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Die Europäische Union in nationalen Massenmedien: Eine Studie zum Europäisierungsgrad deutscher Fernsehnachrichten

©2012 Bachelorarbeit 46 Seiten

Zusammenfassung

Der Europäischen Union wird von vielen Seiten ein Öffentlichkeitsdefizit attestiert, was ihre Sichtbarkeit im öffentlichen Diskurs betrifft. In Anbetracht des politischen Gewichtes der EU-Institutionen und der damit verbundenen Folgen für die Mitgliedsstaaten und deren Bürger wäre diese öffentliche Unsichtbarkeit aus demokratietheoretischer Sicht bedenklich.
Diese Studie ermittelt das Ausmaß an europäisierter Berichterstattung in deutschen Fernsehnachrichten in den Jahren 2004 bis 2011. Dabei stellt sich die Frage, wie die Dynamik der EU-Berichterstattung erklärt werden kann. Gibt es bestimmte Schlüsselereignisse, die zu mehr Sichtbarkeit der EU und ihrer Institutionen im Fernsehen führen? Gibt es Unterschiede zwischen privaten und öffentlich-rechtlichen Programmen bezüglich ihrer Europäisierungsgrade?
Zunächst werden die theoretischen Betrachtungen zur Europäischen Öffentlichkeit resümiert und ein für diese Arbeit fruchtbarer Ansatz vorgestellt. Nach der Betrachtung des Forschungsstandes werden die aufgeworfenen Fragestellungen mithilfe einer Sekundäranalyse der Daten aus der kontinuierlichen Fernsehprogrammforschung der Arbeitsgruppe der Landesmedienanstalten beantwortet.

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


2 Europäische Öffentlichkeit

2.1 Begriffs- und Funktionsbestimmung

Der Öffentlichkeitsbegriff wurde von zwei grundlegend verschiedenen Perspektiven betrachtet. In einer systemtheoretischen Perspektive gilt Öffentlichkeit als ein „Spiegel“ der Gesellschaft im Sinne eines Beobachtungssystems (vgl. Marcinkowski 1993: 113ff.). Diese rein funktionale Beschreibung als Selbstbeobachtungsmöglichkeit der Gesellschaft steht dem Verständnis von Öffentlichkeit als intermediärem Kommunikationssystem nach Habermas gegenüber. In seinem normativen Modell ist die politische Öffentlichkeit ein vermittelndes Kommunikationssystem zwischen dem politischen System und der Zivilgesellschaft (vgl. Habermas 2008: 164). Durch den „kommunikativen Kreislauf zwischen Zentrum und Peripherie sollen – als Eigenprodukte der Öffentlichkeit – reflektierte öffentliche Meinungen “ hervorgehen (ebd.: 167; Kursivsetzung im Original). Auch wenn diese Ansätze auf nationalstaatliche Öffentlichkeiten bezogen sind, können sie für eine mögliche europäische Öffentlichkeit richtungsweisend sein.

Aus rein deskriptiver Perspektive kann man laut Brüggemann et al. transnationalisierte Öffentlichkeiten als „ Räume der Verdichtung von Prozessen öffentlicher, medial vermittelter politischer Kommunikation begreifen, die den nationalen Bezugsraum übersteigen “ (2009: 395; Kursivsetzung im Original). Damit vermeiden die Autoren eine Festlegung auf funktionale oder normative Aspekte. Ferner ergibt sich, dass nationale und transnationale Öffentlichkeiten synchron existieren können. Dabei konstituieren die transnationalen Elemente in nationalen Öffentlichkeiten „eine über die nationalen Verdichtungen gelagerte zusätzliche Ebene von Kommunikation“, die dann „empirisch als Transnationalisierung nationaler Öffentlichkeit greifbar“ wird (ebd.: 395f.) Wenn dann in verschiedenen Ländern die gleichen transnationalen kommunikativen Prozesse auftauchen, könne man von einer transnationalen Öffentlichkeit sprechen (vgl. ebd.: 396).

Durch die rechtliche Integration von Entscheidungs- und Gesetzgebungskompetenzen auf der Ebene der EU haben sich politische Prozesse europäisiert. Organe der EU treffen immer mehr Entscheidungen, die die Bürger in den Mitgliedsstaaten direkt betreffen (vgl. Diedrich/ Wessels 2011: 180 oder Gerhards 2000: 285f.). Auch ökonomische Beziehungen transnationalisieren sich kontinuierlich (vgl. Gerhards 2000: 283.). Transnationalisierung bedeutet dabei „das Verhältnis zwischen Binneninteraktion und Außeninteraktion eines sozialen Teilbereichs einer Gesellschaft“. Inwiefern hat sich jedoch die mediale Öffentlichkeit transnationalisiert, das heißt inwiefern hat sich das Verhältnis zwischen Außeninteraktionen und Binneninteraktionen verändert (vgl. ebd.: 299)? Die Existenz einer lebendigen, europäischen Öffentlichkeit ist umstritten (vgl. zu dieser Diskussion auch Beus 2010: 16, 28ff.). Ein Öffentlichkeitsdefizit in der EU gäbe es genau dann, „wenn politische Entscheidungen immer häufiger nicht von den Nationalstaaten, sondern von der EU gefällt werden, die Berichterstattung der Öffentlichkeit aber nationalstaatlich verhaftet bleibt und nicht oder nur in geringem Maße von den europäischen Entscheidungen und Diskussionen berichtet“ (Gerhards 2000: 288).

Die von einer europäischen Öffentlichkeit zu erbringenden Leistungen oder Funktionen werden unterschiedlich betrachtet (vgl. dazu auch Trenz 2004a: 85). Dabei gibt es zum einen die Minimalforderungen, dass sie im Sinne Luhmanns Kommunikation sichtbar und anschlussfähig machen soll. Zum anderen werden auch Maximalforderungen im Habermas’schen Verständnis an die europäische Öffentlichkeit gerichtet, indem ihr eine Integrationsfunktion der öffentlichen Kommunikation zugeschrieben wird, um reflektierte öffentliche Meinungen in Europa zu generieren. Nach Koopmans und Erbe (2004: 98) erfüllt eine europäische Öffentlichkeit mindestens vier zentrale Funktionen im europäischen Politikprozess: Erstens macht sie europäische Institutionen und politische Vorhaben sichtbar und kann ihnen somit öffentliche Zustimmung und damit Legitimität verschaffen; zweitens erfüllt sie außerhalb von Wahlen eine Antwortfunktion der europäischen Bürger, durch die die Entscheidungsträger auch die Meinungen des Einzelnen erfahren können; drittens ermöglicht der massenmediale europäische Diskurs den Bürgern, sich eine Meinung zu europäischen Politikprozessen zu bilden; viertens ist der öffentliche Diskurs notwendig, um die Bürger dazu zu mobilisieren, sich über zivilgesellschaftliche Bewegungen oder Organisationen am europäischen Politikprozess zu beteiligen. In dieser Funktionsbestimmung finden sich Anleihen sowohl an funktionale Öffentlichkeitsmodelle, im Sinne einer Selbstbeobachtung der Gesellschaft, sowie an normative Theorien, da sie die Ermöglichung der Meinungs- und Willensbildung postuliert.

Im Folgenden gilt es zu betrachten, welche Möglichkeiten es gibt, damit sich eine europäische Öffentlichkeit konstituiert. In der Literatur finden sich zwei konzeptionelle Pfade, durch die transnationale, öffentliche Kommunikation in Europa entstehen kann[1].

2.2 Triebkräfte europäischer

Öffentlichkeit

2.2.1 Paneuropäische Medien

Gerhards schlägt zwei mögliche Modelle einer europäischen Öffentlichkeit vor: zum Einen das Modell einer länderübergreifenden europäischen Öffentlichkeit und zum Anderen die Vorstellung einer Europäisierung der nationalen Öffentlichkeit (Gerhards 1993: 100, 2000: 288). Nach Gerhards‘ erster Vorstellung einer europäischen Öffentlichkeit durch ein einheitliches Mediensystem rezipieren die EU-Bürger verschiedener Mitgliedsländer die gleichen Medien und damit die gleichen Inhalte. Dadurch würde sich eine Integration in eine europäische Öffentlichkeit über die Grenzen der Nationalstaaten hinweg ergeben. Ausgehend von historischen Betrachtungen zur Entstehung von Mediensystemen nennt Gerhards fünf Faktoren für ein solches System auf europäischer Ebene. Er kommt zu dem Schluss, dass zwar die politischen und technischen Rahmenbedingungen gegeben sind, jedoch sprechen das Fehlen einer einheitlichen Sprache, die damit verbundene geringe ökonomische Bedeutung des möglichen Zielpublikums und das Demokratiedefizit in der EU gegen die Entstehung eines einheitlichen Mediensystems (vgl. Gerhards 2000: 289-292). Hinzu kommt, dass sich die Journalismuskulturen der Mitgliedsstaaten zum Teil stark unterscheiden, was ein weiteres Hindernis bedeutet (vgl. Machill/ Beiler/ Fischer 2006: 153f.).

Aus diesen Gründen gilt dieses erste Modell einer europäischen Öffentlichkeit häufig als „weniger empirisch wahrscheinlich“ (Latzer/ Sauerwein 2006: 16). Firmstone argumentiert jedoch, dass die Forschung die existierenden EU-weiten Medien bisher vernachlässigt. Gerade transnationale Tageszeitungen[2] verdienten wegen ihrer europäischen Art der Berichterstattung mehr Aufmerksamkeit, auch wenn sie nur eine sehr kleine und spezialisierte Elite erreichen (vgl. Firmstone 2008: 425). Damit komme „manchen transnationalen Medien eine wichtige, da politische Diskurse im Vorfeld prägende Rolle bei der Artikulation europäischer Öffentlichkeit zu“ (Brüggemann et al. 2009: 396). Brüggemann und Schulz-Forberg (2008) unterscheiden transnationale Medien in vier Kategorien[3]. Allen gemeinsam ist dabei, dass ihre Zielpublika nicht national begrenzt sind (vgl. ebd.: 81). Für die europäische Betrachtung sind paneuropäische Medien bedeutend, die aus der europäischen Perspektive berichten und sich an Europäer als Zielpublikum richten (vgl. ebd.: 82). Beispiele für existierende paneuropäische Medienangebote sind der Fernsehsender Euronews und die Wochenzeitung European Voice. Auch Online-Medien mit einem europäischen Fokus existieren (u.a. EUobserver und café babel). All diesen paneuropäischen Medien mit politischen Inhalten ist jedoch ihre mit nationalen Medien verglichene sehr geringe, wenn auch steigende, Nutzung gemein (vgl. ebd.: 85f.). Die wenigen erfolgreichen transnationalen Medien sind globale Medien mit einem globalen Fokus (vgl. Koopmans/ Statham 2010: 36).

Zusammenfassend kann man feststellen, dass paneuropäische Medien, die sich an ein europäisches Zielpublikum richten und mit einer europäischen und nicht nationalstaatlichen Perspektive berichten aus sprachlichen und wirtschaftlichen Gründen momentan keine europäische Öffentlichkeit herstellen. Sie erreichen nicht die breite Masse, sondern ein hoch interessiertes und involviertes Elite-Publikum. Damit bleibt ein einheitliches Mediensystem in Europa auch in Zukunft unrealistisch.

2.2.2 Europäisierung nationaler Öffentlichkeiten

Das zweite von Gerhards (2000) vorgeschlagene Modell ist die Entstehung einer europäischen Öffentlichkeit durch die Europäisierung der nationalen Öffentlichkeiten. Diese Möglichkeit sei weitaus realistischer, weil sie das Sprachproblem überwinde (vgl. ebd.: 293). Des Weiteren entfällt auch das Problem unterschiedlicher Journalismuskulturen in den europäischen Ländern. Andere Faktoren wie die unter dem Stichwort Demokratiedefizit subsummierten geringen Beteiligungsmöglichkeiten bestehen auch in diesem Modell und erschweren die Entstehung einer europäischen Öffentlichkeit.

Allerdings bleibt die Frage nach dem adäquaten Maß an europäischer Berichterstattung häufig unbeantwortet. Konsens gibt es allerdings darin, dass dieses Maß im Laufe der Zeit zunehmen sollte (vgl. Latzer/ Sauerwein 206: 17). Darüber hinaus gibt es in der Literatur unterschiedliche Auffassungen darüber, wann eine massenmediale Botschaft europäisiert ist. Neidhardt (2006) beklagt zum einen methodische Unterschiede, die die Ergebnisse einzelner Studien kaum anschlussfähig machen und zu Forschungsartefakten führen. Außerdem seien Differenzierungen nötig und pauschale Aussagen über den Europäisierungsgrad wenig hilfreich. Aktuellere Forschungen analysierten daher einzelne Politikbereiche. Diese themenspezifische Betrachtung öffentlicher Kommunikation werde dem „locus of control“ der politischen Entscheidungsprozesse gerecht (vgl. ebd.: 51).

Die Kriterien zur Identifikation europäisierter nationaler Öffentlichkeiten werden in der empirischen Forschung in diesem Bereich unterschiedlich betrachtet (vgl. als Überblick Koopmans/ Statham 2010: 36-38): Rezente Analysen betrachten mehrere Dimensionen von europäisierter öffentlicher Kommunikation und versuchen sich dem einzigartigen Charakter des Staatenverbundes Europäische Union anzupassen, der sowohl supranationale, aber auch intergouvernementale Elemente in seinen rechtlichen Grundlagen enthält. Daraus ergeben sich für Koopmans und Erbe drei theoretische Dimensionen einer europäisierten nationalen Öffentlichkeit (2004: 101f.):

(1) Eine supranationale europäische Öffentlichkeit, in der europäische Sprecher aus dem politischen System der EU untereinander oder mit der europäischen Zivilgesellschaft kommunikativ interagieren,
(2) vertikale Europäisierung in nationalen Öffentlichkeiten, die aus Bezügen zwischen dem EU-Level und der nationalen Ebene bestehen, wobei beide Richtungen dieser Bezüge denkbar sind und
(3) horizontale Europäisierung, die aus kommunikativen Bezügen zwischen den Mitgliedsstaaten besteht. Dabei kann es sich um die reine Berichterstattung über die Innenpolitik eins anderen Landes handeln, aber auch um konkrete Aussagen, die die Grenzen eines Staates überwinden.

Diese drei Dimensionen bilden intergouvernementale und supranationale Prozesse ab und entstehen durch Kommunikationsflüsse, die zwischen oder innerhalb von bestimmten politischen Räumen verlaufen. Entscheidend für den Grad der Europäisierung ist die relative Dichte trans- oder supranationaler Kommunikation (vgl. ebd.: 102). Das Modell kann mithilfe konzentrischer Kreise illustriert werden (vgl. Abb. 1).

Abbildung 1. Political spaces and communicative links in a multilevel setting

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: Koopmans/ Statham 2010: 39.

Es stellt die nationalen Räumen in Kreisen um das Mitgliedsland (hier Deutschland) dar. Die Pfeile zeigen mögliche Kommunikationen zwischen Akteuren. Im Sinne dieses Modells (vgl. Koopmans/ Statham 2010: 40-43) handelt es sich beispielsweise dann um eine idealtypisch nationale Öffentlichkeit, wenn eine Aussage im Mediendiskurs nur durch nationale, in diesem Fall deutsche Elemente (Aussagesubjekt, Adressat, Thema oder Position, Auswirkung, Frames) gekennzeichnet ist (Pfeil a in Abb. 1).

Eine rein supranationale europäische Öffentlichkeit in deutschen Medien wäre vorhanden, wenn eine Aussage ausschließlich europäische Akteure, Themen und Bezugsrahmen enthält (Pfeil k in Abb. 1). Vertikale Europäisierung drückt sich in kommunikativen Bezügen zwischen dem nationalen und dem europäischen Politikbereich aus (Pfeil c in Abb. 1): sobald ein Aussagenelement auf der europäischen Ebene angesiedelt ist (Subjekt oder Adressat) respektive sie thematisch betrifft (Position, Folge oder Frame). Horizontale Europäisierung liegt dann vor, wenn entweder über politische Entscheidungen oder Ereignisse in oder in Verbindung zu anderen europäischen Staaten berichtet wird (schwache Variante, Pfeil f in Abb. 1) oder bi- oder multilaterale Kommunikation zwischen den Staaten mit Beteiligung des eigenen politischen Systems (starke Variante, Pfeil b in Abb. 1) auftaucht. Horizontale und vertikale Europäisierung können auch parallel in einer Aussage auftreten. Koopmans und Statham (2010: 43) würden dann von einer europäisierten Öffentlichkeit sprechen, „to the extent that a substantial – and, over time, increasing – part of public contestation goes beyond a particular national political space [...] and does not bypass Europe by referring only to non-European supranational and transnational spaces“.

Da dieser öffentliche Diskurs durch nationale, aber auch europäische Medien geprägt ist, wird die von Gerhards (1993, 2000) eingeführte Dichotomie zwischen paneuropäischen Medien und europäisierten Öffentlichkeit mittlerweile eher als Komplementarität gesehen (vgl. Brüggemann et. al 2009: 395f., Neidhardt 2004: 54). Nationale und transnationale Öffentlichkeit überlagern sich und bestehen gleichzeitig. Es stellt sich dabei eher die Frage nach dem Niveau ihrer jeweiligen kommunikativen Verdichtung.

2.3 Europa in den Nationalen Medien

2.3.1 Perspektive der Mediennutzer

Interessante Ergebnisse im Hinblick auf die Debatte über eine europäische Öffentlichkeit und die Existenz eines Öffentlichkeitsdefizits liefert das Eurobarometer – die regelmäßig durchgeführte repräsentative Bevölkerungsumfrage in den EU-Staaten im Auftrag der Europäischen Kommission. Demnach fühlen sich zwei Drittel (66 Prozent) der Unionsbürger mangelhaft informiert zu europäischen Fragen[4] - in Deutschland sind es 56 Prozent (vgl. Europäische Kommission 2011b: 194). Neben dieser subjektiven Einschätzung war auch das objektive Wissen der Europäer zur EU unzureichend: Fast die Hälfte der Befragten (42 Prozent) konnte drei einfache Wissensfragen nicht komplett richtig beantworten – in Deutschland waren dies 41 Prozent[5] (vgl. ebd.: 77.).

Was das Image des Fernsehens angeht, zeigt sich ein ambivalentes Verhältnis: Die Hälfte (50 Prozent) der EU-Bürger vertrauen dem Fernsehen, während 45 Prozent ihm misstrauen und fünf Prozent keine Meinung dazu haben. In der Bundesrepublik vertrauen 58 Prozent der Befragten dem Fernsehen (vgl. ebd.: 42).

Abbildung 2. Hauptinformationsquelle zu europäischen politischen Angelegenheiten in Prozent

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

*) Spontane Antworten.

Basis: N(EU27)=26.723 Befragte; n(DE)=1.609 Befragte; Erhebungszeitraum: November 2010

Quelle: Eigene Darstellung nach Europäische Kommission 2011b: 203.

Die Mehrheit der Unionsbürger und der Deutschen sieht das Fernsehen als das Medium, aus dem sie die meisten Nachrichten zu europäischen Angelegenheiten erhalten (vgl. Abb. 2). Das Fernsehen ist das Massenmedium, „mit dem die EU-Bürger am meisten Kontakt haben, das am häufigsten als Informationsquelle genutzt wird und das ihnen am vertrautesten ist“ (vgl. Europäische Kommission 2011a: 16). Auch bei der aktiven Suche nach Informationen über die Europäische Union, ihre Politik und ihre Institutionen nimmt das Fernsehen als Informationsquelle neben der Presse eine wichtige Funktion ein: Es ist das am häufigsten genutzte Medium, was das Informationsbedürfnis zu europäischen Themen und Institutionen betrifft.

In Anbetracht dieser hohen Bedeutung des Fernsehens für die Bürger stellt sich die Frage, inwieweit das Fernsehen in den Mitgliedsländern der EU, insbesondere in Deutschland, europäisiert ist und somit eine europäische Öffentlichkeit bieten kann.

2.3.2 Europäisierung des Fernsehens

Der Großteil der Studien, die die Fernsehberichterstattung inhaltsanalytisch auf ihren Europäisierungsgrad hin untersuchen, fokussieren die Zeit um Schlüsselereignisse innerhalb der Europäischen Union. Dazu gehören laut Machill, Beiler und Fischer (2006: 148) unter anderem die Gipfeltreffen des Europäischen Rates, die Einführung des Euros, Wahlen zum Europarlament oder der Beitritt neuer Mitgliedsstaaten in die Union.

An den fünf Tagen rund um die Einführung des Euro am 1.1.1999 als ein solches Großereignis hatten im Durschnitt 18 Prozent jeder untersuchten deutschen Abendnachrichtensendung die neue europäische Währung zum Thema. In der Vergleichsperiode einige Wochen später gab es darüber keine Berichte mehr (vgl. Vreese/ Peter/ Semetko 2001: 114). Auch was die Gipfel der Staats- und Regierungschefs angeht zeigen sich die Dynamik und das episodische Framing des Fernsehens: Laut einer Studie von Peter und de Vreese (2004: 13), die die Hauptnachrichtensendungen des jeweils reichweitenstärksten öffentlich-rechtlichen und kommerziellen Senders untersucht haben, gibt es eine deutliche Zunahme von EU-Berichten während der drei im Untersuchungszeitraum liegenden Gipfelperioden im Vergleich zu Routine-Zeiten: Liegt der Anteil an EU-Berichten in deutschen Nachrichtensendungen in Zeiten ohne Gipfel bei maximal fünf Prozent, verdoppelt er sich rund um die Treffen der europäischen Staats- und Regierungschefs auf zehn bis elf Prozent. Insgesamt finden die Autoren jedoch wenige Akteure aus dem EU-Bereich – in Gipfelperioden vergleichsweise sogar weniger als zu Routine-Zeiten. Peter und de Vreese schließen daraus: „EU summits lead to a change of the placement, length, and presentation of EU stories“ (ebd.: 18). Dabei stellen sie fest, dass Gipfel als „rule of thumb“ (ebd.: 16) zur Dynamik der EU-Berichterstattung dienen können. Auch wenn die EU allgemein betrachtet selten auftauche, werde sie prominenter dargestellt als sonstige Politikberichterstattung. „In other words, it is an invisible importance that characterizes the coverage of the EU“ (ebd.: 19).

Die drei Wahlen zum Europäischen Parlament 1999, 2004 und 2009 waren weitere Ereignisse auf europäischer Ebene, deren Resonanz im Fernsehen untersucht wurde. Kevin (2003: 55) findet vor der Wahl 1999 in Zeitungen sowie Fernsehnachrichten und -magazinen eine Zunahme von Beiträgen, die entweder einen Bezug zu Europa, der EU oder dem Geschehen in einem anderen europäischen Land aufweisen. Konkrete Berichte mit der Europawahl als Thema finden sich eine Woche vor dem Urnengang jedoch nicht. Verantwortlich dafür waren laut Kevin starke Ereignisse in dieser Woche (Kosovokonflikt und Dioxin-Skandal), gegen die sich EU-Themen nicht durchsetzen konnten. Kevin sieht aber auch weitere hinderliche Faktoren: „News coverage of the EU is dependent both on news agendas and events and on the relevance of policy issues for national interests“ (ebd. 2003: 170).

Dass die EP-Wahl 1999 so gut wie gar nicht im deutschen Fernsehen auftauchte, zeigen auch die Zahlen von Lauf und Peter (2004: 169): In den zwei Wochen vor der Abstimmung hatten nur ein Prozent der Beiträge der analysierten Politikberichterstattung die Wahlen als Thema. Jedoch hatten 29 Prozent der Politik-Berichte einen Bezug zur EU oder ihren Institutionen. Die Autoren des Medien Tenors (2005) beobachten das gleiche Phänomen und schlussfolgern: „Zwar steigt in den Wahljahren die Berichterstattung über die Europäische Integration an – Europawahlen haben also durchaus eine Katalysatorfunktion für die öffentliche Wahrnehmung des Themas „Europa“. Über die Europawahlen selbst wird jedoch kaum berichtet“ (ebd: 107).

Zu den Europawahlen 2004 gab es im deutschen Fernsehen ein wiederholt geringes Interesse des Fernsehens: Der Anteil an Berichterstattung über die EU an allen Berichten hat sich auf niedrige drei Prozent erhöht und damit im Vergleich zu den vorangegangen Wahl sogar verdoppelt (Vreese et al. 2006: 487f.). Die Untersuchungen zu den Europawahlen 2009 zeigen eine erneute Steigerung der medialen Aufmerksamkeit: In der EU der 27 Staaten gab es drei Wochen vor der Wahl mit 20 Prozent an Berichten über die Wahlen oder die EU selbst eine höhere Sichtbarkeit als bei den Urnengängen zuvor. Auch in Deutschland gab es einen enormen Zuwachs der EU-Berichte auf 13 Prozent aller Fernsehberichte. Damit bleibt Deutschland im EU-weiten Vergleich aber weiterhin unterdurchschnittlich (vgl. Schuck et al. 2011: 46).

In Anbetracht der gestiegenen Aufmerksamkeit der Fernsehredaktionen für EU-Themen während der durch Schlüsselereignisse konstituierten Eventperioden stellt sich die Frage, wie stark die routinemäßige Politikberichterstattung europäisiert ist. Peter (2004: 153) findet in seiner Analyse von zwei öffentlich-rechtlichen und zwei privaten deutschen Nachrichtensendungen an sieben Tagen zwischen Februar und Dezember 2000 einen Anteil von EU-Beiträgen von vier Prozent an allen Berichten und von neun Prozent an den Politikberichten – ein geringes Niveau, da ein Beitrag bereits ab zwei Sätzen mit Bezug zur EU, deren Entscheidungen und Politik oder deren Institutionen als EU-Beitrag gilt. Sein Fazit ist daher auch, dass „die Idee einer Europäisierung nationaler Öffentlichkeiten mehr Wunschdenken als Realität“ (ebd.: 158) ist.

Auch die Langzeitanalysen des Medien Tenors (2005: 104f.) zeichnen ein wenig europäisiertes Bild deutscher Fernsehnachrichten: 1998 bis 2004 gab es bei ARD und ZDF durchschnittlich nur einen von 20 Beiträgen, in denen die Themen EU oder Europapolitik dominierten. Bei RTL, Sat.1 und ProSieben waren es noch weniger: durchschnittlich nur zwei bis drei Prozent der Beiträge. Diese Zahl sank im Zeitraum 2004 bis November 2006 noch weiter: Mit genuinen Themen zur EU, bei denen europäische Personen oder Institutionen als Hauptakteur auftreten, befassen sich nur ein Prozent der Beiträge in Nachrichtensendungen. Vertikale Bezüge zur EU oder ihren Institutionen tauchen öfter auf, variieren jedoch zwischen den Medienangeboten: Bei den privaten Sendern beziehen sich 1,6 bis 2,9 Prozent, bei den öffentlich-rechtlichen 5,0 bis 6,2 Prozent der Beiträge auf EU-Institutionen, zum Großteil auf die Europäische Kommission (Media Tenor 2006: 6 und 2007: 16f.).

Einen vergleichbaren Unterschied in den Bezügen zur EU und deren Institutionen zwischen ARD und ZDF auf der einen Seite und den kommerziellen Programmen der zweiten Generation, Vox, RTLII und kabel eins, auf der anderen Seite stellen auch Woelke, Steiniger und Maurer (2010: 59) in ihrer Re-Analyse der Daten aus der kontinuierlichen Fernsehprogrammforschung der Arbeitsgemeinschaft der Landesmedienanstalten in Deutschland (ALM) fest. In ihrem Untersuchungszeitraum, einer Stichprobenwoche im Frühjahr 2007, bezogen sich 16 Prozent der Beiträge in der ARD, elf Prozent im ZDF, aber nur drei Prozent bei Vox und jeweils ein Prozent bei RTLII und kabel eins (Basis ist jeweils die Gesamtdauer der fernsehpublizistischen Beiträge) auf die EU oder Europäische Institutionen. Peter und de Vreese (2004: 16) bestätigen diesen Befund und konstatieren, dass öffentlich-rechtliche Sender zwar nicht öfter über die EU berichten als private, dies jedoch prominenter (längere Berichte und bessere Platzierung) tun.

Was die Frage nach horizontaler Europäisierung im deutschen Fernsehen angeht, ist die Literatur spärlich. Groothues (2004: 9) hat die Abendnachrichten der meist gesehenen öffentlichen Anstalt in Deutschland, Großbritannien und Frankreich hinsichtlich ihrer Berichte aus anderen europäischen Ländern untersucht. Das Ergebnis ist eine vergleichsweise geringe EU-Auslandsberichterstattung. Dabei ist die Tagesschau der ARD vergleichsweise stark vertikal und horizontal europäisiert: 57 Prozent der Beiträge behandeln nationale Ereignisse, 31 Prozent betrachten nicht-europäische, internationale Politik, vier Prozent behandeln supranationale EU-Angelegenheiten und acht Prozent berichten über andere EU-Staaten. Der InfoMonitor für das Jahr 2010 stellt diesbezüglich fest, dass internationale Politikthemen, also auch solche, die in den Bereich der horizontalen Europäisierungsdimension fallen, und EU-politische Themen in den privaten Nachrichtensendungen (RTL und Sat.1) weniger Beachtung finden als in ihren öffentlich-rechtlichen Pendants (vgl. Krüger 2011: 105f., 100).

2.3.3 Europäisierung der Presse

Ein Teil der im vorigen Abschnitt vorgestellten Studien hat neben der Fernseh- auch die Presseberichterstattung auf Indikatoren für Europäisierung untersucht. Sie sind geeignet, um einen Vergleich zwischen beiden Massenmedien zu ziehen. Semetko und Valkenburg (2000: 101ff.) stellen fest, dass EU-Themen in den Zeitungen zu zwei Dritteln thematisch und nur zu einem Drittel episodisch geframet werden. Im Fernsehen bezogen sich dagegen neun von zehn Beiträgen auf Ereignisse der vergangenen 24 Stunden.

Der Medien Tenor (2005: 105) konstatiert, dass der Anteil der Beiträge, in denen die Themen EU/ Europapolitik dominieren, in den untersuchten deutschen Qualitätszeitungen je nach Zeitung zwischen fünf und acht Prozent beträgt. Damit ist ihr Europäisierungsgrad mit den öffentlich-rechtlichen Fernsehnachrichten vergleichbar. Auf dem untersten Niveau mit zwei bis vier Prozent liegen die Bild -Zeitung und die Nachrichten von RTL und Sat.1. Wenn man wie de Vreese et al. (2006: 487ff.) nur die Titelseiten der Zeitungen mit den Nachrichtensendungen vergleicht, finden sich in der EU anteilig doppelt so viele EU-Berichte im Public Broadcasting (12 Prozent) wie im kommerziellen Fernsehen und den Qualitätszeitungen (jeweils fünf bis sechs Prozent) und dreimal so viele wie in der Boulevardpresse (vier Prozent). Schuck et al. (2011: 46f.) messen auf die gleiche Art im Rahmen der EP-Wahlen 2009 und stellen fest, dass die Sichtbarkeit von EU-Nachrichten in Deutschland in den Fernsehnachrichten bei 13 Prozent und auf den Titelseiten der Zeitungen bei elf Prozent liegt.

Die zahlreichen Studien, die ausschließlich die Presseberichterstattung auf Europäisierung analysiert haben, kommen zu unterschiedlichen Befunden. Frühe Studien zeigen einen geringen Anteil von EU-Themen in der deutschen Presse. Gerhards stellt fest, dass der Wert zwischen 1951 und 1995 bei durchschnittlich 6,9 Prozent lag und keine zunehmende Europäisierung der bundesdeutschen Öffentlichkeit stattfand (vgl. Gerhards 2000: 294f.). Für den Zeitraum 1994 bis 1998 ermitteln Eilders und Voltmer einen Anteil von 5,6 Prozent an supranationalen EU-Politik-Themen in den Kommentaren der deutschen Qualitätspresse (vgl. Eilders/ Voltmer 2003: 261). Diesen Werten stellen Kantner und Trenz in ihrer Analyse deutlich höhere Zahlen aus der Presse des Jahres 2000 entgegen: Demnach haben 24,1 Prozent der FAZ -Artikel und 17,6 Prozent der SZ -Artikel schwerpunktmäßig ein europäisches Thema diskutiert (vgl. Kantner 2006: 153 oder Trenz 2004b: 298). Jedoch können diese Ergebnisse schwer miteinander verglichen werden, da sie aufgrund unterschiedlicher theoretischer Vorstellungen und verschiedener Operationalisierung Artefakt-Charakter haben (vgl. Neidhardt 2006: 47ff.).

Das EUROPUB -Projekt hat die Presse in sieben europäischen Ländern von 1990 bis 2002 auf der Ebene der einzelnen Aussagen unter anderem dahingehend analysiert, wie stark die Kommunikationsflüsse europäisiert sind. Es zeigt sich, dass die Europäisierung in der untersuchten Zeitperiode zunimmt, allerdings zu Ungunsten der Auslandsberichterstattung. Der Anteil an rein nationaler Kommunikation bleibt gleich. Vor allem unterscheidet sich der Anteil europäisierter Kommunikation nach den Politikfeldern. Dort, wo die Entscheidungskompetenz auf der EU-Ebene liegt, zeigen sich ausgeprägte Elemente einer supranationalen Öffentlichkeit in den nationalen Medien. Die deutschen Medien zeigen im Vergleich zu anderen Ländern ein hohes Niveau an Europäisierung (vgl. Koopmans/ Erbe/ Meyer 2010: 93ff.).

Wessler et al. haben die Presse-Berichterstattung anhand von fünf Qualitätszeitungen aus verschiedenen europäischen Staaten im Zeitraum von 1982 bis 2003 analysiert. In der für Deutschland untersuchten FAZ fand sich ein Anteil von vier Prozent an Artikeln, die über EU-Politik berichten (supranationale und vertikale Dimension). In 26 Prozent der Artikel lag der thematische Fokus auf anderen europäischen Ländern. Im Vergleich zu anderen europäischen Zeitungen berichtet die FAZ damit selten über EU-Themen, aber häufig über andere europäische Länder (vgl. Brüggemann/ Königslöw 2009: 36ff.). Für alle untersuchten Qualitätszeitungen stellen sie im Längsschnitt eine Zunahme von supranationalen EU-Themen und vertikaler Bezüge fest. Für die horizontale Dimension ist dieser Effekt nicht beobachtbar (vgl. Wessler et al. 2008: 70ff.).

Eine Gesamtdarstellung der Europäisierungsstudien zur Presseberichterstattung (vgl. auch Risse 2004, Kalantzi 2004, Tobler 2010) kann im Rahmen dieser Arbeit nicht erfolgen. Auch auf Studien zu einer europäischen Onlineöffentlichkeit (vgl. u.a. Koopmans/ Zimmermann 2010, Deter 2006) kann an dieser Stelle nur verwiesen werden.

2.4 Hypothesen

Aus den bisherigen Studien zu Europawahlen kann vermutet werden, dass dieses Schlüsselereignis die Wahrnehmung von EU-Themen im Fernsehen katalysiert und außerdem zu einer Zunahme von vertikalen Bezügen, das heißt Referenzen zur EU, deren Repräsentanten und Institutionen führt. Auch die Gipfel des Europäischen Rates gehören zu dieser Kategorie von EU-Ereignissen, die die nationalen Öffentlichkeiten europäisieren. Daher wird vermutet:

(H1) In Zeiträumen während und um europäische Schlüsselereignisse ist die deutsche Politikberichterstattung im Fernsehen stärker europäisiert als zu Routine-Perioden.

Aufgrund der zunehmenden Integration rechtlicher Befugnisse in der Europäischen Union, das heißt der zunehmenden Übertragung politischer Entscheidungsgewalt, kann man außerdem davon ausgehen, dass die Europäisierung der routinemäßigen nationalen Politikberichterstattung (außerhalb von EU-Schlüsselereignissen) im Zeitverlauf zunimmt.

(H2) Von 2004 bis 2011 hat sich die Politikberichterstattung in EU-Routine-Perioden im deutschen Fernsehen zunehmend europäisiert.

Ein weiteres, aus der Literatur bekanntes Muster der EU-Berichterstattung soll auf seine Gültigkeit überprüft werden: der Unterschied zwischen öffentlich-rechtlichen und privaten Fernsehsendern. Der Auftrag der öffentlich-rechtlichen Sender in Deutschland ist es, Information, Bildung und Unterhaltung zu bieten: sie sollen „in ihren Angeboten einen umfassenden Überblick über das internationale, europäische, nationale und regionale Geschehen in allen wesentlichen Lebensbereichen“ geben (§ 11 Abs. 1 RStV 2010). Private Fernsehvollprogramme sind nicht an diesen Programmauftrag gebunden. Aber auch für sie gibt es Vorschriften, die für alle Vollprogramme gelten: in ihrem Programminhalt müssen „Information, Bildung, Beratung und Unterhaltung einen wesentlichen Teil des Gesamtprogramms bilden“ (§ 2 Abs. 2 Satz 3 RStV 2010). Privater Rundfunk muss außerdem in einem Vollprogramm die „bedeutsamen, politischen, weltanschaulichen und gesellschaftlichen Kräfte und Gruppen [...] angemessen zu Wort kommen“ lassen (§ 25 Abs. 1 RStV 2010). So sind sie zwar auch an eine gewisse Ausgewogenheit in ihrem Programm gebunden, können sich jedoch stärker an den (häufig unterhaltungsorientierten) Bedürfnissen der Zuschauer orientieren. Diese grundlegenden Rahmenbedingungen führten im Laufe der Zeit zu einer Marginalisierung der politischen Information in privaten Programmen hinsichtlich der ihr gewidmeten Sendezeit (vgl. Pfetsch 1996: 438). Da öffentlich-rechtliche Sender mehr Zeit für politische Informationen zur Verfügung stellen, kann vermutet werden, dass sie auch eher über die nationalen Akteure und Themen hinausschauen und daher stärker europäisiert sind:

(H3) Die Politikberichterstattung öffentlich-rechtlicher Fernsehprogramme weist einen höheren Grad an Europäisierung auf als die Politikberichterstattung privater Fernsehprogramme.

[...]


[1] Die von Eder (2000) geprägte Vorstellung von segmentierten transnationalen Themenöffentlichkeiten, in denen politische Akteuren nicht öffentlich unter Verzicht von Massenmedien kommunizieren kann den formulierten Anforderungen an Öffentlichkeit nicht gerecht werden und wird daher in dieser Arbeit nicht weiter thematisiert.

[2] Firmstone (2008) befragt in ihrer Studie Journalisten des Wall Street Journal, der International Herald Tribune, der Financial Times Europe und der European Voice.

[3] Diese Kategorien sind „national media with a transnational mission“ (z.B. Deutsche Welle), „international media“ (z.B. Arte), „pan-regional media“ (z.B. Euronews) und „global media“ (z.B. Le Monde diplomatique) (vgl. Brüggemann/ Schulz-Forberg 2008: 81-91).

[4] Befragte mit geringem Bildungsniveau, hoher sozialer Benachteiligung und geringem Einkommen schätzen ihr Wissen über die EU signifikant häufiger als mangelhaft ein.

[5] Der Wissenstest beinhaltete drei Fragen: zur Anzahl der Mitgliedsstaaten, der Art, wie das Europäische Parlament gewählt wird und zur Nicht-Mitgliedschaft der Schweiz in der EU.

Details

Seiten
Erscheinungsform
Erstausgabe
Jahr
2012
ISBN (PDF)
9783956845475
ISBN (Paperback)
9783956840470
Dateigröße
1 MB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Freie Universität Berlin
Erscheinungsdatum
2015 (Februar)
Note
1
Schlagworte
Medienöffentlichkeit Transnationalisierung Öffentlichkeit Fernsehen Massenmedien Medien

Autor

Enrico Günther, B.A., wurde 1987 in Neubrandenburg geboren. Sein Studium der Publizistik- und Kommunikationswissenschaften der Freien Universität Berlin schloss er 2012 erfolgreich mit dem akademischen Grad Bachelor of Arts ab. Während seines Studiums in Berlin und Nizza, Frankreich, beschäftigte sich der Autor mit Phänomenen öffentlicher und politischer Kommunikation in Europa und wirkte an mehreren DFG-geförderten Forschungsprojekten mit.
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Titel: Die Europäische Union in nationalen Massenmedien: Eine Studie zum Europäisierungsgrad deutscher Fernsehnachrichten
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