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Die Bahnreform im Kontext nachhaltiger Verkehrspolitik: Ein Vergleich zwischen Deutschland und der Schweiz

©2013 Bachelorarbeit 65 Seiten

Zusammenfassung

In den letzten zwanzig Jahren wurde der Schienenverkehrssektor in Europa grundlegend reformiert, so auch in Deutschland und der Schweiz. Die Schweiz gilt im europäischen Schienenverkehr als Positivbeispiel. Trotz der unterschiedlichen Rahmenbedingungen war beiden Reformen die Absicht gemein, vor dem Hintergrund zunehmend harten intermodalen Wettbewerbs zwischen Straße und Schiene Konkurrenzaspekte in das damalig vom Staat dominierte und kontrollierte Eisenbahnwesen einzuführen.
Gegenstand dieses Buches ist eine vergleichende Analyse unter historischer Betrachtung der einzelnen Reformschritte, ihrer Auswirkungen auf den Anteil des Verkehrsträgers Schiene an der Verkehrsleistung der Verkehrsträger insgesamt (Modal Split), sowie sozialer, ökonomischer und ökologischer Gesichtspunkte.
Unter Berücksichtigung der unterschiedlichen staatlichen Gegebenheiten werden beide Reformen hinsichtlich ihres Erfolges beurteilt und es wird untersucht, ob eine Reform als eindeutig erfolgreicher als die andere bewertet werden kann. Abschließend werden Handlungsempfehlungen für eine Fortführung im Sinne der ursprünglichen Zielabsichten aufgezeigt sowie ein Ausblick auf die kommenden Jahre gegeben.

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


Inhaltsverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Tabellenverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

1 Einleitung
1.1 Ziel der Arbeit
1.2 Aufbau der Arbeit
1.3 Drei-Säulen-Konzept der Nachhaltigkeit

2 Rechtspolitische Lage im Schienenverkehrssektor in Deutschland
2.1 Betrachtungen bis 1994
2.2 Richtlinie 91/440/EWG
2.3 Betrachtungen ab 1994
2.3.1 Zielabsichten der Bahnreform
2.3.2 Erste Stufe der Bahnreform
2.3.3 Zweite Stufe der Bahnreform

3 Rechtspolitische Lage im Schienenverkehrssektor in der Schweiz
3.1 Betrachtungen bis 1999
3.2 Betrachtungen ab 1999
3.2.1 Zielabsichten der Bahnreform
3.2.2 Erste Stufe der Bahnreform
3.2.3 Zweite Stufe der Bahnreform

4 Auswirkungen
4.1 Verkehrlich (Modal Split)
4.1.1 In Deutschland
4.1.2 In der Schweiz
4.2 Soziale Effekte
4.2.1 In Deutschland
4.2.2 In der Schweiz
4.3 Ökonomische Effekte
4.3.1 In Deutschland
4.3.1.1 Fiskalpolitisch
4.3.1.2 Wettbewerblich
4.3.1.2.1 Markt für Schienenpersonenfernverkehr (SPFV)
4.3.1.2.2 Markt für Schienenpersonennahverkehr (SPNV)
4.3.1.2.3 Markt für Schienengüterverkehr
4.3.1.3 Unternehmerisch
4.3.2 In der Schweiz
4.3.2.1 Fiskalpolitisch
4.3.2.2 Wettbewerblich
4.3.2.3 Unternehmerisch
4.4 Ökologische Effekte
4.4.1 In Deutschland
4.4.2 In der Schweiz

5 Wertung der Reformen
5.1 Vergleichbarkeit
5.2 Zusammenführende Gegenüberstellung

6 Fazit

Literaturverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: Organigramm DB-Konzern (Quelle: DB AG 2013b, S. 55)

Abbildung 2: Organigramm SBB Konzern (Quelle: SBB AG 2013b, S. 77)

Abbildung 3: Verkehrsleistung im Personenverkehr (Quelle: Eigene Darstellung auf Grundlage von DIW 2012, S. 218-221 & DIW 2013, S. 218-221)

Abbildung 4: Verkehrsleistung im Güterverkehr (Quelle: Eigene Darstellung auf Grundlage von DIW 2012, S. 244-247 & DIW 2013, S. 244-247)

Abbildung 5: Verkehrsleistung im Personenverkehr (Quelle: Eigene Darstellung auf Grundlage von BFS 2012b, o.S.)

Abbildung 6: Verkehrsleistung im Güterverkehr (Quelle: Eigene Darstellung auf Grundlage von BFS 2013, o.S.)

Abbildung 7: Anteil der Züge mit Verspätungen ab sechs Minuten (Quelle: Stiftung Warentest 2011b, S. 79)

Abbildung 8: Finanzielle Leistungen aus dem Bundeshaushalt an die DB AG und für das Eisenbahnwesen insgesamt (Quelle: Pällmann 2004, S. 130)

Abbildung 9: Marktanteile der Wettbewerber der DB AG (Quelle: Fried 2010, S. 64 & DB AG 2012b, S. 11 und S. 17)

Abbildung 10: Entwicklung bilanzieller Kennzahlen der DB AG (Quelle: Eigene Darstellung auf Grundlage von DB 2013b, S. 285)

Abbildung 11: Entwicklung bilanzieller Kennzahlen der DB AG (Quelle: Eigene Darstellung auf Grundlage von Aberle/Zeike 2001, S. 14 & DB AG 2009, S. 258 & DB AG 2013b, S. 285)

Abbildung 12: Verhältnis Finanzierung Nutzer / öffentliche Hand (Quelle: SBB AG 2013b, S. 16)

Abbildung 13: Trassenkilometer und Netznutzungseffizienz (Quelle: SBB AG 2013b, S. 38)

Abbildung 14: Entwicklung bilanzieller Kennzahlen der SBB AG (Quelle: Eigene Darstellung auf Grundlage von SBB AG 2004-2013b)

Abbildung 15: Derzeitiger Bahnstrommix (Quelle: DB AG 2013b, S. 150)

Abbildung 16: Verminderung der absoluten verbrennungsbedingten Partikelemissionen im Schienenverkehr gesamt 1990-2008 (in Tonnen) (Quelle: DB AG 2010, S. 20)

Abbildung 17: Streckennetzbelastung im Vergleich 2010 (Quelle: SBB AG 2013a [Hervorhebung d. Verf.], S. 34)

Abbildung 18: Vergleichswertanalyse der Auswirkungen der Bahnreform auf eine nachhaltige Verkehrspolitik (Quelle: Lundsgaard-Hansen 1999, S. 123)

Tabellenverzeichnis

Tabelle 1: Anteil der Eisenbahnen des Bundes an den Gesamtausgaben des Verkehrshaushaltes (in Mio. Euro) (Quelle: Aberle/Zeike 2001, S. 35 & Bundesministerium der Finanzen 2011a, S. 183 und 239)

Tabelle 2: Bahnunternehmen im Vergleich 2010 (Quelle: Eigene Darstellung nach SBB AG 2013a, S. 34)

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

1 Einleitung

1.1 Ziel der Arbeit

Innerhalb der letzten zwei Jahrzehnte wurde der Schienenverkehrssektor in Europa grundlegend reformiert, so auch in Deutschland und der Schweiz. Letztgenanntes Land gilt im europäischen Schienenverkehr als Positivbeispiel, als „Eisenbahnland Nr. 1“ [Monheim 2004b, S. 68]. Während sowohl die Ausgangslagen in beiden Ländern als auch die sich für die anstehenden Reformen daraus ergebenden Ziele durchaus unterschiedlicher Natur waren, so war doch beiden die Absicht gemein, vor dem Hintergrund zunehmend harten intermodalen Wettbewerbs zwischen Straße und Schiene [vgl. Meyer/Meier 2011, S. 128] „Konkurrenzaspekte in das Eisenbahnwesen einzuführen“ [Weibel 2005, S. 165] . Das zum damaligen Zeitpunkt bei den deutschen und schweizerischen Eisenbahnen vorherrschende, vom Staat dominierte und kontrollierte System wurde als nicht konkurrenzfähig angesehen, insbesondere im Wettbewerb mit dem Verkehrsträger Straße [vgl. Meyer/Meier 2011, S. 128].

Dies lässt sich als eines der Hauptmotive anführen, vor deren Hintergrund beide Länder die EU-Richtlinie 91/440/EWG umsetzten – Deutschland als EU-Mitglied, die Schweiz als wichtiges Transitland trotz Nicht-Mitgliedschaft. „Mit der Richtlinie 91/440/EWG sollte die Anpassung der Eisenbahnunternehmen an die Erfordernisse des Binnenmarktes erleichtert und ihre Leistungs- sowie Wettbewerbsfähigkeit erhöht werden.“ [König 2010, o.S.] Auf genaue Bestimmungen dieser Richtlinie wird in einem gesonderten Abschnitt dieser Ausarbeitung eingegangen.

Gegenstand dieser Arbeit ist eine vergleichende Analyse unter historischer Betrachtung der einzelnen Reformschritte und ihrer Auswirkungen auf den Anteil des Verkehrsträgers Schiene an der Verkehrsleistung der Verkehrsträger insgesamt (Modal Split) [vgl. BFS 2012a, S. 30] im Speziellen, sowie soziale, ökonomische und ökologische Gesichtspunkte im Weiteren. Ein besonderes Augenmerk soll hierbei auf der Betrachtung der ökonomischen Aspekte liegen, wie etwa der wirtschaftlichen Konsequenzen der Marktöffnung für die vormalig monopolistischen Betreiber.

Unter Berücksichtigung der unterschiedlichen staatlichen Gegebenheiten sollen beide Reformen hinsichtlich ihres Erfolges beurteilt werden sowie untersucht werden, ob eine Reform als eindeutig erfolgreicher als die andere bewertet werden kann, Handlungsempfehlungen für eine Fortführung im Sinne der ursprünglichen Zielabsichten aufgezeigt sowie ein Ausblick auf die kommenden Jahre gegeben werden.

1.2 Aufbau der Arbeit

Diese Arbeit stellt in ihren einzelnen Kapiteln bezüglich jedes Gliederungspunktes zu­nächst stets die beiden betrachteten Länder Deutschland und die Schweiz in dieser Reihenfolge gegenüber. Dabei wird eingangs auf die rechtspolitische Lage des Schienenverkehrssektors im jeweiligen Staat eingegangen (Kapitel 2 und 3) und dabei die einzelnen Stufen bei der Umsetzung der Reformen berücksichtigt. Darauffolgend werden die verkehrlichen Auswirkungen anhand des Modal Splits der Schiene näher behandelt (Kapitel 4.1). Anschließend erfolgt eine differenzierte Betrachtung der Auswirkungen der Bahnreformen nach den oben genannten Gesichtspunkten der sozialen (Kapitel 4.2), ökonomischen (Kapitel 4.3) und ökologischen Effekte (Kapitel 4.4).

Der Schwerpunkt dieser Ausarbeitung liegt auf den ökonomischen Auswirkungen, welche nochmals einzeln nach fiskalpolitischen, wettbewerblichen und unternehmerischen Aspekten beleuchtet werden. Da der Grad der heutigen Marktöffnung in Deutschland eine derart differenzierte Betrachtung hergibt, soll an betreffender Stelle der deutsche Wettbewerb dreigliedrig hinsichtlich Schienenpersonennahverkehr, -fernverkehr sowie Schienengüterverkehr betrachtet werden. In der Schweiz lässt der Grad der Marktöffnung eine derart detaillierte Betrachtung derzeit noch nicht zu. Im Anschluss wird eine Wertung der Reformen vorgenommen (Kapitel 5). Hierzu wird zunächst auf die Vergleichbarkeit der beiden Länder Bezug genommen, bevor eine direkte Gegenüberstellung anhand der sich jeweils mit den Reformen gesetzten Ziele sowie hinsichtlich der oben genannten verkehrlichen, sozialen, ökonomischen und ökologischen Auswirkungen durchgeführt wird. Im abschließenden Fazit (Kapitel 6) wird daraufhin eine eher globale Perspektive eingenommen, die über die Betrachtung der beiden Einzelstaaten Deutschland und Schweiz hinausgeht.

1.3 Drei-Säulen-Konzept der Nachhaltigkeit

Die drei genannten Effekte entsprechen den Dimensionen des sogenannten Drei-Säulen-Konzepts der Nachhaltigkeit, welches auf der Gleichwertigkeit der drei Säulen Ökologie, Ökonomie und Soziales beruht [vgl. Renn et al. 2007, S. 27]. „Der Begriff Nachhaltigkeit selbst stammt ursprünglich aus der Forstwirtschaft und bedeutet, dass nur soviel [sic] Holz geerntet werden darf, wie in dem jeweiligen Anbaugebiet nachwächst.“ [Renn et al. 2007, S. 9] 1992 wurde in Rio de Janeiro auf der Konferenz der Vereinten Nationen über Umwelt und Entwicklung die Idee der Nachhaltigkeit als globales Leitbild verankert [vgl. Die Bundesregierung 2012, S. 1]. Im Kern geht es bei der Nachhaltigkeit darum, mit den auf der Erde begrenzten Ressourcen in der Form umzugehen, dass künftige Generationen die gleichen Entfaltungsmöglichkeiten besitzen wie heutige Generationen [vgl. Renn et al. 2007, S. 9]. Nachdem im Zuge der Nachhaltigkeitsdebatte der Schwerpunkt vormalig die langfristige ökologische Verträglichkeit im Rahmen eines Ein-Säulen-Konzepts war, ist die „inzwischen dominante Richtung in der Diskussion um Nachhaltigkeit“ [Renn et al. 2007, S. 9] das oben genannte und in dieser Arbeit herangezogene Drei-Säulen-Konzept.

2 Rechtspolitische Lage im Schienenverkehrssektor in Deutschland

2.1 Betrachtungen bis 1994

Das erste landesweite staatliche Eisenbahnunternehmen war die 1920 aus verschiedenen kleinen staatlichen Eisenbahngesellschaften gegründete Deutsche Reichsbahn. Nach dem zweiten Weltkrieg gingen aus ihrer Spaltung die staatlichen Eisenbahnunternehmen der Deutschen Bundesbahn (DB) in der Bundesrepublik Deutschland (BRD) und die Deutsche Reichsbahn (DR) in der Deutschen Demokratischen Republik (DDR) hervor. Aufgrund der staatlichen Planwirtschaft in der DDR sah sich die DR keinem intermodalen Wettbewerb gegenüber, während in der BRD das Monopol der DB durch die Verfassung und die Bundesgesetzgebung geschützt wurde [vgl. Kirchner 2005, S. 92-93].

Nachdem in den frühen Nachkriegsjahren zunächst Reparationsleistungen in Form von Gleisen, Lokomotiven und Anlagen von der DDR an die Sowjetunion geliefert wurden, begann ab Mitte der 50er Jahre der Wiederaufbau. Trotz der Mitte der 60er Jahre beginnenden Modernisierung war sowohl der Anteil am Güter- als auch am Personenverkehr rückläufig. So entfielen im Bereich des Güterverkehrs 1960 noch 82% auf die Schiene, während es 1980 noch 73% und damit 9% weniger waren. Im gesamten öffentlichen Personenverkehr betrug der Anteil 1975 57%, welcher bis zum Jahr 1988 um 17% auf 40% zurückging. Die dennoch vergleichsweise hohen Anteile lassen sich vor allem durch die geschützte Rolle in der ostdeutschen Transportwirtschaft und der im Vergleich zu Westdeutschland weniger verbreiteten Motorisierung der Bevölkerung begründen [vgl. Blome 2012, S. 29-34].

Westdeutschland begann nach dem Krieg direkt mit dem Wiederaufbau, wobei der Verkehrsträger Schiene in diesem Teil Nachkriegsdeutschlands bereits frühzeitig mit dem Verkehrsträger Straße konkurrierte. So sah sich die Eisenbahn im Bereich des Güterverkehrs mit einem zunehmenden LKW-Anteil und – im Zuge eines geänderten Güterstruktureffekts – geringeren Massentransporten konfrontiert, während im Personenverkehr der Motorisierungsgrad anstieg und der Straßenbau staatlich gefördert wurde [vgl. Weise 2012, S. 5]. Im Güterverkehr sank der Marktanteil von 56% 1950 auf 21% im Jahr 1990. Im Personenverkehr gab es im Zeitraum von 1959 zu 1990 einen Rückgang von 36% auf 6% [vgl. Weise 2012, S. 7 und 13].

Einerseits waren beide Bahngesellschaften bei der Vereinigung im Jahr 1994 mit einem starken Nachfragerückgang und hohen Investitionsbedarfs konfrontiert. Andererseits sahen sie sich den gemeinsamen Herausforderungen eines hohen Defizits, wachsender Schulden, Wettbewerbsnachteilen und einer nicht wettbewerbsfähigen Unternehmensorganisation gegenüber. So wurde bei der DB das höchste jährliche Defizit im Jahr 1990 mit einem Fehlbetrag von 13 Mrd. DM (ca. 6,5 Mrd. €) erreicht [vgl. Kirchner 2005, S. 93].

Weiterhin bestand der Konflikt zwischen der Erbringung gemeinwirtschaftlicher Pflichten einerseits und den betriebswirtschaftlichen Notwendigkeiten andererseits. Hinzu kam mit der Richtlinie 91/440/EWG die EU-Forderung der Schaffung eines diskriminierungsfreien Netzzugangs [vgl. Weise 2012, S. 18]. Auf die genannte Richtlinie wird im weiteren Verlauf nochmals näher eingegangen.

Ganz neu waren die Reformgedanken nicht. Bereits 1960 („Brand-Gutachten“) sowie 1967 („Leber Plan“) hatte es Vorschläge zur Reformierung der DB gegeben, welche jedoch politisch nicht realisierbar waren „wegen Meinungsverschiedenheiten zwischen der Bundesregierung und den Ländern und aufgrund verfassungsmäßiger Hindernisse, die nur durch einen breiten politischen Konsens hätten überwunden werden können“ [Kirchner 2005, S. 93f.]. Darüber hinaus fehlte es aufgrund der staatlichen Monopolstellung an intramodalem Wettbewerbsdruck, denn Defizite der DB wurden vom Bundeshaushalt übernommen. Interne Reformansätze hinsichtlich Effizienz- und Produktivitätssteigerungen sowie Gesamtkostensenkungen bei der DB sahen sich vor allem dem Widerstand der vergleichsweise gutsituierten Mitarbeiter in Beamtenpositionen gegenüber. Doch aufgrund einer dramatischen Verschlechterung der Probleme nach der Widervereinigung sowohl bei DB als auch DR gab es keine andere Alternative als eine tiefgreifende Reform [vgl. Kirchner 2005, S. 94]. „Bei einer Fortsetzung dieser Entwicklung drohte eine Schrumpfung des Systems Schiene in Deutschland mit negativen verkehrs-, umwelt-, wirtschafts- und sozialpolitischen Folgen für die deutsche Volkswirtschaft.“ [DB AG 2012a, S. 1]

2.2 Richtlinie 91/440/EWG

Die Eisenbahn ist ein wichtiger Bestandteil des Verkehrsmarktes der europäischen Gemeinschaft, dessen Zusammenwachsen wiederum für den europäischen Binnenmarkt von wesentlicher Bedeutung ist [vgl. Otte 2002, S. 1]. Vor diesem Hintergrund sollte mit der Richtlinie 91/440/EWG eine Anpassung der Eisenbahnunternehmen an die Erfordernisse des Binnenmarktes erleichtert und ihre Leistungs- und Wettbewerbsfähigkeit gesteigert werden [vgl. König 2010, o.S.].

Ziele der Richtlinie 91/440/EWG waren:

- „Unabhängigkeit der Geschäftsführung der Eisenbahnunternehmen
- Trennung von Betrieb der Eisenbahninfrastruktur und der Erbringung von Verkehrsleistungen durch die Eisenbahnunternehmen mit obligatorischer Trennung der Rechnungsführung und fakultativer organisatorischer bzw. institutioneller Trennung
- Sanierung der Finanzstruktur der Eisenbahnunternehmen
- Zugangsrechte zu den Eisenbahnnetzen der Mitgliedsstaaten für internationale Gruppierungen von Eisenbahnunternehmen.“ [König 2010, o.S.]

Während also eine institutionelle oder eigentumsrechtliche Trennung freiwillig möglich war, musste bei integrierten Unternehmen eine rechtliche, organisatorische und buchhalterische Trennung von Netzinfrastruktur und Bahnbetrieb erfolgen. Korrekterweise sollte es Trennung von Netz und Transport heißen, da der Kern des Betriebes bei der Durchführung von Zug- und Rangierfahrten und somit beim Eisenbahninfrastrukturunternehmen (EIU) liegt, während das Eisenbahnverkehrsunternehmen (EVU) den Transport übernimmt [vgl. Siegmann/Schultz 2004, S. 117f.]. Ergänzt wird die Richtlinie 91/440/EWG durch weitere Richtlinien des ersten, zweiten und dritten Eisenbahnpakets (2001, 2004 und 2007) sowie des Anfang 2013 durch die Europäische Kommission vorgelegten vierten Eisenbahnpakets [vgl. DB AG 2012b, S. 42 und S. 80]. Aufgrund des begrenzten Umfangs dieser Ausarbeitung soll auf die genannten Eisenbahnpakete nicht weiter eingegangen werden.

2.3 Betrachtungen ab 1994

2.3.1 Zielabsichten der Bahnreform

Vor diesem Hintergrund trat am 01.01.1994 die deutsche Bahnreform in Kraft. Als Hauptziele der Reform lassen sich die Verlagerung von Verkehr auf die Schiene bei zum damaligen Zeitpunkt zunehmenden „Verlust der Wettbewerbsfähigkeit gegenüber dem Straßengüterverkehr und dem Flugverkehr“ [Kirchner 2005, S. 91], die Zusammenführung von Bundes- und Reichsbahn und die unternehmerische Eigenständigkeit der neu gegründeten Deutsche Bahn AG (DB AG) sowie eine Entlastung des Staatshaushalts – vor dem Hintergrund eines Schuldenstandes von 32 Mrd. € sowie steigender Defizite – anführen [vgl. Weise 2012, S. 19]. „Auf einzelstaatlicher Ebene bedeutete dies, dass der Schienenverkehr seiner Rolle im intermodalen Wettbewerb nicht gerecht werden konnte, die aus ökologischer Sicht wünschenswert gewesen wäre. Auf europäischer Ebene konnte die Integration der Schienenverkehrsmärkte aufgrund hermetisch abgeriegelter nationaler Märkte nicht erreicht werden.“ [Kirchner 2005, S. 91]

Erreicht werden sollten diese Ziele durch die mit der Vereinigung der beiden Bahnen einhergehende finanzielle Sanierung, d.h. Entschuldung, und einer Organisationsprivatisierung der Bahn im Sinne einer Trennung von eigenwirtschaftlichen und gemeinwirtschaftlichen Aufgaben. Darüber hinaus sollte durch Umsetzung der EU-Richtlinie mehr Wettbewerb auf der Schiene geschaffen werden, d.h. ein diskriminierungsfreier Netzzugang sämtlicher auch nicht bundeseigener Eisenbahnen mittels Trennung von Netz und Betrieb geschaffen werden [vgl. Weise 2012, S. 19]. Ein weiterer Bestandteil der Reformen war die sogenannte Regionalisierung, im Zusammenhang derer die Verantwortung für die Planung und Bestellung des Schienenpersonennahverkehrs (SPNV) vom Bund in die Hände der Länder übergeben wurde [vgl. Weise 2012, S. 30].

2.3.2 Erste Stufe der Bahnreform

Grundlage der deutschen Bahnreform waren das Gesetz zur Zusammenführung und Neugliederung der Bundeseisenbahnen (BENZG) und das Allgemeine Eisenbahngesetz (AEG), welche mehr Liberalisierung vorsahen als die von der Richtlinie 91/440/EWG geforderten Reformen [vgl. Kirchner 2005, S. 96]. Ebenfalls am 27.12.1993 beschlossen wurde das Gesetz über die Gründung einer Deutschen Bahn Aktiengesellschaft. Hoheitliche Funktionen, wie die Planfeststellung für Schienenwege, die Eisenbahnaufsicht, die Erteilung von Betriebsgenehmigungen sowie die Untersuchung von Störungen wurde dem neu gegründeten Eisenbahnbundesamt (EBA) übertragen.

Im Einzelnen folgte aus den Gesetzen die Bildung des von der Bundesregierung verwalteten Bundeseisenbahnvermögens (BEV) sowie die Ausgliederung der DB AG aus diesem BEV – getrennt nach Unternehmensbereichen für Personenfern- und Personennahverkehr, Güterverkehr, Personenbahnhöfe sowie Fahrweg. Das BEV übernahm die Schulden der DB und DR in Höhe von 67 Mrd. DM (ca. 34 Mrd. €), deren Mitarbeiter und das nicht direkt für den Eisenbahnbetrieb erforderliche Vermögen [vgl. Kirchner 2005, S. 97]. Die Arbeitnehmer wurden anschließend zum EBA und zur DB AG versetzt oder abgeordnet, einschließlich der ehemaligen Bundesbahnbeamten, für welche das BEV die Dienstherrenfunktion übernahm [vgl. Grohn 1998, S. 127f.].

Weiterhin wurde das Grundgesetz geändert, um die Möglichkeit der Zeichnung von Anteilen der DB AG einzuräumen, wobei für Eisenbahninfrastrukturunternehmen die Anteilsmehrheit für den Bund festgesetzt wurde [vgl. Kirchner 2005, S. 97].

Quersubventionen zwischen Infrastruktur und Zugbetrieb wurden verboten, der Zugang zur Schieneninfrastruktur für deutsche sowie Eisenbahnunternehmen der EU-Mitgliedsstaaten geöffnet und sämtliche Regulierungsangelegenheiten des Netzzugangs in die Verantwortung des EBA gegeben, wobei letztgenannte Aufgabe zum 01.01.2006 auf die Bundesnetzagentur überging [vgl. Kirchner 2005, S. 97].

Im Zuge der sogenannten Regionalisierung wurde die Verantwortung der Bestellung des SPNV am 01.01.1996 vom Bund auf die Länder übertragen. Die finanziellen Regionalisierungsmittel, u.a. aus Benzinsteuereinnahmen stammend, erhalten die Länder vom Bund und planen und bestellen daraus am Anbietermarkt im Rahmen eines offenen Ausschreibungsverfahrens [vgl. Kirchner 2005, S. 97f.; Weise 2012, S. 30].

2.3.3 Zweite Stufe der Bahnreform

Als konsequente Fortsetzung der ersten Stufe der Bahnreform von 1994 trat am 01.06.1999 die zweite Stufe der Reformen in Kraft. Durch Ausgliederung der vormaligen unter Abschnitt 2.3.2 genannten Unternehmensbereiche in eigenständige Aktiengesellschaften wurde das Anliegen der Trennung von Netz und Betrieb fortgeführt – über die Forderung der Richtlinie 91/440/EWG hinausgehend nicht nur rechnerisch, sondern in diesem Fall auch in seiner Rechtsform. „Quersubventionierungen zwischen Streckennetz und Verkehrsbetrieb sind somit nicht nur rechtlich ausgeschlossen, sondern werden durch andere Instrumente, wie die Trennung der Rechnungsführung, vermieden.“ [Kirchner 2005, S. 98] Der Netzzugang für Dritte sollte dadurch erleichtert, Ergebnisse der unternehmerischen Tätigkeiten in den einzelnen Bereichen transparenter und die marktorientierte Flexibilität und Eigenverantwortlichkeit erhöht werden [vgl. Aberle/Zeike 2001, S. 39]. Als Veranschaulichung der heutigen Struktur der DB AG findet sich das aktuelle Organigramm der DB-Konzernholding per 01.01.2013 in untenstehender Abbildung 1. Die Geschäftsfelder des Transports sind dabei organisatorisch und rechtlich dem Teilkonzern der DB Mobility Logistics zugeordnet und damit explizit von den Geschäftsfeldern des Netzes getrennt, wenn auch „immer noch im Rahmen des DB-Konzernverbundes institutionell integriert“ [Munzert 2001, S. 25].

Der für Oktober 2008 geplante Börsengang der Personen- und Güterverkehrssparte DB Mobility Logistics als dritte Stufe der Bahnreform wurde aufgrund der sich entwickelnden weltweiten Finanzkrise im Oktober 2008 kurzfristig gestoppt [vgl. Die Welt 2008, o.S.].

Die in diesem Kapitel für Deutschland vorgenommene historische Betrachtung des Schienenverkehrssektors soll in folgendem Kapitel für die Schweiz erfolgen.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 1: Organigramm DB-Konzern (Quelle: DB AG 2013b, S. 55)

3 Rechtspolitische Lage im Schienenverkehrssektor in der Schweiz

3.1 Betrachtungen bis 1999

Nach einer Volksabstimmung im Jahr 1898 wurden die fünf größten Privatbahnunternehmen der Schweiz verstaatlicht, nachdem zuvor den Kunden insbesondere die uneinheitliche Angebotspolitik der einzelnen Aktiengesellschaften und den Unternehmen selbst große finanzielle Probleme zu schaffen machten [vgl. Weibel 2005, S. 161].

Von 1902 an übernahm die Schweizerische Bundesbahnen (SBB) offiziell die Organisation des schweizerischen Bahnbetriebs, „‚eine unabhängige Behörde des Bundes‘, deren Aufgaben, Befugnisse und Finanzierung in einem Bundesgesetz geregelt wurden. Bis heute gibt es daneben noch rund 60 private Bahnunternehmen, die umgangssprachlich als ‚Privatbahnen‘ bezeichnet werden […]“ [Weibel 2005, S. 161f.]. Im rechtlichen Sinne korrekt werden letztgenannte Bahnen als konzessionierte Transportunternehmungen (KTU) bezeichnet. Die öffentliche Hand, d.h. Eidgenossenschaften, Kantone und Gemeinden, halten praktisch bei allen genannten Unternehmungen die Mehrheit der Aktien [vgl. Weibel 2005, S. 161f.].

3.2 Betrachtungen ab 1999

3.2.1 Zielabsichten der Bahnreform

Wie auch in Deutschland bildete die EU-Richtlinie 91/440/EWG die Grundlage für das 1999 in Kraft getretene Gesetz namens Bahnreform, auch ohne Mitgliedschaft der Schweiz in der EU, jedoch vor dem Hintergrund der Reformen in seinem europäischen Umfeld und dem hohen Stellenwert des Transitverkehrs für die Schweiz.

Ziele waren eine Verbesserung des Kosten-Nutzen-Verhältnisses beim Einsatz öffentlicher Mittel durch bessere Trennung von politischen und unternehmerischen Funktionen, die Einführung von Konkurrenzaspekten in das Eisenbahnwesen, eine Klärung des Schuldenstandes der SBB, die Schaffung eines diskriminierungsfreien Zugangs zum Schienennetz sowie mehr Transparenz bei der Erbringung von Schienendienstleistungen durch die Anwendung neuer Finanzierungsmethoden [vgl. Weibel 2005, S. 165; IBM 2011b, S. 94]. Als weitere Hauptabsichten lassen sich die Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit des Schienenverkehrs und der Effizienz im öffentlichen Verkehr, die Sicherung eines leistungsfähigen Bahnsystems sowie die Verbesserung des Kundenservices anführen [vgl. Meyer/Meier 2011, S. 127; IBM 2011b, S. 94].

3.2.2 Erste Stufe der Bahnreform

Im Jahr 1996 wurde zunächst das Vergabeprinzip des öffentlichen Regionalverkehrs reformiert. Das so genannte Bestellerprinzip wurde eingeführt, bei welchem staatliche und kantonale Behörden unter Festsetzung eines Fixbetrages die Erstellung des Regionalverkehrs jährlich neu bei einem EVU bestellen. Etwaige entstandene Defizite werden somit nicht mehr im Nachhinein vom Staat ausgeglichen, sondern liegen vielmehr im unternehmerischen Risiko des Transportunternehmens [vgl. Meyer/Meier 2011, S. 128].

1999 trat das Reformpaket Bahnreform 1 in Kraft. In diesem Zuge fand die Umwandlung der SBB in eine spezialrechtliche Aktiengesellschaft statt. So erhielt das Unternehmen Unabhängigkeit durch geringeren staatlichen Einfluss und bleibt dennoch in Staatseigentum [vgl. Meyer/Meier 2011, S. 128]. Das Beamtenrecht wurde abgeschafft, ein Börsengang wird ausdrücklich nicht angestrebt [vgl. Moser 2004, S. 81f.]. Darüber hinaus „enthält das Gesetz auch die Bestimmung, dass der Bundesrat mit der SBB eine für vier Jahre geltende Leistungsvereinbarung erarbeitet und abschließt. Diese Leistungsvereinbarung muss vom Parlament genehmigt werden.“ [Weibel 2005, S. 165] In diesem Zusammenhang wird u.a. der finanzielle Rahmen für die Finanzierung der Schieneninfrastruktur der SBB abgestimmt [vgl. Meyer/Meier 2011, S. 128]. Weiterhin wurde durch verschiedene Maßnahmen die SBB „großzügig entschuldet“ [Weibel 2005, S. 166].

Die Bahnreform 1 brachte außerdem die vollständige Liberalisierung des Güterverkehrs sowie diskriminierungsfreien Netzzugang für ebendiesen mit sich, was zunehmenden intramodalen Wettbewerb auslöste [vgl. Meyer/Meier 2011, S. 128]. Genauer wird auf die ökonomischen Auswirkungen der Schweizer Bahnreform in Kapitel 4.3.2 sowie auf eine Wertung der Reformen allgemein in Kapitel 5.2 eingegangen.

Des Weiteren wurde das Bestellerprinzip durch das Reformpaket von 1999 über den Regionalverkehr hinaus auch auf nationale Ebene ausgeweitet. Außerdem erfolgte eine rechnerische sowie organisatorische Trennung der Bereiche Infrastruktur und Verkehr [vgl. Meyer/Meier 2011, S. 129].

3.2.3 Zweite Stufe der Bahnreform

Im Jahr 2005 wurde das von der Regierung vorgeschlagene Reformpaket Bahnreform 2 zunächst vom Parlament abgelehnt. Beinhalten sollte es u.a. Neuerungen zur Infrastrukturfinanzierung und Harmonisierungen zwischen schweizerischen und europäischen Normen [vgl. BAV 2009, o.S.]. Stattdessen wurde eine Zerlegung des Gesamtpakets in zwei separate Teile vorgeschlagen.

So trat das Erste Teilpaket Bahnreform 2 im Jahr 2010 in Kraft [vgl. Meyer/Meier 2011, S. 129]. Hauptaugenmerk waren hierbei die unstrittigen Teile des zuvor abgelehnten Reformpakets, wie etwa die Gleichstellung der Transportunternehmen und sicherheitsrelevante Aspekte [vgl. BAV 2009, o.S.]. Wie umfangreich dieses Teilpaket war, zeigt bereits die Tatsache, dass mehr als 40 verschiedene Gesetze eingeführt oder abgeändert wurden – von Themen der Kenntlichmachung von Zugvideoüberwachung bis hin zu Festlegungen von Ausschreibungsdauern im Regionalverkehr [vgl. Meyer/Meier 2011, S. 129f.].

Das Zweite Teilpaket Bahnreform 2 wurde am 16.03.2012 vom Parlament in der Schlussabstimmung angenommen. Es macht neben Verbesserungen im Schienengüterverkehr (SGV) und von Interoperabilitäts- und Sicherheitsrichtlinien auch die Ausschreibung von Verkehrsleistungen im Regionalverkehr möglich, allerdings nicht zur Pflicht. Leistungen können demnach auch weiterhin direkt bei einem EVU bestellt werden [vgl. Das Schweizer Parlament 2012, o.S.; BAV 2009, o.S.].

Die SBB in ihrer heutigen Form ist eine spezialgesetzliche Aktiengesellschaft, deren Aktienkapital sich seit der Gründung der SBB zu 100 Prozent in der Hand des Bundes befindet [vgl. SBB AG 2013b, S. 67]. Abbildung 2 veranschaulicht die derzeitige Organisationstruktur der SBB. Sämtliche Konzernbereiche, d.h. auch Transport und Netz, unterstehen ohne weitere rechtliche Trennung direkt der Konzernleitung.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 2: Organigramm SBB Konzern (Quelle: SBB AG 2013b, S. 77)

4 Auswirkungen

4.1 Verkehrlich (Modal Split)

4.1.1 In Deutschland

Abbildung 3 und Abbildung 4 zeigen die Verkehrsleistung im Personenverkehr bzw. Verkehrsleistung im Güterverkehr im Zeitraum der Jahre 1993-2011.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 3: Verkehrsleistung im Personenverkehr (Quelle: Eigene Darstellung auf Grundlage von DIW 2012, S. 218-221 & DIW 2013, S. 218-221)

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 4: Verkehrsleistung im Güterverkehr (Quelle: Eigene Darstellung auf Grundlage von DIW 2012, S. 244-247 & DIW 2013, S. 244-247)

Im Personenverkehr wird dabei die Steigerungsrate der Personenkilometer aller Verkehrsträger, d.h. Eisenbahnen, öffentlicher Straßenpersonenverkehr, Luftverkehr und motorisierter Individualverkehr (MIV) im genannten Zeitraum dem Modal Split Anteil der Schiene gegenübergestellt. Bezugsjahr der Steigerungsraten aller Verkehrsträger ist 1993, das Jahr vor Gründung der DB AG. Hinsichtlich der beiden Verteilungen zeigt sich eine unterschiedliche Entwicklung. Die Verkehrsleistung an Personenkilometern steigerte sich von 911,5 Mrd. Pkm im Jahr 1993 auf 1.134,9 Mrd. Pkm im Jahr 2011, d.h. um 24,5%. Der Modal Split Anteil der Schiene stieg von 7% im Jahr 1993 auf 7,5% im Jahr 2011, d.h. um 0,5% [vgl. DIW 2012, S. 218-221; DIW 2013, S. 218-221].

Im Güterverkehr wird die Steigerungsrate der Tonnenkilometer des binnenländischen Verkehrs, d.h. Eisenbahnen, Binnenschifffahrt, Straßenverkehr und Rohrleitungen im genannten Zeitraum dem Modal Split Anteil der Schiene gegenübergestellt. Bezugsjahr ist 1993, das Jahr vor Gründung der DB AG. Hinsichtlich der Entwicklung beider Kenngrößen zeigt sich eine deutlich unterschiedliche Entwicklung. Die Verkehrsleistung an Tonnenkilometern steigerte sich von 390,8 Mrd. Tkm im Jahr 1993 auf 649,5 Mrd. Tkm im Jahr 2011, d.h. um 66,2%. Der Modal Split Anteil der Schiene stieg von 16,8% im Jahr 1993 auf 17,4% im Jahr 2011, d.h. um 0,6% [vgl. DIW 2012, S. 244-247; DIW 2013, S. 244-247].

An dieser Stelle sei angemerkt, dass sich teilweise höhere Modal Split Anteile für die Schiene ergeben, wenn Quellen der DB AG zugrunde gelegt werden. Dies liegt darin begründet, dass bei der DB AG ab 1998/99 Änderungen im Erfassungsverfahren durchgeführt wurden, welche auch nichtzahlende Reisende, d.h. Bundestagsabgeordnete, Behinderte, Militärpersonen und die eigenen Mitarbeiter, erfasst. Dies entspricht jedoch nicht der Verordnung über die Eisenbahnstatistik vom 08.08.1965, in der es bezüglich der zu erfassenden Personen heißt: „,Im Personenverkehr die beförderten Personen und die Personenkilometer nach Art der Fahrausweise. […] Nicht zu den beförderten Personen gehören nicht zahlende Reisende sowie Militärpersonal.‘“ [Gietinger 2004, S. 91f.] Entsprechende Erfassungsänderungen wurden auch von der Redaktion oben zitierter Quelle des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) bemängelt [vgl. Gietinger 2004, S. 91-96]. Dies führt dazu, dass Positionspapiere der DB AG und ihrer Vertreter die Auswirkungen der Bahnreform – insbesondere in verkehrlicher Hinsicht – deutlich positiver bewerten als andere Quellen. Es fällt auf, „dass in den Daten der DB AG für gleiche Jahre unterschiedliche Werte angegeben werden […]“ [Bodack 2004, S. 525] und „[…] zu späteren Zeitpunkten für zurückliegende Jahre höhere Werte, als ursprünglich genannt, publiziert werden“ [Bodack 2004, S. 525].

4.1.2 In der Schweiz

Abbildung 5 bzw. Abbildung 6 zeigen die Verkehrsleistung im Personenverkehr bzw. Verkehrsleistung im Güterverkehr im Zeitraum der Jahre 1995-2011.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 5: Verkehrsleistung im Personenverkehr (Quelle: Eigene Darstellung auf Grundlage von BFS 2012b, o.S.)

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Abbildung 6: Verkehrsleistung im Güterverkehr (Quelle: Eigene Darstellung auf Grundlage von BFS 2013, o.S.)

Im Personenverkehr wird dabei die Steigerungsrate der Personenkilometer aller Verkehrsträger im genannten Zeitraum dem Modal Split Anteil der Schiene gegenübergestellt. Bezugsjahr ist 1995, das Jahr vor Inkrafttreten der ersten Maßnahmen der Bahnreform. Beide Verteilungen liegen im Jahr 2011 über dem Niveau von 1995. Die Verkehrsleistung an Personenkilometern steigerte sich von 93.232 Mio. Pkm im Jahr 1995 auf 121.761 Mio. Pkm im Jahr 2011, d.h. um 32,7%. Der Modal Split Anteil der Schiene stieg von 12,8% im Jahr 1995 auf 16% im Jahr 2011, d.h. um 3,2% [vgl. BFS 2012b, o.S.].

Im Güterverkehr wird die Steigerungsrate der Tonnenkilometer terrestrischer Verkehrsträger (Straße, Schiene) im genannten Zeitraum dem Modal Split Anteil der Schiene gegenübergestellt. In den Statistiken des Schweizer Bundesamtes für Statistik (BFS) wurden Flugverkehrs- und Binnenschifffahrtsleistungen im Güterverkehr für den betrachteten Zeitraum nicht ausgewiesen, während Ölleitungen aufgrund eines derart geringen Anteils (z.B. 0,7% im Jahr 2011) vernachlässigbar sind. Bezugsjahr ist 1995, das Jahr vor Inkrafttreten der ersten Maßnahmen der Bahnreform. Hinsichtlich der untersuchten Kenngrößen zeigt sich eine gegensätzliche Entwicklung. Die Verkehrsleistung an Tonnenkilometern im genannten Verkehrsmarkt insgesamt steigerte sich von 20.096 Mio. Tkm im Jahr 1995 auf 27.674 Mio. Tkm im Jahr 2011, d.h. um 37,7%. Der Modal Split Anteil der Schiene ging von 39,7% im Jahr 1995 auf 36,7% im Jahr 2011 zurück, d.h. um 3% [vgl. BFS 2013, o.S.].

4.2 Soziale Effekte

4.2.1 In Deutschland

Wie obenstehend der Modal Split, sollen im Folgenden soziale, ökonomische und ökologische Auswirkungen ebenfalls in langfristiger Perspektive, d.h. bis hin zu heutigen Maßnahmen der vormaligen staatlichen Monopolisten betrachtet werden. Sowohl DB AG als auch SBB richten ihre aktuellen strategischen Unternehmensziele nach den drei genannten Säulen der Nachhaltigkeit aus [vgl. DB AG 2013b, S. 53; SBB AG 2011b, S. 28ff.].

Auf deutscher Seite haben „Kunden und Verbraucherverbände […], auch nach Umwandlung der Bahn in eine Aktiengesellschaft vor allem deren Unvermögen kritisiert, zuverlässig den Fahrplan einzuhalten und so ein berechenbarer Partner zu sein“ [Julitz 1998, S. 238], wobei genau dies ein entscheidender Vorteil der Bahn gegenüber dem Auto sein kann [vgl. Julitz 1998, S. 238f.]. Die Ursachen sind vielfältig und reichen von Baustellen, veraltetem Fahrzeugmaterial, menschlichen Faktoren wie den Mitarbeitern, Personalabbau, Betriebsleittechnik, Unfällen an Bahnübergängen, Vandalismus und kranken Fahrgästen bis hin zu Selbstmorden. Als Gegenmaßnahmen investierte und investiert die Bahn weiterhin in moderne Fahrzeuge, Modernisierung und Instandhaltung der Bahnhöfe und Fahrwege sowie in den Ausbau der Informations- und Kommunikationstechnologie. Anfang März 1998 lag die Quote der Pünktlichkeit bei 94 Prozent im Fernverkehr, im Nahverkehr bei 96 Prozent [vgl. Julitz 1998, S. 239f.]. Auch aktuell verstärkt die DB AG ihren Fokus auf die Pünktlichkeit. So hat sie im aktuellen Berichtsjahr 2012 die Pünktlichkeit als den Maßstab für die Produktqualität gesetzt [vgl. DB AG 2013b, S. 136]. Derzeitige Statistiken der DB AG zeigen eine positive Entwicklung der Pünktlichkeit. Im Personenverkehr in Deutschland steigerte sich der Anteil pünktlicher Züge von 91,0 Prozent in 2010 auf 94,6 Prozent in 2012 [vgl. DB AG 2013b, S. 137]. Im Schienengüterverkehr lässt sich dem DB AG Geschäftsbericht 2012 für die Jahre 2011 und 2012 eine Ankunftspünktlichkeit von 68,0 Prozent bzw. 69,9 Prozent entnehmen [vgl. DB AG 2013b, S. 137]. Dabei wird ein Halt im Personenverkehr als pünktlich gewertet, „wenn die planmäßige Ankunftszeit um weniger als sechs Minuten überschritten wurde“ [DB AG 2013b, S. 137]. Im Schienengüterverkehr beträgt die zeitliche Toleranz für die entsprechende Statistik 15 Minuten. Es herrschen jedoch erhebliche Pünktlichkeitsunterschiede zwischen Nah- und Fernverkehr. Im Kontrast zu den offiziellen Veröffentlichungen der DB AG stellte die Stiftung Warentest im Zeitraum Juli 2010 bis Februar 2011 fest, dass jeder dritte Fernzug sechs Minuten oder mehr Verspätungen hatte [vgl. Stiftung Warentest 2011a, o.S.]. Abbildung 7 zeigt den Anteil der Züge mit Verspätungen ab sechs Minuten. Erkennbar wird der signifikante Unterschied zwischen Regionalverkehrszügen und Fernverkehrszügen.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 7: Anteil der Züge mit Verspätungen ab sechs Minuten (Quelle: Stiftung Warentest 2011b, S. 79)

Aberle/Zeike (2001, S. 41) bezeichnen in ihrer ADAC-Studie zur Mobilität das Image des DB AG-Personenverkehrs basierend auf einer Zufriedenheitsstudie im September 2000 als „am Ende der Rangskala“ [Aberle/Zeike 2001, S. 41], etwa aufgrund von Verspätungen, fehlender Kundeninformationen über Anschlussmöglichkeiten, Zugüberfüllungen und speziell im Nahverkehr nicht mehr marktfähigen Zugmaterials [vgl. Aberle/Zeike 2001, S. 41]. Im Geschäftsbericht 2012 der DB AG ist die Kundenzufriedenheit im Schienenpersonenfernverkehr (SPFV) in den Jahren 2010 bis 2012 nahezu konstant mit 62 von 100 Punkten ausgewiesen, im Regionalverkehr mit 67 von 100 Punkten, im Güterverkehr mit 63 von 100 Punkten [vgl. DB AG 2013b, S. 138]. In einer von der europäischen Kommission im Jahr 2011 durchgeführten Studie zur Kundenzufriedenheit mit den Bahnen in 27 EU-Staaten schneidet die DB AG vergleichsweise schlecht ab. In den Kategorien Informationen über Fahrpläne und Gleise, Personalverfügbarkeit in den Zügen, Platzverfügbarkeit in den Wagen, Pünktlichkeit und Zuverlässigkeit sowie Einfachheit des Ticketkaufs belegte sie jeweils einen der drittletzten Plätze [vgl. Bündnis Bahn für Alle 2011, o.S.]. 46 Prozent der deutschen Bahnreisenden gaben in der genannten Studie an, sehr oder ziemlich unzufrieden mit der Bahn zu sein [vgl. Bündnis Bahn für Alle 2013, S. 3].

Bezüglich des Angebots für die Kunden im Schienenverkehr hatte die deutsche Bahnreform deutliche Auswirkungen. An erster Stelle zu nennen ist die Regionalisierung. Angebotsverbesserungen in quantitativer und qualitativer Hinsicht „[…] sind wesentliches Merkmal vieler Projekte, die nach der Regionalisierung zum 1. Januar 1996 zu Erfolgen führten“ [Höhnscheid 2004, S. 48]. Auf der einen Seite kam es im Zuge der Regionalisierung im SPNV zur Reaktivierung von Strecken bzw. zum Verhindern einer Stilllegung durch neue Konzepte der Länder und Aufgabenträger, insbesondere im Süden bzw. Südwesten Deutschlands in Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg. Haltepunkte, Umsteigeanlagen und Bahnhöfe wurden, vor allem durch das Engagement privater Betreibergesellschaften, erneut in Betrieb genommen, sodass der Verband Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV) die Steigerung des Angebots zehn Jahre nach der Regionalisierung mit 25 Prozent beziffert [vgl. Engbarth 2006, S. 13]. „Bundesweit wurden seit der Regionalisierung 31 Strecken bzw. Streckenabschnitte mit 441 km Länge wieder für den täglichen Gebrauch reaktiviert, hinzu kommen zahlreiche nur an Wochenenden genutzte Linien […].“ [Engbarth 2006, S. 13]. Attraktivitätsfördernd für den Kunden erfolgte, aufgrund des Bedarfs der Nichtbundeseigenen Bahnen (NE-Bahnen), die Entwicklung und der verstärkte Einsatz moderner Nahverkehrstriebwagen [vgl. Engbarth 2006, S. 13; Wellner 2004, S. 61]. Darüber hinaus führte die zunehmende Einführung von integralen Taktfahrplänen (ITF) zu erheblichen Attraktivitätssteigerungen im SPNV [vgl. Wellner 2004, S. 62]. Das kundenfreundliche Konzept eines ITF beinhaltet, dass Taktzeiten derart aufeinander abgestimmt sind, dass während des Haltes in einem Umsteigeknoten, den sogenannten ITF-Knoten, zwischen allen Linien gleichzeitig umgestiegen werden kann [vgl. Pachl 2008, S. 222]. Als Taktzeit wird dabei üblicherweise die volle oder halbe Stunde gewählt [vgl. Pachl 2008, S. 230]. Dies führt zu einem dichten Angebot, einer guten Merkbarkeit für den Kunden sowie leichten Verknüpfungsmöglichkeiten mit idealerweise ebenfalls vertaktetem Anschlussverkehr [vgl. Wellner 2004, S. 62]. In Baden-Württemberg und Bayern steigerte sich z.B. in diesem Zusammenhang das Angebot im Allgäu-Schwabentakt um durchschnittlich 53 Prozent [vgl. Hertwig/Engbarth 2006, S. 89]. An dieser Stelle sei dem folgenden Kapitel 4.2.2 vorweggegriffen, dass es in der Schweiz einen entsprechenden Taktfahrplan für das gesamte Bundesgebiet gibt.

Auf der anderen Seite wurden im SPNV seit Januar 1996 93 Strecken bzw. 2.063 Streckenkilometer dauerhaft für den Personenverkehr stillgelegt. Betroffen waren hiervon vor allem die neuen Bundesländer. In den alten Bundesländern wurden bis dahin lediglich sechs Strecken bzw. 139 km stillgelegt [vgl. Hertwig/Engbarth 2006, S. 92f.]. Vor der Bahnreform war die Verteilung an Stilllegungen entgegensetzt gewesen: In den neuen Bundesländern hatte es fast keine Stilllegungen gegeben, in den alten Bundesländern teilweise besonders intensive [vgl. Wellner 2004, S. 67]. „Die Verfahren zur Streckenstilllegung im SPNV führten einerseits zu einem Verlust an Image der Bahn und zu einer sinkenden Identifikation der Öffentlichkeit mit der Bahn als ‚Rückgrat‘ des Verkehrs in den betroffenen Regionen.“ [Wellner 2004, S. 61] Insgesamt wurde zwischen 1994 und 2009 deutschlandweit das Netz der DB AG um 17 Prozent reduziert, 49 Prozent aller Weichen und Kreuzungen sowie 68 Prozent aller Privatgleisanschlüsse abgebaut [vgl. Bodack 2011, S. 2]. Dies hat qualitative Folgen für die Leistungsfähigkeit des Netzes, die Fahrplangestaltung, Fahr- und Reisegeschwindigkeiten sowie die Fahrzeiten allgemein und insbesondere im Güterverkehr aufgrund geringerer Priorität gegenüber dem Personenverkehr, der Pünktlichkeit sowie Zuverlässigkeit des Systems bei Witterungseinflüssen und Störungen [vgl. Bodack 2011, S. 2].

Allgemein kritisch betrachtet wird die Ende der 1990er Jahre begonnene und bis 2006 abgeschlossene Streichung des am meisten gefragten Angebots im Fernverkehr, des InterRegio (IR), „der jährlich Millionen Fahrgäste preiswerte Direktverbindungen mit gutem Komfort und Service geboten hatte. Der teilweise Ersatz durch Nahverkehrszüge verschlechtert den Komfort und Service, zwingt zu häufigerem Umsteigen und verlängert vielfach die Reisezeiten. Die Umwandlung von IR- in IC-Leistungen [InterCity-Leistungen, Anmerk. d. Verf.] erhöht die Preise bei gleichzeitigem Einsatz schlechter beurteilter Fahrzeuge“ [Bodack 2004, S. 526] und gleichbleibenden Fahrzeiten [vgl. Bodack 2004, S. 527]. Das IR-Konzept passte jedoch nicht in das Angebotsprogramm zwischen subventioniertem Nahverkehr und eigenwirtschaftlichem Hochgeschwindigkeitsverkehr – und daraus ableitbaren höheren Preisforderungen an die Kunden und damit verbundenen Renditeerwartungen [vgl. Böttger 2004, S. 218].

Preispolitisch lassen sich vor allem zwei Punkte anführen. Zum einen steigerten sich Preise im SPNV und SPFV zwischen 2003 und 2013 um 35 Prozent; die BahnCard 50 um 80 Prozent. Das allgemeine Preisniveau in Form der Inflation steigerte sich im gleichen Zeitraum hingegen um 17 Prozent [vgl. Bündnis Bahn für Alle 2013, S. 3]. Zum anderen erweist sich das im Jahr 2002 bei der DB AG eingeführte Preissystem PEP (Preis- und Erlösmanagement Personenverkehr) als unübersichtlich und unverständlich für die Kunden. Grund hierfür sind verschiedene Geltungsbedingungen, Grundpreise, Rabattoptionen, Zugbindungen, Vorbuchungsfristen und teils sehr begrenzte Sonderkontingente [vgl. Bündnis Bahn für Alle 2013, S. 3; Bodack 2004, S. 526].

Bezogen auf die eigenen Mitarbeiter heißt es im Geschäftsbericht 2012 der DB AG: „Der DB-Konzern wandelt sich von einer Sanierungs- zu einer Wachstumsorganisation.“ [DB AG 2013b, S. 143] Mit einem Altersdurchschnitt von 46 Jahren und einer durchschnittlichen Betriebszugehörigkeit von 22,4 Jahren hat das Unternehmen die Problematik altersbedingter Abgänge aus Zeiten der „Behördenbahn“ [Ritzau et al. 2003, S. 91] und des demografischen Wandels erkannt und engagiert sich derzeit und auf Sicht der kommenden Jahre verstärkt, qualifizierte Mitarbeiter einzustellen und langfristig zu binden [vgl. DB AG 2013b, S. 143].

In der unternehmensinternen, weltweiten Mitarbeiterbefragung mit einer Beteiligungsquote von 61,4% lag die Mitarbeiterzufriedenheit „auf einer Skala von 1 (‚stimme überhaupt nicht zu‘) bis 5 (‚stimme voll zu‘) […] mit 3,6 über dem Mittelwert von 3 und damit im Vergleich mit anderen Unternehmen weltweit im Durchschnitt“ [DB AG 2013b, S. 147].

4.2.2 In der Schweiz

Um den im vorangegangenen Abschnitt zuletzt genannten sozialen Aspekt der Mitarbeiterzufriedenheit direkt aufzugreifen, lässt sich feststellen, dass dieser Wert bei der SBB vergleichbar ist. In der Personalbefragung 2012 stieg die Zufriedenheit der Mitarbeitenden gegenüber 2010 von 58 auf 62 von 100 Punkten [vgl. SBB AG 2013b, S. 15].

Ein sozialer Effekt, der sicher nicht erst durch die Bahnreform entstanden, aber durch die Attraktivitätssteigerungen des Angebots verstärkt wurde, ist die ausgesprochen hohe Akzeptanz des Verkehrsträgers Schiene in allen Bevölkerungsschichten. So besaßen beispielsweise im Jahr 2004 bei einer Gesamtbevölkerung von sieben Millionen Einwohnern 1,9 Millionen, d.h. knapp 30 Prozent, ein Halbtax-Abonnement für umgerechnet 230 Euro/Jahr sowie 280.000, d.h. vier Prozent, ein General-Abonnement für umgerechnet 1950 Euro/Jahr in der zweiten Klasse [vgl. Weibel 2005, S. 162]. Im Jahr 2012 betrug die Anzahl an Halbtax-Abos bereits fast 2,4 Millionen, während 442.000 General-Abos verkauft wurden [vgl. SBB AG 2013b, S. 23]. Dies entspricht einer Steigerung gegenüber 2004 von gut 26 Prozent bzw. knapp 58 Prozent. Das Halbtax-Abo ist vergleichbar mit der BahnCard in Deutschland, wird jedoch im Gegensatz zu dieser auch bei vielen regionalen und kommunalen Verkehrsunternehmen anerkannt und wirkt sich somit dank des größeren Nutzens positiv auf die Servicequalität aus [vgl. Moser 2004, S. 70]. Zum direkten Vergleich der Zahlen sei an dieser Stelle angeführt, dass per 31.12. im Geschäftsjahr 2012 in Deutschland insgesamt ca. 4,9 Mio. BahnCards im Umlauf waren, darunter 41.000 BahnCard 100 und ca. 1,6 Mio. BahnCard 50 [vgl. DB AG 2013a, S. 17]. Während die Abonnentenzahlen zwischen der Schweiz und Deutschland in etwa dem Verhältnis 1:2 entsprechen, entspricht die Gesamtbevölkerungszahl beider Länder in etwa dem Verhältnis 1:10.

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Details

Seiten
Erscheinungsform
Erstausgabe
Jahr
2013
ISBN (PDF)
9783956845147
ISBN (Paperback)
9783956840142
Dateigröße
3.5 MB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Technische Universität Berlin
Erscheinungsdatum
2013 (Oktober)
Note
1
Schlagworte
Deutsche Bahn AG DB AG SBB Schweizerische Bundesbahn Modal Split Verkehrspolitik Verkehrsplanung

Autor

Michael Woodt wurde 1988 in Berlin geboren. Das Bachelorstudium des Wirtschaftsingenieurwesens an der TU Berlin mit technischer Vertiefung im Schienenverkehrswesen schloss er im Jahr 2013 erfolgreich ab. Im Rahmen seines daran anschließenden Masterstudiums spezialisierte er sich auf dem Gebiet der Logistik. Neben der universitären Ausbildung und einjährigen Auslandsaufenthalten in Kanada und Spanien sammelte er mehrjährige praktische Erfahrungen als Werkstudent in der Schienenverkehrsbranche. Vor dem Hintergrund dieser Tätigkeit und der fachlichen Ausrichtung seines Studiums entwickelte der Autor ein besonderes Interesse an der Thematik des vorliegenden Buches.
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Titel: Die Bahnreform im Kontext nachhaltiger Verkehrspolitik: Ein Vergleich zwischen Deutschland und der Schweiz
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