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Motivierende Vergütungssysteme im Vertrieb: Leistung und Erfolg als Bemessungsgrundlagen?

©2013 Diplomarbeit 65 Seiten

Zusammenfassung

Der Vertrieb erklärungsintensiver Investitionsgüter wird immer anspruchsvoller. Die Ursachen dafür sind vielfältig. Der Wettbewerb der Unternehmen untereinander wird stetig intensiver. Die Differenzierung findet dabei nicht mehr nur über die Produkte statt, welche sich immer mehr annähern. Zunehmend erfolgt der Wettbewerb auch über die Unternehmensstrategien. Die Märkte werden immer dynamischer und transparenter. Daraus resultierend steigt der Kostendruck, die Innovationszeiten und Produktzyklen werden immer kürzer. Für die Unternehmen werden die Steuerungs- und Gestaltungsprozesse, auch was ihre Mitarbeiter betrifft, zunehmend komplexer. Parallel dazu steigen die Anforderungen eines Unternehmens an seine Vertriebsmitarbeiter, die zu erfüllenden Aufgaben werden dabei anspruchsvoller und komplexer. Die Vertriebsmitarbeiter müssen rascher und flexibler handeln und dabei näher am Kunden agieren. Vor dem Hintergrund dieser steigenden Anforderungen ist häufig von einer Intellektualisierung des Vertriebs die Rede. Für die Verkäufer gilt es, trotz gestiegener Komplexität ihre vorgegebenen Vertriebsziele zu erreichen. Sie stehen am Ende des unternehmerischen Leistungserstellungsprozesses. In den Märkten von heute sind somit offensiv handelnde Mitarbeiter erforderlich, die vor Ort eigenverantwortlich Entscheidungen im Sinne des Unternehmens fällen und diese Entscheidungen auch verantworten. Welche Rolle kommt in diesem Umfeld der Vergütung als Motivationsinstrument für die in umkämpften Märkten aktiven Vertriebsmitarbeiter zu? Welches Gehaltsmodell ist am besten geeignet, um Vertriebsmitarbeiter zu motivieren? Aus welchen Komponenten sollte sich das Gehaltspaket zusammensetzen? Sollte ein variabler Anteil enthalten sein und woraus sollte sich dieser zusammensetzen? Sollten für diesen Gehaltsteil nur quantitative oder auch qualitative Elemente herangezogen werden? Stehen diese Faktoren gegebenenfalls sogar gleichberechtigt nebeneinander? Zusammenfassend gefragt: Wie ist ein Gehaltsmodell ausgestaltet, das alle Komponenten zusammenfasst und den Mitarbeiter am besten zu motivieren vermag?

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


Tabellenverzeichnis
Tabelle 1: X-Theorie und Y-Theorie ... 18
Tabelle 2: Einzelkomponenten der in der aktuellen Diskussion
verwendeten Begriffe ... 21
Tabelle 3: Gründe für die Einführung von Zielvereinbarungen ... 34
Tabelle 4: Anforderungen an die Zielformulierungen ... 34
Tabelle 5: Struktur des neuen Vergütungssystems ... 51

1
1. Einleitung
1.1 Problemstellung und Leitfrage
Der Vertrieb erklärungsintensiver Investitionsgüter wird immer anspruchsvoller. Die
Ursachen dafür sind vielfältig. Der Wettbewerb der Unternehmen untereinander wird
stetig intensiver. Die Differenzierung findet dabei nicht mehr nur über die Produkte
statt, welche sich immer mehr annähern
. Zunehmend erfolgt der Wettbewerb auch über
die Unternehmensstrategien.
Die Märkte werden immer dynamischer und transparenter.
Daraus resultierend steigt der Kostendruck, die Innovationszeiten und Produktzyklen
werden immer kürzer. Für die Unternehmen werden die Steuerungs- und Gestaltungs-
prozesse, auch was ihre Mitarbeiter betrifft, zunehmend komplexer. Parallel dazu
steigen die Anforderungen eines Unternehmens an seine Vertriebsmitarbeiter, die zu er-
füllenden Aufgaben werden dabei anspruchsvoller und komplexer. Die Vertriebsmit-
arbeiter müssen rascher und flexibler handeln und dabei näher am Kunden agieren. Vor
dem Hintergrund dieser steigenden Anforderungen ist häufig von einer Intellektu-
alisierung des Vertriebs
die Rede. Für die Verkäufer gilt es, trotz gestiegener Kom-
plexität ihre vorgegebenen Vertriebsziele zu erreichen.
Sie stehen am Ende des unter-
nehmerischen Leistungserstellungsprozesses. In den Märkten von heute sind somit of-
fensiv handelnde Mitarbeiter erforderlich, die vor Ort eigenverantwortlich Entschei-
dungen im Sinne des Unternehmens fällen und diese Entscheidungen auch verant-
worten.
Welche Rolle kommt in diesem Umfeld der Vergütung
1
als Motivationsinstrument für
die in umkämpften Märkten aktiven Vertriebsmitarbeiter zu?
Welches Gehaltsmodell ist am besten geeignet, um Vertriebsmitarbeiter zu motivieren?
Aus welchen Komponenten sollte sich das Gehaltspaket zusammensetzen?
Sollte ein variabler Anteil enthalten sein und woraus sollte sich dieser zusammensetzen?
Sollten für diesen Gehaltsteil nur quantitative oder auch qualitative Elemente heran-
gezogen werden? Stehen diese Faktoren gegebenenfalls sogar gleichberechtigt neben-
einander?
Zusammenfassend gefragt: Wie ist ein Gehaltsmodell ausgestaltet, das alle Komponen-
ten zusammenfasst und den Mitarbeiter am besten zu motivieren vermag?
1
Die Begriffe Vergütung, Gehalt und Entgelt werden im Rahmen dieser Arbeit synonym verwendet.

2
1.2 Ziel der Arbeit
Ziel dieser Abhandlung ist es, auf der Basis der zuvor erarbeiteten und gewonnenen
Erkenntnisse ein leistungs- und erfolgsorientiertes Vergütungssystem zu entwickeln.
Dieses System soll exemplarisch für den Vertrieb eines Unternehmens der Investitions-
güterindustrie gestaltet werden.
1.3 Aufbau und Methodik der Arbeit
Nach der Einleitung wird zunächst eine Standortbestimmung durch den Autor vorge-
nommen. Im dritten Teil werden die für diese Ausarbeitung wichtigen Begriffe geklärt.
Im nachfolgenden Abschnitt werden die grundlegenden Theorien und Modelle der Ar-
beitsmotivation vorgestellt. Im fünften Kapitel werden die Grundlagen von Vergü-
tungssystemen erläutert. Mit diesem Abschnitt enden die theoretischen Erörterungen.
Der folgende Teil der Arbeit beschäftigt sich mit leistungs- und erfolgsorientierten Ver-
gütungssystemen in der Praxis. Es werden Studien zu variablen Vergütungssystemen
aus der Sicht von Arbeitgebern und Arbeitnehmern vorgestellt. Im siebten Abschnitt
wird der Autor auf der Basis der zuvor gewonnenen Erkenntnisse ein leistungs- und er-
folgsorientiertes Vergütungssystem für den Vertrieb eines Unternehmens der Investiti-
onsgüterindustrie erarbeiten. Die Abhandlung endet mit einem Fazit und einem
Ausblick.

3
2. Standortbestimmung
Variable Vergütungssysteme haben in den vergangenen Jahren vor allem für negative
Schlagzeilen gesorgt. Als Hauptgrund dafür können insbesondere die überhöhten
Bonuszahlungen an Bankmanager gelten. Aber auch Vorstandsmitgliedern anderer
Aktiengesellschaften sind Boni häufig auch dann gewährt worden, wenn sie offensicht-
lich erfolglos gearbeitet haben. Oder es sind Prämien gezahlt worden, die zuvor vertrag-
lich nicht vereinbart worden waren, wie im Fall des ehemaligen Mannesmann-Vorsit-
zenden Klaus Esser. Er sollte nach erfolgreichem Kampf um die Übernahme der Firma
Mannesmann durch den britischen Mobilfunkanbieter Vodafone eine Prämie in Höhe
von 15,9 Millionen Euro erhalten. Nachfolgend kam es zu einem der bekanntesten Ge-
richtsprozesse der deutschen Wirtschaft. Diese Ereignisse sind in der Öffentlichkeit auf
großes Unverständnis gestoßen und werden von der Gesellschaft als mehrheitlich unge-
recht empfunden. Parteien, Gewerkschaften und Sozialverbände befürchten sogar eine
Spaltung der Gesellschaft.
Nach der Finanzmarktkrise brachte die Große Koalition im Jahr 2009 das Gesetz zur
Angemessenheit der Vorstandsvergütung (VorstAG) auf den Weg, welches am 5. Au-
gust 2009 in Kraft trat. Im Entwurf vom 17. März 2009 findet sich zu Problemstellung
und Ziel des Gesetzes Folgendes: ,,Es ist eine der Lehren der Finanzmarktkrise, dass
von kurzfristig ausgerichteten Vergütungsinstrumenten fehlerhafte Verhaltensanreize
ausgehen können. Wer auf die Erreichung solch kurzfristiger Parameter wie Börsenkurs
oder Auftragsvolumen ausgerichtet ist, wird das nachhaltige Wachstum seines
Unternehmens aus dem Blick verlieren und zum Eingehen unverantwortlicher Risiken
verleitet. Ziel des Gesetzesentwurfes ist es, die Anreize in der Vergütungsstruktur für
Vorstandsmitglieder in Richtung einer nachhaltigen und auf Langfristigkeit ausge-
richteten Unternehmensführung zu stärken. Zugleich soll [...] die Transparenz der Vor-
standsvergütung gegenüber den Aktionären und der Öffentlichkeit verbessert werden."
2
Artikel 1, Satz 1. a) des VorstAG sieht unter anderem vor, dass die ,,Gesamtbezüge des
[...] Vorstandsmitglieds [...] in einem angemessenen Verhältnis zu den Aufgaben und
Leistungen des Vorstandsmitglieds, zur Lage der Gesellschaft und der üblichen
Vergütung stehen"
müssen.
Variable Vergütungssysteme sind mittlerweile jedoch nicht nur auf der Ebene des Top-
managements zu finden, sondern haben sich auch auf fast allen anderen Ebenen und Be-
2
Vgl. Bundestags-Drucksache 16/12278 vom 17.03.2009.

4
reichen der Unternehmen etabliert. Als Instrument für die Entlohnung von Vertriebs-
mitarbeitern ist die variable Vergütung ein seit Jahrzehnten eingesetztes Werkzeug.
Viele Vertriebsbereiche, in denen die Vergütung eindimensional am Verkaufserfolg
festgemacht wird, sind jedoch generell nicht vor Auswüchsen wie den geschilderten
sicher.
Insofern sind die im VorstAG enthaltenen Motive wie ein angemessenes Verhältnis der
Vergütung zu den erbrachten Leistungen, die Vergleichbarkeit auch innerhalb des
Unternehmens, langfristige Anreize zu nachhaltigem Wirtschaften sowie die Trans-
parenz der Vergütung grundsätzlich auch als Maßstab für die Vergütung aller Mitar-
beiter eines Unternehmens aktueller denn je. Doch wie können diese Motive in einem
leistungs- und/oder erfolgsorientierten Vergütungssystem von Vertriebsmitarbeitern
verankert werden?
Der Autor will dies untersuchen und vor diesem Hintergrund ein Vergütungssystem
entwickeln, das diese Aspekte berücksichtigt.

5
3. Begriffliche Grundlagen
Nachfolgend werden die wichtigsten Begriffe, die im Zusammenhang mit dem Thema
dieser Arbeit stehen, definiert, erläutert und voneinander abgegrenzt.
3.1 Menschliches Verhalten
Motivation stellt eine wesentliche Grundlage menschlichen Verhaltens dar. Ziel der
Motivationspsychologie ist es vor allem, zu erklären, wie Verhalten zustande kommt
und wie man es aufrechterhalten und steuern kann. Das Verhalten des Menschen wird
als Ergebnis der Wechselbeziehung zwischen handelnder Person und ihrer Umwelt an-
hand einer konkreten Situation interpretiert.
3
3.2 Bedürfnis und Motiv
Die Begriffe Bedürfnis und Motiv werden in der Literatur oft synonym verwendet,
unterscheiden sich jedoch.
Ein Bedürfnis stellt ein Verlangen dar, einen tatsächlichen oder auch nur subjektiv er-
lebten Mangelzustand zu beseitigen. Bedürfnisse sind Motiven vorgelagert und ver-
setzen den Menschen in allgemeine Handlungsbereitschaft.
4
Motive sind den Bedürfnissen nachgelagert. Der Begriff Motiv ist vom lateinischen
,,motivum" (Beweggrund) abgeleitet. Mit Motiv wird all das bezeichnet, was eine ziel-
gerichtete Handlung in Gang setzt. Ein Motiv beinhaltet zum einen das Bedürfnis,
welches aus einem Mangelempfinden resultiert, und zum anderen die Erwartung, durch
ein Verhalten den Mangel zu befriedigen. Motive bestimmen demnach Antrieb und
Richtung menschlichen Handelns.
5
Das menschliche Verhalten wird von einer Vielzahl
an Motiven bestimmt. Motive werden schließlich durch Anreize ­ entweder von der
Person selbst oder aus ihrer Umwelt ­ aktiviert und führen zu entsprechendem Ver-
halten.
6
3
Vgl. Meyer, V. (2009), S. 227.
4
Vgl. ebd., S. 228.
5
Vgl. Jung, H. (2011), S. 367.
6
Vgl. Meyer, V. (2009), S. 229.

6
3.3 Motivation
Von Motivation spricht man, wenn ein Motiv wirksam wird. Der Begriff leitet sich vom
lateinischen ,,movere" ab, was so viel wie bewegen bedeutet.
Während das Motiv eine rein personale Größe darstellt, vereinigt der Begriff der
Motivation sowohl personenbezogene als auch situationsbezogene Faktoren, die das
Verhalten bestimmen.
7
In Forschung und Literatur findet sich eine Vielzahl von Defi-
nitionen des Begriffes Motivation. Kurz gefasst bezeichnet Motivation die Initiierung,
Steuerung und Aufrechterhaltung psychischer und physischer Aktivitäten, die dazu
dienen, ein bestimmtes Ziel zu erreichen.
8
Bezogen auf die Arbeitsmotivation kommt
der Leistungsmotivation eine entscheidende Rolle zu. Sie ist fokussiert auf die Bereit-
schaft, sich ­ engagierter als durchschnittlich üblich ­ mit der konkreten Aufgabener-
füllung zu beschäftigen.
9
Aus der Perspektive des Personalmanagements ist die Motiva-
tion ein zentraler Ansatzpunkt für leistungssteigernde Beeinflussungsstrategien.
10
Menschliches Verhalten lässt sich stets auf innere oder äußere Gründe zurückführen.
Die Motivation wird somit in intrinsische und extrinsische Motivation unterschieden.
3.3.1 Intrinsische Motivation
Ein Verhalten wird als intrinsisch motiviert bezeichnet, wenn es um seiner selbst willen
geschieht. Intrinsisch motiviert ist eine Person, die aus eigenem Antrieb handelt.
11
Intrinsisch motivierte Menschen erleben die Befriedigung im Gehen des Weges, dem
sogenannten Appetenzverhalten.
12
In der Arbeitswelt stehen intrinsische Motive somit
in direkter Verbindung mit der Arbeit selbst. Diese können zum Beispiel in anspruchs-
vollen und abwechslungsreichen Tätigkeiten liegen.
Dies wird am folgenden Beispiel deutlich: Einem auf Provisionsbasis arbeitenden Ver-
triebsmitarbeiter bereiten die Akquisitions-, Beratungs- und Abschlussgespräche mit seinen
Kunden Zufriedenheit. Es befriedigt ihn, Kontakte mit anderen Menschen zu pflegen, sie zu
beraten und ihnen das Gefühl zu geben, dass sie gut bedient zu werden. Ihm bereitet
folglich die Arbeit selbst Freude. Dies wird als intrinsische Arbeitsmotivation bezeichnet.
7
Vgl. Berthel, J./Becker, F. G. (2013), S. 49.
8
Vgl. Kals, E. (2006), S. 159.
9
Vgl. Berthel, J./Becker, F. G. (2013), S. 50.
10
Vgl. Holtbrügge, D. (2013), S. 13.
11
Vgl. Rheinberg, F./Vollmeyer, R. (2012), S. 149.
12
Vgl. Comelli, G./Rosenstiel, L. v. (2009), S. 10.

7
Der intrinsischen Motivation wird allgemein eine größere Bedeutung zugemessen, was
ihren Einfluss auf Arbeitsleistung und Arbeitsverhalten betrifft. Ihre Befriedigung habe
deutlich anhaltendere Wirkung, als dies bei der extrinsischen Motivation der Fall sei.
Bei dieser müsse die Befriedigung rasch aktualisiert werden, zum Beispiel durch Lohn-
erhöhungen.
3.3.2 Extrinsische Motivation
Als extrinsisch motiviert wird ein Verhalten bezeichnet, bei dem der Beweggrund des
Verhaltens außerhalb der eigentlichen Handlung liegt. Eine Person, die von außen ge-
steuert erscheint, ist demnach extrinsisch motiviert.
13
Extrinsisch motivierte Menschen finden Befriedigung im Erreichen des durch die Hand-
lung verfolgten Ziels, dem sogenannten konsumatorischen Akt.
14
Die Ursachen für ein
bestimmtes Verhalten stammen dabei primär aus der Umwelt der handelnden Person.
Extrinsische Motive beziehen sich nur mittelbar auf die Arbeitsaufgabe selbst, sie liegen
in den Folgen der Tätigkeit, zum Beispiel dem Wunsch nach Geld, Sicherheit und
sozialer Geltung.
15
Für einen Vertriebsmitarbeiter kann ein solcher Anreiz zum Beispiel die Aussicht auf
einen vorderen Platz bei einem unternehmensinternen Wettbewerb der besten Verkäufer
sein, der mit einer hohen Leistungsprämie verbunden ist.
Abschließend lässt sich festhalten, dass Mitarbeiter, die vorwiegend extrinsisch moti-
viert sind, in stärkerem Maße auf externe Belohnungen reagieren als intrinsisch moti-
vierte Mitarbeiter.
3.3.3 Abgrenzung von intrinsischer und extrinsischer Motivation
Die Begriffe intrinsisch und extrinsisch sind in der Psychologie nicht eindeutig vonein-
ander abgegrenzt. Die Abgrenzung erfolgt bei den bedeutendsten Erklärungsansätzen
über die Definition der intrinsischen Motivation.
Nach dem Erklärungsansatz der Zweckfreiheit liegt intrinsische Motivation vor, wenn
der Anreiz einer Handlung nicht in den erwarteten Ergebnisfolgen, sondern im Tätig-
13
Vgl. Rheinberg, F./Vollmeyer, R. (2012), S. 149.
14
Vgl. Comelli, G./Rosenstiel, L. v. (2009), S. 10.
Olfert, K. (2012), S. 255.

8
keitsvollzug selbst liegt. Die höchste Stufe des Erlebens besteht für den Handelnden in
einem Flow-Erleben, bei dem er völlig in der Tätigkeit aufgeht und ein tiefes Gefühl der
Freude empfindet. Handlungen, die hingegen auf das Erreichen eines Ergebnisses ge-
richtet sind, werden als extrinsisch motiviert bezeichnet.
16
Nach dem Ansatz der Übereinstimmung von Mittel und Zweck kann eine Handlung
durchaus auf ein Ergebnis ausgerichtet und dennoch intrinsisch motiviert sein. Dies
gelte aber nur dann, wenn die Handlung, das angestrebte Handlungsergebnis und die
erwarteten Ergebnisfolgen dem gleichen Thema angehören.
17
Bei diesem Ansatz kann
die Abgrenzung von intrinsischer und extrinsischer Motivation Schwierigkeiten be-
reiten. Die Feststellung, ob die angestrebten Handlungsziele inhaltlich innerhalb des-
selben Themas liegen, ist noch vergleichsweise einfach vorzunehmen. Ungleich
schwieriger ist die Beziehung zwischen dem Handlungsergebnis und den angestrebten
Handlungsfolgen festzustellen, da eine Person unterschiedliche Beweggründe haben
kann, dasselbe Ergebnis erreichen zu wollen.
Die Meinung, welche die Selbstbestimmung in den Mittelpunkt stellt, sieht eine Hand-
lung dann als intrinsisch motiviert an, wenn sie vom Handelnden als autonom, das heißt
als selbst verursacht, empfunden wird. Fühle sich der Handelnde jedoch von äußeren
Kräften gesteuert, dann sei sein Verhalten extrinsisch motiviert.
18
Bezogen auf die
Arbeitswelt könnte man die Abgrenzung nach dieser Meinung am Grad der Selbst-
ständigkeit vornehmen, die der Vertriebsmitarbeiter bei der Durchführung seiner Ar-
beitsaufgaben empfindet. Wird eine Handlung vom Mitarbeiter selbst als autonom
wahrgenommen, so ist sie intrinsisch motiviert.
In letzter Zeit hat sich eine Abgrenzung nach Tätigkeit und Zweck
19
herausgebildet.
Intrinsische Motivation liegt danach bei Tätigkeiten vor, die tätigkeitszentriert sind.
Analog dazu werden zweckzentrierte Arbeiten als extrinsisch motiviert betrachtet.
Diese Abgrenzung wird im Folgenden auch für diese Arbeit verwendet.
16
Vgl. Rheinberg, F./Vollmeyer, R. (2012), S. 153.
17
Vgl. Rheinberg, F. (2010), S. 370f.
18
Vgl. Rheinberg, F./Vollmeyer, R. (2012), S. 150.
19
Vgl. Rheinberg, F. (2010), S. 368f.

9
3.3.4 Verdrängung von intrinsischer Motivation durch extrinsische Anreize
Materielle Anreizsysteme sollen die extrinsische Motivation fördern. Sie sollen indirekt
dadurch wirken, dass eine von der Tätigkeit getrennte Belohnung zu einer Bedürfnis-
befriedigung führt.
20
Die Annahme, dass mit dem Ergebnis verknüpfte Belohnungen stets zu einer Erhöhung
der Leistung für diese Aktivität führen, wird jedoch von verschiedenen Autoren ange-
zweifelt. Als zentrales Argument wird angeführt, dass extrinsische Anreize wie zum
Beispiel ein materielles Anreizsystem zu einer Verminderung der intrinsischen Moti-
vation führen können. Die materielle Belohnung verdränge den Sinn der eigentlichen
Tätigkeit.
21
Dies wird als Verdrängungseffekt oder Korrumpierungseffekt
22
beziehungs-
weise als Crowding-out
23
bezeichnet. Mitunter wird ein Bonus sogar als Miss-
trauensabschlag
bezeichnet, der als Ausdruck eines Verdachts gegenüber dem Mitar-
beiter gilt, dass dieser ansonsten keine volle Leistung erbringen würde.
24
Andere Autoren legen bei der Beurteilung des Verdrängungseffektes die Selbstbe-
stimmung des Individuums zugrunde. Je größer die Selbstbestimmung sei, desto mehr
fühlten sich die Mitarbeiter für ihr Verhalten verantwortlich und desto größer sei die
intrinsische Motivation. Verstärkend wirkten zum Beispiel gemeinsame Zielverein-
barungen. Externe Anreize in Form von variabler Vergütung könnten die wahrgenom-
mene Selbstbestimmung jedoch mindern, wenn sie als kontrollierend empfunden wer-
den. In diesem Fall würde sich ein Gefühl der Fremdbestimmung einstellen und der
Handelnde könnte daran zweifeln, ob er das, was er tut, auch aus freien Stücken tun
würde. Dann könnte die intrinsische Motivation abnehmen.
25
Fraglich ist, ob auf materielle Anreize begrenzte Vergütungssysteme geeignet sind, die
intrinsische Motivation zu verstärken.
Eine umfangreiche empirische Studie
26
mit 1.300 Mitarbeitern eines Maschinenbauun-
ternehmens stellt den Nutzen materieller Belohnungssysteme in Frage. Extrinsische
Faktoren wie die Vergütung und die finanzielle Anerkennung beruflicher Leistung
durch das Unternehmen hätten auf das emotionale Erleben und die Arbeitsmotivation
20
Vgl. Bergmann, G./Kolb, M. (2010), S. 50.
21
Vgl. Rheinberg, F. (2010), S. 372f.
22
Vgl. ebd., S. 372.
23
Vgl. Artz, M. (2011), S. 319.
24
Vgl. Sprenger, R. K. (2010), S. 100.
25
Vgl. Kumlin, R. (2010), S. 78.
26
Vgl. Keddi, M. (2008).

10
keinen nennenswerten Einfluss.
27
Die Studie kommt jedoch auch zu dem Ergebnis, dass
die materiellen Anreize sich nicht grundsätzlich negativ auf die intrinsische Motivation
auswirkten.
Allgemein kann festgehalten werden, dass intrinsische und extrinsische Motivation
nicht unabhängig voneinander und ihre Wirkungen somit auch nicht additiv sind.
Vor dem Hintergrund der immer komplexer werdenden Anforderungen an qualifizierte
Vertriebsmitarbeiter in der Investitionsgüterindustrie kann somit davon ausgegangen
werden, dass der dargestellte Verdrängungseffekt die Erfolgswirksamkeit eines Vergü-
tungssystems gegebenenfalls einschränken, aber nicht völlig außer Kraft setzen kann.
Ein Vergütungssystem sollte also idealerweise so gestaltet sein, dass intrinsische und
extrinsische Motivation komplementär wirken können.
3.4 Leistung und Erfolg
Im Zusammenhang mit der Darstellung von Vergütungssystemen erfolgt oft keine klare
Trennung zwischen den Begriffen Erfolg und Leistung. Ein Grund dafür kann in der
Schwierigkeit der direkten Messung von Leistung liegen. Häufig wird daher die
Leistung am Erfolg gemessen.
3.4.1 Leistung
Im Rahmen dieser Arbeit ist der Begriff Leistung im Sinne von Arbeitsleistung zu ver-
stehen. Die Arbeitsleistung ist danach eine Inputgröße, die für das Maß an Anstren-
gungen, Fähigkeiten und Fertigkeiten steht, die eine Person in den Prozess der Erstel-
lung eines Gutes oder einer Dienstleistung einbringt.
28
3.4.2 Erfolg
Der Erfolg ist demgegenüber als reine Outputgröße definiert, die auf Folgen oder Re-
sultate von Ergebnissen oder angestrebten Zielen abstellt.
29
27
Vgl. ebd., S. 44.
28
Vgl. Breisig, T. (2003), S. 97.
29
Vgl. ebd., S. 97.

11
4. Ausgewählte Theorien und Modelle der Arbeitsmotivation
Motivationstheorien und -modelle können Erkenntnisse liefern, warum sich Menschen
auf eine bestimmte Art verhalten und wie ihr Verhalten gemäß den Zielen eines Unter-
nehmens beeinflusst werden kann.
Es existiert eine Vielzahl von Motivationstheorien. Sie verfolgen das Ziel, menschliches
Verhalten zu beschreiben, zu erklären und vorherzusagen.
30
Jede Theorie basiert dabei
auf verschiedenen Annahmen und Zielen. Nachfolgend soll ein Überblick über die
Motivationstheorien und -modelle gegeben werden, die für den Bereich der Arbeits-
motivation Relevanz haben. Jede der dargestellten Theorien wird insbesondere darauf-
hin betrachtet, ob sie Aspekte enthält, die für die Entwicklung eines leistungs- und er-
folgsorientierten Vergütungssystems relevant sein können.
4.1 Herzbergs Zwei-Faktoren-Theorie
Die Zwei-Faktoren-Theorie von Herzberg
31
bietet einen Erklärungsansatz zur Arbeits-
zufriedenheit.
Im Rahmen der sogenannten Pittsburgh-Studie wurde der Zusammenhang zwischen Ar-
beitsleistung und Arbeitszufriedenheit empirisch untersucht. Im Zuge dieser Studie
wurden 200 Angestellte befragt, welche Faktoren bei ihnen zu Unzufriedenheit und
welche Faktoren zur Zufriedenheit führen. Herzberg kam zu dem Ergebnis, dass nur
selten dieselben Ursachen zugleich als Positiverlebnis und als Negativerlebnis aufge-
führt werden. Daraus zog Herzberg den Schluss, dass Arbeitszufriedenheit und Arbeits-
unzufriedenheit zwei verschiedene Dimensionen darstellen und dementsprechend zwei
Faktoren zu deren Erreichung bzw. Vermeidung existieren.
32
Die Faktoren, welche die Arbeitsunzufriedenheit verhindern können, werden von Herz-
berg als Hygienefaktoren
33
bezeichnet. Die Faktoren, die Arbeitszufriedenheit schaffen
können, werden Motivatoren genannt.
34
30
Vgl. Keddi, M. (2008), S. 2.
31
Vgl. Herzberg, F./Mausner, B./Snyderman, B. B. (1959).
32
Vgl. Herzberg, F./Mausner, B./Snyderman, B. B. (1959), S. 113ff.
33
Der Begriff Hygienefaktor wurde in Anlehnung an die medizinische Hygiene gewählt. Diese kann zwar
Krankheiten vermeiden, jedoch einen kranken Menschen nicht gesund machen.
34
Vgl. Berthel, J./Becker, F. G. (2013), S. 58.

12
Die Zwei-Faktoren-Theorie wird damit zu einer hierarchischen Motivationstheorie mit
zwei dynamischen Ebenen:
Ebene 1: Suche nach Hygiene
Ebene 2: Suche nach Motivation
Abb. 1: Die Ebenen der Zwei-Faktoren-Theorie (eigene Darstellung)
Die Hygienefaktoren können als Grundbedürfnisse angesehen werden. Sie bilden die
Basis dafür, Unzufriedenheit am Arbeitsplatz zu reduzieren.
35
Ihre Existenz führt jedoch
nicht zu Zufriedenheit, sondern lediglich zu einem Zustand der Nicht-Unzufriedenheit.
Durch Hygienefaktoren allein kann man die Mitarbeiter aber noch nicht motivieren.
Zufriedenheit kann nur durch das Vorliegen von Motivatoren erreicht werden. Die
Ebene der Motivation ist für das Arbeitsverhalten die wichtigere der beiden Ebenen.
36
Bezogen auf die Arbeitsmotivation bedeutet dies: Wenn sich die Hygienefaktoren ver-
schlechtern, steigt die Unzufriedenheit der Mitarbeiter. Wenn bei ihnen eine Verbesse-
rung eintritt, wird keine Unzufriedenheit empfunden, aber auch keine Zufriedenheit, da
Verbesserungen als selbstverständlich angesehen werden.
37
Herzberg ordnete im
Rahmen seiner Studie alle äußeren Arbeitsbedingungen wie zum Beispiel Bezahlung,
Status, Arbeitsplatzsicherheit und Führungsstil den Hygienefaktoren zu. Die unmittelbar
mit der Arbeit verknüpften Faktoren wie beispielsweise Leistungserfolg, Arbeitsinhalt,
Anerkennung, Verantwortung, Aufstiegsmöglichkeiten und Selbstentfaltung stellen die
Motivatoren dar. Herzbergs Studie kam somit zu dem Ergebnis, dass Zufriedenheit
überwiegend durch intrinsische Aspekte ­ die Motivatoren ­ bewirkt wird. Ein extrin-
35
Vgl. Schwarzmüller, T. (2009). S. 257.
36
Vgl. Weinert, A. B. (2004) S. 197.
37
Vgl. Hentze, J./Graf, A. (2005), S. 25.

13
sischer Faktor wie zum Beispiel die Bezahlung, die zu den Hygienefaktoren zählt, kann
Unzufriedenheit bestenfalls vermeiden.
38
Hauptkritikpunkt an Herzbergs Modell ist, dass Hygienefaktoren und Motivatoren nicht
isoliert voneinander gesehen werden können. Dies schildert Herzberg selbst am Beispiel
des Geldes. Der berufliche Aufstieg sei ein Motivator, das Geld sei ein Hygienefaktor.
Nun ist die primär angestrebte Beförderung in aller Regel jedoch mit einer Gehaltser-
höhung verbunden.
39
Somit verwischten in diesem konkreten Beispiel die Grenzen
zwischen Hygienefaktoren und Motivatoren. Weiterhin werde der Begriff der Arbeits-
zufriedenheit nicht definiert.
40
Trotz der Kritik aus der Wissenschaft findet Herzbergs Zwei-Faktoren-Theorie insbe-
sondere in der Praxis auch heute noch eine starke Akzeptanz. Dies ist hauptsächlich
wohl auf die einfachen Grundannahmen und die unmittelbare Einsichtigkeit der
Schlussfolgerungen Herzbergs zurückzuführen, auf die sich direkt betriebliche Gestal-
tungsmaßnahmen durchführen lassen. Zudem widerspricht sie der weit verbreiteten An-
sicht, dass Mitarbeiter ausschließlich durch ökonomische, das heißt finanzielle, Anreize
motiviert werden können.
4.2 Die Valenz-Instrumentalitäts-Theorie von Vroom
Die Valenz-Instrumentalitäts-Theorie (VIE-Theorie) von Vroom gehört zu den Erwar-
tungswerttheorien. Diese Theorien gehen von einem rationalen, zielorientiert handeln-
den Menschen aus, dessen Verhaltenstendenzen (Motivationen) zum einen von der ein-
geschätzten Erwartung (Wahrscheinlichkeit), ein bestimmtes Verhaltensziel zu er-
reichen, und zum anderen von dem subjektiv wahrgenommenen Wert (Attraktivität des
dadurch realisierten Sachverhalts) abhängig sind.
41
Die VIE-Theorie hat auch Gültigkeit
für die Arbeitsmotivation und ist somit auch für die Führungslehre von Bedeutung.
42
Die VIE-Theorie geht davon aus, dass Menschen verschiedene Handlungsalternativen
zur Verfügung haben und diejenige davon wählen, die den höchsten subjektiv erwarte-
ten individuellen Nutzen mit sich bringt. Die Ausprägung der Motivation einer Person
ist dabei abhängig von der eigenen Wahrnehmung situativer und persönlicher Aspekte,
38
Vgl. Berthel, J./Becker, F. G. (2013), S. 58.
39
Vgl. Hentze, J./Graf, A. (2005), S. 26.
40
Vgl. Neuberger, O. (1985), S. 201.
41
Vgl. Berthel, J./Becker, F. G. (2013), S. 59f.
42
Vgl. Hentze, J./Graf, A. (2005), S. 33.

Details

Seiten
Erscheinungsform
Erstausgabe
Jahr
2013
ISBN (PDF)
9783956845598
ISBN (Paperback)
9783956840593
Dateigröße
2.5 MB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Hanseatische Verwaltungs- und Wirtschafts- Akademie VWA gemeinnützige GmbH, Studienzentrum Hamburg
Erscheinungsdatum
2014 (März)
Note
1,3
Schlagworte
Vergütungssystem Investitionsgut Vertrieb leistungsorientiert erfolgsorientiert Arbeitsmotivation variable Einkommensanteile

Autor

Kai-Uwe Schirch wurde 1969 in Braunschweig geboren. Nach dem Studium der Rechtswissenschaften ist er seit Juli 2000 im Außendienst für verschiedene Hersteller von Büro- und Objekteinrichtungssystemen tätig. Im Rahmen dieser Vertriebsfunktion lernte er unterschiedliche Vergütungssysteme kennen. Um seine praktisch erworbenen Qualifikationen im Bereich der Betriebswirtschaft auszubauen, begann er im September 2010 an der Hanseatischen VWA in Hamburg ein berufsbegleitendes Studium der Betriebswirtschaft mit Schwerpunkt Marketing und Vertrieb. Dieses schloss er im Juli 2013 als Betriebswirt (VWA) ab. Im vorliegenden Buch entwickelt er ein Vergütungssystem für den Vertrieb eines Unternehmens der Investitionsgüterindustrie.
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