Lehr(er)inszenierung und Lernen: Zur Bedeutung der Lehrperson für die Lernprozesse der Schüler am Beispiel Peter Weirs "Der Club der toten Dichter"
Zusammenfassung
Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung
Die vorliegende Arbeit ist aus meinem beruflichen Interesse heraus entstanden, sich näher mit der Lehrerpersönlichkeit zu beschäftigen. Der derzeitige Trend, dass der Lehrer selbstgesteuertes Lernen forcieren und für die Schüler eine Art Lernarrangement zusammenstellen soll und damit als Lernbegleiter bzw. –Moderator angesehen wird, entspricht nicht meiner Vorstellung der Lehrerrolle. Es gibt bereits einen Zug, der ebenfalls gegen diesen Strom fährt und ich möchte mit dieser Arbeit poetisch gesprochen „auf diesen Zug aufspringen und einen weiteren Wagon anhängen“. Für die Aktualität dieses Themas spricht u.a. auch das kürzlich erschienene Buch von Jochen Krautz und Jost Schieren[1].
Sie befragten beliebige Zeitgenossen nach ihren Erinnerungen an ihre Schulzeit und in aller Regel wurde sowohl von positiven als auch von negativen Erlebnissen mit Lehrern und Mitschülern berichtet (vgl. Krautz/ Schieren 2013, S. 7). „In der biographischen Verarbeitung sedimentieren aus den langen Schuljahren mit durchgehender Konstanz die personalen und interpersonalen Faktoren“ (Krautz/ Schieren 2013, S. 7). Die besuchte Schule, die angewandten Methoden, die Testverfahren, etc. spielten dabei eine untergeordnete Rolle. Gerade an Lerninhalte erinnert man sich meist in Verbindung mit einem Erlebnis von Personen. Damit vertieft sich grundlegend das Verständnis einer neu akzentuierten Pädagogik. Denn seit PISA-Studien steht die praktische Pädagogik unter einem enormen Druck, quantifizierbare Leistungen aufzuzeigen, die dann auch noch messbar sein müssen. Wie diese Leistungen zustande kommen und welche Rolle die Pädagogen übernehmen, davon wird nicht geredet. Heutzutage[2] wächst das technologische Bildungsverständnis, das den Kern pädagogischer Praxis, die Begegnung mit konkreten jungen Persönlichkeiten, außer Acht lässt. Somit befinden sich die Pädagogen in einem unauflösbaren Widerspruch zwischen verordneten technokratischen Reformen und ihrer anspruchsvollen Arbeit sich mit jungen Persönlichkeiten auseinander zu setzen und sie in immer größer werdenden Klassenverbänden zur Bildung zu verhelfen (vgl. ebd. S. 7f.). „Auch die zu beobachtende Tendenz, Unterricht primär als Inszenierung von „Lernumgebung“ zu verstehen, in denen Schüler vermeintlich „selbstgesteuert“ arbeiten, schwächt grundsätzlich den pädagogischen Bezug als Grundform von Lehren und Lernen“ (Krautz/ Schieren 2013, S. 8).
1.1 Problem- und Interessenstellung
Das Thema Schule und mit ihr der Medienrummel um den „Lehrer“ war schon immer brisant und es wird fortan darüber diskutiert. Zumal sich jeder dazu eine Meinung bilden kann, der eine schulische Ausbildung bereits genossen hat oder sie immer noch genießt. Somit fehlt dem Lehrer ein sog. Berufsgeheimnis[3].
Am 19. Februar 2013 ist in der Süddeutschen Zeitung ein Artikel mit dem Titel „Lobrede auf den Lehrer“ erschienen. Darin wird auf den neuseeländischen Bildungsforscher John Hattie verwiesen. Dieser untersuchte über viele Jahre 800 Metastudien, die jeweils um die Frage kreisten, was die wichtigsten Faktoren für guten Unterricht sind. Ihre Wucht erhält Hatties Studie "Visible Learning" zum einen aus ihrer einmaligen empirischen Breite: In all den von ihm analysierten Metastudien waren wiederum insgesamt 50.000 Einzelstudien ausgewertet worden; in seine Ergebnisse flossen also die Erfahrungen mit knapp 250 Millionen Schülern ein. Zum anderen ist da diese fast schon verstörende Eindeutigkeit eben dieser Ergebnisse, die Hattie zu Tage förderte. All das Geschwärme für eigenverantwortliches Arbeiten oder Lernen ohne Lehrer kann man demzufolge genauso vergessen wie die Frage nach privater oder öffentlicher Schule. Die finanziellen Ressourcen einer Schule? Fallen kaum ins Gewicht. Didaktische Reformen? Vergessen Sie's. Was zählt, ist der einzelne Lehrer. Wie bereitet er den Stoff auf? Wie stringent führt er durch die Stunde? Erreicht er die Kinder? Kann er sich für das, was er da unterrichtet, selbst begeistern? (vgl. http://www.sueddeutsche.de/ bildung/lobrede-auf-den-lehrer-motivationsdroge-mensch-1.1603652, 14.05.2013).
Diesen Fragen möchte ich nachgehen, dabei aber nicht nur an der Oberfläche „kratzen“ und Allgemeines über die Lehrerrolle in Erfahrung bringen, sondern mich interessiert vor allem die Beziehungsebene der Lehrperson und der Lernenden. Noch konkreter interessiert mich die Wirkung der Lehrperson auf die Lernprozesse der Lernenden. In einem Seminar über „Filmische Inszenierungen des Lehrens“ stieß ich auf Peter Weirs Film »Der Club der toten Dichter[4] «, anhand dessen ich einen Beitrag zur Bedeutung der Lehrperson für die Lernprozesse der Schüler beisteuern möchte.
Der Titel dieser Arbeit spricht drei Ebenen an. Erstens die erziehungswissenschaftlich/ didaktische Ebene, bei der es um die Planung des Unterrichts an sich geht. Genauer gesagt, um die Planung der Wissensvermittlung. Zweitens die kultur-/theaterwissenschaftliche Ebene, bei der die Aufführung betrachtet wird. Wie wird der Unterricht durchgeführt bzw. aufgeführt? Wie werden die Schüler durch die Unterrichtsstunde geleitet? Drittens die Ebene des Films, der die beiden eben genannten Ebenen miteinander verknüpft. Der die Aufführung des Unterrichts zeigt und somit Rückschlüsse auf die Planung des Unterrichtsvorhabens schließen lässt.
Die Grundlage für diese Untersuchungen bietet der Film „CTD“ von Peter Weir. Die LEHR-PERSON lässt sich schematisch teilen. Auf der einen Seite befinden sich die erzkonservativen Lehrstilvertreter wie McAllister. Diesen Vertretern geht es vor allem um die Vermittlung des zu lernenden Stoffes. Sie, die Lehrenden, haben das Wissen und geben das Wissen an die Lernenden weiter. Dabei geht es ihnen nicht um die einzelne Person, sondern um den Lehrstoff. Auf der anderen Seite befinden sich die Vertreter des romantischen Lehrstils wie Keating. Diese Vertreter beziehen sich eher auf die persönliche Seite des Lehrens. Keating interessiert sich für das Individuelle in jedem Schüler.
1.2 Aufbau der Arbeit
Zunächst werde ich eine theoretische Perspektive auf das Verhältnis von Lehrer und Schüler werfen. Dabei beziehe ich mich zuerst auf die bereits erwähnte erziehungswissenschaftlich/ didaktische Ebene unter zu Hilfenahme von Hilbert Meyers gut zusammengefasste Literatur. Das gibt den Leser einen guten Überblick über die verschiedenen Unterrichtsmethoden. Zudem leuchtet dadurch ein, dass Unterricht auf dieser Ebene als ein Planungsgeschehen gesehen wird, bei dem der Lehrer die Arbeit bereits im Vorwege „erledigt“ hat. Der Unterricht wird also vom Lehrer geplant, aber den genauen Ablauf kann man nicht voraussagen. Dieser ergibt sich aus dem Unterrichtlichen Geschehen. Das versuche ich auf der kultur-/ theaterwissenschaftlichen Ebene darzustellen. Dazu gehört der Aufführungsbegriff, den Erika Fischer-Lichte in ihrem Buch »die Aufführung« herausgearbeitet hat. Während dieser „Aufführung“ wird der Zuschauer [ hier der Schüler, H.F.] in einen Zustand der „Übertragung“ gesetzt. Im weiteren Zusammenhang mit dem Übertragungsbegriff knüpfe ich die psychoanalytische Perspektive an. Hierbei stütze ich mich stark auf Lühmann und Pazzini. Wie nun die Rolle des Lehrers aussieht, beschreibe ich anhand der Ausführungen Dreikurs.
Im Weiteren beleuchte ich die filmische Perspektive auf das pädagogische Verhältnis von Lehrer und Schüler am Beispiel Peter Weirs „CTD“. Für ein besseres Verständnis der Arbeit gebe ich zunächst eine etwas ausführlichere inhaltliche Zusammenfassung des Films. Dem folgt ein Blick auf das Beziehungsverhältnis von Lehrer und Schüler im Film, wobei ich mich stark auf Wimmers Ausführungen stütze. Anschließend folgt das Kernstück der Arbeit, die Szeneninterpretation. Anhand sechs ausgewählter Szenen wende ich die Methode der Objektiven Hermeneutik nach Oevermann an, mit anschließender Interpretation.
Abschließend resümiert ein Fazit die wichtigsten Ergebnisse und gibt einen Ausblick.
1.3 Methode und Gegenstand
Ich habe mir vorgenommen als Methode auf die Objektive Hermeneutik von Ulrich Oevermann zurückzugreifen. Sie ist ein Verfahren der Textinterpretation mit dem Anspruch, die Geltung der Interpretation an intersubjektive Überprüfbarkeit zu binden (vgl. Wernet 2009, S. 11). Da der Film audio-visuelles Material bereitstellt, bedarf es zunächst der Erstellung eines solchen Textmaterials.
Die objektiv-hermeneutische Textinterpretation folgt den 5 Prinzipien der (1) Kontextfreiheit, (2) Wörtlichkeit, (3) Sequenzialität, (4) Extensivität und (5) Sparsamkeit. Auf die eben genannten Punkte wird im Folgenden chronologisch eingegangen.
Zur Kontextfreit stellt sich die Frage, ob es nicht geradezu absurd sei, bei einer Szeneninterpretation auf den Zusammenhang zu verzichten? (vgl. ebd. S. 21). Wernet beantwortet diese Frage damit, dass er sagt „Kontextfreiheit bedeutet nicht, dass die Umstände einer Handlung nicht wichtig seien zum Verständnis der Bedeutung dieser Handlung“ (Wernet 2009, S. 21). Aber die Operation der Einbeziehung des Kontextes spielt eine interpretatorisch zentrale Rolle, findet aber erst nach der kontextfreien Interpretation Anwendung. Dadurch soll verhindert werden, dass man den Text nur durch den Kontext versteht (vgl. ebd. 21f.).
Das Prinzip der Wörtlichkeit verpflichtet die Interpretation auf den Text. Im Alltäglichen würde dies als kleinlich und unangemessen erscheinen. Ignoriert man die wörtliche Bedeutungsschicht, so missachtet man den Text als wissenschaftliche Datenbasis. Während es bei der kontextfreien Interpretation um außertextliche Verweisungszusammenhänge geht, handelt es sich im Wörtlichkeitsprinzip um die innertextlichen Verweisungszusammenhänge, die es in ihrer analytischen Unabhängigkeit zu berücksichtigen gilt (vgl. ebd. S. 23f.).
Das Prinzip der Sequenzialität ist für die Objektive Hermeneutik von zentraler Bedeutung. Es sieht vor, dass man sich von Sequenz zu Sequenz hangelt und bei der Interpretation streng dem Textprotokoll folgt (vgl. ebd. S. 27).
Das Prinzip der Extensivität besagt, dass sich in den protokollierten Ausschnitten sozialer Realität ein Allgemeines rekonstruieren lasse (vgl. ebd. S. 32). „Die Rekonstruktion der Strukturlogik beansprucht das Ganze des Gebildes im Sinne der dieses Gebilde hervorbringenden Strukturprinzipien zu rekonstruieren. Diese strukturrekonstruktive Operation lässt sich an geringen Datenmengen vollständig durchführen. Die Triftigkeit und Aussagekraft der extensiven Feinanalyse bemisst sich an der Qualität der Interpretation, nicht an der Quantität des einbezogenen Datenmaterials“ (Wernet 2009, S. 32).
Aus den bisher erläuterten Prinzipien leitet sich das Prinzip der Sparsamkeit ab. Dieses beinhaltet, gerade in der umfangslogischen und endlosen Bedeutungssuche der Extensivität, Grenzen zu setzen. Somit bleibt der forschungsökonomische Aspekt im Vordergrund (vgl. ebd. S. 36) und „(…) es erlaubt nur diejenigen Bedeutungsexplikationen, die den Text als regelgeleitetes und wohlgeformtes Gebilde ansehen und verbietet diejenigen Lesarten, die den Text, ohne dass dieser selbst darauf verweist, als fallspezifisch motivierte Regelabweichung (zu) interpretieren“ (Wernet 2009, S. 36).
Die Methode der objektiven Hermeneutik ist also ein interpretatives Verfahren zur Rekonstruktion von latenten Sinnstrukturen, die sich in protokollierten Handlungen manifestieren. Das Ziel besteht nicht nur darin, die relevanten Sinnstrukturen zu benennen, sondern auch die Wirkung herauszuarbeiten (vgl. ebd. S. 12ff.). Für mich geht es um die Wirkung der Lehrperson auf die Lernprozesse der Schüler. Mir ist bewusst, dass durch die Texterstellung der ausgewählten Szenen aus dem Film CTD etwas wie z.B. der Ton, Gestik, Mimik und Gegenüberstellungen verloren geht. Insofern muss ich die Methode für meine Belange verändern, indem ich mit sog. „Stills“ arbeite. Dadurch versuche ich besondere Momente der Gestik, Mimik und Gegenüberstellung zu wahren. Dennoch geht durch die Texterstellung am Film der Ton verloren. Dies stellt jedoch für meinen Forschungsschwerpunkt zur Bedeutung der Wirkung der Lehrperson auf die Lernprozesse der Schüler keinen Abbruch dar.
2 Theoretische Perspektiven auf das Verhältnis von Lehrer und Schüler
Im Folgenden gehe ich zuerst auf die didaktisch- erziehungswissenschaftliche Perspektive ein, zu der ich im Allgemeinen die Unterrichtsmethoden zähle. Hierbei halte ich mich an die Ausführungen von Hilbert Meyer. Diese haben jedoch für meine Belange ihre Grenzen und somit erweitere ich seine Perspektive um die Theaterwissenschaftliche. Dabei stütze ich mich auf die Ausführungen von Erika Fischer-Lichte. In diesem Zusammenhang komme ich auch auf den Übertragungsbegriff zu sprechen, den ich in der psychoanalytischen Perspektive mit Hilfe von Lühmann und Pazzini darstellen werde.
2.1 Didaktisch-erziehungswissenschaftliche Perspektive
Nach Hilbert Meyer sind „Unterrichtsmethoden die Formen und Verfahren, mit denen sich die Lehrerinnen, Lehrer, Schülerinnen und Schüler die sie umgebende natürliche und gesellschaftliche Wirklichkeit unter Beachtung der institutionellen Rahmenbedingungen der Schule aneignen“ (Meyer 2002, S. 109). Weiterhin behauptet Meyer, dass Unterricht sich nicht von selbst ereignet und erst durch das methodische Handeln der Beteiligten in Szene gesetzt wird. Man kann auch sagen, dass Unterricht inszeniert wird (vgl. Meyer 2002, S. 109f.).
Lehren und Lernen sind dialektisch aufeinander bezogen, weil sich die Lehrziele des Lehrers von den Handlungszielen der Schüler unterscheiden. Vom Lehrenden und vom Lernenden werden je unterschiedliche Handlungslogiken entwickelt, durch die der Unterrichtsprozess vorangetrieben wird. Die Schüler wollen sich entwickeln, sei es, dass sie lernen oder sich dem Lernen verweigern wollen (vgl. ebd. S. 109f.). Zum Lernen gehört auch, eine Entscheidung zu treffen. Im Film gibt es eine Szene, die diese Thematik aufzeigt[5].
Um zurück auf das Lehren und Lernen zu kommen, so ist ihre materiale Grundlage das methodische Handeln. Wenn es gut geht, kommt es zu einem Aneignungsprozess, der zur Aneignung von Welt führt und damit nicht nur zum Wissenserwerb, sondern auch zur Verinnerlichung von Kultur. Dies setzt jedoch Einsicht und Reflexion voraus, was die ganzheitliche aktive Mitarbeit von Schülern und Lehrern beider maßen voraussetzt (vgl. ebd. S. 110). Anders formuliert: „Die Unterrichtsinhalte werden durch das methodische Handeln der Lehrerin bzw. des Lehrers sowie der Schülerinnen und Schüler „geschaffen“ “ (Meyer 2002, S. 110). Es gibt an sich keine „Methoden“, da sie lediglich in bestimmte Aufgaben, die im Unterricht zu erledigen sind, eingewickelt werden. Dennoch ist mehr Methodenvielfalt geboten, die aber keinen Wert an sich hat (vgl. ebd. S. 110). Für Meyer sind Unterrichtemethoden weit mehr als bloße Techniken. Es verbergen sich dahinter implizite Lernziele und Persönlichkeitsannahmen. Auf der einen Seite stehen diejenigen, die ihre Schulzeit über lehrerzentrierten Unterricht genossen haben und somit zwar fit im Sach- und Fachwissen sind, aber kaum eine Chance zur Selbsttätigkeit und Selbstständigkeit bekommen haben. Und auf der anderen Seite stehen diejenigen, die aufgrund von Selbstentscheidungen es nicht gelernt haben mit fremdgesetzten Leistungserwartungen umzugehen. Somit konnten sie auch keinen Widerstand gegen die inhaltlichen Zumutungen ihrer Lehrer entwickeln. Es sind die Schülerinnen und Schüler unserer heutigen Zeit, die sich jedoch mit altertümlichen Unterrichtsmethoden konfrontiert sehen und somit nicht erwarten lassen, dass bei ihnen Teamfähigkeit, Demokratiebewusstsein und Toleranz gegenüber Mensch und Natur ausgeprägt ist. Es bedarf einer neuen Methodenkultur, in der die dialektischen Widersprüche zwischen dem Lehren und Lernen, dem Lenken und Selbstständig sein, zwischen Führen und Helfen besser als bisher ausgeglichen werden (vgl. ebd. S. 117f.).
Es muss jeweils sehr genau geschaut werden, wie die Ziele, Inhalte und Methoden zueinander passen. Wer also eine Unterrichtsstunde plant, muss sich vorab überlegen, ob die innere Zielorientierung der ausgewählten Methode stimmig zu der Ziel- und Inhaltsentscheidung ist. Meyer spricht in diesem Zusammenhang von drei verschiedenen „Aggregatzuständen“: (vgl. Meyer 1987, Bd. 1, S. 214ff.)
Die erste Aggregatstufe, die Mikroebene, stellt die Inszenierungstechniken des Lehrers und des Schülers dar. Es handelt sich um Lehr-Lernsituationen, aus deren Handlung sich alle komplexeren Formen und Prozesse methodischen Handelns ergeben.
Die zweite Aggregatstufe, die Mesomethodik, stellt die Dimensionen methodischen Handelns dar. Inbegriffen sind erstens die vier Sozialformen, (1) Frontalunterricht, (2) Gruppenunterricht, (3) Partnerarbeit und (4) Einzelarbeit. Zweitens die Handlungsmuster, historisch gewachsene Lehr-Lernformen, die sich mit der Aneignung von Wirklichkeit beschäftigen. Und drittens die Verlaufsformen, die in der Regel immer gleich ablaufen. Es gibt einen Einstieg, eine Erarbeitungsphase mit eventuellen Pausen und eine Ergebnissicherung.
Die dritte Aggregatstufe, die Makromethodik, stellt methodische Großformen dar. Diese sind gesellschaftlich durch Lehrpläne, Ausbildungsverordnungen, Gesetzesvorschriften, durch die räumlich-architektonische Gestaltung, durch die Fixierung von Leistungsstandards und vieles mehr gesellschaftlich normiert (vgl. ebd. S. 111ff.).
Zusammenfassend stellt Meyer die Hypothese auf, dass „Unterrichtsmethoden das heimliche Versprechen enthalten, die Schülerinnen und Schüler von der Vormundschaft der Lehrerinnen und Lehrer zu befreien“ (Meyer 2002, S. 118). Was aber sagt mir nun die didaktische Perspektive über die Gestaltung des pädagogischen Unterrichts hinsichtlich der Beziehung zwischen Lehrer und Schüler? Im Zusammenhang mit der Unterrichtsplanung und damit auch der Planung welche Methode im Unterricht zur Anwendung kommt, verweise ich auf die verschiedenen konstitutiven professionellen Antinomien des Lehrerhandelns nach Werner Helsper. Hierbei handelt es sich um unauflösbare Gegensätze. In diesem Falle die Heteronomie vs. Autonomie. Der Lehrer befindet sich im Zwiespalt: auf der einen Seite soll er die Schüler zur Selbstständigkeit verhelfen; auf der anderen Seite kann dies jedoch nicht ohne die Einwirkung von außen, in diesem Falle durch die Einwirkung des Lehrers, geschehen (vgl. Combe/Helsper 1996, S. 535f.). Kant hat dazu treffend folgendes formuliert: „Wie kultiviere ich die Freiheit bei dem Zwange? Ich soll meinen Zögling gewöhnen, einen Zwang seiner Freiheit zu dulden, und soll ihn selbst zugleich anführen, seine Freiheit gut zu gebrauchen. […] Er muß früh den unvermeidlichen Widerstand der Gesellschaft fühlen, um die Schwierigkeit, sich selbst zu erhalten, zu entbehren, und zu erwerben, um unabhängig zu sein, kennen zu lernen“ (Kant 1984, S.40).
Um nochmal zurück auf die unterrichtliche Inszenierung einzugehen, die Hilbert Meyer auf der Mikroebene einordnet, bleiben die Gestik, Mimik und Dramaturgie des Sprechens sehr wichtige Aktionen des Unterrichtsgeschehens. Im Lehr-Lern-Geschehen sind diese Interaktionen eben nicht vollkommen planbar. An dieser Stelle stößt die didaktische Theorie an ihre Grenzen bzw. zeigt einen „blinden“ Fleck auf. Daher brauche ich eine andere theoretische Perspektive, die mir hilft auf das Lehr-Lern-Geschehen zu schauen. Hier gibt es eine große Nähe zum Begriff der Aufführung. Im nächsten Abschnitt 2.2 beziehe ich mich auf Erika Fischer-Lichte, die sich aus theaterwissenschaftlicher Perspektive mit dem Aufführungsbegriff beschäftigt hat.
2.2 Theaterwissenschaftliche Perspektive
Nach Fischer-Lichte erzeugt sich die Aufführung selbst aus der Interaktion zwischen Akteur und Zuschauer. Ihr Ablauf ist daher nicht vollständig planbar und vorhersagbar. Die Akteure machen zwar Vorgaben, – Vorgaben, die durch ein System von Regeln oder den Probenprozessen bestimmt sind – die aber nicht imstande sind, den Verlauf der Aufführung vollständig zu kontrollieren. Erst während der Aufführung tauchen viele Elemente als Folge von Interaktionen zwischen Akteuren und Zuschauern auf. Beziehungen werden auf unterschiedliche Weise ausgehandelt und geregelt. Jeder einzelne bestimmt in verschiedenem Ausmaß den Verlauf der Aufführung mit. Damit lässt sich die Aussage treffen, dass sich niemand „passiv“ verhält, sondern jeder ist mitverantwortlich, was sich während der Aufführung ereignet (vgl. Fischer-Lichte 2012, S. 11f.). Auf das Beispiel Schule übertragen, sind für mich die Lehrer die Akteure und die Zuschauer die Schüler. Der Lehrer plant den Unterricht, aber wie er ablaufen wird, lässt sich nicht vollständig vorhersehen. Das gibt Lühmann ebenfalls zu bedenken, indem er sagt, dass Unterricht kein planungsrationales Geschehen ist und sein Gelingen nur zu einem kleinen Teil von der Instruktionstechnik und zu einem großen Teil von Faktoren abhängt, die in der Persönlichkeit der Lehrer (und auch der Schüler) stecken (vgl. Lühmann 2006, S. 98).
An dieser Stelle verweise ich ebenfalls auf Gottfried Hausmann, der die Parallelen und Analogien zwischen Theaterspiel und Unterricht zum Ausgangspunkt einer originellen didaktischen Theorie gemacht hat. Durch das Theater wird menschliches Leben aus den naturwüchsigen Zusammenhängen herausgelöst und bestimmte Aspekte menschlichen Lebens akzentuiert in Szene gesetzt. Im Unterricht wird dies deutlich, wenn man das »Leben« durch das »Lernen« ersetzt. Durch Unterricht wird Lernen aus der üblichen Lebenspraxis herausgelöst, künstlich isoliert und auf besondere Weise akzentuiert. Während beim Theater (oder Film) meist mehrere Personen als Autor (Drehbuchschreiber), Regisseur oder Darsteller in unterschiedlichen Rollen agieren, ist der Lehrer Drehbuchschreiber (Unterrichtsplaner), Regisseur und häufig auch Hauptdarsteller in einer Person. Weiterhin hofft er, dass Schüler als Mitakteure in die Inszenierung einbezogen werden und nicht wie die Zuschauer im Theater oder Kino nur rezeptive Rollen einnehmen. Denn als Lehrer kann es auch äußerst sinnvoll sein, in die Beobachterrolle zu wechseln, vor allem im Zusammenhang mit offenen Unterrichtsformen[6] (vgl. Heymann 2008, S.6f.).
Die je besondere Erscheinungsweise der Materialität – Räumlichkeit, Körperlichkeit, Lautlichkeit – von Aufführungen beinhaltet stets einen Verweis auf deren Eigenart, die sich zwischen Akteuren und Zuschauern ereignet. Die Räumlichkeit von Aufführungen wird erst durch die Bewegung von Menschen, Objekten und Licht sowie durch die Laute, die im Raum erklingen, hervorgebracht. Darüber hinaus wird sie mitbestimmt von der wechselnden Atmosphäre, die nach Gernot Böhme[7] zwar ortlos, aber dennoch in einem bestimmten Moment räumlich wahrnehmbar sind. Der Körperlichkeit von Aufführungen kommt für die Hervorbringung des Dazwischen seins eine besondere Bedeutung zu (vgl. Fischer-Lichte 2012, S. 12f.). „Sie verändert sich mit jeder Bewegung, jeder stimmlichen Entäußerung und wirkt unmittelbar auf die Körper der Zuschauer ein, indem sie in ihnen physiologische, affektive, energetische oder motorische Prozesse auslöst“ (Fischer-Lichte 2012, S. 13).
Bedenkt man, dass Aufführungen aus den Interaktionen von Akteuren und Zuschauern [hier Lehrer und Schüler, H.F.] hervorgehen und ihre Materialität von Flüchtigkeit charakterisiert ist, leuchtet unmittelbar ein, dass sie nicht in der Lage sind, vorgegebene Bedeutungen zu übermitteln. Diese Bedeutungen generieren sich aus dem Prozess selbst. Trotz der Intention der Lehrer ganze bestimmte Botschaften zu übermitteln sind sie nicht in der Lage, dies zu kontrollieren. Ob und was beim Schüler hängen bleibt, ist einerseits durch seine Wahrnehmungen bestimmt und andererseits durch Erinnerungen, Erfahrungen, Emotionen, Kenntnissen, etc., die diese in die Aufführung [den Unterricht, H.F.] mitbringen. So beeinflusst der Lehrer zum einen die Wahrnehmung des Schülers und zum anderen auch den Prozess, in dem er dem Wahrgenommenen Bedeutungen beilegt (vgl. ebd. S. 13f.).
Zum Prozess der Wahrnehmung unterscheidet Fischer-Lichte zwei Vorgänge. Zum einen kann sich die Wahrnehmung auf das erscheinende Phänomen in seiner je besonderen Materialität, seine spezifische Erscheinungsweise konzentrieren. Diese Art der Wahrnehmung bezeichnet Fischer-Lichte als die Ordnung der Präsenz. Dem gegenüber steht die Ordnung der Repräsentation, in der sie als Zeichen für eine fiktive Figur bzw. eine fiktive Welt oder eine bestimmte symbolische Ordnung wahrzunehmen ist. Im Laufe ihrer Aufführung gleitet die Wahrnehmung der Zuschauer zwischen diesen beiden Ordnungen hin und her. Dabei gibt es auch eine Übergangsphase in der sie sozusagen auf der Schwelle ist. In diesem Moment wird sich der Zuschauer bewusst, dass er nicht Herr der Übergänge ist. Zwar kann er immer wieder versuchen sich neu auf eine Ordnung einzustellen, jedoch ist ihm bewusst, dass Wendungen auch erfolgen, ohne dass es ihm bewusst ist (vgl. ebd. S. 14).
Nach Fischer-Lichte sind Aufführungen keine Werke, sondern Ereignisse, da sie aus der Interaktion zwischen Akteur und Zuschauer hervorgehen. Eine Aufführung erzeugt sich selbst, indem sie sich vollzieht. Es liegt dann nicht die Aufführung als ein Resultat vor, das sich als ein „Werk“ bezeichnen ließe, sondern sie ist vorbei und unwiederbringlich verloren. Sie kommt nur im Prozess des Aufführens vor und lässt sich insofern als ein Ereignis begreifen, das – im Unterschied zur Inszenierung, die auf Wiederholung angelegt ist – einmalig und unwiederholbar ist (vgl. ebd. S. 15).
Fischer-Lichte spricht von einem Schwellenübergang, in den der Zuschauer durch seine Wahrnehmung versetzt wird (s.o.). Von einem „Dazwischen“ sein. Aus psychoanalytischer Perspektive betrachtet kann man an dieser Stelle einhaken und noch weiter gehen. Lühmann u.a. spricht hier vom Übertragungsbegriff.
2.3 Psychoanalytische Perspektive
Nach Lühmann ist Unterricht kein planungsrationales Geschehen. Zudem hängt sein Gelingen nur zu einem kleinen Teil von der Instruktionstechnik und zu einem großen von Faktoren ab, die in der Persönlichkeit der Lehrer liegen. Aber natürlich auch in der Persönlichkeit der Schüler. Ob ein Schüler etwas lernt oder annimmt und behält, ist zwar vom Lehrer anzusteuern, aber nicht planbar und rational durchdringbar (vgl. Lühmann 2006, S. 98). Wenn Menschen einander belehren, entsteht zwischen den Beteiligten eine Beziehung besonderer Art, die sich der berechnenden Steuerung und der Messung entzieht. Für die Beziehung der besonderen Art hat die Psychoanalyse den Begriff der Übertragung. Sie entsteht spontan und hat ihren eigenen „Willen“. Lühmann verweist an dieser Stelle auf Freud, für den die Wirksamkeit ärztlicher Bemühungen und die Wirksamkeit der Psychoanalyse in Zusammenhang mit der Übertragung stehen. Dabei geht es ihm um Effekte der Mitteilung von Wissen (vgl. ebd. S. 100) – „eines Wissens, das, schon immer in der Rede des Analysanten enthalten, ihm vom Analytiker zugesprochen wird. Damit es akzeptiert werden kann, bedarf es der Übertragung“ (Lühmann 2006, S. 100). Dem voraus geht, dass einem Subjekt unterstellt wird, es verfüge über Wissen. Diese Unterstellung ist die Übertragung (vgl. ebd. S. 101). Nach Pazzini ist Übertragung ein performatives Geschehen, das von Zeit, Raum und Aktionen in ihr lebt (vgl. Pazzini 2011, S. 189).
In schulischen Zusammenhängen spricht Jochen Filler von einem sog. „Autoritätskredit“. Das Lehramt an sich verleiht lediglich einen Autoritätskredit, der durch persönliche Autorität eingelöst werden muss (vgl. Filler 1980, S. 105).
Nach Dreikurs ist die Aufgabe des Lehrers in der traditionellen Lehrerrolle, Wissen zu vermitteln. Die Aufgabe der Schüler ist es, sich dieses Wissen anzueignen. Dieses Motto hat sich die Welton Academy groß auf die Fahnen geschrieben. Haben die Schüler sich dieses Wissen nicht angeeignet hörte der Lernprozess auf, wenn nicht der Druck von außen in Form von Bestrafung und Belohnung sie dazu brachte, sich anzustrengen und mitzumachen. In einer autokratischen Gesellschaft führten diese Methoden zum Erfolg und bei den meisten Schüler waren überwiegend Fortschritte zu verzeichnen (vgl. Dreikurs 2003, S. 17). So auch im Film »Club der toten Dichter« in den eingangs kurz gezeigten Unterrichtszenen der Fächer Latein, Chemie und Mathematik. Der Lehrer agiert vorne am Pult im klassischen Stil des Frontalunterrichts.[8] Der Englischunterricht von Keating stellt u.a. aufgrund seiner Person und seiner Unterrichtsmethoden eine Ausnahme dar, in dem er die konformen Strukturen durchbricht und seinen Unterricht völlig anders gestaltet.
Dreikurs behauptet, dass Lehrer heutzutage mit den Methoden der Bestrafung und Belohnung keinen Erfolg mehr haben. Dies schrieb er im Jahre 2003 und bezieht sich damit meiner Meinung nach u.a. auf die Prügelstrafe, die nach Ende des zweiten Weltkrieges in den westlichen Ländern überwiegend abgeschafft wurde.[9] Pazzini bezieht sich im Zusammenhang mit der Aggressivität der Lehre ebenfalls auf „früher“ und „heute“. Nach Pazzini steckt Aggressivität im Zentrum jeglichen Lehrprozesses selber. Er stellt die These auf, „dass die kulturelle Formung der Aggressivität, die im Zentrum jeglichen Lehrprozesses steckt, zerfleddert ist und als Aggressivität schlichtweg nicht mehr wahrgenommen wird“ (Pazzini 1995, S.121). „Früher“ geschah Lehre begleitet von bekannten und aus heutiger Sicht auffälligen Disziplinarmaßnahmen, „heute“ geschieht diese mit anderen Mitteln, die Pazzini „symbiotische Umhüllung“ nennt. Dabei handelt es sich um die Einpassung des Gegenstands der Unterweisung des Lehrenden an die spekulativ vorweggenommene Aufnahmefähigkeit der Lernenden. Mit anderen Worten ausgedrückt, ist es eine Einhüllung mit dem Ziel, Distanzen abzubauen. Ist die Distanz zwischen dem Lehrenden und dem Lernenden zu groß, so meint man, wäre Aufnahme nicht möglich (vgl. Pazzini 1995, S.121).
In Dreikurs Ausführungen spielte es „früher“ keine Rolle, wie man den Lehrstoff versucht hat zu vermitteln, denn die Schüler mussten ihn so oder so verdauen (vgl. Dreikurs 2003, S. 17). Im Film wird deutlich, dass die Eltern die Entscheidung für die Schüler treffen, indem sie ihre Kinder zur Welton Academy schicken. Damit stellen sie hohe Ansprüche sowohl an die Institution als auch an ihre Söhne.
Dreikurs führt weiterhin an, dass heute hingegen die Schüler selbst entscheiden, ob sie lernen wollen oder nicht. Damit verändert sich auch das Aufgabenfeld des Lehrers. Es werden revolutionäre Änderungen der Lehrmethoden gefordert, um der neuen Situation gerecht zu werden. Es bleibt nach wie vor die Aufgabe des Lehrenden, Wissen zu vermitteln. Allerdings wird ihm kein technischer Vorgang dabei helfen, den Widerstand vieler Kinder gegen das Lernen zu überwinden. Somit steigt die Anforderung an den Lehrenden sich in seine Schüler hineinzuversetzen, sie zu verstehen und gegebenenfalls auch zum Umlenken anzuregen. Werner Helsper äußert sich schon Mitte der 1990er Jahre: „Die Bandbreite möglicher subjektiver Bedeutungen von Lehrinhalten nimmt im Kontext der soziokulturellen Pluralisierungen zu. Zugleich stoßen Lehrer verstärkt auf neue generalisierte Wissensbestände, die bei Schülern – jenseits des längst gebrochenen Wissensvermittlungsmonopols der Schule – häufig massenmedial eingespeist werden. Damit steigen die Anforderungen an Lehrer zwischen der Logik des Inhaltes und der Logik des Schülersubjektes zu vermitteln“ (Helsper 1996, S. 543). Es gibt aber nur wenige Lehrer, die von Natur aus ein solches Einfühlungsvermögen haben und somit erfolgreich mit Kindern arbeiten können. Für alle anderen, die diese Naturbegabung nicht haben, muss die Lehrerausbildung dies leisten. Das bedeutet allerdings eine Änderung des Programms der Lehrerausbildung. Gegenwärtig lernen die angehenden Lehrer in der Universität viel zu wenig, wie man Kinder beeinflussen kann. Dem steht gegenüber, dass die Lehrer eigentlich gar nicht die Zeit haben, diese Aufgabe der „Erziehung“ auch noch wahrzunehmen. Schließlich sollen die Kinder die nötige Reife aus dem Familienleben mitbringen. Wie könnte also nun der Lehrer all die schädlichen Einflüsse, denen das Kind ausgesetzt war und in der Familie und Gesellschaft immer noch ist, ausgleichen? Die wissenschaftliche Erfahrung zeigt, dass er es kann. Es ist ein Trugschluss zu glauben, dass man als Lehrer keine Zeit hat, diese neuen Methoden anzuwenden, denn Schüler die stören kosten viel mehr Zeit (vgl. Dreikurs 2003, S. 17ff.).
Abschließend lässt sich festhalten, dass das Lehr-Lern-Geschehen ein komplexer Prozess ist, den man niemals vollständig planen kann. Es lebt von den Interaktionen der Akteure und den sich in ihr unbewusst abspielenden Übertragungsprozessen. Um diese theoretische Perspektive anschaulicher zu gestalten, folgt im nächsten Abschnitt die filmische Perspektive auf das pädagogische Verhältnis von Lehrer und Schüler am Beispiel von Peter Weirs CTD.
„Die wichtigste Erscheinung in der Schule, der lehrreichste Gegenstand der Anschauung, das lebendigste Beispiel ist für den Schüler der Lehrer selbst.“ (Adolf Diesterweg)
[...]
[1] Krautz, J., Schieren, J. (Hrsg.) (2013): Persönlichkeit und Beziehung als Grundlage der Pädagogik. Beiträge zur Pädagogik der Person. Beltz Juventa. Weinheim und Basel.
[2] Das Buch ist 2013 auf den Markt gekommen und insofern bezieht sich das Wort „heutzutage“ auf die Gegenwart des Lesers.
[3] Damit meine ich nicht die Bedeutung des „Berufsgeheimnis“ wie es beispielsweise in Gablers Wirtschaftslexikon (http://wirtschaftslexikon.gabler.de/Definition/berufsgeheimnis.html, 14.05.2013) vorzufinden ist, sondern ich beziehe mich auf die Domäne des Professionsbewusstseins, wie es Michael Schratz, Angelika Paseka und Ilse Schrittesser in ihrer Arbeitsgruppe EPIK herausgestellt haben.
[4] Im Folgenden werde ich den Titel des Films „Der Club der toten Dichter“ aus Gründen des besseren Leseflusses mit CTD abkürzen.
[5] Illustrativ: Als Keating seine Schüler auf dem Schulhof marschieren lässt, um sie auf die Gefahr der Konformität aufmerksam zu machen. Der Schüler Charlie Dalton verweigert die Teilnahme mit der Begründung von seinem Recht nicht teilzunehmen, Gebrauch zu machen.
[6] „Eine methodische und/ oder organisatorische Öffnung des Unterrichts bezeichnen wir als Selbstorganisation und explizit als »geöffneten Unterricht«“ (Bohl/ Kucharz 2010, S. 26).
[7] Vgl. Böhme, G. (1995): Atmosphäre. Essays zur neuen Ästhetik, Suhrkamp: Frankfurt a. M., S. 33
[8] Vergleiche dazu auch Hilbert Meyers Dimensionen methodischen Handelns. In: Kiper, H./ Meyer, H./ Topsch, W.(Hrsg.): Einführung in die Schulpädagogik. Berlin. S. 109-121.
[9] „Seit 1998 steht im Bürgerlichen Gesetzbuch, dass entwürdigende Erziehungsmaßnahmen, insbesondere körperliche und seelische Misshandlungen, verboten sind. Im Jahre 2000 wurde darüber hinaus festgelegt, dass Kinder "ein Recht auf gewaltfreie Erziehung" haben. "Körperliche Bestrafung, seelische Verletzungen und andere entwürdigende Maßnahmen sind unzulässig"“ (http://sz.de/1.1004443, 11.06.2013).
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- 2013
- ISBN (PDF)
- 9783956845673
- ISBN (Paperback)
- 9783956840678
- Dateigröße
- 2.3 MB
- Sprache
- Deutsch
- Institution / Hochschule
- Universität Hamburg
- Erscheinungsdatum
- 2015 (Februar)
- Note
- 2,7
- Schlagworte
- Institution Entwicklung Didaktik Leben Persönlichkeit