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Ökonomische Analyse von Kinderarbeit: Empirie und Modellwelten

©2013 Bachelorarbeit 40 Seiten

Zusammenfassung

Arbeit ist ein wichtiger Bestandteil unseres Lebens. Wer einer regelmäßigen Tätigkeit nachgeht, kann nicht nur seine Bedürfnisse und Wünsche befriedigen, sondern erfährt auch in der Gesellschaft ein höheres Ansehen. Allerdings gilt dies nicht für alle Personen. In vielen Staaten, insbesondere in Industrienationen, ist die Arbeit von Kindern negativ konnotiert. Die Verurteilung der Kinderarbeit erfolgt oftmals aus dem Affekt heraus und ist selten auf wissenschaftliche Erkenntnisse gestützt.
Eine ökonomische Analyse der Kinderarbeit steht im Fokus dieser Arbeit. Es sollen Gründe für die Existenz von Kinderarbeit aufgezeigt und die Frage nach der Effizienz von Kinderarbeit beantwortet werden. Diese Erkenntnisse sollen es ermöglichen, das Thema Kinderarbeit auf einer wissenschaftlichen Ebene zu diskutieren. Hierzu wird zunächst die aktuelle und historische Situation der Kinderarbeit erfasst und auf die Ebenen, auf denen Interventionen gegen Kinderarbeit erfolgen können, eingegangen. Des Weiteren werden Alternativen aufgeführt, die zur Eindämmung der Kinderarbeit genutzt werden. Um die Grundlage für eine Diskussion zu schaffen, werden anschließend zwei Modelle vorgestellt, anhand derer die Gründe für die Entstehung von Kinderarbeit erörtert werden. Abschließend werden die Ergebnisse beider Modelle auf ihre Unterschiede untersucht und Ansätze zur Erweiterung der Theorien vorgestellt.

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


3. Interventionen gegen Kinderarbeit

In diesem Kapitel sollen die verschiedenen Ebenen, auf denen Kinderarbeit bekämpft wird, vorgestellt werden. Hierbei handelt es sich, laut Basu (1999), um intranationale, supranationale und extranationale Interventionen.

3.1. Intranationale Interventionen

Als intranationale Interventionen werden Eingriffe bezeichnet, die innerhalb der Landesgrenzen und dem entsprechenden Rechtsrahmen stattfinden. Hier geht es nicht ausschließlich um die Frage eines Kinderarbeitsverbots, sondern vielmehr um eine Vielzahl unterschiedlicher Möglichkeiten zur Einflussnahme auf die Kinderarbeit. Dies können z. B. landesspezifische Gesetze zur Schulpflicht oder zu einem Mindestbeschäftigungsalter sein, die eine Beschäftigung nur unter bestimmten Kriterien erlauben. Mit den entsprechenden Programmen geht oftmals die Gründung von staatlichen Überwachungsinstrumenten einher. Zu den intranationalen Eingriffen zählen ebenfalls nichtstaatliche Programme. Basu (1999) stellt in diesem Zusammenhang ein Programm aus Thailand vor. Dieses Programm „The Daughters Education“ (DEP) unterbreitet Mädchen Bildungsangebote und versucht diese damit vor einem Abrutschen in die Prostitution zu bewahren.

3.2. Supranationale Interventionen

Supranationale Eingriffe werden von internationalen Organisationen getragen. Beispiele dafür sind unter anderem „United Nations Children’s Fund” (UNICEF), die „World Trade Organization” (WTO) oder die „International Labor Organization“. Die Organisationen sind über Landesgrenzen hinweg aktiv, sodass beispielsweise UNICEF (2013) in über 150 Ländern weltweit agiert. Eines der mächtigsten Instrumente der ILO, welche von Basu (1999) als eine der bedeutendsten Vereinigungen beschrieben wird, ist die Einführung internationaler Arbeitsstandards, die gewisse Mindestregeln und Konditionen für Arbeitnehmer bestimmen und denen die zustimmenden Mitgliedsstaaten nachkommen müssen. Ein ausschlaggebendes Argument für die Wirksamkeit dieser Maßnahmen ist die Möglichkeit der Sanktionierung bei Verstößen, beispielsweise dem Nichteinhalten von Arbeitsstandards. Um die Kinderarbeit zu zügeln, versucht die ILO möglichst viele Staaten zur Anerkennung der Abkommen zu bewegen. Selbiges gilt für andere weltweit agierende Organisationen.

3.3. Extranationale Interventionen

Da der Zustimmungsprozess zu internationalen Arbeitsstandards ein sehr langwieriger Weg sein kann, haben einige Staaten selbst Maßnahmen zur Einflussnahme auf andere Staaten entwickelt, um somit die Kinderarbeit auf der extranationalen Ebene zu bekämpfen. Die Eingriffe beziehen sich überwiegend auf Entwicklungsländer, da gerade hier oftmals die Zustimmung auf breiter Linie fehlt, wie Basu (1999) feststellt. Dies kann durch die weite Verbreitung von Kinderarbeit in den Ländern begründet sein. Eine mögliche Form solcher Maßnahmen sind Importverbote für Produkte, die mit Hilfe von Kinderarbeit hergestellt werden. Der entstehende Nachfragerückgang soll einen Abbau der Kinderarbeit in den entsprechenden Regionen bewirken. Allein die Diskussion über sinkende Absatzmöglichkeiten, so die Vermutung, hat eine abschreckende Wirkung und verringert den Einsatz von Kinderarbeitern. Das Labeling, eine Kennzeichnungspflicht für Produkte, die von Kindern hergestellt wurden, stellt eine weitere Möglichkeit der extranationalen Interventionen dar. Ein Problem der extranationalen Interventionen sind die nicht immer klar erkennbaren Absichten eines solchen Eingriffes. Bei Einführung solcher Bestimmungen können auch andere Interessen als die Bekämpfung der Kinderarbeit eine Rolle spielen, beispielsweise die Erhöhung des Absatzes heimischer Produkte. Bei einer Kennzeichnungspflicht in Bezug auf Kinderarbeit wird sich wahrscheinlich genau dies beobachten lassen. Basu (1999) betont, dass deshalb die Interessen und Beweggründe genau ergründet werden müssen.

3.3.1. Labeling

Hilowitz (1997) beschreibt das „Social Labeling“ von Produkten als ein Beispiel für extranationale Interventionen. Kennzeichnungen haben in ihrer langen Historie gezeigt, dass das Ansetzen bei dem Konsumenten eine Verbesserung am Beginn der Produktionskette bewirken kann.

Durch Kennzeichnungsinitiativen kann eine Vielzahl an Zielen verfolgt werden. Eine Kenntlichmachung der Produkte im Bezug auf gerechte Arbeitsbedingungen kann die Produzenten beeinflussen, wenn dies von den Konsumenten entsprechend unterstützt wird. Hierdurch werden die Arbeitsbedingungen und Lebensumstände der Kinder verbessert oder die Kinderarbeit sogar teilweise verdrängt. Weitere positive Effekte können die finanzielle Unterstützung von Schul- und Rehabilitationsprojekten sein, welche ebenfalls den Kindern zugutekommen. Andere bestreben eine Verbesserung der Arbeitsumstände, unter denen die Kinder tätig sind, wieder andere forcieren ein vollständiges Arbeitsverbot. Eine der Initiativen ist das „Rugmark“ Programm, das im Jahr 1994 gegründet wurde. Es findet in der indischen Teppichindustrie Anwendung und garantiert eine Produktion frei von Kinderarbeit. Diese Nichtregierungsorganisation kontrolliert die Betriebe unangekündigt und konnte dazu beitragen, dass ein starker Rückgang der Kinderarbeit im Bereich der Teppichherstellung zu verzeichnen war.

3.3.2. Verhaltenskodex

Hilowitz (1997) nimmt an, dass der öffentliche Druck auf international agierende Unternehmen, oftmals mit Standorten in kinderarbeitsreichen Ländern, dafür verantwortlich ist, dass viele Unternehmen einen Verhaltenskodex („code of conduct“) einführen. Hierbei verpflichtet sich der Hersteller freiwillig Arbeitsbedingungen, Löhne, Sicherheit und Gesundheit zu optimieren. Die Zielerreichung wird teils von den Unternehmen selbst überwacht und teils von unabhängigen Partnern kontrolliert. Schwierig ist dabei allerdings die lückenlose Überwachung aller Produktionsbereiche und -standorte multinationaler Unternehmen. Erschwerend kommen die unterschiedlichen Arbeitsstandards in den einzelnen Ländern hinzu, die häufig von den Vorgaben anerkannter Organisationen abweichen. Die tatsächliche Wirksamkeit dieser Maßnahme sollte also kritisch hinterfragt werden.

4. Modellwelt Basu

In den vorangegangen Kapiteln wurde deutlich, dass das Thema Kinderarbeit ein altes Phänomen der Geschichte ist und bis in die heutige Zeit nichts von seiner Brisanz verloren hat. Allerdings stellt sich weiterhin die Frage, was die Ursachen für die Entstehung von Kinderarbeit sind. Diese soll im Folgenden Kapitel beantwortet werden.

Basu und Van (1998) entwickelten ein in der Wissenschaft viel beachtetes Modell zum Thema Kinderarbeit und stellen dieses in ihrem Artikel „The Economics of Child Labor“ vor. Das Modell verdeutlicht die Entstehung multipler Arbeitsmarktgleichgewichte. Eines der Gleichgewichte beschreibt eine Situation mit hohen Arbeitslöhnen für Erwachsene, die einen Verzicht auf Kinderarbeit ermöglichen. Ein weiteres Gleichgewicht kann jedoch auch bei sehr niedrigen Arbeitslöhnen liegen, in welchem die Kinder arbeiten müssen.

4.1. Grundmodell: Multiple Arbeitsmarktgleichgewichte

- [1] benutzt eine vereinfachte Darstellung des Ein-Perioden-Modells von Basu und Van (1998) und erklärt anhand eines Angebots- und Nachfragemarktes die Entstehung multipler Gleichgewichte sowie deren Auswirkungen.

4.1.1. Ansatz

In dem Modell wird von einem wohlwollenden Verhalten der Eltern gegenüber deren Kindern ausgegangen. Dieses Verhalten der Eltern bedeutet, dass ihre Kinder grundsätzlich nicht arbeiten sollen, außer sie sind auf das Einkommen der Kinder angewiesen. Diese Gegebenheit macht klar, dass es für die Eltern eine Art kritisches Einkommen bzw. Mindesteinkommen geben muss, welches sie beim Unterschreiten zwingt, ihre Kinder arbeiten zu lassen. Umgekehrt werden Kinder nicht arbeiten müssen, wenn Eltern diese kritische Vergütung übertreffen und somit nicht auf die Kinderarbeit angewiesen sind. Dieser Umstand beschreibt die „Luxusgut-Annahme“, welche einer der beiden Grundpfeiler in dem von Basu verwendeten Modell ist. Die zweite wichtige Eigenschaft ist die Substitutionsannahme. Basu geht davon aus, dass die Kinderarbeit von den Eltern substituiert werden kann. Mit anderen Worten, können Tätigkeiten, die von Kindern ausgeübt werden, von den Eltern übernommen werden. In der Regel gilt auf einem Markt, dass zu einem bestimmten Preis eine gewisse Menge nachgefragt bzw. angeboten wird. Diese Verhältnisse werden durch die Angebots- und Nachfragekurve dargestellt. Die beiden Akteure (Anbieter und Nachfrager) werden nun auf dem Markt aktiv und in dem Punkt, indem die angebotene mit der nachgefragten Menge übereinstimmt, findet sich der Markt in einem Gleichgewicht wieder und es ergibt sich daraus der markträumende Preis. Einfach formuliert, haben sich Anbieter und Nachfrager auf einen Preis geeinigt.

Im Falle des Arbeitsmarktes beschreibt die Arbeitsangebotskurve, die von den Arbeitern angebotene Arbeitsmenge zu einem bestimmten Preis bzw. Arbeitslohn. Die Arbeitsnachfragekurve zeigt die von den Unternehmen nachgefragte Menge an Mitarbeitern zu einem bestimmten Arbeitslohn. Auch auf dem Arbeitsmarkt gibt es in der Regel einen Schnittpunkt, wie in der Abbildung 1 zu sehen ist. Der Schnittpunkt symbolisiert das Gleichgewicht in dem Arbeitsangebot und Arbeitsnachfrage übereinstimmen.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 1: Gleichgewicht auf dem Arbeitsmarkt; Quelle: Basu (2004)

In dem von Basu beschriebenen Modell ist dies nicht der Fall. Das Arbeitskräfteangebot ist in der Theorie keine immer gleichbleibende Menge. Wären nur erwachsene Arbeitskräfte auf dem Markt, würde dies zu einem Gleichgewicht wie oben beschrieben führen. Allerdings wird angenommen, dass bei der Unterschreitung eines bestimmten Lohnniveaus der Eltern, zusätzlich die Kinder arbeiten müssen. Dies verändert die zur Verfügung stehende Anzahl der Arbeitskräfte, da neben den Erwachsenen auch die Kinder auf dem Arbeitsmarkt aktiv werden. Es wird angenommen, dass Kinder nur einen gewissen Teil der effektiven Arbeitsleistung von Erwachsenen erbringen können. Diese Gegebenheiten bestimmen den Verlauf der Arbeitsangebotskurve, die nun einen treppenartigen Verlauf annimmt und dadurch die Entstehung von multiplen Gleichgewichten ermöglicht (siehe Abbildung 2).

4.1.2. Mechanismus

Es wird definiert, dass Max und min. , wobei der Vergütung eines Erwachsenen entspricht. Kinderarbeit ist äquivalent zu Einheiten der Erwachsenenarbeit und nimmt eine Ausprägung von an. Mit anderen Worten können Kinder effektiv nur einen gewissen Bruchteil der Arbeitsleistung von Erwachsenen erbringen. Die Gesamtmenge der angebotenen Arbeit von Erwachsenen auf dem Markt wird durch die Angebotskurve abgebildet, welche der Einfachheit wegen perfekt unelastisch ist. Damit werden Erwachsene bei jeder Lohnhöhe Arbeit nachfragen, was z. B. für eine arme Volkswirtschaft durchaus eine plausible Annahme sein kann. Bei Kindern in der Gesellschaft tragen diese zur Arbeitskraft bei, womit sich eine neue nach rechts verschobene Angebotskurve ergibt.

Die Anzahl der Kinderarbeiter entspricht der Strecke . Die Gerade stellt das Gesamtarbeitsangebot der Erwachsenen und Kinder dar. Angenommen es würde eine Pflicht existieren, alle Erwachsenen und Kinder zu beschäftigen, dann wird die insgesamt angebotene Arbeitskraft durch die Gerade abgebildet. Dies soll nur zum besseren Verständnis dienen und ist hier nicht Teil der Annahmen.

In der Abbildung 2 ist zu erkennen, dass ab einem Lohnniveau von oder darunter alle Kinder arbeiten müssen. Hingegen wird bei einem Lohn von oder darüber keines der Kinder von ihren Eltern zum Arbeiten verpflichtet. Steigt nun der Lohn, beispielsweise in Folge von staatlichen Subventionen von auf , werden immer weniger Kinder arbeiten. In Abbildung 2 wird diese Veränderung durch die Strecke zwischen den Punkten ausgedrückt und verdeutlicht den Rückgang des Arbeitsangebots auf dem Markt. Basu bezeichnet die Kurve in der Abbildung als „hybrid supply curve“ und macht damit deutlich, dass es sich nicht um eine typische Arbeitsangebotskurve handelt. Beim Verfolgen der Angebotskurve wird klar, dass von Punkt bis Punkt ausschließlich Erwachsene arbeiten.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 2: Multiple Gleichgewichte auf dem Arbeitsmarkt; Quelle: Basu (1999)

Im weiteren Verlauf von Punkt zu Punkt nimmt der Anteil an Kinderarbeit stetig zu und führt schließlich ab dem Punkt bis zu Punk dazu, dass alle Kinder arbeiten und damit alle verfügbaren Arbeitskräfte der Wirtschaft tätig sind. Hier wird noch einmal der oben beschriebene treppenartige Verlauf der Arbeitsangebotskurve deutlich, welcher durch den zusätzlichen Arbeitsanteil der Kinder hervorgerufen wird, die beim Unterschreiten einer bestimmten Lohnschwelle arbeiten müssen. In der Abbildung 2 verdeutlicht die Grade die Gesamtarbeitsnachfrage der Firmen. Wie viele Arbeiter von den Firmen beschäftigt werden, hängt negativ mit der Arbeitslohnhöhe zusammen. Da Kinder nur eine effektive Arbeitsleistung von den Erwachsenen erbringen können, wird von einem Kinderarbeitslohn ausgegangen. Der treppenartige Verlauf der Angebotskurve sorgt nicht wie sonst üblich für lediglich einen Schnittpunkt, sondern die Angebots- und Nachfragekurven schneiden sich nun in drei Punkten, welche für die Gleichgewichte stehen.

Im Folgenden werden ausschließlich die beiden stabilen Gleichgewichte in den Punkten und von Interesse sein.

Das Gleichgewicht in Punkt beschreibt die Situation, in der die Löhne der Erwachsenen niedrig und die der vielen Kinderarbeiter ebenfalls gering sind. Da dieses Gleichgewicht aus Sicht der Arbeiter keine optimale Lösung ist, spricht Basu hier von einem „schlechten Gleichgewicht“. Im Punkt sind die Löhne der Erwachsenen höher, sodass ihr Einkommen über der kritischen Schwelle liegt und damit auf den Einkommensanteil der Kinder verzichtet werden kann. Der Punkt steht demnach für ein „gutes Gleichgewicht“. Durch die hohen Arbeitslöhne der Erwachsenen im „guten Gleichgewicht“ können die Eltern auf den Einkommensanteil ihrer Kinder verzichten, ohne ein Abrutschen in ärmliche Verhältnisse erwarten zu müssen. Ihr Nachwuchs kann beispielsweise eine Schule besuchen und die daraus resultierenden Bildung ermöglicht bessere Vergütungsmöglichkeiten in der Zukunft, wie von der Autorengruppe Bildungsbericht (2012) beschrieben.

4.1.3. Ergebnis

Das Grundmodell von Basu hat gezeigt, dass mehrere Gleichgewichte eintreten können und das Lohnniveau der Eltern entscheidend für das Vorhandensein von Kinderarbeit ist. Einerseits handelt es sich dabei um ein „gutes Gleichgewicht“, wenn Eltern einen Lohn oberhalb der kritischen Einkommensgrenze erhalten und damit auf das Einkommen der Kinderarbeit verzichten können. Andererseits kann sich ein „schlechtes Gleichgewicht“ einstellen, in dem die niedrige Vergütung der Eltern diese dazu bewegt die Kinder arbeiten zu lassen.

Herrschen im Gleichgewicht geringe Löhne für Eltern und Kinder, gibt es zahlreiche Handlungsalternativen, die eine Verschiebung von dem „schlechten“ (Punkt ) in das „gute“ Gleichgewicht (Punkt ) veranlassen können. Solche Maßnahmen können beispielsweise von der Politik initiiert werden. Eine Möglichkeit kann ein vollständiges Kinderarbeitsverbot sein. Dieses Verbot führt zu einer Verringerung der Arbeitskräfte am Markt, da die Kinder nicht weiter ihre Arbeitskraft anbieten dürfen. Das verringerte Arbeitsangebot, in Abbildung 2 durch die Gerade dargestellt, und die gleichbleibende Nachfrage der Firmen (Gerade ), kann am Markt einen starken Wettbewerb um die verbleibenden Arbeiter auslösen und zu höheren Löhnen führen. Die höheren Löhne liegen über dem Mindesteinkommen und die Eltern gehen auf Grund der „Luxusgut-Annahme“ dazu über, ihre Kinder nicht weiter arbeiten zu lassen. Damit ist aus Sicht der Familie eine Verschiebung von dem nicht optimalen in das bessere Gleichgewicht hervorgerufen worden. Dieses neue Gleichgewicht ist so stabil, dass bei einem Verzicht auf das eingeführte Kinderarbeitsverbot weiterhin das Gleichgewicht im Punkt realisiert wird.

Eine andere Möglichkeit ist, den Einkommensverlust resultierend aus dem fehlenden Kindereinkommen durch staatliche Subventionen auszugleichen. Die staatlichen Subventionen, die den Eltern ein gewisses Mindesteinkommen garantieren, ermöglichen auf Kinderarbeit zu verzichten und diese abzubauen. Das fehlende Kinderarbeitsangebot kann den oben beschriebenen Lohnsteigerungseffekt für Erwachsene hervorrufen. Damit herrscht ein Gleichgewicht, das selbst bei der Abschaffung der Maßnahme weiterhin stabil bleibt und ohne Kinderarbeit auskommt, wie Homann und Suchanek (2005) feststellen.

Die Kinder können nun beispielsweise Schulen besuchen und erhalten damit die Chance, Humankapital anzusammeln, was nach den Erkenntnissen von Becker (1962) wiederum zu einem höheren Einkommen im Erwachsenenalter führt. Damit überschreiten die Kinder im Erwachsenenalter ebenfalls die kritische Einkommensgrenze und können so auf das Arbeitseinkommen ihrer Kinder verzichten. Umgekehrt kann die These aufgestellt werden, dass Kinder, die ihren Teil zum Familieneinkommen auf Grund eines zu niedrigen Arbeitslohnes der Eltern leisten mussten auch weniger Zeit für Bildung aufbringen konnten. Die dadurch entstehenden Lohneinbußen im Erwachsenenalter können wiederum die eigenen Kinder zur Kinderarbeit zwingen. Diese Behauptungen müssten jedoch weitergehend geprüft und untersucht werden.

Bei Einführung eines Kinderarbeitsverbots kann nicht selbstverständlich davon ausgegangen werden, dass Kinder eine Schule besuchen. Besonders in armen Familien könnte es zutreffen, dass die Kinder weiterhin ihren Anteil zum Familieneinkommen beitragen müssen und nun auf den eigenen Feldern oder im Haushalt aktiv werden. Kuschnereit (2001) beschreibt, dass die Kinderarbeit sich von einem kontrollierbaren Bereich, beispielsweise den Fabriken, in einen nicht kontrollierbaren Bereich verlagert, wie zum Beispiel der Hausarbeit. Außerdem muss berücksichtigt werden, dass ein Verbot von Kinderarbeit auch zu einem geringeren Familieneinkommen führen kann, wenn die Einkommensdifferenz von den Eltern nicht kompensiert wird. Der oben beschriebene Lohnsteigerungseffekt hervorgerufen durch ein Kinderarbeitsverbot greift in der Regel dann, wenn von einem begrenzten Arbeitsangebot ausgegangen wird. Eine Verknappung des Angebotes, das den Anstieg der Arbeitslöhne verursacht, findet durch einen steigenden Wettbewerb der Firmen statt. Ist das Arbeitsangebot nicht begrenzt, würden die Kinderarbeiter lediglich durch erwachsene Arbeiter ausgetauscht werden und der positive Einfluss auf die Vergütung wäre nicht vorhanden. Dieser Effekt könnte beispielsweise in Afrika zu beobachten sein. Wie von der Bundeszentrale für politische Bildung (2010) festgestellt, herrscht hier eine starke Arbeitslosigkeit und es kann davon ausgegangen werden, dass bei einem durchgesetzten Kinderarbeitsverbot die Kinderarbeiter durch Erwachsene lediglich ersetzt werden und kein Lohnsteigerungseffekt zu beobachten wäre. Kuschnereit (2001) gibt zu bedenken, dass die Gesamtsituation damit negativ wäre, da einerseits das Einkommen der Kinder wegfällt, andererseits das Gehalt der Eltern diesen negativen Effekt nicht ausgleicht. Wichtig ist auch zu bedenken, dass die Lohnsteigerung für die Arbeitnehmer auf Kosten der Unternehmer gehen, da diese die Lohnsteigerung tragen müssen. Nach Varian (2007) liegt somit kein Pareto-verbesserndes Ergebnis vor, solange sich die Arbeitnehmer auf Kosten der Unternehmer besserstellen. Wohlfahrtsverluste können sich auch einstellen, wenn die Nachfragekurve die Gesamtarbeitsangebotskurve nur einmal im Bereich der Gerade von schneidet. Wird nun ein Kinderarbeitsverbot erlassen, geht dieses mit Wohlfahrtseinbußen für alle Arbeiter einher.

4.2. Erweitertes Grundmodell

Im Grundmodell ist gezeigt worden, dass ein Grund für die Entstehung der Kinderarbeit die Unterschreitung eines Mindesteinkommens sein kann. Mit Hilfe des erweiterten Grundmodells soll untersucht werden, ob es möglich ist die Höhe der Kinderarbeit zu bestimmen. Darüber hinaus soll beschrieben werden, in wie fern die Arbeitslosigkeit der Erwachsenen das Niveau der Kinderarbeit beeinflusst. Es könnte möglich sein, dass bei einem hohen Lohnniveau nicht alle Erwachsenen eine Anstellung finden und die Eltern den Einkommensverlust mit Hilfe von Kinderarbeit ausgleichen.

4.2.1. Ansatz

Um den Zusammenhang von Erwachsenenarbeitslosigkeit und Kinderarbeit zu verdeutlichen, geht Basu von einem exogenen Lohnniveau für Erwachsene aus, bei dem nicht alle Erwachsenen eine Beschäftigung finden werden. Grund dafür ist die Arbeitsnachfragefunktion, die negativ vom Lohnniveau abhängt. Die Haushalte ohne Einkommen werden ihre Kinder arbeiten lassen. Somit kann aus der Differenz der Arbeitsnachfrage von den Unternehmen und der beschäftigten Erwachsenen, die Anzahl der Kinderarbeiter ermittelt werden.

4.2.2. Mechanismus

Um herauszufinden wie viele der Erwachsenen erwerbstätig sind, wird von arbeitenden Haushalten ausgegangen, mit je einem Erwachsenen und Kindern. Die „Luxusgut-Annahme“ aus dem Grundmodell bleibt weiterhin bestehen. Demnach gibt es eine kritische Vergütung der Erwachsenen, bei deren Unterschreiten die Kinder erwerbstätig werden müssen. Hingegen wird beim Überschreiten der existenzsichernden Schwelle der Nachwuchs von der Arbeit befreit. Die Erwachsenen präferieren bei jedem Lohnniveau immer die Arbeit. Hierdurch ergibt sich die identische Gesamtarbeitsangebotskurve der Arbeitnehmer wie in Abbildung 2. Wie im Grundmodell wird weiter davon ausgegangen, dass ein Kind nur einen gewissen Teil der Erwachsenenarbeitsleistung erbringt und dieser durch ausgedrückt wird. Der Arbeitslohn für Erwachsene ist . Entspricht der Kinderarbeitslohn nun , ist es aus Sicht der Firmen also Arbeitsgeber gleichgültig, ob Kinder oder Erwachsene beschäftigt werden, da die relativen Kosten für die Arbeitskraft von Erwachsenen und Kindern identisch sind. Dieser Fall, in dem ist, wird im Folgenden weiter untersucht wobei gilt, dass der Kinderarbeitslohn nicht exogen fixiert ist. Die fallend verlaufende Arbeitsnachfragefunktion der Arbeitgeber ist negativ von abhängig und wird in der Abbildung 2 durch die Gerade dargestellt. Demnach werden bei einem höheren Arbeitslohn weniger Arbeitskräfte von den Unternehmen nachgefragt. Um den Einfluss der Erwachsenenarbeitslosigkeit auf die Kinderarbeit möglichst einfach zu verdeutlichen, wird ein fixer, exogener Erwachsenenlohn angenommen. Bei einem Lohn von werden nicht alle vorhandenen erwachsenen Arbeitskräfte eingestellt, sodass die Nachfrage nach Arbeitskräften geringer als das Arbeitsangebot ist und demnach < gilt.

Nun kann geklärt werden, wie viele der Erwachsenen unter diesen Voraussetzungen eine Anstellung finden. Dafür wird im Folgenden von dem Fall und ausgegangen. Damit sind die Voraussetzungen für ein Gleichgewicht bei erfüllt. Die Anzahl der erwerbstätigen Erwachsenen wird mit E bezeichnet, demnach lässt sich die Nachfrage nach Kinderarbeit mit Hilfe der Rechnung ermitteln. Die nachgefragte Anzahl an Kinderarbeitern ist damit aus der Gleichung zu bestimmen. Da die Kinderlöhne flexibel sind, entspricht die Nachfrage nach Kinderarbeit dem Angebot. Angenommen es finden Erwachsene eine Anstellung, dann folgt daraus, dass Haushalte ohne Einkommen sind. Diese Haushalte sind gezwungen, ihre Kinder arbeiten zu lassen, um das fehlende Einkommen mit Hilfe der Kinder zu kompensieren. Die Anzahl der arbeitenden Kinder ist damit . Somit ist Gleichgewicht der Erwachsenenbeschäftigung wenn gilt:

- Die Höhe der Erwachsenenbeschäftigung hängt von ab und kann somit auch wie folgt formuliert werden:

- Da die Arbeitsnachfragefunktion eine fallende Funktion ist, kann nachvollzogen werden, dass bei steigenden Löhnen für Erwachsene , die Arbeitsnachfrage der Firmen zurückgeht. Wie viele Kinder bei fixen Erwachsenenlöhnen arbeiten, kann wie folgt ermittelt werden:

In dem Fall, dass , ergibt sich daraus, dass . Außerdem kann festgestellt werden, dass bei einem Anstieg von vermehrt Kinderarbeit zu beobachten ist und diese mit einer zunehmenden Erwachsenenarbeitslosigkeit einhergeht. In Worten ausgedrückt, folgt durch einen hohen Arbeitslohn für Erwachsene, ein Rückgang der Erwachsenen-Arbeitsnachfrage der Firmen. In einem Haushalt in dem die Erwachsenen auf Grund der geringeren Arbeitsnachfrage arbeitslos sind, werden die Kinder arbeiten müssen, um das entstehende Einkommensdefizit auszugleichen. Die Kinderarbeit steigt damit an.

4.2.3. Ergebnis

Mit Hilfe des erweiterten Modells konnte gezeigt werden, dass das Niveau der Erwachsenenarbeitslosigkeit einen Einfluss auf das Maß der Kinderarbeit hat. Unter den getroffenen Annahmen ist es ebenfalls möglich, das Niveau der Arbeitslosigkeit und die Anzahl der Kinder, die erwerbstätig werden, zu bestimmen. Im Grundmodell hat sich gezeigt, dass bei einem Anstieg des Arbeitslohnes für Erwachsene, die Kinderarbeit verschwindet, wenn eine gewisse Einkommensschwelle überschritten wird. Der Gedanke liegt nahe, einen Lohn, beispielsweise durch politische Interventionen wie einen Mindestlohn, zu erzwingen, der diesem kritischen Wert entspricht und damit die Kinderarbeit verhindert. Dieses Ergebnis ist bei einem Arbeitsmarkt mit oligopolistischen Zügen wahrscheinlicher zu beobachten. Dem Grundmodell widerspricht die gewonnene Erkenntnis aus dem erweiterten Modell. Hier wurde verdeutlicht, dass unter den herrschenden Annahmen ein steigender Lohn zu einer höheren Arbeitslosigkeit von Erwachsenen und damit zu einem steigenden Niveau der Kinderarbeit führt. Dass bei einem Arbeitsmarkt mit herrschendem Wettbewerb ein zunehmender Mindestlohn zu mehreren Ergebnissen führen kann, ist damit bewiesen.

[...]


[1] Die gewonnen Erkenntnisse, Inhalte und Abbildungen zu Punkt 4 basieren auf:

Basu, K. (1999): Child Labor: Cause, Consequence and Cure, with Remarks on International Labor Standards,
Journal of Economic Literature 37 (3), 1083-1119.

Basu, K. (2004): Die Ökonomie der Kinderarbeit, Spektrum der Wissenschaft, Januar 2004,70-76.

Details

Seiten
Erscheinungsform
Erstausgabe
Erscheinungsjahr
2013
ISBN (PDF)
9783955499983
ISBN (Paperback)
9783955494988
Dateigröße
897 KB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Bayerische Julius-Maximilians-Universität Würzburg
Erscheinungsdatum
2015 (Februar)
Note
1,7
Schlagworte
Baland Robinson Basu Intervention International Labor Organization
Produktsicherheit
BACHELOR + MASTER Publishing

Autor

Jan Wettengel wurde 1985 in Würzburg geboren. Sein Studium der Wirtschaftswissenschaften an der Julius-Maximilians Universität in Würzburg schloss der Autor im Jahre 2013 ab. Bereits vor und während seinem Studium sammelte der Autor umfassende praktische Erfahrungen in der Dienstleistungsbranche.
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