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Säuglingsnahrung bei atopischer Dermatitis

©2013 Bachelorarbeit 73 Seiten

Zusammenfassung

Diese Studie untersucht, ob handelsübliche Säuglingsnahrungsmittel in ihrer Wirksamkeit zur Behandlung atopischer Dermatitis als ausreichend zu bewerten sind. Darüber hinaus wird die Nahrungsmittelrestriktion der Mutter in der Schwangerschaft und Stillzeit sowie der Zeitpunkt der Kosteinführung beim Säugling bewertet.

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


2. Theoretische Grundlagen

2.1 Atopische Dermatitis im Säuglingsalter

Die AD tritt bevorzugt im Säuglingsalter auf. Sie äußert sich als erste Krankheitsform der Atopie, die bis ins Erwachsenenalter bestehen kann (Robert Koch-Institut (Hrsg) 2008, S. 16; Suh et al. 2011, S. 1152). Die vorliegende Arbeit befasst sich mit der seit Geburt vorliegenden- oder im ersten Lebensjahr durch Säuglingsnahrung beziehungsweise Muttermilchgabe ausgelösten AD. Hierzu wird die Krankheit näher erläutert, der Bezug zur gleichzeitig auftretenden Kuhmilchproteinallergie gezogen und die Notwendigkeit der Verwendung speziell angepasster Säuglingsnahrungen erläutert.

2.1.1 Definition

Die AD wird auch als Neurodermitis, atopisches Ekzem oder als endogenes Ekzem bezeichnet (Binder 2008, S. 26; Robert Koch-Institut (Hrsg) 2008, S. 20). Atopisches Ekzem und atopische Dermatitis werden oft synonym verwendet, wobei das atopische Ekzem immer Immunglobulin E- (IgE) vermittelt ist (Schofield und Grindlay 2009, S. 85). Die AD kann IgE-vermittelte und nicht-IgE-vermittelte Hautreaktionen aufzeigen (Fiocchi et al. 2010, S. 1121). Atopie steht für eine größtenteils erblich bedingte IgE-Überproduktion (Robert Koch-Institut (Hrsg) 2008, S. 15). AD ist das erste klinische Zeichen einer Atopie, gefolgt von Lebensmittelallergien (Campbell 2012, S. 1059; Spergel 2010, S. 104). Allergien sind eine „übermäßige Reaktionsbereitschaft des Immunsystems gegenüber körperfremden, eigentlich unschädlichen Substanzen“ (Robert Koch-Institut (Hrsg) 2008, S. 15). AD stellt keine einfache Krankheit, sondern eine Häufung mehrere Krankheiten dar (Bath-Hextall et al. 2008, S. 3). Die gleichzeitige Kuhmilchproteinallergie kommt besonders häufig vor, da AD im Säuglingsalter meist nach Aufnahme von Kuhmilch erscheint (Fiocchi et al. 2010, S. 1121).

2.1.2 Symptome

AD äußert sich akut durch Rötungen, Schuppen und Blasen oder chronisch durch schubweise auftretende, oberflächliche Hautbeschädigung, Hautverdickung und veränderter Hautpigmentierung, begleitet von intensivem Juckreiz (Bath-Hextall et al. 2008, S. 2 f.; Robert Koch-Institut (Hrsg) 2008, S. 15). Die Haut ist stark trocken (Watkins 2010, S. 214). Dabei sind vorwiegend die Ellenbogen- und Kniefalten sowie das Gesicht und der Nacken, teilweise aber auch der ganze Körper betroffen (Bath-Hextall et al. 2008, S. 3). AD entsteht zumeist in frühen Kindheitsjahren, mit verstärkten Symptomen bei Säuglingen (Jäger und Vieths 2008, S. 196; Suh et al. 2011, S. 1152). Juckreiz tritt unabhängig vom Alter auf (Bath-Hextall et al. 2008, S. 3; Watkins 2012, S. 450).

2.1.3 Erkrankungshäufigkeit

Weltweit sind zehn bis zwanzig Prozent der Kinder an AD erkrankt, mit steigender Häufigkeit in Industrienationen (Ngatu et al. 2012, S. 597). Laut Robert Koch-Institut leiden 7,5 Prozent der null- bis siebzehnjährigen Deutschen an AD (Robert Koch-Institut (Hrsg) 2008, S. 16, 18). Der Median des Krankheitsbeginns liegt in Schweden bei vier Monaten. Im sechsten Lebensmonat erkranken knapp 14 Prozent und im ersten Lebensjahr fast 21 Prozent der schwedischen Säuglinge an AD (Alm et al. 2009, S. 12). Bei 85 Prozent der Erkrankten zeigt sich AD im ersten Lebensjahr (Watkins 2012, S. 450). Im Alter von zwei Jahren erkranken knapp 14 Prozent der untersuchten Kinder im Vereinigten Königreich, wobei 27,7 Prozent davon gleichzeitig sensibilisiert sind (Notenboom et al. 2011, S. 410). Kinder mit allergieerkrankten Eltern sind vermehrt betroffen. Der stärkste Risikofaktor für AD ist die familiäre Vorerkrankung mit Atopien, besonders die AD der Eltern (Alm et al. 2009, S. 13; Robert Koch-Institut (Hrsg) 2008, S. 18 f.; Vandenplas 2010, S. 356). Zum Jugendalter bildet sich die Krankheit in der Regel zurück (Robert Koch-Institut (Hrsg) 2008, S. 16).

2.1.4 Nahrungsmittelallergene als Krankheitsauslöser

Lebensmittelallergien, vor allem die Kuhmilchproteinallergie, treten am häufigsten im ersten Lebensjahr auf (Zachariassen et al. 2011, S. 515). Kinder mit Nahrungsmittelallergie leiden fast immer an AD. Von den primär an AD erkrankten Kindern, leiden laut „Danish Allergy Research Centre Cohort" (DARC)[1] jedoch weniger als 15 Prozent an Lebensmittelallergien (Eller et al. 2009, S. 1028). Die frühzeitige Lebensmittelsensibilisierung zeigt einen signifikanten Zusammenhang mit der AD, da die Mehrheit der AD-erkrankten Kinder gleichzeitig an einer IgE-vermittelten Nahrungsmittelallergie leiden (Heratizadeh et al. 2011, S. 284 f., 2012, S. 315 f.). Die meisten Lebensmittelunverträglichkeiten im Säuglingsalter sind IgE-vermittelt (Eller et al. 2009, S. 1028). Starke IgE-vermittelte Antikörperbildung gegen Lebensmittelallergene führt zu besonders schwerer AD (Wichmann et al. 2012, S. 316). Es besteht laut DARC ein signifikanter Zusammenhang zwischen der AD-Manifestation bis zum sechsten Lebensjahr und der IgE-Antikörperbildung gegen Nahrungsmittel vom dritten bis zum achtzehnten Lebensmonat (Wichmann et al. 2012, S. 316 f.). Bei Säuglingen die vor dem dritten Lebensmonat an AD erkranken ist das Risiko einer Lebensmittelallergie am höchsten. Bei den Betroffenen löst die Lebensmittelallergie das Ekzem aus (Heratizadeh et al. 2011, S. 285 f.). Bei Frühgeburten mit einem unvollständig entwickelten Darm besteht ein erhöhtes Risiko Lebensmittelallergene zu resorbieren und dadurch Lebensmittelallergien zu entwickeln (Zachariassen et al. 2011, S. 519).

Es liegen drei klinische Reaktionsmuster bei AD-Erkrankten mit Lebensmittelallergien vor:

1. Unmittelbare, sofort eintretende Krankheitszeichen
2. Einzeln auftretende, späte Krankheitszeichen
3. Kombinierte, chronische und akute Krankheitszeichen (Heratizadeh et al. 2011, S. 284).

Die Nahrungsmittelallergie äußert sich, besonders bei Kindern, durch allergische Sofortreaktionen und allgemein durch Verschlechterung der AD (Werfel et al. 2009, S. 266; Wichmann et al. 2012, S. 315). Die am häufigsten Allergien auslösenden Lebensmttel sind Hühnerei, Kuhmilch, Soja, Weizen und Erdnüsse (Kurowski und Boxer 2008, S. 1679; Wichmann et al. 2012, S. 315). Die Kuhmilchproteinallergie wird wegen besonderer Relevanz in den ersten Lebensjahren im Folgenden detailliert behandelt.

2.2 Kuhmilchproteinallergie

Zwei Drittel der Lebensmittelallergien werden durch Milch verursacht (Eller et al. 2009, S. 1025). Kuhmilch stellt das erste und häufigste Lebensmittelallergen dar, welches der Säugling verabreicht bekommt (Campbell 2012, S. 1058; Eller et al. 2009, S. 1025). Parallel ist Kuhmilch, nach der Muttermilch, das Nahrungsmittel mit der höchsten ernährungsphysiologischen Bedeutung in den ersten Lebensjahren (Niggemann 2012, S. 288). Bei einer Kuhmilchproteinallergie ist vor allem das hitzestabile Casein allergieauslösend, woraus 80 Prozent des Kuhmilcheiweißes besteht (Bundesinstitut für Risikobewertung 2009, S. 1). Ebenfalls allergieauslösend ist beta-Laktoglobulin und in geringerem Maß alpha-Laktalbumin. Meist liegt eine Sensibilisierung gegen mehrere Milchallergene vor (Jäger und Vieths 2008, S. 193). Bei AD ist die Kuhmilchproteinsensibilisierung stärker ausgeprägt als bei anderen Atopieformen (Chen et al. 2012, S. 6). Beta-Laktoglobulin ist denaturiert allergieauslösender als in nativem Zustand. Beim hitzelabilen Laktalbumin trifft dies nur teilweise zu (Jäger und Vieths 2008, S. 194). Auch das in der Milch vorkommende Enzym Lactoferrin kann zu Allergien führen (Jäger und Vieths 2008, S. 195). In den westlichen Ländern löst Casein am häufigsten Allergien aus (Chen et al. 2012, S. 5). Die Kuhmilchproteinallergie bleibt bei Gabe hitzebehandelter Milch erhalten (Fiocchi et al. 2010, S. 16 f.). Ob und inwiefern allergieauslösende Milchproteine durch Erhitzungs- und Verarbeitungsverfahren ihr allergenes Potential verändern, ist nicht bekannt (Bundesinstitut für Risikobewertung 2009, S. 1). Kuhmilchproteinallergie und AD sind nicht dieselbe Krankheit, es besteht jedoch ein starker Zusammenhang. So führt Kuhmilchverzehr zu Verschlechterungen der AD (Niggemann 2012, S. 289; Rancé 2008, S. 283). Außerdem steht die Sensibilisierung gegen Kuhmilch in Korrelation mit der Entstehung der AD. Von den Teilnehmern der „German Infant Nutrition Intervention“ Kohorte (GINI)[2] erkranken 23 Prozent der Milchsensibilisierten und zehn Prozent der Nicht-Sensibilisierten im sechsten Lebensjahr an AD (Brockow et al. 2009, S. 181). Klinische Symptome treten schon bei geringsten Verzehrsmengen kuhmilchbasierter Säuglingsnahrung oder Muttermilch auf (Bundesinstitut für Risikobewertung 2009, S. 2; Järvinen und Chatchatee 2009, S. 251). Die Kuhmilchunverträglichkeit kann nicht nur kuhmilchernährte Säuglinge, sondern auch ausschließlich gestillte betreffen (Fiocchi et al. 2010, S. 3). Die Kuhmilchproteinallergie des Säuglings kann bereits durch den mütterlichen Verzehr von einem Glas Milch pro Tag ausgelöst werden (Ngamphaiboon et al. 2008, S. 203). Die Aufnahme von Kuhmilchprotein nach der Geburt führt laut thailändischer Studie zu Symptomen bei Säuglingen, da deren Darmabwehrmechanismus und Immunglobulin A- (IgA) Sekretion noch im Aufbau sind (Ngamphaiboon et al. 2008, S. 199). Das mediane Alter der Kuhmilchtoleranz liegt in Korea bei 67 Monaten, wenn der Säugling an AD leidet (Suh et al. 2011, S. 1152). Der klinischen Studie von Suh et al. zufolge, vertragen 9,6 Prozent der zweijährigen und 43,3 Prozent der fünfjährigen Kleinkinder aus Korea Kuhmilch (n = 115) (2011, S. 1154). Die Kuhmilchproteinallergie betrifft in Thailand vorwiegend Kinder, deren Mütter hohe Mengen an Milchprodukten während der Schwangerschaft verzehren. Kuhmilch stellt dort kein gängiges Lebensmittel dar, der erhöhte Konsum bedingt die Sensibilisierung der Schwangeren und des Säuglings (Ngamphaiboon et al. 2008, S. 199 f.). Die Einführung von Kuhmilch vor dem ersten Lebensjahr ist in der Türkei ein signifikanter Risikofaktor für die Atopieentstehung (p < 0,05), wie die klinische Studie von Özmert et al. mit 109 Probanden zeigt (2009, S. 105). Im Gegensatz dazu hat laut litauischer Geburtskohorte “Alergemol” die mütterliche Ernährung während der Schwangerschaft keine signifikante Auswirkung auf die Bildung von Lebensmittelallergien beim Kind (n = 1558, p > 0,05) (Dubakiene et al. 2012, S. 5).

Nicht alle Kuhmilchunverträglichkeiten sind auf eine Allergie zurückzuführen (Fiocchi et al. 2010, S. 3). Von den Kuhmilchunverträglichkeiten sind 40 Prozent nicht IgE vermittelt, also nicht immunologisch bedingt (Jäger und Vieths 2008, S. 197). Zu diesen Unverträglichkeiten zählt die Laktose-Intoleranz (Bundesinstitut für Risikobewertung 2009, S. 1). Die familiäre Allergievorgeschichte, die kuhmilchspezifische IgE-Konzen­tration beim ersten Kontakt beziehungsweise der ersten Aufnahme, der gesamte IgE-Serumspiegel und der kuhmilchspezifische IgE-Spiegel nehmen in den ersten zwei Lebensjahren Einfluss auf die Erkrankung des Säuglings (Suh et al. 2011, S. 1154). Gegen die Kuhmilchproteinallergie kann im höheren Alter eine Toleranz entwickelt werden (Chen et al. 2012, S. 6). Bis zum Schulbeginn bilden sich die Symptome bei 50 bis 80 Prozent der Allergieerkrankten zurück (Wichmann et al. 2012, S. 316). Die Krankheit ist parallel zur AD besonders relevant im Säuglingsalter.

2.3. Einfluss der mütterlichen Ernährung und Stilldauer auf die atopische Dermatitis

Im Folgenden wird der Einfluss der Muttermilch und mütterlichen Ernährung während der Schwangerschaft und Stillzeit im Hinblick auf die Prävention der AD des Säuglings analysiert.

2.3.1. Auswirkung des Stillens auf die atopische Dermatitis des Säuglings

Der Einfluss des Stillens auf die AD wird in der Fachliteratur kontrovers diskutiert. Zahlreiche Autoren bewerten das Stillen positiv. Der Meta-Analyse von Alexander et al. zufolge wirkt Stillen primär und sekundär präventiv und gewährt zusätzliche Gesundheitsvorteile (2010, S. 429). Prävention wird hier als Krankheitshinauszögerung oder als Linderung der Symptome betrachtet. Deutscher Fachliteratur von Wichmann et al. entsprechend schützt Stillen vor AD, ungeachtet davon, ob ein hohes familäres Risiko vorliegt (2012, S. 319). Die Muttermilch fördert durch das enthaltene IgA die Entwicklung der Darmbarriere und regt die Immunantwort an. Zusätzlich wird durch Stillen die Aufnahme körperfremder Proteine herabgesenkt (Ngamphaiboon et al. 2008, S. 203). Es wird, besonders bei Säuglingen mit einem hohen Erkrankungsrisiko empfohlen, zu Stillen (Werfel et al. 2009, S. 269). Die vorbeugende Wirkung setzt gemäß der deutschen Langzeitstudie von Pohlabeln et al. erst ab einer Dauer von über vier Monaten ein, unabhängig von der genetischen Veranlagung. Bei Kindern atopischer Eltern hat Stillen die stärkste präventive Schutzwirkung (2010, S. 197). Der klinische Report der "American Academy of Pediatrics" (AAP)[3] zeigt, dass ausschließliches mindestens vier Monate langes Stillen im Vergleich zur intakten Kuhmilchsäuglingsnahrung das Aufkommen der AD und der Kuhmilchproteinallergie in den ersten zwei Lebensjahren verringert und einen vorbeugenden Effekt auf die Allergieentstehung ausübt (Greer et al. 2008, S. 188). Dem schließen sich weitere Autoren an (siehe Flohr et al. 2011, S. 1282, Williams et al. 2008, S. 379 f., Yang et al. 2009, S. 379). Die WHO empfiehlt ausschließliches Stillen bis zum sechsten- und weiterführendes Stillen bis zum 24. Lebensmonat (Lien und Goldman 2011, S. 1404). Durch Stillen entsteht ein Schutz vor viraler Infektion der Duncan und Sears zufolge zum verminderten AD-Vorkommen beiträgt (2008, S. 404).

Es liegen auch unklare Befunde aus Fachzeitschriften gegenüber dem Stillen vor (Greer et al. 2008, S. 188). In der deutschen Langzeitstudie von Pohlabeln et al. haben Säuglinge mit rein mütterlicher AD-Vererbung ein deutlich höheres Risiko Allergien zu entwickeln, wenn diese für mehr als vier Monate ausschließlich gestillt werden, im Vergleich zu reiner Muttermilchersatznahrung. Bei der väterlichen Veranlagung ist es genau umgekehrt. Das AD-Risiko sinkt signifikant, wenn für über vier Monate ausschließlich gestillt wird. In der Gesamtbetrachtung liegt keine eindeutige Risiko­ver­minderung durch über vier Monate langes Stillen vor. Zweijährige über vier Monate ausschließlich gestillte Säuglinge ohne AD-Veranlagung haben dieser Geburtskohorte (n = 1685) zufolge ein signifikant höheres Atopierisiko als nicht gestillte (Pohlabeln et al. 2010, S. 195 f.). Ab dem sechsten Lebensmonat kann nach dem systematischen Review von Flohr et al. (n = 51119) kein signifikant schützender Effekt des ausschließlichen Stillens auf AD nachgewiesen werden. Die projektive Wirkung verliert ihre Signifikanz, wenn die Kinder mit AD-Manifestation vor dem zweiten Lebensjahr ausgeschlossen werden. Das Stillen über vier Monate und das verzögerte Entwöhnen wirken sich demnach insgesamt nicht positiv auf das AD-Risiko des Säuglings aus (Flohr et al. 2011, S. 1282, 1285). Die AD-Erkrankungszahlen erhöhen sich in der prospektiven Beobachtungsstudie einer dänischen Geburtskohorte signifikant, wenn die Stilldauer innerhalb der ersten zwei Lebensjahre steigt (Giwercman et al. 2010, S. 868). Eine prospektive Langzeitstudie von Alm et al. sowie die Publikation von Duncan und Sears zeigen keine schützende Wirkung der Muttermilch auf AD. Die dort hervorgehobenen, gesundheitsfördernden Effekte der Muttermilchbestandteile lassen sich so nicht eindeutig belegen, zumindest nicht was die AD-Entstehung betrifft (Alm et al. 2009, S. 11; Duncan und Sears 2008, S. 399). Des Weiteren zeigt Stillen in der koreanischen Querschnittsstudie von Han et al. nicht immer eine positive Wirkung auf AD bei Kindern mit hohem Risiko (2009, S. 332). Einer weiteren Meta-Analyse nach, steht dreimonatiges, ausschließliches Stillen nicht in signifikantem Zusammenhang mit einem reduzierten AD-Risiko und der AD-Entstehung bei Kindern mit familiärer Atopie (Yang et al. 2009, S. 380).

Die Auswirkungen des Stillens auf die AD des Kindes werden kontrovers diskutiert. Ob und welche Wirkung ausschließliches Stillen auf AD ausübt, ist weiterhin unklar (Lien und Goldman 2011, S. 1404 f.). Das problematische beim Vergleich der Studien ist, dass sich Stillen nicht randomisieren lässt und dadurch immer eine flexibel ausgelegte Variable sein wird (Greer et al. 2008, S. 185). Als Fazit folgt, dass ausschließliches Stillen trotz strittiger Beweislage der Flaschenkost vorgezogen werden sollte, wie es Mišak (2011, S. 467) und die Fachgesellschaften der S3-Leitlinie empfehlen (Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften 2009, S. 2).

2.3.2 Restriktionsdiät der Mutter während der
Schwangerschaft und Stillzeit

Lebensmittelallergene die von der Mutter mit der Nahrung aufgenommen werden, finden sich teilweise in der Muttermilch wieder, da bei rund 50 Prozent aller Mütter Nahrungsbestandteile in die Muttermilch abgeben werden (Campbell 2012, S. 1061, Kurowski und Boxer 2008, S. 1684). Lack geht in seinem Review davon aus, dass der Einfluss der, während der Schwangerschaft aufgenommenen, allergenen Lebensmittel auf die AD nicht gesichert ist (2008, S. 1335). Es fehlen Daten mit signifikantem Zusammenhang der mütterlichen Restriktionsdiät während der Stillphase (Greer et al. 2008, S. 184). Die Notwendigkeit einer Lebensmittelrestriktion wird kontrovers diskutiert:

Untersuchungen von Kurowski und Boxer ergeben, dass sich bei gestillten Säuglingen das klinische Krankheitsbild verbessert, wenn die Mutter auf allergieauslösende Lebensmittel verzichtet. Aus diesem Grund sollten Mütter den Autoren zufolge Eier, Kuhmilch, Baumnüsse und Meerestiere meiden (2008, S. 1680, 1684). Apps und Beattie meinen, die Mutter sollte sich während sie stillt komplett milchfrei ernähren und eine Eliminationsdiät durchführen, wenn die von ihr aufgenommenen Nahrungsbestandteile während des Stillens zur Allergie des Säuglings führen (2009, S. 344). Wenn sich das klinische Krankheitsbild dadurch nicht bessert, ist die Restriktion nicht erforderlich (Werfel et al. 2009, S. 270). In Thailand zeigen sich bei Säuglingen weiterhin Symptome, selbst wenn die Mutter während des Stillens keine Kuhmilch aufnimmt. Besserungen treten auf, wenn das Stillen abgebrochen wird (Järvinen und Chatchatee 2009, S. 253). Die Darmfloraveränderung der Mutter hat hier zur Folge, dass deren Ernährung einen ungünstigen Einfluss auf die Atopie des Säuglings ausübt. Durch ungünstige Ernährungsgewohnheiten und den steigenden Verzehr entzündungsfördernder Fettsäuren erhöht sich die Darmwandpassage der Lebensmittelallergene, deren Eintritt in den mütterlichen Stoffwechsel und die Sensibilisierung des gestillten Säuglings (Dattner 2010, S. 37).

Im Gegensatz dazu steht das Ergebnis einer thailändischen Studie. Bei gestillten Säuglingen mit Kuhmilchproteinallergie bringt die Milchrestriktion der Mutter nur bei knapp sechs Prozent der Säuglinge eine Linderung der AD (Ngamphaiboon et al. 2008, S. 199). Das AD-Erkrankungsrisiko und der Schweregrad des Säuglings vermindern sich nicht durch Lebensmittelallergenverzicht während der Schwangerschaft und Stillzeit zeigt das Cochrane-Review von Kramer und Kakuma (2009, S. 7). Bei nicht selektierten AD-Fällen zeigt sich einem Cochrane-Review von Bath-Hextall et al. zufolge kein Erfolg in der AD-Prävention durch mütterliche Milchrestriktion. Auch ein allgemeiner Lebensmittelausschluss hat sich nicht bewährt (2008, S. 2). Es besteht beim Weglassen bestimmter Lebensmittel die Gefahr der Nährstoffunterversorgung des Säuglings, die sich durch keinen Heilungsfortschritt begründen lässt. In dem australischen Übersichtsartikel von Campbell wird das Fehlen solide durchgeführter Studien kritisiert, die eine Besserung der AD bei Verzicht auf bestimmte Lebensmittel in der Stillzeit belegen. Die Autorin empfiehlt den konsequenten mütterlichen Lebensmittelausschluss nur bei sehr jungen, schwer erkrankten Säuglingen (Campbell 2012, S. 1061 f.). Auch die Publikation der AAP weist auf einen Mangel an Wirksamkeitsnachweisen mütterlicher Auslassdiäten während der Schwangerschaft hin (Sicherer und Burks 2008, S. 30). Ein weiterer amerikanischer Bericht von Greer et al. Spricht ebenfalls dagegen, mütterliche Ernährungseinschränkungen während der Schwangerschaft oder Stillzeit durchzuführen (2008, S. 183).

Die Schlussfolgerung lautet, dass Auslassdiäten nur dann durchgeführt werden sollten, wenn diese genau geplant sind. Es wird empfohlen eine Ernährungsfachkraft zu Rate zu ziehen und die Wiedereinführung klar festzulegen (Campbell 2012, S. 1062). Die Wirkung einer Restriktionsdiät der Mutter auf die atopische Krankheit des Säuglings ist den aufgeführten Literaturquellen zufolge als nicht gesichert sinnvoll zu erachten.

2.4. Standard-Säuglingsnahrungen bei atopischer Dermatitis

Säuglingsnahrungen können in drei Klassen unterteilt werden, abhängig von der Kaloriendichte, der Kohlenhydratquelle und der Proteinzusammensetzung (O' Connor 2009, S. 565). Im weiteren Verlauf wird die Einteilung nach der Proteinzusammensetzung vorgenommen. Die regulär verwendeten Säuglingsnahrungen unterscheiden sich je nach Hersteller im Proteingehalt und im Proteinspaltungsgrad. Jede Säuglingsnahrung ist somit unterschiedlich allergen (Szajewska und Horvath 2010, S. 424). Die enzymatische Proteinspaltung, auch als Hydrolyse bezeichnet, senkt die Allergenität zu differenzierten Stufen herab. Daraus resultieren unterschiedliche Wirkungen und Einsatzgebiete der Säuglingsnahrungen (Alexander et al. 2010, S. 242; Berg 2009, S. 241). Als Proteinquellen wird Casein oder Molkenprotein herangezogen (Berg 2009, S. 241). Die Kuhmilchproteine werden durch Enzyme, Ultrahocherhitzung und/ oder Ultrafiltration hydrolysiert. Partielle und extensive Hydrolyse führt zu unterschiedlichen Molekulargewichten und Allergenitäten (Berg et al. 2012, S. 33 f.). Allergien senkende Säuglingsnahrungen werden als hypoallergen bezeichnet (Alexander und Cabana 2010, S. 425). Eine hypoallergene Säuglingsnahrung muss von mindestens 90 Prozent der Betroffenen vertragen werden (Bahna 2008, S. 453). Dennoch entwickeln insgesamt 15 bis 65 Prozent der Kuhmilchallergiker Unverträglichkeitsreaktionen auf hypoallergene Flaschenkost. Die weite Spannbreite begründet sich dadurch, dass die Toleranz von der Proteinquelle, der Hydrolysemethode und der Allergie selbst abhängt (Jäger und Vieths 2008, S. 193).

2.4.1 Teilweise hydrolysierte Säuglingsnahrung

Nicht vollständig hydrolysierte Säuglingsnahrung aus Kuhmilchprotein wird für die tägliche Verwendung zur AD-Prävention gesunder Säuglinge empfohlen, auch wenn ihre Wirkung bezüglich der Allergieverminderung nicht gesichert ist (Alexander et al. 2010, S. 422; Jin et al. 2011, S. 689). Statt extensiv wird teilweise hydrolysierte Säuglingsnahrung als Standardsäuglingsnahrung bei ausbleibendem Stillen eingesetzt (Alexander et al. 2010, S. 428 f.). Bis zu zwei Jahre alte thailändische Säuglinge mit Kuhmilchproteinallergie, die gängige Kuhmilchsäuglingsnahrung nicht vertragen, tolerieren meist teilweise hydrolysierte Säuglingsnahrung. Die Symptome verschwinden zu 90 Prozent innerhalb von zwei Wochen, zeigt die klinische Studie von Ngamphaiboon et al. mit 382 Säuglingen (2008, S. 199). Bei Kindern ohne atopische Familiengeschichte sollten ebenfalls partielle Hydrolysate verwendet werden, da in der GINI-Kohorte durch die Verwendung ein eindeutiger Rückgang der Erkrankungen hervorgeht (Berg 2009, S. 244). Ein weiterer Vorteil der teilweise hydrolysierten Säuglingsnahrung ist die leichtere Verdaulichkeit im Vergleich zu konventioneller Kuhmilchflaschennahrung (Bahna 2008, S. 456). Wenn AD und Kuhmilchproteinallergie gleichzeitig vorliegen, erweist sich teilweise hydrolysierte Säuglingsnahrung nicht als empfehlenswert. Es können darin intakte Kuhmilchproteine, also immunogene Peptide, enthalten sein (Bahna 2008, S. 453, 456, Greer et al. 2008, S. 187). Bei Säuglingen die allergisch auf elterliche Proteine reagieren, lösen teilweise hydrolysierte Säuglingsnahrungen ebenfalls Allergien aus (Bahna 2008, S. 456). Von einer Gesundheitsschädigung ist durch die vorübergehende Aufnahme intakter Proteine jedoch nicht auszugehen (Vandenplas 2010, S. 357). Eine Alternative stellen die extensiv hydrolysierten Säuglingsnahrungen dar.

2.4.2 Extensiv hydrolysierte Säuglingsnahrung

Säuglingsnahrung aus extensiv hydrolysierten Proteinen wird bei proteinbezogener Intoleranz oder bei Lebensmittelallergien verwendet (Berg 2009, S. 244; O' Connor 2009, S. 566). Als routinemäßige Säuglingsnahrung wird extensiv hydrolysierte Ersatzmilch wegen des höheren Proteingehalts, der höheren Osmolarität, fehlender Laktose und verminderter Schmackhaftigkeit im Vergleich zu teilweise hydrolysierter Säuglingsnahrung, selten bei klinisch gesunden Säuglingen eingesetzt (Alexander et al. 2010, S. 233). Der bittere Geschmack und der hohe Preis wirken sich nachteilig auf die Verwendung aus obwohl sie ernährungsphysiologisch an die Bedürfnisse des Säuglings angepasst ist (Bahna 2008, S. 455, Ngamphaiboon et al. 2008, S. 202 f.). Durch das geringere Molekulargewicht besteht ein vermindertes Allergenrisiko im Vergleich zu teilweise hydrolysierter Säuglingsnahrung (Vandenplas 2010, S. 357). Etwa 95 Prozent der Kuhmilchallergiker in den USA vertragen extensiv hydrolysierte Säuglingsnahrung, ohne dass sich die AD verschlechtert (Bahna 2008, S. 453 ff.). Falls sich AD durch die Nahrung des Säuglings verstärkt, sollte dieser laut Leitlinie der "Arbeitsgruppe Nahrungsmittelallergie" eine extensiv hydrolysierte Säuglingsnahrung erhalten (Werfel et al. 2009, S. 268). Obwohl der Anteil immunogener Proteine um drei bis 100 000 Mal geringer als in intakter Kuhmilch ist, verursacht die extensiv hydrolysierte Säuglingsnahrung teilweise sehr schwerwiegende Hautreaktionen (Bahna 2008, S. 454). Entwickeln Säuglinge mit schwerwiegender AD eine Intoleranz auf extensiv hydrolysierte Säuglingsnahrung, sollte der Einsatz abgebrochen werden (Lifschitz 2008, S. 58). In diesem Fall ist es erforderlich eine aminosäurebasierte Säuglingsnahrung zu verwenden, denn extensiv hydrolysierte und aminosäurebasierte Säuglings­nahrungen zeigen beide vergleichbare Symptomlinderung (Lifschitz 2008, S. 59, Koletzko et al. 2009, S. 691).

2.4.3 Aminosäurebasierte Säuglingsnahrung

Synthetisch produzierte aminosäurebasierte Säuglingsnahrungen werden praktisch von allen Säuglingen vertragen. Auch bei Vorliegen einer Intoleranz gegen extensiv hydrolysierte Säuglingsnahrung werden diese toleriert, da Säuglingsnahrung aus Aminosäuren nicht allergen ist (Bahna 2008, S. 453; O' Connor 2009, S. 566). Sie ist besonders gut geeignet für Säuglinge mit schwerwiegender AD oder mit Symptomen bei ausschließlichem Stillen und meist an den Nährstoffbedarf angepasst (Bahna 2008, S. 455, Lifschitz 2008, S. 59). Auch diese Flaschennahrung hat, wie die extensiven Hydrolysate, die Nachteile des bitteren Geschmacks und der hohen Kosten, im Vergleich zur regulären und teilweise hydrolysierten Ersatznahrungen (Bahna 2008, S. 457). Aminosäurebasierte Säuglingsnahrungen sollten in ihrer Wirkung auf Symptomlinderung und Erhalt des regulären Wachstums bestätigt sein, denn zufolge der AAP und weiteren Autoren wurden sie bisher nicht auf ihre präventive Wirkung bei AD getestet (Greer et al. 2008, S. 188; Lifschitz 2008, S. 58; Thygarajan und Burks 2008, S. 701). Die Vorteile der aminosäurebasierten Säuglingsnahrung werden in dem Review von Bath-Hextall in Frage gestellt, da bei Kindern mit Kuhmilchproteinallergie kein Unterschied des AD-Schweregrades zwischen hydrolysierter Molkenproteinsäuglingsnahrung und aminosäurebasierter Säuglingsnahrung besteht (2008, S. 138).

2.5. Wirksamkeit der Säuglingsnahrungen bei atopischer
Dermatitis

Säuglingsnahrungen können sich im Allgemeinen durch eine zu geringe Kalorienmenge, mangelhafte ernährungsphysiologische Zusammensetzung und dem Vorliegen naturbelassener Allergene nachteilig auf die Gesundheit des Säuglings auswirken (Niggemann 2012, S. 292). Den Empfehlungen nach sollten nur medizinisch getestete Hydrolysate, deren Wirkung in kontrolliert klinischen Studien nachgewiesen wurde, verwendet werden (Berg et al. 2012, S. 38; Vandenplas 2010, S. 357).

2.5.1 Prävention und Therapie atopischer Dermatitis durch
Säuglingsnahrungen

Die Linderung der Symptome bei bestehender Krankheit ist nicht gleichbedeutend mit der Vorbeugung einer möglichen AD-Entwicklung bei familiären Vorerkrankungen, da in beiden Fällen unterschiedliche Säuglingsnahrungen ausgewählt werden (Koletzko et al. 2009, S. 687). Es wird deshalb in diesem Teilabschnitt zunächst eine Begriffserläuterung der Prävention und Therapie gegeben, bevor im weiteren Verlauf auf die Wirkung der Säuglingsnahrungen eingegangen wird.

2.5.1.1 Prävention bei genetischer Veranlagung

Bei Säuglingen mit familiären Vorerkrankungen ist die primäre Prävention angebracht. Diese besteht aus der AD-Verhütung im ersten Lebensjahr (Berg et al. 2012, S. 33 f.). Unter einem hohen Risiko stehende Säuglinge haben mindestens einen allergie- oder atopieerkrankten Eltern- oder Geschwisterteil (Heratizadeh et al. 2011, S. 288; Werfel et al. 2009, S. 270). Die Erkrankung der Mutter übt den bedeutendsten Einfluss auf die AD des Säuglings aus (Furuhjelm et al. 2009, S. 13). Je mehr Atopiefälle in der Familie vorliegen oder umso höher deren Schweregrad ist, umso eher neigt der Säugling zur AD (Kramer und Kakuma 2009, S. 14). Laut "German Infant Nutrition Intervention Plus" (GINIplus)[4] -Studie ist das AD-Risiko bei familiärer Vorgeschichte doppelt so hoch wie bei Familien ohne AD (Berg et al. 2012, S. 33). Bei familiärer Belastung haben die Kinder der GINI-Langzeitstudie im sechsten Lebensjahr über doppelt so häufig Allergien, wenn im ersten Lebensjahr eine Allergiesensibilisierung vorliegt (Anstieg von 9,4 auf 20,6 Prozent) (Heinrich et al. 2012, S. 26). Wenn die Muttermilchgabe durch hydrolysierte Säuglingsnahrung ergänzt wird, schützt dies Kinder mit hohem Risiko vor AD (Thygarajan und Burks 2008, S. 698). Familiäre Neigung zu AD kann durch frühe Intervention reguliert werden, zeigt sich anhand der GINI-Kohorte (Berg et al. 2010, S. 635). In einer deutschen Ernährungsrichtlinie empfiehlt Werfel Säuglingen mit familiärer AD hydrolysierte Säuglingsnahrung zu verabreichen, wenn Stillen nicht möglich oder gewünscht ist (Werfel et al. 2009, S. 270). Der japanischen Studie von Jin et al. zufolge ist teilweise hydrolysierte Säuglingsnahrung zur AD-Verhinderung bereits aus­reichend (2011, S. 688). Laut "Section on Paediatrics, European Academy of Aller­go­lo­gy and Clinical Immunology" (SP-EAACI)[5] besteht hinreichend Beweismaterial dafür, dass AD und Lebensmittelallergien durch Hydrolysate verhindert werden können (Høst et al. 2008, S. 2).

2.5.1.2 Therapie durch Säuglingsnahrung bei auftretender Krankheit

Über die Hälfte der allergieerkrankten Säuglinge hat keine familiäre Atopie-Vor­ge­schich­te. Bei diesen ist keine Primärprävention erforderlich (Berg 2009, S. 239). Wenn der Säugling erste Symptome zeigt, wird versucht in den Krankheitsverlauf einzugreifen um dessen Fortschreiten zu bremsen. Vor allem Kinder mit Kuhmilchsensitivität sind betroffen, da die Kuhmilchproteinallergie zu den bereits genannten Symptomen führt (Berg 2009, S. 240). Bei vorliegender Kuhmilchproteinallergie ist ausschließlich extensiv hydrolysierte Säuglingsnahrung geeignet, was auch die "World Allergy Organization" (WAO) empfiehlt (Berg 2009, S. 239, Fiocchi et al. 2010, S. 72; Mišak 2011, S. 467).

2.5.2 Auswirkung von Kuhmilchsäuglingsnahrung auf die atopische Dermatitis

Die Verwendung milchbasierter Säuglingsnahrung ist weit verbreitet, obwohl wenige Empfehlungen dafür bestehen. Im Vergleich zur Muttermilch wirkt sich die Kuhmilchsäuglingsnahrung Grimshaw et al. gemäß nachteilig auf die AD aus (2009, S. 1413). Bei Säuglingen mit hohem Risiko, bei denen vollständiges Stillen nicht möglich ist, wird auf Grund einer begrenzten Zahl an Studienergebnissen eine verlängerte Hydrolysatgabe befürwortet, da diese im Vergleich zur Kuhmilchsäuglingsnahrung das Auftreten der Kuhmilchproteinallergie herabsenkt (Osborn und Sinn 2009a, S. 2). Bei zwei bis siebenjährigen taiwanischen Kleinkindern steigt das Auftreten der AD signifikant an, wenn gewöhnliche Flaschennahrung statt Muttermilch verabreicht wird (n = 14862, p < 0,05) (Hsu et al. 2012, S. 2 ff.). Durch die Verwendung intakter Kuhmilchsäuglingsnahrung in den ersten vier Lebensmonaten steigt das Risiko an AD zu erkranken, folgt auch aus den GINI-Ergebnissen (Berg et al. 2012, S. 33; Berg et al. 2010, S. 635).

2.5.3 Vergleich zwischen der Wirkung partieller und extensiver Hydrolysate

Hydrolysierte Säuglingsnahrungen zeigen präventive Wirkungen die von dem Zeitpunkt der Intervention, der Schwere der AD und dem Vorliegen einer Kuhmilchproteinallergie abhängen. Teilweise hydrolysierte Säuglingsnahrung ist Szajewska und Horvath zufolge präventiv wirksamer als Standardkuhmilchsäuglingsnahrung. Dabei zeigt sich in der Gegenüberstellung von teilweise und extensiv hydrolysierter Säuglingsnahrung kein Vorteil der extensiven Hydrolysate, mit Ausnahme bei einem gehäuften Auftreten mehrerer allergischer Erkrankungen bis zum dritten Lebensjahr (Szajewska und Horvath 2010, S. 426, 429 ff.). Gemäß der AAP verhindert das ausschließliche vier­monatige Stillen AD und Kuhmilchproteinallergie in den ersten beiden Lebensjahren, im Gegensatz zur intakten Kuhmilchsäuglingsnahrung. Wenn ausschließliches Stillen nicht möglich ist, wird hydrolysierte Säuglingsnahrung empfohlen. Dadurch sinkt das Erkrankungsrisiko bei Kindern mit familiärer AD im Vergleich zur Gabe intakter Kuhmilchsäuglingsnahrung (Greer et al. 2008, S. 188 f.). Im ersten Lebensjahr reduziert teilweise hydrolysierte Molkenproteinsäuglingsnahrung das AD-Risiko bei über der Hälfte der GINI-Teilnehmer ohne familiäre AD-Vorgeschichte (Berg et al. 2012, S. 38). Diese präventive Wirkung bleibt durch Follow-up (womit die Nachuntersuchung gemeint ist) bei Kindern mit hohem Risiko bis zum sechsten Lebensjahr erhalten (Berg et al. 2008, S. 1444). Das AD-Risiko sinkt, laut amerikanischer Meta-Analyse, um 45 Prozent bis zum dritten Lebensjahr, wenn teilweise hydrolysierte Säuglingsnahrung verwendet wird. Im Gegensatz dazu erhöht intakte Kuhmilchsäuglingsnahrung das AD-Risiko (p = 0,078) (Alexander und Cabana 2010, S. 425). Eine tschechische prospektive Beobachtungsstudie von Netwich et al. (n = 174) und die Publikation von Greer et al. kommen ebenfalls zu einem verminderten AD-Erkrankungsrisiko durch Verabreichung teilweise hydrolysierter Säuglingsnahrung (Greer et al. 2008, S. 183, Nentwich et al. 2009, S. 78). Nach drei Jahren nimmt die AD-Erkrankungszahl im Vergleich zur regulären Kuhmilchsäuglingsnahrung um 36 Prozent ab (Heterogenität der in der Meta-Analyse verglichenen Studien p = 0,603). Der Einsatz hydrolysierter Säuglingsnahrung verhindert die Krankheitsentstehung, statt diese nur hinauszuzögern und ist besonders wirkungsvoll bei Säuglingen mit hohem Risiko (Alexander et al. 2010, S. 426 ff.; Vandenplas 2010, S. 356). Für die Behandlung vorliegender AD mit teilweise hydrolysierter Säuglingsnahrung zeigt sich in einer randomisierten Doppeltblindstudie aus Japan (n = 113) nach bis zu zwölf Wochen eine signifikante Reduktion der AD im Vergleich zur konventionellen Kuhmilchsäuglingsnahrung (p < 0,05). Teilweise hydrolysierte Säuglingsnahrung ist Jin et al. entsprechend wirksam in der Behandlung von milder bis mittelmäßiger AD. Der Schweregrad verschiebt sich durch die Verwendung der partiellen Hydrolysate signifikant von mäßig zu mild (p = 0,001). In derselben Studie zeigt sich durch die Gabe regulärer Kuhmilchsäuglingsnahrung bei Säuglingen ohne Kuhmilchallergie keine signifikante Änderung des Schweregrades (p = 0,132) (Jin et al. 2011, S. 688, 691 f.). Teilweise und vollständig hydrolysierte Säuglingsnahrungen haben vergleichbar präventive Eigenschaften (Vandenplas 2010, S. 356 f.). Diese Ansicht wird auch in den Reviews von Bahna (2008, S. 453) und Spieldenner et al. vertreten (2011, S. 50).

Die teilweise hydrolysierten Säuglingsnahrungen zeigen sich nicht immer vorteilhaft in der Verhütung der AD. Die randomisierte kontrollierte Blindstudie von Lowe et al. (n = 620) legt nicht eindeutig dar, dass teilweise hydrolysierte Säuglingsnahrung bei Kindern mit familiärer AD vor der Allergiemanifestation schützt. Es sind keine Vorteile der Allergievorbeugung, bei Kindern mit hohem Risiko, bis zum siebten Lebensjahr im Vergleich zu konventioneller Kuhmilchsäuglingsnahrung ersichtlich. Deshalb kann teilweise hydrolysierte Säuglingsnahrung dieser Studie zufolge nicht zur AD-Prävention empfohlen werden (Lowe et al. 2011, S. 363). Nach dem ersten Lebenshalbjahr führt die Verwendung auch einem Cochrane-Review von Kramer und Kakuma gemäß zu keiner gesicherten Allergieverminderung (2009, S. 15).

Es wird bei familiärer Vorgeschichte, schwerer Verlaufsform oder gleichzeitiger Kuhmilchproteinallergie extensiv hydrolysierte Säuglingsnahrung empfohlen. Deren Wirksamkeit bestätigt sich anhand der GINI-Kohorte. Bei atopischer Familiengeschichte bewirkt nur extensiv hydrolysierte Säuglingskost eine signifikante AD-Verminderung. Das AD-Auftreten reduziert sich durch extensiv hydrolysierte Säuglingsnahrung bei familiärer Erkrankung eines oder beider Elternteile um 87 Prozent beziehungsweise um 52 Prozent (Berg et al. 2010, S. 634). Auf lange Zeit werden durch die Verwendung die geringsten AD-Erkrankungszahlen erreicht. (Berg 2009, S. 244; Berg et al. 2008, S. 1444). Beide Säuglingsnahrungen bewirken insgesamt eine signifikante, extensiv hydrolysierte Säuglingsnahrung eine stark signifikante AD-Reduktion (p = 0,021 beziehungsweise p = 0,002) (Berg et al. 2008, S. 1444). Durch extensiv hydrolysierte Casein-Säuglingsnahrung sinkt entsprechend der GINIplus das doppelt so hohe AD-Risiko bei familiärer Vorgeschichte soweit, dass bis zum sechsten Lebensjahr kein Unterschied mehr zu Kindern ohne familiäre Vorgeschichte besteht (Berg et al. 2010, S. 633 ff.).

2.6 Einfluss allergener Lebensmittel auf die atopische Dermatitis des Säuglings

Die Beikost- und Milcheinführung steht zunächst wenig in Zusammenhang mit der Materie "Säuglingsnahrungen bei AD. Sie wird in der vorliegenden Arbeit erläutert, da im ersten Lebensjahr neben der Säuglingsflaschennahrung feste Speisen verabreicht werden. Die eingeschränkte Einführung potentiell allergener Lebensmittelbestandteile ist neben der Säuglingsnahungswahl relevant für den Verlauf der AD. Die aktuellen Empfehlungen zur Restriktion allergener Lebensmittel in den ersten Lebensjahren sind kontrovers. Die Stellungnahmen der Fachliteratur werden folglich erläutert, um einen Gesamtüberblick zu erhalten und eine Schlussfolgerung zu ziehen.

Der S3-Leitlinie nach sollten Säuglinge zur Allergieprävention erst ab dem vierten Lebens­monat Beikost erhalten. Die verzögerte Einführung von Beikost über den vierten Lebensmonat hinaus oder die Meidung von Allergenen ab dem ersten Lebensjahr gelten als nicht präventiv (Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften 2009, S. 2 f.). Dieselben Empfehlungen sind auch den klinischen Richtlinien von Munche-Burowski et al. (2009, S. 625) und Kurowski und Boxer zu entnehmen. Die Einführung von Kuhmilchprodukten sollte bei AD hinausgezögert werden, da sich Symptome lindern, wenn allergene Lebensmittel, wie Kuhmilch aus dem Speiseplan gestrichen werden (Kurowski und Boxer 2008, S. 1679, Snijders et al. 2008, S. 121). Bei einer schweren, dauerhaften Kuhmilchproteinallergie stellt die Kuhmilchvermeidung die einzig wirksame Behandlungsmethode dar (Schouten et al. 2009, S. 1398). Die Ernährung sollte individuell an die Erkrankung angepasst werden, da der Publikation von Binder entsprechend, keine allgemeine Kost für Säugling mit AD verordnet werden kann (2008, S. 27). Ernährungsumstellungen sollten nur bei nachgewiesener Lebensmittelallergie vorgenommen und dem Kind nur Allergene vor­ent­halten werden, bei denen positive Reaktionen vorliegen (Jean 2011, S. 54). Heutige Präventionsmaßnahmen zielen, im Gegensatz zu früher, nicht auf das strikte Vermeiden allergieauslösender Lebensmittelbestandteile aus, sondern richten sich nach Austesten der oralen Toleranzgrenze. Wenn durch Restriktionskost des Säuglings keine Besserung der AD auftritt, sollte zur Überprüfung ein oraler Provokationstest mit Milch durchgeführt werden (Werfel et al. 2009, S. 268 f.).

Durch Nahrungsmittelausschluss kann nicht immer eine positive Wirkung bei der AD-Therapie erzielt werden. Viermonatiges Stillen und hinausgezögerte Kosteinführung bis zum sechsten Lebensmonat führen bei atopisch vorbelasteten Säuglingen ab dem ersten bis zum siebten Lebensjahr zu keiner AD-Verminderung (Carlsten et al. 2013, S. 26). Schonfield und Grindlay sehen Ernährungsrestriktionen als nicht begründet. Es besteht diesen zufolge keine eindeutige Beweislage dafür, dass AD durch Interventionsmaßnahmen zu einem signifikanten Maß verhütet werden kann (2009, S. 114). Die von Kuhmilch ausgenommene Restriktion führt zu steigenden AD-Risiken bei zweijährigen Kindern. Auch die hinausgezögerte Kuhmilcheinführung führt Snijders et al. gemäß zu einem erhöhten Risiko statt zur Verhütung oder Hinauszögerung der AD. Die verspätete Gabe fester, kuhmilchfreier Nahrung erhöht diesen zufolge die Atopie-Sensibilisierung im zweiten Lebensjahr (2008, S. 115, 118). Es fehlen Beweise für einen signifikant projektiven Effekt auf die AD-Entstehung bei verzögerter Einführung fester Nahrung nach sechs Lebensmonaten, unabhängig davon ob gestillt oder Kuhmilchproteinsäuglingsnahrung verabreicht wird (Greer et al. 2008, S. 183, Mišak 2011, S. 465). Eine Ausschlussdiät oder die reine Vermeidung von Milchprodukten zur Krankheitsverhütung bei Kindern mit Kuhmilchallergie sollten nicht willkürlich angewendet werden. Es kann bei belangloser Durchführung eine Fehl- und Mangel­ernährung entstehen, statt die Besserung des Krankheitsbildes zu bewirken (Binder 2008, S. 27; Campbell 2012, S. 1061, Lifschitz 2008, S. 58). Es hat sich nicht bewährt, dem Kind ein Lebensmittel nicht zu verabreichen, weil dies allergieauslösend sein könnte, wenn nach dessen Verzehr keine Verschlechterung der Symptome auftritt. Lebensmittelallergene verursachen Campbell zufolge nicht die AD-Entstehung, sondern signifikante Verschlimmerungen. Die Restriktion führt zu keiner Veränderung des ursprünglichen Krankheitshintergrundes (2012, S. 1059, 1062). Bath-Hexall schließt sich an, da eine kuhmilchfreie Ernährung, eine eingeschränkte Lebensmittelwahl und eine Ausschlussdiät bei AD-Erkrankten nicht zielführend sind (2008, S. 138). Die verzögerte Einführung fester Nahrung vermindert die AD nicht, zeigt jedoch signifikante Abnahme der Lebensmittelsensibilisierung (Zutavern et al. 2008, S. 49). Das Allergievorkommen wird dadurch nicht herabgesenkt, unabhängig vom AD-Risiko (Agostoni et al. 2008, S. 104). Zur Prävention der AD durch frühe Ernährungseingriffe mangelt es gemäß den Facharbeiten an Forschungsergebnissen (siehe Thygarajan und Burks 2008, S. 698, Lien und Goldman 2011, S. 1403).

Die Restriktionskost der Mutter und des Säuglings können hieraus resultierend als ähnlich unwirksam betrachtet werden. Die Behandlungsmaßnahmen auf Grundlage der Ernährung sollten daraus hergeleitet, ihren Schwerpunkt weniger auf dieser Basis, sondern vermutlich eher auf der Wahl angepasster Säuglingsnahrung finden.

3. Methoden

Die Literaturbeschaffung findet durch systematische Literaturrecherche in medizinischen Datenbanken statt. Die einzelnen Schritte werden nachfolgend erläutert, um Systematik und intersubjektive Nachvollziehbarkeit zu gewähren.

3.1 Suchstrategie und Vorgehen

Die Datengewinnung beginnt mit der Definition der Fragestellung, die Suchbegriffe und Datenbanken werden festgelegt.

Hauterkrankungen bilden den ersten Themenschwerpunkt. Auf Grund der Relevanz der Milchaufnahme durch Säuglingsnahrung wird die Zielgruppe Säuglinge festgesetzt. Zu dieser Altersklasse wird der Bezug zu einer im Säuglingsalter auftretenden Hautkrankheit hergestellt. Die atopische Dermatitis wird ausgewählt, da diese am häufigsten in den ersten Lebensmonaten vorkommt. Zunächst wird durch Schneeballsuche ein Überblick über das Themengebiet und die aktuelle Datenlage erlangt, bevor daraus konkrete Suchbegriffe für die systematische Literaturbeschaffung festgelegt werden.

Das Ziel ist, durch die Suche kausale Zusammenhänge zwischen Säuglingsnahrung und AD herauszufinden und darzustellen. Es werden Häufigkeitsbeschreibungen des Krankheitsauftretens bei bestimmter Intervention herangezogen, um das Auftreten der AD auf Ursachen zurückzuführen. Schwerpunkt bildet die Prävention der AD mit Hilfe von Säuglingsnahrung.

Die konkrete Fragestellung wird anhand des PICO-Formats formuliert, um Zielbegriffe für die Datenbanksuche festzuhalten.

- P (Population): Säuglinge
- I (Intervention): Säuglingsnahrung (Anreicherungen, Bestandteile, Sorten)
- C (Comparison Intervention): Muttermilch oder Standardsäuglingsnahrung
- O (Outcome): Atopische Dermatitis, Kuhmilchproteinallergie

Die Suche findet als Schlagwortsuche anhand festgelegter Schlüsselbegriffe statt. Hierfür werden definierte Schlagworte trunkiert und durch Boolesche Operatoren verknüpft. Die nachfolgende Tabelle gibt einen Überblick über die Schlüsselbegriffe, auf denen die Suche aufbaut. Dabei ist es nicht immer erforderlich nach allen Begriffen zu suchen, wenn die Trefferzahl dies nicht erfordert. Durch Eingrenzung mit AND erhöht sich die Präzision der Suchergebnisse.

Tabelle 1: Systematische Literaturrecherche anhand definierter Suchbegriffe

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Als Eingrenzungskriterium wird der Veröffentlichungszeitraum von 2008 bis 2013 ausgewählt. Die Suche findet vom 01.12.12 bis 31.04.13 statt. Der Ist-Stand der Forschung soll wiedergegeben werden, weshalb die Aktualität ein wichtiges Suchkriterium darstellt.

Zur wissenschaftlichen Literatur wird mit Hilfe des Datenbank-Infosystems (DBIS) Zugriff erlangt. Die Datenbankauswahl erfolgt anhand der TOP-Datenbanken des Fachgebiets Medizin. Von diesen werden folgende Datenbanken durchsucht.

- Ovid Medline und Pubmed
- Science Citation Index Expanded
- Cochrane Library, The
- BIOSIS Previews
- CINDAHL
- MEDPILOT

3.2 Eingrenzungen bei der Literatursuche

Zusätzlich zu der Recherche mit Hilfe von Suchbegriffen wird die Literatursuche weiter eingeschränkt. Es wird dabei die Familiengeschichte berücksichtigt, da die genetische Veranlagung ein wichtiger Risikofaktor ist. Wenn die Eltern oder Geschwister an Allergien erkrankt sind, ändert dies die Erkrankungswahrscheinlichkeit des Säuglings (Robert Koch-Institut (Hrsg) 2008, S. 18). Auch die Ernährung der Mutter während der Stillzeit wird eingeschlossen, da Allergene durch die Muttermilch auf den Säugling übertragen werden (Robert Koch-Institut (Hrsg) 2008, S. 20). Bei der Literatur wird keine Beschränkung auf Humanstudien vorgenommen. Es wird keine spezielle Länderwahl getroffen, wobei eine Einschränkung auf deutsch- und englischsprachige Literatur stattfindet.

In der nachstehenden Grafik wird die vorliegende Datenlage zur Behandlung der AD dargestellt (Simpson et al. 2012). Die veranschaulichten Präventionsmaßnahmen wurden in Studien besonders häufig untersucht. Die vorliegende Arbeit befasst sich mit der Intervention durch Nahrung mit angereicherten Supplementen, Auslassdiäten der Mutter und des Säuglings und den Säuglingsnahrungsarten (siehe rote Umrandung in Abbildung 1).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 1: Prozentualer Anteil der Studien über verschiedene Interventionen zur AD-Prävention (eigene Erstellung nach Simpson et al. 2012, S. 139)

Die Grafik zeigt, dass 83 Prozent (38 Prozent + 16 Prozent + 29 Prozent, siehe auch rote Umrahmung) der 102 im Review behandelten Studien, sich mit Eingriffen der Flaschenkost oder mütterlichen Ernährung befassen (Simpson et al. 2012, S. 138). Nicht behandelt werden in dieser Arbeit die Allergenvermeidung durch Umweltfaktoren, die Schutzimpfung sowie die medikamentöse und die oberflächliche Behandlung durch Hautpflege oder Feuchtigkeitscremes. Siebzehn Prozent der Studien werden nach dieser Berechnung aus der Literaturrecherche ausgeschlossen. Die Grafik veranschaulicht, dass der Schwerpunkt der AD-Behandlung auf Ernährungseingriffen liegt. Darin begründet sich die Eingrenzung der vorliegenden Arbeit auf diesen Behandlungsbereich.

Andere atopische Manifestationen, wie Heuschnupfen oder Asthma bronchiale werden nicht behandelt. Unter den gleichzeitig vorliegenden Nahrungsmittelallergien wird nur die Kuhmilchproteinallergie eingeschlossen, da diese mit der AD zusammenhängt. Die behandelte Hauterkrankung beschränkt sich auf AD, andere Atopiearten werden nicht beachtet. Soziodemographische Faktoren, der Lebensstil der Mutter und kulturelle Einflüsse werden nicht untersucht. Die Zielgruppe wird auf das Säuglingsalter begrenzt, eventuell werden Kleinkinder eingeschlossen aber kein Erwachsenenalter berücksichtigt.

3.3 Suchmethoden in den Datenbanken

Die bisher genannten Suchkriterien werden auf die einzelnen Datenbanken übertragen. Die Vorgehensweise wird nun erläutert. Medline wird im ersten Suchschritt herangezogen.

3.3.1 Suche anhand des MeSH-Thesaurus bei Medline

Medline wird primär verwendet um Medical Subject Headings (MeSH) und Schlagworte für die Suche festzulegen. Durch die OvidSP-Version wird der komplette Thesaurus ersichtlich. Subject Headings werden in die erweiterte Suchmaske (Advanced Search) eingegeben, ebenfalls als Keyword für die Suche ausgewählt und die Funktion "include all Subjekt Headings" genutzt. Thematisch verwandte Begriffe sowie Überbegriffe werden somit direkt in die Suche eingeschlossen. Zunächst wird Explode ausgewählt und wenn zu viele oder unpassende Treffer erzielt werden, wird die Suche durch Focus eingeschränkt. Wenn dennoch zu viele Treffer erzielt wurden, werden Einschränkungen auf spezifische MeSH-Begriffe anstatt des gesamten Tree vorgenommen oder es werden Subheadings ausgewählt. Schlagworte des MeSH-Hierachiebaums werden für jeden Begriff separat eingesehen, um eventuell weitläufige oder unklare Begriffe weiter einzugrenzen. Der Tree zeigt Synonyme, allgemeinere, konkretere und verwandte Begriffe mit den Trefferzahlen an. Passende Schlagwörter (Subjects) werden zu den vorher festgelegten Suchbegriffen aus dem Thesaurus zugefügt. Durch Auswählen des Suchbegriffs gelangt man zu einem Link mit Erläuterung des Begriffs, und MeSH-Heading und Referenzen werden ersichtlich. Diese Liste an Suchbegriffen zeigt Synonyme, die ebenfalls in die Suche eingeschlossen werden. Sie dienen als Hilfestellung für die Suche in anderen Datenbanken. In der folgenden Tabelle sind einige Beispiele aufgeführt.

Tabelle 2: Exemplarische Auswahl verwendeter MeSH mit Scope Note in Medline

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Nun werden die Boolschen Operatoren angewendet um zuvor definierte Suchbegriffe zu verknüpfen. Ein Beispiel für die Verknüpfung der Suchbegriffe ist: Atopic dermatits (MeSH) OR Atop* OR Eczem* AND Infant formula (MeSH) AND Milk (MeSH). Zu den MeSH-Terms werden zusätzlich Textwörter, Synonyme oder trunkierte Begriffe eingegeben. Zuletzt wird der Publikationszeitraum eingeschränkt.

3.3.2 Suche in der Cochrane Library und weiteren Datenbanken

Die Literatursuche in der Cochrane Library wird ähnlich durchgeführt. Zunächst werden die Suchbegriffe in die MeSH Search eingegeben. Hierbei wird beim MeSH-Term der Baum (Tree) ausgewählt. Die Suche wird mit Ergebnissen gespeichert, indem sie zum Search manager hinzugefügt wird. Somit gespeicherte Suchbegriffe werden durch die Booleschen Operatoren verknüpft.

Mit demselben Verfahren werden auch die weiteren, oben aufgeführten Datenbanken zur Literaturbeschaffung herangezogen. Die vorher definierten Suchbegriffe werden in jeder Datenbank gleichermaßen verwendet. Bei der Suche wird, wenn möglich, die Alertfunktion genutzt, um über Veröffentlichungen zu den definierten Suchbegriffen informiert zu sein.

Die Ergebnisse der relevanten Literatur werden, nach der wissenschaftlichen Evidenz geordnet, systematisch erfasst. Es werden nach Bewertung der Literatur Aussagen zur Wirkung der Säuglingsnahrung auf AD getroffen. Daraus werden Empfehlungen zur Säuglingsnahrungsverwendung abgeleitet. Die Literaturergebnisse zum Einfluss der Säuglingsnahrung auf das AD-Risiko werden zusammengetragen und die krankheitsverhütende oder symptomlindernde Wirkung bewertet.

3.2. Verwendete Literaturquellen

Von der durch die Datenbankrecherche ausfindig gemachten Literatur wird eine Aufteilung vorgenommen, um eine Übersicht der verwendeten Publikationen zu erhalten.

Tabelle 3: Übersicht der verwendeten Literatur mit Einteilung nach Primär- und Sekundärquellen

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Die verwendete Literatur gliedert sich in die Schwerpunktbereiche Artikel, Studien, Übersichtsartikel, einschließlich systematischer Reviews und Zusammenfassungen zu denen Leitlinien, Ärzteempfehlungen und Richtlinien gehören. Der prozentuale Anteil an der insgesamt analysierten Literatur ist in Abbildung 2 ersichtlich. Den größten Teil nehmen die Artikel und Humanstudien mit 36 Prozent ein, gefolgt von den Reviews mit 16 Prozent.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 2: Verwendete Fachliteratur, veranschaulicht in absoluten und prozentualen Zahlen

Die Abbildung 3 zeigt, dass der Großteil der Publikationen und Studien aus den USA, dem Vereinigten Königreich und Deutschland stammen.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 3: Anzahl der analysierten Veröffentlichungen pro Land

3.2.1 Bewertung der verwendeten Studien

Randomisierte placebokontrollierte klinische Doppeltblindstudien stellen das Hauptziel der Literatursuche und somit den "Goldstandard" dar. Da diese sehr aufwändig durchzuführen sind, befassen sich unterschiedliche Studien häufig mit derselben Kohorte. So ist die GINI eine häufig aufgegriffene Kohorte in Deutschland. Die KOALA, DARC und GABRIEL gehören ebenfalls zur Standardliteratur. Sie sind für die vorliegende Arbeit die wichtigsten Primärquellen. Die Daten von Querschnittsstudien denen keine eigene Durchführung zugrunde liegt, beruhen meist auf diesen bevölkerungsbezogenen Erhebungen.

Tabelle 4: Aufstellung häufig untersuchter Kohorten

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Bei den oben genannten Studien handelt es sich um Geburtskohorten die in einem randomisierten placebokontrollierten, doppeltblinden Schema durchgeführt wurden. Dabei wird meist nur ein Teil der gesamten Studienteilnehmer herausgegriffen und betrachtet. Bei den gesamten Studien werden entweder die Mutter, der Säugling oder beide untersucht. Als Placebo wird meist reguläre Kuhmilchsäuglingsnahrung oder Hydrolysate ohne Anreicherung verwendet. AD wird anhand des IgE-Spiegels und des Hautpricktest untersucht und durch SCORAD (SCORing Atopic Dermatitis) die Schwere bewertet. Teilweise werden die Daten auch per telefonischer oder schriftlicher Befragung erhoben. Das Follow-up, auch als Verlaufskontrolle bezeichnet, dauert in der Regel zwei und bei GINI sechs Jahre. Der Untersuchungszeitraum beträgt von wenigen Wochen bis zu zwei Jahren, in Ausnahmen auch länger. Auch Studien ohne Kontrollgruppe, klinische Untersuchungen und reine Laborstudien werden in geringer Anzahl berücksichtigt. Der Großteil der restlichen Studien erfüllt zumindest die Kriterien des randomisierten, kontrollierten Studiendesigns (RCTs).

3.2.2 Verwendete systematische und sonstige Übersichtarbeiten

Schwerpunkt der Suche bilden neben den RCTs die systematischen Übersichtsarbeiten. Diese bieten die Vorteile, dass einzelne Studien übersichtlich zusammengefasst, bewertet und Verweise auf Primärliteratur kompakt auf einen Punkt gebracht sind. Gemeinsamkeiten und Unterschiede der in den Reviews publizierten Literatur werden beschrieben und die Qualität der einzelnen Studien ersichtlich. Die Beurteilung der Ergebnisse bei inkonsistenter Datenlage ist möglich, da widersprüchliche Studienergebnisse in Relation zueinander gebracht werden.

Cochrane-Reviews werden als systematische Übersichtsarbeiten, beruhend auf randomisierten kontrollierten Studien, als wichtige Informationsquelle verwendet. Reviews, die Meinungen von Autoren wiedergeben oder von Ärzten zur Informationsvermittlung verfasst worden sind, lassen sich von diesen klar trennen. Die Evidenz letzterer ist um einiges niedriger. Bei kleinen Fallzahlen sind auch manche Meta-Analysen kritisch zu bewerten. Mit den Meta-Analysen sind systematische Reviews gemeint, welche ein gemeinsames Risiko- oder Effektmaß einschließen. Hierbei ist es erstrebenswert Meta-Analysen aufzugreifen, die auf RCTs beruhen und zusätzlich große Studienzahlen betrachten.

Ärzteempfehlungen, Richtlinien, Leitlinien und klinische Berichte werden ebenfalls ein­bezogen. So werden zum Beispiel die "Diagnosis and Rationale for Action against Cow’s Milk Allergy" (DRACMA) Guideline, Richtlinien der "European Society for Paediatric Gastroenterology Hepatology and Nutrition" (ESPGHAN) sowie Publikationen des Australischen "Consenus Panel" herangezogen. Von der "Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften" (AMWF) wird eine S3-Leitlinie untersucht. Die Leitlinien und Ärzteempfehlungen befassen sich mit Präventionsmaßnahmen oder Ernährungsempfehlungen für Mütter und erkrankte oder unter hohem Risiko stehende oder an Symptomen leidende Säuglinge.

Zur Bewertung der Wirksamkeit der Studien wird der p-Wert mit Kofidenzintervall (CI), auch als Vertrauensbereich bezeichnet, betrachtet. Die Angabe des CI und p-Werts gewähren neben der Angabe der "Effektschätzer" die Beurteilung der statistischen Signifikanz. Das CI von 95 Prozent zeigt den Bereich in dem der wahre Wert zur Wahrscheinlichkeit des p-Werts liegt. Bei einem CI unter eins liegt Signifikanz vor (Ressing 2010, S. 190). Das Odds Ratio (OR), relative Risiko (RR) sowie das adjustierte Odds Ratio (aOR) oder adjustierte relative Risiko (aRR) mit reduzierten Ver­zer­rungen durch ausgeschlossene Variablen, werden zur Angabe der Signifikanz ver­wen­det. Bei Kohortenstudien mit prospektiver Beobachtung wird die Zahl der Neu­erkran­kun­gen durch das RR angegeben. Bei Fall-Kontroll-Studien wird retrospektiv das OR berechnet. Das RR berechnet sich aus der Division des Erkrankungsrisikos mit und ohne Intervention (Ressing 2010, S. 187 f.) Durch diese Angaben werden Aussagen zu Veränderungen der Erkrankungshäufigkeit durch einen Risikofaktor getroffen. Ein Wert kleiner eins spricht für eine reduzierte Erkrankungswahrscheinlichkeit, ein Wert über eins zeigt das Gegenteil (Ressing 2010, S. 190 f.). Das unadjustierte OR ist nur bedingt aussagekräftig, da weitere mögliche Einflussfaktoren, im Vergleich zum aOR, nicht ausgeschlossen werden (Ressing 2010, S. 190 f.).

Bei Übersichtsartikeln wird die Schlussfolgerung der Verfasser aus der Summe der einzelnen Studien aufgegriffen. Die Ergebnisse dieser Datenauswertung werden nun vorgestellt[7].

[...]


[1] Die Geburtskohorte beinhaltet 562 dänische Kleinkinder, anhand denen eine prospektive Studie mit Follow-up durchgeführt wurde (Näheres siehe Eller et al. 2009).

[2] Die Langzeitstudie zur Allergieprävention untersucht seit 1996 den Einfluss der Säuglingsnahrung auf die Allergieentstehung anhand 2252 Neugeborener mit erhöhtem Allergierisiko in Deutschland. Es handelt sich um eine prospektive randomisierte Doppeltblindstudie mit Follow-up bis zum sechsten Lebensjahr (Näheres hierzu siehe www.ginistudie.de, Revisionsdatum 31.05.13).

[3] Die AAP ist eine amerikanische Organisation beruflicher Vertreter mit Spezialisierung auf die Gesundheit von Kindern (siehe www.aap.org, Revisionsdatum 31.05.13).

[4] Die GINIplus-Studie besteht aus der GINI-Interventionsstudie (GINI-I, n = 2252) und der nicht-interventionellen Beobachtungsstudie (GINI-NI, n = 3739). Diese untersucht den natürlichen Verlauf atopischer Erkrankungen in Zusammenhang mit den Ursachen (siehe Berg et al. 2012 und Heinrich et al. 2012).

[5] Die internationale Organisation, mit Sitz in Zürich, beschäftigt sich mit allergischen und immunologischen Krankheiten in Anlehnung an das Bürgerliche Gesetzbuch der Schweiz (siehe www.eaaci.net, Revisionsdatum 31.05.13).

[6] Für die aufgeführten Zahlen verwendeter Literatur wird von der Autorin der vorliegenden Arbeit keine Gewähr übernommen.

[7] Näheres hierzu siehe: Kunz, R.; Ollenschläger, G.; Raspe, H.; Jonitz, G.; Donner-Banzhoff, N. (Hrsg) (2007): Lehrbuch Evidenzbasierte Medizin in Klinik und Praxis. 2. Auflage, Köln: Deutscher Ärzteverlag sowie Gerhardus, A.; Breckenkamp, J.; Razum, O.; Schmacke, N.; Wenzel, H. (Hrsg) (2010): Evidence-based Public Health, 1. Auflage, Bern: Huber.

Details

Seiten
Erscheinungsform
Erstausgabe
Jahr
2013
ISBN (PDF)
9783956845185
ISBN (Paperback)
9783956840180
Dateigröße
1 MB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Hochschule Fulda
Erscheinungsdatum
2015 (Februar)
Note
1,5
Schlagworte
hydrolysierte Säuglingsnahrung atopische Dermatitis Nahrungsmittelallergen Kuhmilchproteinallergie Stillen

Autor

Luisa Faller wurde 1991 in Titisee-Neustadt geboren. Ihr Studium der Oecotrophologie schloss die Autorin 2013 an der Hochschule Fulda mit dem Bachelor of Science ab. Momentan absolviert sie den Master of Art Prävention und Gesundheitsförderung an der Universität Flensburg.
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Titel: Säuglingsnahrung bei atopischer Dermatitis
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