ihr Wissen und ihre Weisheit. Den Farben des Mais entsprechend, der je nach Sorte die Farben Weiß, Grau, Blau, Gelb, Rosa, Rot oder Braun annehmen kann, schufen sie Menschen verschiedener Hautfarben (vgl. García Acosta 2001: 67). Mais war die Speise der Götter und der Ursprung des Lebens. Durch den Verzehr von Mais entstand die Lebenskraft, auch das Herz und das Blut der Menschen waren aus Mais geformt. Regelmäßige Fürbitten, Opfergaben und Arbeit erbaten jedes Jahr aufs Neue die Gnade der Götter, das Leben der Menschen durch eine gute Maisernte zu schützen. Der Kalender der Maya bestimmte die Einteilung jedes Jahres in Fest- und Opferzeiten und regelte die saisonalen Speisen (vgl. Kaller-Dietrich 2001: 32 f.). Das Wissen um diejenigen Landsorten, welche sich bereits an die jeweiligen Umweltbedingungen angepasst haben, wurde von Generation zu Generation weitergereicht. Um das Risiko eines schlechten Ertrags zu minieren wird noch heute Mais zu unterschiedlichen Zeiten gepflanzt (vgl. Zietz & Seals 2006: 4 f.).
Auf einer milpa, dem Feld, stehen Maispflanzen unterschiedlichster Größe und Farbe, dazwischen Bohnen, Kürbisse, Tomaten, Blattgemüse (quelites), gelegentlich Kartoffeln. Der Mais reift als letzte Pflanze der Saison aus. Die Stengel werden geknickt und der Kolben bleibt am Feld, das als Vorratskammer über die Trockenzeit hinweghilft. Kein Tag, kein Essen, kein Leben ohne den Mais (Kaller-Dietrich & Ingruber 2001: 9).
Der Tagesablauf der indigenen Bevölkerung[1] [ Indígenas ] Mexikos wird auch heute noch weitgehend durch den Anbau und die Ernte von Mais bestimmt. Die Bäuerinnen der Chol -Mayas, beispielsweise, mahlen dreimal täglich Mais, um anschließend aus dem gewonnenen Maismehl verschiedene Speisen zuzubereiten. Für sie ist die Pflege der Maiskultur gleichbedeutend mit der Weitereichung von Sprache und von ethischen Werten (vgl. Vogl, Raab & Vogl-Lukasser 2001: 43).
Die Eroberung Mexikos durch die Spanier im 16. Jahrhundert brachte auch in Bezug auf den Maisanbau erhebliche Veränderungen mit sich. Die Konfrontation der europäischen Zuckerkultur und der Maiskultur der Maya führte zu einem Kampf um Nutzflächen und Eigentum. Große Teile der mexikanischen Nutzfläche wurden an spanische Siedler verteilt, und der traditionelle Maisanbau der indigenen Bevölkerung wurde zugunsten extensiver Weidewirtschaft und der Kultivierung europäischer Pflanzen verdrängt. Die großflächigen Waldrodungen beeinflussten das ökologische Gleichgewicht der Nutzflächen und hatten einen Rückgang der Vegetation zur Folge. Diese Umverteilung von landwirtschaftlichen Nutzflächen wurde durch den mexikanischen Unabhängigkeitskrieg im 18. Jahrhundert verstärkt, als kirchlicher Besitz enteignet und an spanisch-stämmige Großgrundbesitzer verteilt wurde (vgl. Sander 1999: 228). Zum Höhepunkt des Mais-Zucker-Konflikts kam es gegen Ende des 19. Jahrhunderts, als der autoritäre mexikanische Präsident Porfirio Díaz weitere Kleinbauern enteignete, um so durch die Bildung großer Plantagen, den sogenannten Haciendas, die Produktion von Exportgütern voranzutreiben. „Die Zuckerhaciendas waren auf dem besten Wege, das zu verwirklichen, wovon die Zuckerhacendados nur geträumt hatten: das ehemalige Maisparadies der Indios in ein Zuckerparadies zu verwandeln“ (Beck 1986: 120).
Die starke Herausbildung von monokulturellen Großbetrieben während der 40-jährigen Herrschaft von Porfirio Diaz und die gleichzeitig stattfindende Auflösung kleinbäuerlicher Betriebe beeinflusste die Entwicklung der landwirtschaftlichen Strukturen erheblich. Viele ehemalige Kleinbauern, insbesondere indigene, waren zu besitzlosen Landarbeitern verarmt und wurden zur Arbeit in der Viehwirtschaft oder auf den Zucker- oder Kaffeeplantagen gezwungen. So lebten fast 50% der mexikanischen Bevölkerung auf Haciendas. Da die sozialen Verhältnisse des Landes und Diaz exportintensive Wirtschaftspolitik für breite Teile der Bevölkerung mit erheblichen Nachteilen verbunden waren, löste der Konflikt um den diktatorischen Herrscher im Jahre 1910 die Mexikanische Revolution aus. Oppositionelle Gruppen organisierten Aufstände und es kam zu gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen Aufständischen und Regierungstruppen. Die Revolutionäre, welche von Emiliano Zapata unter dem Motto ¡Tierra y Libertad! [Land und Freiheit] angeführt wurden, forderten eine Verbesserung der sozialen Strukturen durch die Umverteilung des Landes zugunsten der ärmeren, insbesondere der indigenen Bevölkerung. Dieser Forderung kam die Regierung im Jahre 1917 mit einer Agrarreform nach. Land, welches den Bauern unrechtmäßig genommen worden war, musste von den Großgrundbesitzern an die Kommunen für eine gemeinschaftliche Bewirtschaftung zurückgegeben werden und privaten Nutzflächen wurden Größenbeschränkungen auferlegt (vgl. Sander 1999: 228 f.). Die Umstellung auf bäuerliche Kleinbetriebe war auch deshalb vonnöten, da Mitte der 30er Jahre des 20. Jahrhunderts das Land industriell umstrukturiert werden musste. Der durch Diaz geförderte intensive Handel mit den Industrienationen wurde aufgrund der Ende der 1920er Jahre einsetzenden Weltwirtschaftskrise zunehmend unrentabel, und der Exporthandel musste zugunsten einer Eigenversorgung durch landwirtschaftliche Produkte eingeschränkt werden (vgl. ebd.).
In den ersten Jahren nach der Revolution änderten sich die landwirtschaftlichen Besitzverhältnisse nur langsam. Einige Großgrundbesitzer teilten ihren Landbesitz unter Familienmitgliedern auf, um den Größenbeschränkungen zu entgehen sowie ihren Besitz zu behalten und weiterhin gemeinschaftlich bewirtschaften zu können. Auch Politiker, welche selbst Haciendas besaßen, ließen sich mit der Verteilung ihres Landes Zeit. Erst unter dem folgenden Präsidenten Lázaro Cárdenas wurden zwischen 1934 und 1940 über 18 Millionen Hektar an circa 700 000 Bauern verteilt, was 30% derjenigen ausmachte, welchen entsprechend der Agrarreform Land zustand. Eine weitere intensive Phase der Umverteilung fand zwischen 1964 und 1970 unter dem Präsidenten Díaz Ordaz statt, als etwa 25 Millionen Hektar Land an 300 000 Bauern verteilt wurden. Im Zuge dessen wurden jedem Bauern durchschnittlich etwa 90 Hektar Land zugesprochen. Diese verhältnismäßig große Landfläche pro Bauer erklärt sich durch die weitgehende Verteilung von Böden mit schlechter Nutzbarkeit. Im Jahre 1985 wurde die Verteilung wegen einer entstehenden Knappheit von Nutzflächen sowie mangelnder Produktivität schließlich eingestellt. Mit der wachsenden Bevölkerung erwarteten immer mehr Bauern eine Zuteilung von Nutzflächen und die Hälfte der landwirtschaftlichen Nutzflächen Mexikos war inzwischen verteilt. Insgesamt haben in den Jahren 1920 bis 1985 2,5 Millionen Bauern Nutzflächen erhalten (vgl. ebd.: 230 f.). Die Zuteilung der Landflächen erfolgte in der traditionell indianischen Form des Ejido, ein kommunaler Grundbesitz, der jedoch individuell genutzt werden kann. Dieser wurde unter anderem eingeführt, um einer weiteren Diskriminierung der altindianischen Tradition vorzubeugen, was der Ideologie der zuvor geführten Revolution entgegenkam. Doch wäre es wirklich um die Wiederherstellung der altindianischen Ejidos gegangen, so hätten diese den indianischen Stammesfürsten zurückgegeben werden müssen mit allen tributären Rechten aus aztekischer Tradition, die man in spanischer Zeit ja gerade überwunden zu haben stolz war (ebd.: 229).
In der neuen Variante ging es um eine reine Verteilung von Land. Die bäuerlichen Kleinbetriebe wurden entsprechend der Nutzung konzipiert: Das Individual- Ejido besteht aus einer Parzelle, welche dem Ejidatario (dem Besitzer der Parzelle) zur eigenverantwortlichen Bestellung übergeben wird. Das Kollektiv- Ejido ist in gemeinschaftlichem Besitz einer Ejido -Gemeinschaft und wird in einer Produktionskooperation bebaut (vgl. ebd.: 229). Die Anzahl von Kollektiv- Ejidos ist kurz nach ihrer Einführung wieder stark gesunken, weil der Nachfolger des mexikanischen Präsidenten Lázaro Cardenas, Manuel Ávila Camacho, den Aufbau und die Erhaltung privatisierter Großgrundbetriebe weitgehend unterstützte. Dem daraus entstehenden Produktionswettbewerb konnten die Gemeinschafts- Ejidos nicht standhalten.
Der Aufbau kleinbäuerlicher Produktionseinheiten auf der einen Seite sowie die Herausbildung beziehungsweise teilweise Erhaltung von Großgrundbetrieben auf der anderen Seite, haben sich besonders in der Zeit nach der Revolution als eine sich gegenseitig hemmende Entwicklung herausgestellt. Während Anfang der 1950er Jahre der Bedarf an landwirtschaftlichen Gütern in Mexiko durch die eigene Produktion gedeckt werden konnte, war die mexikanische Agrarwirtschaft anschließend nicht mehr in der Lage, dem stetigen Bevölkerungswachstum standzuhalten (vgl. ebd.). Die Verteilung der Nutzflächen sowie die Belastbarkeit der Böden, die durch die extensive Weidewirtschaft gesunken war, setzen den Nutzungsmöglichkeiten der Ejidatarios enge Grenzen. Während einerseits die Produktion der Landwirtschaft für eine Finanzierung der Familie und des Haushaltes oft nicht ausreichte, konnte sich andererseits der privatisierte Großgrundbetrieb nicht ausreichend entwickeln, da etwa die Hälfte des Nutzlandes nationalisiert und den Bauern übergeben worden war (vgl. ebd.).
Allgemein ausgedrückt: Beginnt die Ernte beispielsweise wegen Überbelastung des Bodens zu stagnieren, wird ein Teil der bäuerlichen Familie zur Aufnahme einer zusätzlichen Lohnarbeit gezwungen oder in eine Vertragsproduktion gedrängt (Bennholdt-Thomsen 1982: 11). Die Industrialisierung des Landes führte weiterhin zu einem erhöhten Produktionswettbewerb, dem viele Bauern nicht standhalten konnten, und der zu ihrer Verarmung führte. Die heutige Situation der Mehrheit der mexikanischen Bauern lässt sich durch drei typische Konstellationen beschreiben:
Hat ein mexikanischer Bauer einen reinen cash-crop[2] Anbau, finanziert er das benötigte verbesserte Saatgut,[3] die Düngemittel und Pestizide häufig über einen Kredit, welcher über staatliche Entwicklungsbehörden aufgenommen werden kann. Um den Kredit zurückzahlen und die Kreditvertragsbedingungen erfüllen zu können, muss häufig die gesamte Ernte verkauft werden. Bei diesem Anbau von Mais zu Profitzwecken, versucht der Bauer als Unternehmer etwaige Produktionsüberschüsse zu verkaufen. Betreibt ein Bauer hingegen Subsistenzwirtschaft und hat in der Regel nur wenig Landbesitz oder nur wenig nutzbare Fläche zur Verfügung, sucht sich ein Teil der Familie zur Unterstützung der familiären Existenz eine Lohnarbeit. Oder die ganze Familie zieht von Ernte zu Ernte und verdient ihr Geld durch landwirtschaftliche Wanderlohnarbeit. Eine Abwanderung in die Stadt bedeutet für die meisten Familien wiederum ein Leben in Slums. Der Lebensbedarf kann hier oft nur durch Hilfsarbeit, selbstständige Dienstleistung oder durch den Verkauf kleiner Waren gesichert werden. Im dritten und letzten Fall entscheiden sich ehemalige Wanderlohnarbeiter, zum eigenen Maisanbau zurückzukehren. „Am spektakulärsten sind dabei die Aktionen der Wanderlohnarbeiter, die versuchen, sich durch Besetzungen ein Stück Land zu erkämpfen“ (ebd.).
Mexikanische Bauern können nur schwer Kreditwürdigkeit erlangen. Das Land, welches nicht Eigentum der Bauern, sondern der Kommunen ist, kann nur selten mit einer Hypothek belastet werden. Dies erschwert eine Modernisierung oder eine Umstrukturierung hin zu einem profitorientierten Unternehmertum. Des Weiteren ist eine Steigerung des Ernteertrags mit hohen Aufwendungen verbunden. Ständiger Wassermangel, bodenschädigende Produktionsmethoden, mangelndes Wissen über die Verwendung von Dünger und Pestiziden führen zu suboptimaler Nutzbarkeit des zur Verfügung stehenden Bodens; eine Vertragsabhängigkeit führt in vielen Fällen zu einer zusätzlichen Verschlechterung der ökonomischen Lage (vgl. ebd.).
Es sind also die gesamtwirtschaftlichen Zusammenhänge und die Art der Integration der Bauern in diese, welche zur Verschlechterung der bäuerlichen Lebenssituation führen (ebd.).
Die Gefahr einer Destabilisierung der eigenen Situation und der oft sehr geringe Ernteertrag führen zu der Aufnahme von Lohnarbeit sowie der Erhaltung der eigenen Parzelle für den Eigenkonsum. Denn „wie ruinös die Bedingungen für die Bauern sein mögen – die Parzelle stellt dennoch eine Existenzsicherung dar, an die sie sich unter den gegebenen Verhältnissen notwendigerweise klammern müssen“ (ebd.: 14). Die gegebenen Umstände und das Fehlen von Alternativen auf dem mexikanischen Arbeitsmarkt führen dazu, dass mexikanische Bauern eine geeignete Kombination aus eigener Subsistenzwirtschaft und aufgenommener Lohnarbeit finden müssen (ebd.).
Heute findet sich ein Großteil der Bauern in dem zweiten der soeben vorgestellten Fälle wieder. Während in Zeiten der Mayakultur die milpa, das Landwirtschaftssystem der Maya, den Anbau von Mais, Bohnen und Kürbissen vorsah, haben sich in der heutigen mexikanischen Landwirtschaft Mais-Monokulturen[4] herausgebildet, und bringen Veränderungen der Fruchtfolgen,[5] der Schädlingsbekämpfung und der Methoden nachhaltiger Landwirtschaft mit sich (vgl. Chavero 2001: 77 f.). Die Umstellung auf eine Mais-Monokultur macht es insbesondere bei Subsistenzwirtschaft nötig, durch zusätzlichen Lohnerwerb eine annähernd ausgewogene Ernährung der Familie sicherzustellen. Zusätzlich dazu zwingt die sinkende Versorgbarkeit durch die eigene Agrarwirtschaft zur Aufnahme zusätzlicher Tätigkeiten zum Lohnerwerb (vgl. ebd.). Hierfür wird eine Vielzahl von Tätigkeiten genutzt, welche sich im Laufe der Jahrzehnte unter anderem durch die Industrialisierung des Landes herausgebildet haben. Heute besteht die Arbeitswelt der mexikanischen Bevölkerung aus einer Überlagerung komplexer Strukturen, aus einer großen Vielfalt agrarischer sowie nichtagrarischer Tätigkeiten. Eine klare Grenzziehung zwischen ländlichen und städtischen Gegenden ist kaum möglich, da zahlreichen Kombinationen von Tätigkeiten – teils in Heimarbeit und teils durch tägliches Pendeln – zwischen städtischen und ländlichen Gegenden nachgegangen wird.
Diese Phänomene, die sich während der letzten Jahrzehnte in den ländlichen Gebieten Lateinamerikas zunehmend beobachten lassen, zeugen von der Schwierigkeit, am Konzept einer einfachen Dichotomie zwischen Stadt und Land, zwischen Industrie und Landwirtschaft, zwischen Moderne und Tradition festzuhalten, um derart stark diversifizierte ländliche Gesellschaften, wie wir sie heute vorfinden, beschreiben zu können (ebd.: 78).
Zudem stellen die breite Palette an Beschäftigungsmöglichkeiten der Bevölkerung in der Fertigungsindustrie, im Handel, in der Landwirtschaft sowie in der Ausübung von Dienstleistungen und die damit verbundene Mobilität Vorteile für die Unternehmen dar. Durch eine Verlagerung der Produktion von Gütern in ländliche Gebiete können Produktions- und Lohnnebenkosten gespart werden, da Maschinen und Werkzeuge sowie Energie und Wasser von den arbeitenden Familien übernommen werden. „Während man bislang eine Migration der Arbeitskräfte in die Städte feststellen konnte, erhöht heute die Industrie ihre Präsenz in ganz Lateinamerika gerade im ländlichen Milieu“ (ebd.: 79).
Zu Beginn der 1990er Jahre wurde im Agrarsektor von 40% aller Erwerbstätigen nur noch 8% des Bruttoinlandsprodukts erwirtschaftet (vgl. Sander 1999: 235). Präsident Salinas de Gortari erließ im Jahre 1992 daher eine erneute Agrarreform, welche eine zunehmende Privatisierung der Landparzellen vorsah, um den Weg für Produktivitätserhöhungen im Stil der privatwirtschaftlichen Mittel- und Großbetriebe freizumachen. Angestrebt werden auch eine Verschiebung der Betriebsgrößenstruktur nach oben hin und die Anlockung von Kapital für Investitionen zur allgemeinen Erneuerung und Rationalisierung des Agrarsektors (ebd.: 235).
Bemühungen für eine Umstrukturierung des mexikanischen Agrarsektors seitens der Regierung blieben jedoch weitgehend aus, und die Umorientierung der Regierung von einer Stärkung der inländischen Produktion hin zu einem Ausbau des Freihandels wurde durch den Beitritt Mexikos 1994 zur Nordamerikanischen Freihandelszone deutlich (vgl. ebd.).
2.2 Die Folgen des Beitritts Mexikos zu NAFTA 1994
Seit den 1950er Jahren konnte der Bedarf an landwirtschaftlichen Erzeugnissen in Mexiko unter anderem wegen des starken Bevölkerungswachstums nicht mehr gedeckt werden. Durch die steigende Nachfrage nach Grundnahrungsmitteln, insbesondere nach Mais, wurde der Import größerer Mengen landwirtschaftlicher Erzeugnisse erforderlich. Die Deckung des Bedarfs an Agrarprodukten durch die Vereinigten Staaten hatte eine verstärkte Importabhängigkeit zur Folge. Die folgende Grafik zeigt, wie sich das Verhältnis zwischen der Eigenproduktion und dem Import in Abhängigkeit des Bevölkerungswachstums seit Anfang der 1990er Jahre bis heute entwickelt hat:
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Abbildung 1: Verhältnis zwischen mexikanischer Maisproduktion und Import aus den USA in Abhängigkeit des Bevölkerungswachstums (vgl. Toepfer International: Statistische Informationen zum Getreide- und Futtermittelmarkt Edition Dezember 2009; U.S. Census Bureau, International Data Base (IDB), Mexico Demographic Indicators).
Es wird deutlich, dass die mexikanische Nachfrage an Mais durch einen steigenden Anteil an importiertem Mais gedeckt wird. Das Volumen der innerstaatlichen Maisproduktion von den 1990er Jahren bis 2008 ist von 8,7 Millionen Tonnen auf 25 Millionen Tonnen, sowie die Importmenge aus den Vereinigten Staaten von 2,7 auf 7,5 Millionen Tonnen gestiegen. Die vermehrte Deckung der nationalen Nachfrage durch Import hat eine verstärkte Abhängigkeit von transnationalen Marktpreisen zur Folge. Wie stark die Entwicklung des Maispreises in Mexiko durch das North American Free Trade Agreement (NAFTA) beeinflusst wurde, wird aus folgender Grafik deutlich:
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Abbildung 2: Entwicklung des Maispreises in Mexiko seit dem Beitritt zum Nordamerikanischen Freihandelsabkommen (vgl. Food and Agriculture Organization of the United Nations: FaoStat, PriceStat, 2009).
Seit Anfang der 1990er Jahre hat der erhöhte Import von billig produziertem Mais aus den USA zu einer drastischen Senkung des Maispreises geführt. Während der Preis für eine Tonne Mais im Jahre 1992 noch 245,89 US-$ betrug, sank er im Jahre des Beitritts, 1994, auf 194,39 US-$ und erreichte im Jahre 2005 mit 144,85 US-$ seinen Tiefpunkt (vgl. ebd.). “For decades corn has been ridiculously cheap. So cheap, in fact, that the market price paid to farmers has routinely been well below the cost of production. Grain companies have gobbled up the cheap corn” (Harkness 2007: 1). Ein großer Teil der mexikanischen Bauern konnten dem verstärkten Preiswettbewerb nicht mehr standhalten. Durch die auf der Basis der NAFTA-Vereinbarungen […] angelaufenen Importe von Billig-Weizen, -Soja, -Bohnen und anderen Grundnahrungsmitteln aus den USA und Kanada wird der kleinbetrieblichen Landwirtschaft vollends die Existenzfähigkeit entzogen, und die Verarmung der zum Aufstand entschlossenen Ärmsten schreitet fort (Sander 1999: 235).
Seit dem NAFTA-Beitritt hat es in Mexiko einige Aufstände, besonders seitens der ländlichen Bevölkerung, wegen fortschreitender Verarmung der Bauern sowie einer steigenden Abhängigkeit von importierten Gütern gegeben. Die Entwicklung der Armutsrate zu Beginn der 1990er Jahre macht den Anstieg der Armut insbesondere zwei Jahre nach dem Beitritt zur Nordamerikanischen Freihandelszone deutlich:
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Abbildung 3: Entwicklung der Armut in Mexiko seit dem Beitritt zum Nordamerikanischen Freihandelsabkommen
(vgl. World Bank: Income Generation and social protection for the poor. Executive Summary, 2005).
Für den Anstieg der ländlichen Armut von 26,7 auf 49,9% gibt es verschiedene Gründe. Zum einen ist Mexiko bereits mit einem deutlichen Wettbewerbsnachteil dem Abkommen beigetreten, und NAFTA hat keine Entschädigungs- oder Ausgleichsfonds zur Kompensation dieser bereitgestellt oder Projekte zur Förderung der mexikanischen Infrastruktur ermöglicht (vgl. Carlsen 2005: 1). Die Investmentfinanzierung in Mexiko ist teuer und für kleine Unternehmen schwer umsetzbar, was den Zugang zu einem Markt erschwert, der durch internationale Finanzierungsmöglichkeiten gespeist wird. Zum anderen hat NAFTA die Wirtschaftsstrukturen vor allem zugunsten der beiden Bereiche Investment und Handel verändert, also denjenigen Sektoren, welche für die Weltwirtschaft von besonderem Interesse sind. Besonders die südlichen Regionen Mexikos haben durch NAFTA erhebliche Nachteile erfahren. Die dort ansässigen Bauern, welche durch die Landwirtschaft ihre Existenz sichern, sind von etwaigen Vorteilen des Freihandelsabkommen ausgeschlossen und können dem Preiswettbewerb während des erheblichen Importzuwachses nicht standhalten. Zudem hat NAFTA die Regierung von der weiteren Verfolgung nationaler Entwicklungspläne distanziert, welche verschiedene Regionen stärker in die Wirtschaft einbinden sollten (vgl. ebd.).
Wie die Abbildung 3 außerdem zeigt, ist die Armutsrate nach dem Jahre 1996 wieder erheblich gesunken. Diese Tatsache ist dadurch zu begründen, dass der entstandene Wettbewerbsdruck des sinkenden Maispreises durch den erhöhten Marktwettbewerb sich vor allem auf jene Bauern ausgewirkt hat, welche Mais zu Profitzwecken anbauen (vgl. Zietz & Seals 2006: 5 f.). Die Auswertung einer Umfrage von mexikanischen Maisbauern in den 1990er Jahren zeigt jedoch auf, dass lediglich 12 bis 22% der Bauern den Mais zum Verkauf anboten, während 75% der Bauern Mais zur Sicherung der eigenen Existenz anbauten. Befragungen der ärmsten Bauern in den Jahren von 1991 bis 2000 ergaben, dass 89 bis 92% Mais zur eigenen Versorgung anbauten, und 56 bis 57% ihren Mais grundsätzlich nicht für den Verkauf produzierten. Kleinbauern der mexikanischen Region Guanajuato gaben zusätzlich an, den Maisanbau als wichtigen Teil ihres Lebensinhalts zu betrachten, und selbst dann weiter Mais anzubauen, wenn es unrentabel sei (vgl. ebd.).
Die starke Preissenkung durch NAFTA hat zu einer Abwanderung von 2,3 Millionen Maisbauern und zu einer teilweisen Auflösung ihrer Betriebe geführt. Die Stützung wirtschaftlicher Interessen einerseits sowie die Schwächung der regionalen Entwicklung andererseits hat die inländische wirtschaftliche Ungleichverteilung vertieft und einen Anstieg der ländlichen Armut sowie eine Abwanderung von Bauern zur Folge (vgl. Carlsen 2005: 2). „Nearly two million farmers have left the land since the onset of NAFTA, eight of every 10 live in poverty, and 18 million earn less than $2 a day” (ebd.).
Eine weitere mögliche Entwicklung hätte eine Umstrukturierung der Landflächen vom Maisanbau hin zur Produktion alternativer Getreide-, Obst- oder Gemüsesorten sein können (vgl. Rivera 2009: 89). Die Produktion von Nahrungsmitteln, welche auf dem Weltmarkt gefragt sind, hätte den mexikanischen Exporthandel stärken können. Die Deckung der relativ großen globalen Nachfrage an tropischen Früchten, Nüssen, Kaffee oder verschiedenen Gemüsesorten hätte eine Umstrukturierung von der traditionellen Subsistenzwirtschaft zum Unternehmertum zur Folge haben können. Eine solche Entwicklung hat sich in der mexikanischen Agrarwirtschaft jedoch nicht gezeigt. Im Gegenteil: Die innerstaatliche Maisproduktion ist jährlich gestiegen (vgl. ebd.).
Der Abstand zu den USA und Kanada in Aspekten wie Wachstum, Gehälter, Beschäftigung, Immigration, landwirtschaftliche Subventionen sowie Umweltschutz ist seit NAFTA nicht kleiner, sondern größer geworden. Kritiker lassen einerseits verlauten, die rasche Öffnung der amerikanischen Freihandelszone gegenüber der mexikanischen Agrarwirtschaft habe die traditionellen ländlichen Strukturen zu schnell mit modernen industriellen Strukturen konfrontiert. Andererseits sei die Ejido -Politik mit zu wenig Kapital von staatlicher Seite ausgestattet und dadurch nur unzureichend ausgebaut und gestärkt worden (vgl. Sander 1999: 235).
2.3 Die Tortilla-Krise
Im Jahre 2007 stieg der Preis auf dem mexikanischen Markt für eine Tonne Mais um über 50% auf 223,48 US-$, was zu einer Nahrungsmittelkrise, der sogenannten Tortilla-Krise, geführt hat (vgl. Harkness 2007: 1). Der starke Preisanstieg für Mais, und somit für die Tortilla,[6] wurde von verschiedenen Faktoren verursacht. Zum einen ist die internationale Nachfrage nach Bioethanol[7] im Jahre 2007 gestiegen und hatte einen weltweiten Anstieg des Maispreises zur Folge. „By dramatically boosting demand for corn as a feedstock for ethanol production, we have seen a jump in prices. […] Corn for ethanol use is expected to eclipse corn for export this year” (ebd.). Der Preisanstieg wurde zum anderen durch Spekulationen der vier großen Unternehmen Cargill, Maseca-Archer Daniels Midland, Minsa-Arancia Corn Products International und Agroinsa verstärkt. Als Hauptabnehmer der mexikanischen Maisernte nutzten sie ihre Vorteile auf dem mexikanischen Markt bezüglich des Zugangs zu Kapital-, Lager- und Transportkapazitäten und hielten einen Teil der Maissernte zurück (vgl. Carlsen 2008: D ie Hintergründe der Lateinamerikanischen Lebensmittelkrise). Des Weiteren haben finanzielle Subventionen der mexikanischen Regierung seit 2005 die Entwicklung eines Mais-Tortilla-Kartells verstärkt. Mexikanisches Maismehl zur Herstellung von Tortillas wurde vor dem starken Preisanstieg 2007 etwa zu 50% durch die genannten Großunternehmen industriell gefertigt, die andere Hälfte wurde durch traditionelle Maismühlen kleiner Maismehlproduzenten gemahlen. Der hohe Maispreis konnte von den traditionellen Maismühlen nur noch bedingt gezahlt werden, und die Großunternehmen boten den Tortilla-Herstellern ihr Maismehl zu billigeren Preisen an. Diese Entwicklungen haben zum einen dem Großunternehmen Maseca einen 73%-Anteil am mexikanischen Maismehlmarkt verschafft, und zum anderen die traditionelle Produktion geschwächt (vgl. ebd.).
Die Preiserhöhung des Mais bedeutet für die mexikanische Bevölkerung, insbesondere für die ärmere, eine große Gefahr für die Sicherstellung des täglichen Nahrungsmittelbedarf.
In einer Umfrage auf einem Markt in einem einkommensschwachen Viertel von Mexiko-Stadt äußerten Käuferinnen, dass sie nach der Tortilla-Krise von Januar 2007 den Familien-Konsum von Tortillas um die Hälfte reduzieren mussten. Wie eine Señora klarmachte: ‚Wenn wir keinen Mais essen können, haben wir nichts zu essen‘ (ebd.).
Während Protestmärschen in den vergangenen Jahren hat die ländliche Bevölkerung, insbesondere die Bauern, die mexikanische Regierung dazu aufgefordert, die Maisproduktion der mexikanischen Agrarwirtschaft wieder zu stärken, somit die Abhängigkeit von internationalen Importpreisen zu senken und dadurch eine mögliche Legalisierung von gentechnisch veränderten Maissorten in Mexiko thematisiert (bioSicherheit Gentechnik-Pflanzen-Umwelt: Tortilla-Krise in Mexiko: Gv-Mais als Lösung?).
Nur mit der Freigabe von gv-Mais[8] sei die Krise grundlegend zu lösen, so der mexikanische Bauernverband CNA. Die nationale Maiserzeugung könne deutlich gesteigert werden, wenn eine Nutzung von insektenresistentem Bt-Mais[9] möglich sei. Damit könnten schädlingsbedingte Ernteausfälle reduziert und Kosten für Insektizide gesenkt werden (ebd.).
Die mexikanische Regierung hatte im Jahre 1998 den Anbau gentechnisch veränderter Sorten durch ein Moratorium verboten, um die traditionell angebauten Maissorten zu schützen. Um den Forderungen des Bauernverbandes nachzukommen, hat die Regierung im März 2009 das Gesetz geändert und den versuchsweisen Anbau gentechnisch veränderter Maissorten erlaubt. Eine Zulassung des regulären Anbaus von gv-Mais ist für das Jahr 2012 geplant (vgl. bioSicherheit Gentechnik-Pflanzen-Umwelt: Mexiko: Spuren von gentechnisch verändertem Mais bestätigt).
[...]
[1] Mexiko hat etwa 103,1 Millionen Einwohner (Stand 2006). Davon sind circa 60% Mestizen (Nachkommen von Weißen (Europäern) und von indigenen Völkern Mexikos), circa 30% Indígenas, circa 9% Weiße und 1% Andere (vgl. The World Factbook, CIA: Mexico).
[2] Cash crop bezeichnet den Anbau von Pflanzen zu Vermarktungs- oder Exportzwecken (vgl. Geografie Lexikon: Cash Crop).
[3] Die Bezeichnung verbessertes Saatgut bezieht sich auf Saatgut, welches zu höheren Ertragszwecken oder zur Erhaltung bestimmter Resistenzen gentechnisch verändert oder zu Hybriden gezüchtet wurde. In diesem Fall handelt es sich um Hybridsaatgut. Siehe dazu auch Kapitel 3.1.1.2.
[4] Monokulturen bezeichnen Felder, auf welchen nur eine Pflanzensorte bestellt wird. Dies erscheint zumindest kurzfristig als wirtschaftlich sinnvoll, es werden jedoch dem Boden einseitig Nährstoffe entzogen, was ihm dauerhaft seine Fruchtbarkeit nimmt und ihn anfälliger für Schädlinge und Krankheiten macht. Um den gleichen Ertrag gewährleisten zu können, ist dauerhaft ein erhöhter Einsatz von Kunstdünger sowie Pestiziden notwendig (vgl. Umwelt-Lexikon: Monokultur).
[5] Eine Fruchtfolge bezeichnet den Anbau von Mischkulturen oder einen regelmäßigen Fruchtwechsel. Hiermit wird den Folgen von Monokulturen vorgebeugt (vgl. Der Bio-Gärtner: Fruchtwechsel).
[6] Die Tortilla ist ein Maisfladen; sie wird zu allen Mahlzeiten der mexikanischen Bevölkerung serviert.
[7] Für die Herstellung von Bioethanol werden zwei Pflanzenarten verwendet: stärkehaltige Pflanzen (Mais, Kartoffeln, Roggen und Weizen) oder zuckerhaltige Pflanzen (Zuckerrüben oder Zuckerrohr). Dieser Ausgangsstoff wird mithilfe von Enzymen und Hefepilzen gegoren und aus diesem Prozess wird Ethylalkohol (Bioethanol) gewonnen. Dieser wird durch Destillation isoliert und anschließend dem Alkohol durch Absolutierung Restwasser entzogen, so dass er mit einem Reinheitsgrad von über 99% als Treibstoff verwendet werden kann (vgl. Sterling Sihi GmbH: Bioethanol-Herstellung).
[8] Der Begriff Gv-Mais bezeichnet eine Variation der Abkürzung GVO (gentechnisch veränderter Organismus) (vgl. Bundesministerium für Bildung und Forschung: Biotechnologie). Siehe dazu auch Kapitel 3.1.2.
[9] Der Begriff Bt-Mais bezeichnet eine gentechnisch veränderte Maissorte, welche ein Gen des Bodenbakterium Bacillus thuringiensis (Bt) enthält (vgl. Bundesministerium für Bildung und Forschung: Biotechnologie). Siehe dazu auch Kapitel 3.1.2.
Details
- Seiten
- Erscheinungsform
- Erstausgabe
- Erscheinungsjahr
- 2010
- ISBN (PDF)
- 9783955499716
- ISBN (Paperback)
- 9783955494711
- Dateigröße
- 797 KB
- Sprache
- Deutsch
- Institution / Hochschule
- Universität Passau
- Erscheinungsdatum
- 2015 (Februar)
- Note
- 1,3
- Schlagworte
- Freihandel verändertes Saatgut Monsanto Nachhaltigkeit Patentrechte