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Physiologische Anpassungen an den Laufsport: Gezieltes Training zur Auslösung von Anpassung Erscheinungen

©2012 Diplomarbeit 68 Seiten

Zusammenfassung

Die vorliegende Arbeit thematisiert die gesundheitserhaltenden und physiologischen Wirkungen von Ausdauersportarten, insbesondere die des Laufsports, auf den menschlichen Körper. Es findet ein Vergleich zwischen Sportlern und Nichtsportlern statt, bei welchem verschiedene Trainingsreize und Anpassungen des Körpers erörtert werden. Des Weiteren werden sowohl verschiedene Möglichkeiten des Trainings, die zu einer gezielten Adaptation des Körpers führen als auch mögliche pathologische Veränderungen durch falsche Trainingsintensitäten und Trainingsreize aufgezeigt. Der Fokus dieser Arbeit liegt dabei auf den direkten Vergleich von Laufsport zu anderen Sportarten.

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


2. Kapillarisierung der Muskulatur

Der Begriff „Kapillarisierung“ wird in der Literatur unterschiedlich verwendet. Es kann sich hierbei um eine Öffnung von Ruhekapillaren, eine Verlängerung und Erweiterung von vorhandenen Kapillaren oder um eine echte Kapillarneubildung handeln (Hollmann & Hetinger 1980).

In Ruhe sind nur etwa 3-5 % der Kapillare gleichzeitig geöffnet. Bei einer Ausdauerbelastungen sind sämtliche Kapillaren geöffnet und zusätzlich erweitert. Dadurch ergibt sich eine Vergrößerung der Gesamtoberfläche auf das 100 fache. Diese Vergrößerung ist notwendig, um zu gewährleisten, dass bei erhöhter Schlagfrequenz die Verweilzeit des Blutes in den Kapillaren gleich bleibt und somit Sauerstoff und Substrat Austausch stattfinden können.

Ausdauertraining führt zu einer Erhöhung der Kapillardichte durch Kapillarneubildung (Weineck 2010b). Die Kapillardichte ist bei den Slow Twitching - Fasern deutlich höher als bei den Fast Twitching-Fasern.

2.1. Trainingsreize für Kapillarneubildung

Voraussetzung für die Kapillarisierung der Muskulatur ist eine Belastung über einen Zeitraum von mindestens 30 Minuten und einem erhöhten Arbeitsblutdruck > 160 mmHg systolisch. Aus Kapillarisierung resultiert eine erhöhter Gesamtgefäßquerschnitt, der eine Stabilisierung bei erhöhtem Blutdruck zufolge hat.

2.2. Bildung von Anastomosen und Kollateralen

Im Rahmen der Kapillarneubildung kommt es auch zu vermehrten Querverbindungen (so genannten Anastomosen) zwischen den Kapillaren. Neben der Kapillarneubildung soll es durch Ausdauertraining auch zur Entwicklung von Kollateralen kommen (Weineck 2010b). Als kollaterale Bildung wird ein Gefäßzuwachs der parallel zu den Hauptarterien verläuft bezeichnet. Kommt es zu einem Gefäßverschluss können die kleineren Kollateralgefäße die Blutströmung übernehmen. Somit wird ein Absterben des betroffenen Gewebes (Infarkt) vermieden. Für die Entwicklung von Kollateralgefäßen ist eine erhöhte Strömungsgeschwindigkeit des Blutes erforderlich.

3. Auswirkung auf das pulmonale System

Bei einem gesunden Menschen ist die Lungendiffusionskapazität normalerweise nicht leistungsbegrenzend. Für die Lungen gibt es daher kaum funktionelle Anpassungen an Ausdauerbelastungen. Lungenvolumen, Alveolen (ca. 300 Mio), und Gesamtoberfläche (ca. 80-120 m²) sind genetisch vorgegeben. Lediglich die Blut-Luft-Schranke und die Atemmuskulatur passen sich durch Ausdauerbelastung an. Unter Blut-Luft-Schranke wird die Distanz zwischen Alveolarepithelzellen und den Kapillarendothel bezeichnet. In der Blut-Luft Schranke findet die Diffusion der Atemgase statt. Die Distanz zwischen Alveolen und Kapillaren beträgt zwischen 0,2 und 2,2 µm. Im Gegensatz zur Lungendiffusionskapazität ist die maximale Sauerstoffaufnahme Kapazität sehr wohl eine leistungslimitierende Größe. Die VO2max stellt das Bruttokriterium der Ausdauerleistungsfähigkeit dar und spielt bei allen aeroben Ausdauerleistungen (Kurzzeitausdauer (KSZ), Mittelzeitausdauer (KZA) und Langzeitausdauer (LZA) eine wichtige Rolle (Weineck 2010 b). Je höher die VO2max, desto höher kann die Intensität einer Ausdauerbelastung und Dauerleistung sein, ohne eine „Sauerstoffschuld“ eingehen zu müssen – ohne zu übersäuern.

3.1. VO2max

Die maximale Sauerstoffaufnahme (VO2max) bedeutet das maximale Transportvermögen von Sauerstoff aus der Atemluft in die Arbeitsmuskulatur.

Sie ist das Maß für:

1. die Sauerstoff-Zufuhr (Atmung),
2. den Sauerstoff-Transport (Herz-Kreislauf-System) und
3. die Sauerstoff-Verwertung (Muskelzelle).

3.2. Der Gasaustausch:

Gasaustausch bedeutetet: Übertritt von Sauerstoff (O2) aus der eingeatmeten Luft ins arterielle Blut und Übertritt von Kohlendioxid (CO2) vom venösen Blut in die Lunge. Das Angebot an O2 wird dabei bei weitem nicht ausgenutzt. Es wird also bei jedem Atemzug weit mehr Sauerstoff durch die Lungen aufgenommen als tatsächlich ins Blut gelangt. Ein Teil des vorhandenen Sauerstoffs wird ausgeatmet. Daher bedeutet ein großes Lungenvolumen alleine nicht automatisch eine hohe Sauerstoffaufnahmefähigkeit (VO2max).

3.3. Der Sauerstofftransport

Der Blutkreislauf transportiert O2 zu den Organen und der Muskulatur. Die Erythrozyten erfüllen die Transportfunktion. Nachdem der Blutkreislauf vom Herz aufrechterhalten wird, ist Blut und Herz als eine funktionelle Einheit: das Herzkreislaufsystem anzusehen. Je höher die vom Herz geförderte Blutmenge umso mehr O2 wird ins Blut aufgenommen. Daher ist das Herzminutenvolumen limitierend für die VO2max. Des Weiteren ist die Transportkapazität von der Anzahl der Erythrozyten und damit vom Hämoglobin abhängig. Hier gibt es im menschlichen Körper Anpassungen an die Transportanforderungen die durch Ausdauersport an den Organismus gestellt werden.

3.4. Die Sauerstoffverwertung

Diese beinhaltet die Aufnahme des von den Erythrozyten freigegebenen Sauerstoffs in die Zellen der arbeitenden Muskulatur. Nachdem der Übertritt durch direkten Kontakt der Kapillare mit der Muskelzelle stattfindet, ist die Ausprägung der Kapillarisierung hier ein limitierender Faktor. Ausdauertrainierte haben somit eine bessere Sauerstoffausschöpfung in der Muskulatur. Des Weiteren kommt es durch Vermehrung der Mitochondrien in der Muskelzelle zu einer Erhöhung der aeroben Muskelstoffwechselkapazität.

4. Auswirkung auf Blut und dessen Viskosität

Eine weitere wichtige Größe beim Sauerstofftransport stellt die Viskosität des Blutes dar. Das Blut verbindet die Sauerstoffaufnehmenden und – abgebenden Organe mit den Körperzellen. Das Blut ist wegen seiner Sauerstofftransportkapazität von größter Bedeutung im Ausdauersport.

„Grundsätzlich hängt die aerobe Leistungsfähigkeit von 4 Faktoren ab:

- Sauerstoffdiffusionskapazität der Lungen
- Maximales Herzminutenvolumen
- Sauerstofftransport Kapazität des Blutes und
- Kapillar und Mitochondrien dichte der Muskulatur.“ (Thomasits & Haber 2011)

4.1. Auswirkung auf Blutmenge und Erythrozyten

Die Blutmenge eines Erwachsenen beträgt ca. 8% seines Körpergewichts. Ein ca. 70 kg schwerer Mann hat somit in etwa 5 l Blut. Im arteriellen Blut befinden sich ca. 20 Vol % Sauerstoff. Ein Liter Arterielles Blut beinhaltet somit ca. 200 ml Sauerstoff. Im venösen Blut sind es nur mehr ca. 20 ml. Die gesamt Blutmenge kann durch Training um 1-2 l erhöht werden. Dies ist zugleich eine Möglichkeit die gesamt Erythrozyten und somit den Hämoglobin Wert zu erhöhen. Die Hämoglobin-Konzentration bleibt dabei gleich. Die Faktoren, welche die Kapazität beeinflussen, sind die Erythrozyten und das darin enthaltene Hämoglobin. Dabei kann 1 g Hämoglobin 1,33 ml Sauerstoff binden. Normal hat Blut einen Hämoglobinwert von 15g/dl.

Tabelle 1: Blutmenge und Zusammensetzung (Weineck 2010a)

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Wie in Tabelle 1 zu sehen, nehmen mit steigender Ausdauerbeanspruchung die Blutmenge (ml/kg), und gleichzeitig das Erythrozyten Volumen (ml/kg) zu. Die Zunahme der Erytrozythen ist aber nur auf die Zunahme des Blutvolumens zurückzuführen. Die Menge an Erytrozythen pro ml Blut bleibt dabei gleich. Die Zunahme des Blutvolumens läuft nach dem Prinzip „Mehr vom Gleichen“. Die Qualität der Erythrozyten bleibt gleich, lediglich die Gesamtmenge wird erhöht.

4.2. Wirkung von Höhentraining auf die Blutzusammensetzung

Eine weitere Möglichkeit zur Beeinflussung der Blutzusammensetzung stellt das Höhentraining dar. Aufgrund des Sauerstoffmangels in Höhenlagen wird der Körper gezwungen, sich den Gegebenheiten anzupassen. Betroffen davon sind sowohl das Herz-Kreislauf-System als auch die Produktion der roten Blutkörperchen. Voraussetzung für eine kurzfristige Anpassung ist es, den Organismus über einen längeren Zeitraum, mindestens 4 Wochen, den Höhenlagen auszusetzen.

„Um durch Höhentraining eine Vermehrung der roten Blutkörperchen zu erreichen, müssen täglich 16 Stunden auf 2500 m Höhe mindestens 4 Wochen trainiert werden“ (Thomasits & Haber 2011).

Sobald sich der Organismus wieder in normaler Höhe befindet, hat er einige Tage eine erhöhte Sauerstofftransportkapazität, ehe die nicht benötigten Erythrozyten wieder abgebaut werden. Nachdem es sich hierbei nur um eine kurzanhaltende Anpassung und keine langfristige Anpassung handelt, wird diese Methode in diesem Buch nur am Rande erwähnt.

4.3. Funktionen von Blut im Organismus

Neben dem Sauerstofftransport werden vom Blut auch noch andere wichtige Funktionen übernommen z.B.:

- Pufferfunktion: Durch Bindung der im Stoffwechsel entstandenen Wasserstoffionen an die Pufferkapazität des Blutes (Bikarbonat, Hämoglobin, Proteinat und Phosphat) wird der PH-Wert des Blutes reguliert.
- Transport von Stoffwechselprodukten,
- Wärmeregulation,
- Nährfunktion: Versorgung der Zellen mit Nährstoffen (Fetten, Kohlenhydraten, und Eiweißen)

4.4. Sauerstoffsättigung

Es wird nie das komplette Hämoglobin mit Sauerstoff angereichert. Im Ruhezustand sind nur in etwa 5 Vol% am oxidativen Stoffwechsel beteiligt. Gemessen wird die Sauerstoffsättigung durch den Anteil an Oxyhämoglobin am Gesamthämoglobin. „Unter Belastung kann die Sauerstoffaufnahme um das fast 3-fache auf maximal 13-15 Vol% gesteigert werden“ (Thomasits & Haber 2011).

Der Austausch des Sauerstoffs geschieht durch Diffusion, nachdem der Sauerstoffdruck in den Kapillaren höher ist als der in den Zellen. Dieses Sauerstoffgefälle ermöglicht die Diffusion.

5. Sportherz Entwicklung

Das Herz (core) versorgt vorwiegend die Organe und die Skelettmuskulatur ausreichend mit Sauerstoff und Blut. Der Herzmuskel ist ein Hohlorgan, das im Gegensatz zur ebenfalls quergestreiften Skelettmuskulatur nicht willkürlich angesteuert werden kann. Die Erregungsbildung entsteht im Sinusknoten. Dieser liegt im rechten Vorhof und fungiert als synchronisierender Schrittmacher. Von hier aus breitet sich die Erregung über die Muskelfasern aus.

Die Ansteuerung wird über das Nervensystem nach dem „feed forward“ und dem „feed back“ Kontrollprinzip gesteuert.

- Feed Forward: vor dem Start eines Sprints wird das Herzkreislaufsystem aktiviert und
- Feed Back: bedarfsorientiert - über Rezeptoren in den Muskelfasern, die einen Mehrbedarf an Sauerstoff und Blut an das Zentrale Nervensystem (ZNS) melden.

5.1. Wirkung des vegetativen Nervensystems auf das Herz

Des Weiteren wird das Herz über das vegetative Nervensystem autonom angesteuert. Der Sympathikus wirkt auf das Herz-Kreislaufsystem aktivierend; der Parasympathikus hemmend. Das sympathische Nervensystem wird durch Ausschüttung von Adrenalin und Noradrenalin angeregt; das parasympathische Nervensystem durch Acetylcholin. Beim gesunden Menschen überwiegt in Ruhe die parasympathische Aktivität. Bei sportlicher Betätigung wird zuerst die parasympathische Aktivität reduziert und sodann die sympathische Aktivität erhöht.

5.2. Durchblutung

Auch die Blutversorgung verschiebt sich zugunsten der Arbeitsmuskulatur drastisch. Während in Ruhe ca. 45 % des Herzminutenvolumens (HMV) für Nieren und Leber verwendet werden, werden diese bei maximaler dynamischer Belastung nur mehr mit etwa 4% versorgt. Sogar der Anteil des HMV der für das Gehirn verwendet wird, wird von ca. 15 % auf ca. 3 % reduziert. Die Blutversorgung der Muskulatur steigt von etwa 10-20 % auf bis zu 85 % des HMV (Rost 2005).

Bei körperlicher Anstrengung, vor allem Ausdauerbelastung, kommt es im Leistungssport zu einer chronischen Mehrbelastung des Herz-Kreislaufsystems. Um den erhöhten Anforderungen standzuhalten, passt sich der Körper an. Dies bewirkt eine erhöhte kardiovaskuläre Leistungsfähigkeit und eine höhere maximale Sauerstoffaufnahme. Man unterscheidet regulative und strukturelle Anpassungen.

5.3. Regulative Anpassungen des Herzens

Die regulativen treten in der Regel vor den strukturellen Anpassungen ein. Eine der ersten regulativen Anpassungen ist die Steigerung der parasympathischen Aktivität in Ruhe. Zugleich wird der sympathische Tonus bei Belastung verzögert. Da es sich hier um eine regulative Anpassung handelt, werden die Kontraktilität und das Schlagvolumen kaum beeinflusst. Der mittlere Blutdruck wird durch ein leicht erniedrigtes Herzminutenvolumen gesenkt.

5.4. Strukturelle Anpassung (physiologische Hypertrophie)

Wenn die Trainingsbelastung die individuelle Grenze überschreitet, kommt es zur Herzhypertrophie. Gesichert gilt das für die Entwicklung eines Sportherzens ein Trainingsvolumen von mindestens 3-4 Stunden/Woche notwendig ist. Die Trainingsintensität sollte im A3- zum Teil A4- liegen. Die größten Sportherzen wurden bei Athleten gefunden, deren Wettkämpfe zwischen 10-90 Minuten betragen - mit sehr hoher zum Teil anaerober Belastung. Das Ausmaß der Hypertrophie ist von Individuum zu Individuum unterschiedlich. Gleiche Ausdauer aufgrund von Belastungen und Trainingsumfang bewirken unterschiedliche Anpassungserscheinungen. Somit sei festgehalten, dass ein Sportherz zwar ein Indikator für hohe sportliche Leistungsfähigkeit ist. Dies bedeutet aber nicht unbedingt, dass eine Person die kein Sportherz entwickelt hat, weniger leistungsfähig ist – oder in einem geringeren Umfang Sport betreibt.

5.5. Geschichte der Sportherzdiagnostik

Im 19. Jahrhundert wurde lange die Meinung vertreten, Sport sei ungesund, da er zu einer Vergrößerung des Herzens führt. Grund für diese Annahme waren die Entdeckungen des Wiener Arztes Prof. Carl von Rokitansky 1849. Er stellte bei Autopsien Gewichte von bis zu 1 kg fest und benannte dieses aufgrund des enormen Gewichts „ox heart“ oder „cor bonvinum“. Erst 1899 konnte der finnische Arzt Henesch durch eine Studie die „physiologische Hypertrophie“ bei Skilangläufern belegen - „Heart of the athlete“.

5.6. Physiologie des Sportherzens

Das Sportherz ist ein gesundes und vergrößertes Herz, gekennzeichnet durch eine physiologische Erweiterung aller Herzkammern mit Hypertrophie (Verdickung) der Herzmuskulatur. Die Hypertrophie geht immer einher mit einer gleichzeitigen Erweiterung der Herzkranzgefäße, um die entsprechende Durchblutung sowie Sauerstoffversorgung, des starken Herzmuskels zu gewährleisten. Es kann sogar zu einer Vergrößerung des Herzkranzgefäßbettes durch Ausbildung von Kollateralen kommen. Es handelt sich hierbei also um einen optimal durchbluteten überdurchschnittlich leistungsfähigen Herzmuskel. Im Gegensatz zu einem krankhaft vergrößerten Herzen (z.B. „Hochdruckherz Cor hypertonicum) besitzt ein Sportherz immer ein optimiertes Herzkranzgefäßsystem.

5.7. Vergleich Normales Herz zu Sportherz

Durch die Erweiterung der Ventrikel beim Sportherz erhöht sich das Herzvolumen. Die Herzgröße von Normalpersonen beträgt 10-12 ml/kg Körpergewicht, bei Männern und 9-11ml/kg bei Frauen. Bei Hochleistungsausdauersportlern wie z.B. Rik van Steenbergen wurden Herzvolumen von bis zu 1700 ml gemessen.

Ein Grenzwert von 20 ml/kg wird dabei nicht überschritten. Auch wird das sogenannte „kritische Herzgewicht“ von 7,5 g/kg (im Mittel ca. 500 g) meist nicht überschritten. Ein enddiastolischer Durchmesser des linken Ventrikels von 60 mm sowie eine enddiastolische Wanddicke von 13 mm werden auch nicht überschritten. Wie in Abbildung 6 gezeigt wird, sind große Unterschiede zwischen einem trainierten und untrainierten Herzen festzustellen.

„Offensichtlich hält das Herz in seiner Trainingsanpassung eine Grenze ein, die als biologisch „vernünftig“ empfunden wird. Die genauen physiologischen Grundlagen des Trainingsreizes und insbesondere die Gründe, die zu einer Beendigung des Wachstums führen, sind allerdings bis heute nicht hinreichend bekannt“ (Graf & Rost 2001).

Ein Grund für die Beendigung des Herzwachstums dürfte darin liegen, dass die Diffusionsstrecke zwischen den kapillaren Gefäßen und dem Zellinneren der Muskelfaser zu groß wird, was den Zelltod bedeuten würde.

Strukturell werden alle 4 Herzkammern „harmonisch“ hypertrophiert. Bei genauerer Betrachtung echokardiographischer und magnetresonanztomographischer Untersuchungen lässt sich jedoch bei der Vergrößerung der Herzhöhlen eine leichte Betonung des rechten Ventrikels feststellen. Im Gegensatz zu pathologisch veränderten Herzen geht sie Sportherzentwicklung immer mit einer Zunahme der innen Volumina immer mit einer Zunahme der Wanddicke einher. Die maximale systolische Wandspannung bleibt also annähernd gleich. Mit der Entwicklung des Sportherzens ist auch eine Erweiterung der Lungenvene festzustellen. Bedingt durch das größere Herzvolumen steigt auch die Förderleistung des Herzens.

5.8. Vergrößertes Schlagvolumen durch Sportherz Entwicklung

Durch den hypertrophierten Muskel kann ein größeres Schlagvolumen ausgeworfen werden. Als Schlagvolumen wird jene Blutmenge bezeichnet, die pro Herzschlag ausgeworfen wird. Das Herz fördert gerade soviel Blut wie für die Durchblutung aller Organe und eine Versorgung mit Nährstoffen und Sauerstoff benötigt wird. Das Herzminutenvolumen (HMV) ist die Blutmenge die in einer Minute aus dem Herz in den Kreislauf gepumpt wird.

Herzminutenvolumen = Schlagvolumen x Herzfrequenz

Untrainiertes Herz: SV 70 ml x HF 70/min = 4900 ml

Trainiertes Herz: SV 100 ml x HF50/min = 5000 ml

SV 140 ml x HF 35/min = 4900 ml

Im obigen Beispiel wird eine niedrigere Herzfrequenz durch ein durch Ausdauersport erhöhtes Schlagvolumen kompensiert. Es wird von einem Minuten Volumen von 5 l ausgegangen.

Dies bedeutet für das Sportherz: Je höher das Schlagvolumen ist, desto niedriger kann die Herzfrequenz sein, um den Kreislauf und die bedarfsgerechte Organdurchblutung aufrecht zu erhalten. Durch die trainingsbedingte kardiale Vagotomie, die vor allem durch extensives Grundlagen- Ausdauertraining erreicht wird, ergibt sich durch die Entwicklung des Spotherzes ein niedriger Ruhepuls. Vagotomie beschreibt die Verschiebung des vegetativen Gleichgewichts vor allem in Ruhe zugunsten des Parasympathikus, dessen Hauptnerv der Vagus ist. Das Sportherz kann also in Ruhe mit einer weit geringeren Herzfrequenz das gleiche Minuten Volumen realisieren (HMV= SVx HF).

Bei Spitzenausdauersportlern wurde ein Ruhepuls (Puls direkt nach dem morgendlichen Erwachen) von unter 30 Schlägen pro Minute gemessen. Bei einer derartig niedrigen Herzfrequenz kommt es zu Problemen beim Einschlafen, weil das Herz „stärker“ kontrahiert, was in der Ruhe als unangenehm empfunden wird.

Da pro Herzschlag nur ein Teil des Herzblutvolumens ausgeworfen wird (Schlagvolumen), bleibt dem Sportherz aufgrund des vergrößerten Herzvolumens ein größeres Restvolumen das erst mit zunehmender körperlicher Belastung ausgeschöpft wird. Ein Sportherz ist somit in der Lage weit länger den Mehrbedarf an Blut und Sauerstoff durch Erhöhung des Schlagvolumens aufrecht zu erhalten bevor es die Herzfrequenz erhöhen muss. Ein untrainiertes Herz hingegen hat nur eine geringere Hubreserve – somit wird ein Anstieg der Herzfrequenz bereits bei geringerer Belastung notwendig.

Das Herzminutenvolumen eines Spitzen Ausdauersportlers liegt bei 50 Liter pro Minute; das Herzminutenvolumen bei untrainierten bei maximal 20 Liter. Die maximale Sauerstoffaufnahme (VO2max) ist proportional vom Herzminutenvolumen abhängig. Da die Herzfrequenz eine durch Genetik und Alter limitierte Größe ist, wird klar, wie stark sportliche Leistungsfähigkeit vom Schlagvolumen abhängig ist. Je größer das Herzminutenvolumen ist, umso mehr Blut und somit Sauerstoff gelangt zur Arbeitsmuskulatur. Die Ausbildung eines Sportherzens ist nicht altersbegrenzt!

Untersuchungen zeigen jedoch, dass nicht jeder spitzen Ausdauersportler ein Sportherz entwickelt. Ein Rückschluss von der Herzgröße auf die Leistungsfähigkeit oder gar auf den Trainingsfortschritt ist daher nicht immer möglich. Daraus folgt auch dass der Ruhepuls allein nichts über die eigentliche Leistungsfähigkeit aussagt.

5.9. Arten der Herzhypertrophie

Die Herzhypertrophie kann auf zwei unterschiedlichen Wegen geschehen

1) Vergrößerung des Herzvolumen oder
2) Vergrößerung der Herzwanddicke.

Bei der synchronen Zunahme von Volumen und Herzwanddicke wurde bisher von „exzentrischer“ oder „harmonischer“ Hypertrophie gesprochen. Diese Definition ist zwischenzeitlich überholt, nachdem festgestellt wurde, dass bei den meisten Sportarten entweder das Volumenwachstum oder das Wachstum der Herzwanddicke überwiegt.

„Eine konzentrische Hypertrophie ist nicht mit einer physiologischen Herzhypertrophie im Sinne eines Sportherzens vereinbar. Es sei ausdrücklich betont, dass nur physiologische, strukturelle Anpassungen an eine belastungsbedingte Volumenbelastung als Hypertrophie bezeichnet werden sollten“ (Dickhut et al 2001).

Allgemein lässt sich feststellen, dass kraftbetonte Sportarten eher zu einer Vergrößerung der Wanddicke und ausdauerbetonte Sportarten eher zu einer Vergrößerung des Volumens führen.

Die signifikantesten Adaptationen in beiden Kriterien weisen somit Ruderer, Schwimmer und Radfahrer auf. Radfahrer können sogar beide Faktoren fast verdoppeln (95 % zu 100 %).

Demnach scheinen Sportarten mit dynamisch-isotonischen und statisch-isometrischen Belastungsformen die günstigsten Voraussetzungen für ein harmonisches Herzwachstum zu haben. Je niedriger der sportartenspezifische Anteil der muskulären Arbeit ist, desto geringer scheint auch die Wanddicke zuzunehmen und desto gravierender werden die Differenzen beider Effekte). Dies trifft auch im Umkehrschluss zu. Besteht die Belastung überwiegend aus einer Beanspruchung von Kraftpotentialen einer starken Ausdauerbelastbarkeit, wie es beim Rudern typisch ist, übersteigt die prozentuale Steigerung der Wanddicke (etwa um 95 % gesteigert) die des Volumens (ca. 70 % Steigerung). Besonders starke Unterschiede beider Effekte treten bei nahezu reinen Maximalkraftbeanspruchungen auf. Gewichtheber weisen eine um 60 %, Ringer eine um 50 % zugenommene Wanddicke, bei lediglich 20 % gesteigertem Kammervolumen auf.

Schlussfolgernd kann festgestellt werden, dass der Volumenzuwachs des Sportherzens mit abnehmenden ausdauerfordernden Beanspruchungen im Belastungsanteil geringer wird. Ein steigender Kraftanteil in der Belastung geht mit einer erhöhten Wanddicke einher (Atchley & Douglas 2007).

5.10. Rückbildung des Sportherzens

Das Sportherz bildet sich in etwa mit der gleichen Geschwindigkeit wie die Skelettmuskulatur zurück. Es gibt Hinweise darauf, dass die Rückbildungsgeschwindigkeit von der Bestandsdauer des Sportherzens abhängt. Ein erneuter Trainingsbeginn führt schneller zur einer erneuten Ausbildung eines Sportherzens als bei Anfängern. Nach jahrzehntelangem Ausdauertraining bildet sich das Sportherz in Einzelfällen nicht komplett zurück. Es bleibt leicht vergrößert und leistungsfähiger - ist nach wie vor physiologisch und nicht pathologisch.

Leider wird von Laien oft fälschlicherweise davon ausgegangen, dass ein Hochleistungssportler nach Beendigung seiner Kariere sein Sportherz erst durch schrittweise Reduktion des Trainingsumfangs „abtrainieren“ muss, um kardiologische Schädigungen zu vermeiden. Mittlerweile gilt aber als gesichert dass das Herz sich nicht anders als ein Skelettmuskel zurückbildet. „Allerdings kann es in der Übergangsphase zu Störungen im nervösen Gleichgewicht kommen, die vom Sportler unangenehm vermerkt werden, zum Beispiel zu in der Regel harmlosen Herzrhythmusstörungen“ (Rost et al 2005). Man spricht in diesen Zusammenhang auch vom Sportentzugssyndrom oder akutem Entlastungssyndrom (Graf & Rost 2001).

Neben Herzminutenvolumen, Herzfrequenz etc. ist der Blutdruck eine entscheidende Größe. Er beschreibt den Kraftaufwand, den der Muskel aufwenden muss, um das Blut durch den Körper zu pumpen.

Man unterscheidet:

- Systolisch (während der Ausbreitung) und
- Diastolisch (während der Erschlaffung).

Die Differenz zwischen systolischen und diastolischen Blutdruck wird als Blutdruckamplitude bezeichnet. Der Druck ist an unterschiedlichen Stellen unterschiedlich hoch. In der Lungenschlagader ist er weit geringer als in den Schlagadern des Körperkreislaufs. Während sportlicher Belastung wird von einer Erhöhung des Blutdrucks ausgegangen. Langfristig ist aber ein Absinken des Blutdrucks in Ruhe zu erwarten (Graf & Rost 2001).

5.11. Prävention vor kardiovaskulären Erkrankungen

Eine weitere wichtige Bedeutung hat Sport in der Prävention von Herzerkrankungen.

„In einer großen Zahl von epidemiologischen Studien konnte der Nachweis erbracht werden, dass regelmäßige körperliche Aktivität unabhängig von anderen kardiovaskulären Risikofaktoren, wie Herz- Kreislauferkrankungen, in der Größenordnung eines Faktors von 2-3 schützt und mit einer deutlichen Reduktion der kardiovaskulären Mortalität einhergeht“ (Halbwachs 2000).

Aufgrund von Metanalysen wurde bewiesen, dass es eine kausale Beziehung zwischen sitzendem Lebensstil und dem Risiko für koronare Herzerkrankungen gibt. Beachtenswert ist auch, dass in zwei Drittel aller Studien nachgewiesen wurde, dass es einen antiproportionalen Zusammenhang zwischen der Belastungsintensität sowie der Häufigkeit und dem Risiko für Herzerkrankungen gibt (siehe Tabelle 2).

Tabelle 2: Auswirkung von Sport auf die Mortalität (Halbwachs 2000)

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

RR= relativ Risk, bezieht sich auf das relative Risiko des Todes. Das Risiko inaktiver Personen wird mit dem Wert 1 definiert. Die Werte der Gruppen mit größerer Aktivität stehen immer in Beziehung zum Wert 1 dieser Gruppe, d.h. RR=0,5 bedeutet, dass das Risiko des Todes für diese Gruppe nur halb so hoch ist, wie für die Inaktiven. Die Gruppe der niedrigsten Aktivität ist immer mit 1 gesetzt, sie wird jedoch nicht extra angeführt, es werden nur Risikowerte der Gruppen höherer Aktivität angegeben.

% of man years= Anzahl der Probanden mit deren Alter multipliziert, in Prozentwerten (Alle Gruppen =100%)

n= Anzahl der Probanden.

5.12. Gesamtmortalität

Neben der bereits erwähnten Auswirkung auf die Herzgesundheit und Mortalität, lässt sich auch eine positive Beeinflussung auf die Gesamtmortalität beobachten. Auch wenn andere Risikofaktoren wie Rauchen, Bluthochdruck und Cholesterin, berücksichtigt werden, weisen die sportlich aktiveren Gruppen eine geringere Mortalität als inaktive Gruppen auf. „Vereinfacht gesagt: Wer körperlich aktiv ist, hat selbst, wenn er die erwähnten Risikofaktoren aufweist, eine größere Überlebenschance als der körperlich inaktive ohne Risikofaktoren“ (Halbwachs 2000). Dieser Effekt der Senkung der vor allem kardiovaskulären Mortalität lässt sich sogar dann noch feststellen, wenn erst im höheren Alter mit körperlicher Aktivität begonnen wird.

„Demnach kann auch derjenige der erst im hohen Alter körperlich aktiv wird, noch die Vorteile der verminderten Mortalität haben und somit länger leben“ (Halbwachs 2000).

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Details

Seiten
Erscheinungsform
Erstausgabe
Jahr
2012
ISBN (PDF)
9783956845079
ISBN (Paperback)
9783956840074
Dateigröße
1.2 MB
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2015 (Februar)
Note
2
Schlagworte
Superkompensation Muskulatur Kapillarisierung Sportherz Laufsport
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