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Die EU als internationaler Akteur: Eine Untersuchung am Fallbeispiel des Kosovokonflikts

©2013 Bachelorarbeit 50 Seiten

Zusammenfassung

Die Europäische Union wird auch als Friedensprojekt für Europa bezeichnet, denn diese förderte nach dem Zweiten Weltkrieg das friedliche Zusammenleben der europäischen Nationalstaaten, die sich vorher immer wieder in Kriegen bekämpften. Nach dem Ende des Kalten Krieges und den neu entflammten Konflikten in der Welt steht die EU vor neuen Herausforderungen. Insbesondere die Konflikte im ehemaligen Jugoslawien stellte die EU vor die Frage, inwiefern sie als außenpolitischer Akteur handlungsfähig ist. Vor diesem Hintergrund spielten die nationalstaatlichen Akteure eine bedeutende Rolle in diesen Konflikten. Die EU als eigenständiger Akteur konnte kaum Akzente setzen. Mittlerweile allerdings spielt die EU auf dem Balkan durch die Erweiterungsperspektive eine wichtige Rolle für die Nachfolgestaaten Jugoslawiens. Am Beispiel des Kosovokonflikts soll in dieser Arbeit aufgezeigt werden, welche Entwicklung die EU als internationaler Akteur genommen hat. Dabei soll geklärt werden, welchen Einfluss die EU auf die Konfliktparteien Kosovo und Serbien ausüben kann. Welche Schwierigkeiten ergeben sich aus der Konstruktion der EU, um als handlungsfähiger Akteur zu agieren? Insbesondere soll auch aufgezeigt werden, welche Auswirkungen die uneinheitliche Haltung der EU gegenüber dem Status des Kosovos auf die Konfliktparteien hat. Die Untersuchung wurde im Rahmen des actorness-Ansatzes durchgeführt.

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


2. Die Akteursqualitäten der Europäischen Union

In der Einleitung wurde schon kurz auf die Problematik des Begriffs EU-Außenpolitik gedeutet. Nun soll etwas ausführlicher dargestellt werden, inwiefern eine solche Außenpolitik messbar ist. Zunächst soll geklärt werden was überhaupt eine Außenpolitik ist. Eine Außenpolitik wird klassischerweise von Nationalstaaten betrieben und umschreibt die Politik, die sich auf andere Subjekte der internationalen Gemeinschaft bezieht. Außenpolitik ist also die Politik in Bezug auf andere (vgl. Krippendorf 1963: 243). Bei der nationalstaatlichen Außenpolitik kann man primär von der Regierung als Hauptakteur sprechen. Auch andere Akteure wie das Parlament oder nicht-regierungs-Organisationen können Einfluss auf diese Politik haben. Über die exekutiven Vollmachten herrscht allerdings rechtliche Klarheit. Somit besitzt ein Nationalstaat, in welchem Maße auch immer, die spontane Fähigkeit als einheitlicher Akteur aufzutreten. Da aber die Europäische Union kein vollendeter Staat ist kann man zunächst der EU diese Fähigkeit absprechen. Trotzdem hat sich insbesondere durch das Ende des Ost-West-Konflikts die EU auf internationaler Bühne immer mehr in den Vordergrund gespielt (vgl. Fröhlich 2008). Ob das nun aus der Notwendigkeit der Situation folgte oder der freiwillige Wunsch war ist eine andere Frage.

Aus diesem Grund mussten neue Konzepte entwickelt werden, um die EU als Akteur in der internationalen Politik theoretisch erfassen zu können. Der sogenannte Actorrness Ansatz sollte dabei hilfreich sein. Der Actorrness Ansatz untersucht inwiefern die EU über Qualitäten eines internationalen Akteurs verfügt. Das Kernmerkmal des Actorness Ansatzes ist die Handlungsfähigkeit des kollektiven Akteurs (vgl. Sjostedt 1977). Nun soll geklärt werden was einen kollektiven Akteur auszeichnet. Ein kollektiver Akteur soll „eine gemeinsame geteilte Orientierung an allgemeinen Werten und Prinzipien“ (Jopp/ Schlotter 2008: 11) haben. Er soll „die Fähigkeit (haben) politische Prioritäten zu setzen und eine konsistente Politik zu formulieren“ (Ebd.). Des Weiteren soll er „effektiv und kohärent mit anderen Akteuren im internationalen System agieren“ (Ebd.). „Die Verfügbarkeit von politischen Instrumenten und die Kapazitäten, diese auch zu nutzen, sollen vorhanden sein“ (Ebd.). Außerdem zeichnet einen kollektiven Akteur „die Legitimation außenpolitische Entscheidungen zu treffen und Prioritäten zu setzen“ (Ebd.) aus. Schließlich soll sein „Akteurs-charakter durch andere Akteure“ anerkannt werden (Ebd.). Diese Eigenschaften können nach Jupille und Caporaso anhand von vier Kriterien überprüft werden (vgl. vgl. Jupille/Caporaso 1998). Diese sind Recognition, Cohesion, Authority und Autonomy (Ebd.). Anhand dieser vier Kriterien soll die faktische politische Handlungsfähigkeit eines Akteurs erfasst werden. In diesem Abschnitt sollen nun diese vier Kriterien näher erläutert werden.

Recognition

Die wörtliche Übersetzung für Recognition bedeutet Anerkennung. In unserem Fall fragen wir nach der Anerkennung der EU als Akteur in den internationalen Beziehungen. Diese Anerkennung kann rechtlich oder faktisch erfolgen. Die de jure Anerkennung der EU ist bislang nur auf dem Feld der Gemeinschaftspolitik erfolgt (vgl. Harnisch/ Stahl 2009: 21). Insbesondere in der Wirtschaftspolitik. Die faktische Anerkennung der EU als internationaler Akteur kann allerdings unterschiedlich und nur in Teilbereichen erfolgen. Dabei muss man auch immer den Kontext beachten. In dieser Arbeit soll überprüft werden in welchen Fällen und Feldern eine de jure oder de facto Anerkennung der EU vorhanden ist und wie sich diese Anerkennung sichtbar macht.

Authority

Das zweite Kriterium, welches Akteursqualitäten messen soll, ist die authority. Damit soll die rechtliche Grundlage eines Akteurs erfasst werden (Ebd.). Bei der EU sind das die vertraglichen Handlungsgrundlagen der Außen- und Sicherheitspolitik. Speziell im Kosovo kann man aber auch die authority der EU im Kosovo selbst erfassen, in Form der EULEX.

Autonomy

Die Autonomy bezeichnet die Unterscheidungsmerkmale der Politik der EU gegenüber den einzelnen Mitgliedern (vgl. Vogel 2009: 235). Also inwieweit gibt es eine autonome europäische Politik, die anders und unabhängig von den Nationalstaaten ist. Hierbei wird die Rolle der Europäischen Kommission in Bezug auf den Kosovo Status näher untersucht.

Cohesion

Der wichtigste Punkt für die Qualität eines internationalen Akteurs ist die Cohesion. Dieses Kriterium erfasst die Kohärenz, also die politische Übereinstimmung des Akteurs. Es wird auch vom Kohärenzgebot eines Akteurs gesprochen, was eine widerspruchsfreie Politik des Akteurs meint. Jupile und Carpaso differenzieren die Cohesion weiter in Zielkohärenz, prozedurale-, taktische- und Output-Kohärenz aus (vgl. Harnisch/ Stahl 2010: 21). Die Zielkohärenz beschreibt die Übereinstimmung von Zielen und Werten eines Akteurs, die prozedurale Kohärenz umschreibt die Kohärenz in Bezug auf die Vorgehensweise, also nach welchen Regeln und Verfahren gehandelt wird. Die taktische Kohärenz ist die Fähigkeit Kompromisse zu finden, wenn die Ziele und die Regeln nicht kohärent sind. Die output-Kohärenz umschreibt die Kohärenz auf ein Ergebnis.

Anhand dieser Kriterien sollen die Akteursqualitäten der EU im Kosovokonflikt überprüft werden.

3. Die Position der EU zum Status des Kosovos

a. Die EU-Mitglieder

Schon einen Tag nach der Unabhängigkeitserklärung des Kosovos traf sich der Rat der EU zu einer Sitzung in Brüssel. Dort wurde auch über die neue Lage im Kosovo diskutiert. Die europäischen Länder einigten sich darauf, die Anerkennung den einzelnen Mitgliedern zu überlassen. „Die Mitgliedstaaten [sollen] im Einklang mit ihren nationalen Gepflogenheiten und dem Völkerrecht über ihre Beziehungen zum Kosovo beschließen…“ (2851. Tagung des Rates: http://presseeuropa.de/press-releases/2850-tagung-des-rates-allgemeine-angelegenheiten-und-aussenbeziehungen-allgemeine-angelegenheiten - 18.02.08).

Als erstes Mitglied der EU erkannte Frankreich die Republik Kosovo an. In den nächsten Tagen folgten dann Großbritannien, Deutschland und andere europäische Staaten. Im Oktober 2008 folgte die bis heute letzte Anerkennung des Kosovos durch ein EU-Mitglied, nämlich Portugal. Fünf Staaten ließen schon vorher wissen, dass sie eine einseitige Unabhängigkeitserklärung des Kosovos nicht anerkennen werden. Diese sind auch weiterhin von dieser Position nicht abgerückt. Folgende Länder lehnen einen unabhängigen Kosovo weiterhin ab: Griechenland, Rumänien, Slowakei, Spanien und Zypern.

Aus dieser Ausgangslage hat sich für die EU die Schwierigkeit ergeben, den Kosovo als Staat zu behandeln. Denn in der EU gilt weiterhin das Prinzip der Einstimmigkeit und so haben diese fünf Staaten auch in der Kosovofrage ein Vetorecht. Welche Motive aber haben diese fünf Staaten zu ihrer Kosovopolitik geführt. Diese sollen im Folgenden kurz dargestellt werden.

Griechenland. Schon im Kosovokrieg nahm Griechenland eine andere Haltung ein, als die übrigen westlichen Staaten, so war Griechenland ein strikter Gegner der NATO-Intervention.

Griechenland und Serbien haben schon historisch eine besondere Beziehung zu einander, es wird in diesem Zusammenhang auch von den „special relationship“ gesprochen (Kraft 2000: 267). Ein Punkt, der diese besonderen Beziehungen erklärt, ist der orthodoxe Glaube in den beiden Ländern. Im Kosovokonflikt war Griechenland die Unantastbarkeit der Grenzen wichtig, da eine Instabilität der Region befürchtet wurde, was auch Griechenland betreffen konnte (Katsioulis 2002: 113). Neben den besonderen Beziehungen zu Serbien und der Ablehnung einer Grenzveränderung auf dem Balkan spielt auch der Zypernkonflikt eine wichtige Rolle in der ablehnenden Haltung Griechenlands. Denn durch eine Anerkennung würden die türkischen Zyprioten in ihrem Streben nach der Unabhängigkeit Nord-Zyperns gestärkt werden, was Griechenland ablehnt.

Neben der Ablehnung der Unabhängigkeit Kosovos unterstützt Griechenland Serbiens Weg in die EU, ohne dabei eine Klärung des Kosovokonflikts als Bedingung zu stellen. So forderte die griechische Außenministerin in einer Stellungnahme eine Ausklammerung der Kosovofrage im europäischen Annäherungsprozess Serbiens (vgl. derStandard.at, „Athen, Bukarest und Sofia für rasche EU-Mitgliedschaft Serbiens“, http://derstandard.at/3161162 - 20.02.2008). Im Juli 2009 unterstrich Griechenland bei einem Besuch in Belgrad nochmals die Unterstützung für die serbische Position (vgl. derStandard.at: „Athen stärkt Belgrad den Rücken“, http://derstandard.at/1246541256614/Athen-staerkt-Belgrad-den-Ruecken - 02.07.2009).

2010 unternimmt Griechenland mit der Agenda 2014 für den Westbalkan eine Initiative um sich als regionaler Akteur zu profilieren. Mit dieser Agenda soll die Beitrittsperspektive der Westbalkanländer gestärkt werden. Diese sollen 2014, also 100 Jahre nach dem Beginn des Ersten Weltkrieges, der EU beitreten. In einem Interview des stellvertretenden Außenministers mit dem österreichischen Standard kritisiert dieser die zögerliche Taktik der EU auf dem Westbalkan und speziell in der Kosovofrage (vgl. derStandard.at, „Athen: Agenda 2014 für Westbalkan“, http://derstandard.at/1263705599957/Athen-Agenda-2014-fuer-Westbalkan, - 20.01.2010)

Als das Gutachten des Internationalen Gerichtshof die Unabhängigkeit des Kosovos nicht ablehnt, nimmt Griechenland im Vergleich zu den anderen vier EU-Mitgliedern, die den Kosovo nicht anerkennen, nicht sofort Stellung. Aber auch Griechenland bleibt bei seiner Position der Nicht-Anerkennung (vgl. derStandard.at, „Unabhängigkeitsgegner in EU von Gutachten unbeeindruckt“, http://derstandard.at/1277338842367/Kosovo-Unabhaengigkeitsgegner-in-EU-von-Gutachten-unbeeindruckt - 24.07.2010). Jedoch entwickeln sich langsam bilaterale Beziehungen zwischen Kosovo und Griechenland. Im März dieses Jahres wurden erste Handelsbeziehungen zwischen diesen Ländern aufgenommen. Bei einem Besuch des kosovarischen Außenministers in Athen, vereinbarten diese die Errichtung von Handelsvertretungen der Republik Kosovo in Griechenland. Umgehend wurde aber vom griechischen Außenministerium klargestellt, dass dies keine Auswirkungen auf die griechische Position der Nicht-Anerkennung habe (vgl. Radio Stimme Russlands, „Griechenland tritt in Handelsbeziehungen mit Kosovo“, http://german.ruvr.ru/_print/107384595.html - 08.03.2013).

Rumänien. Der damalige rumänische Staatspräsident Besescu bezeichnete die Unabhängigkeitserklärung des Kosovos als „illegalen Akt“ (KAS-Länderbericht: http://www.kas.de/wf/doc/kas_13110-1522-1-30.pdf?080228102700 - 28.02.2008: 1). Die Kosovofrage schaffte in Rumänien eine seltene Einigkeit zwischen allen politischen Lagern (vgl. Eurasisches Magazin, „Nein zum unabhängigen Kosovo“, http://www.eurasischesmagazin.de/artikel/drucken.asp?artikelID=20080310 - 31.03.2008). Das zeigte sich auch an der Abstimmung im Parlament, wo 357 Abgeordnete gegen eine Anerkennung Kosovos waren und nur 27 dafür. Die einzige politische Gruppe, die einen unabhängigen Kosovo unterstützte, war die ungarische Minderheit (KAS-Länderbericht: http://www.kas.de/wf/doc/kas_13110-1522-1-30.pdf?080228102700 – 28.02.08: 1). Hier liegt auch das Hauptmotiv für die ablehnende Haltung Rumäniens in der Kosovofrage. Denn es wird befürchtet, dass eine Anerkennung des Kosovos Sezessionsbestrebungen der eigenen ungarischen Minderheit fördert. Das ungarische Gebiet in Rumänien, das Szekerland, ist geografisch mit dem Kosovo ähnlich, jedoch ist es politisch und historisch nicht zu vergleichen. Denn hier kam es seit dem Ende des Ersten Weltkrieges zu keiner interethnischen Gewalt und es sind keine separatistischen Bewegungen bekannt (vgl. Eurasisches Magazin, „Nein zum unabhängigen Kosovo“, http://www.eurasischesmagazin.de/artikel/drucken.asp?artikelID=20080310 - 31.03.2008). Aber neben diesem Hauptargument, spielen auch andere Gründe für die Ablehnung eines unabhängigen Kosovos eine Rolle. Durch die Ablehnung Kosovos konnte sich Rumänien in der Außenpolitik im Vergleich zur EU-Mehrheit profilieren und außerdem sich als Vermittler zwischen Serbien und der EU aufspielen. Darüber hinaus möchte Rumänien seine guten Beziehungen zum Nachbarland Serbien nicht gefährden.

Slowakei. Auch die Slowakei stellte früh klar, dass sie einen unabhängigen Kosovo nicht anerkennen wird. Kurz nach der Unabhängigkeitserklärung am 17. Februar 2008 traf sich der slowakische Außenminister mit seinem serbischen Kollegen, wo er der Unabhängigkeitserklärung Kosovos „großes Destabilisierungspotenzial“ zuschrieb (vgl. derStandard.at, „Rumänien und Slowakei wollen unabhängigen Kosovo nicht anerkennen“, http://derstandard.at/3207155 - 18.02.08). Die Nichtanerkennung Kosovos beruht auch bei der Slowakei auf innenpolitischen Motiven. Wie in Rumänien lebt auch in der Slowakei eine große ungarische Minderheit. Diese soll durch eine Anerkennung Kosovos nicht ermuntert werden, eigene Sezessionsbestrebungen zu schaffen. Die politischen Vertreter der ungarischen Minderheit sprechen sich für eine Anerkennung des Kosovos aus, gleichzeitig lehnen sie eine Parallele zu ihrer eigenen Situation ab und bezeichnen ein mögliches Aufkommen von Autonomiedebatten in der Slowakei als „krank“ (vgl. derStandard.at, „Slowakei: "Alternative Pläne zur Stabilisierung des Kosovo", http://derstandard.at/3239675 - 03.03.08). Nachdem im Sommer 2008 der Georgien Krieg ausbricht, sieht sich der slowakische Premier in der Nichtanerkennung der Republik Kosovo bestätigt, indem er die Kosovofrage im Zusammenhang mit dem Ausbruch des Konflikts in Georgien sieht, wo auch zwei abtrünnige Gebiete Georgiens, nach Unabhängigkeit streben (vgl. derStandard.at,“ Slowakischer Premier sieht Parallelen zwischen Abchasien, Südossetien und Kosovo“, http://derstandard.at/1219938697211 - 02.09.08).

Spanien. Die spanische Regierung deutet früh eine Nichtanerkennung einer einseitigen Unabhängigkeitserklärung Kosovos an. Spanien hegt in der Kosovofrage Befürchtungen, dass die Separationsbewegungen im Baskenland und Katalonien befördert werden (vgl. KAS-Länderbericht Spanien: http://www.kas.de/spanien/de/publications/13032/ - 19.02.08: 1). Auf nationaler Ebene unterstützt die Opposition die Haltung der Regierung. Allerdings wird von den regionalen Vertretern der Basken und Katalanen eine Anerkennung des Kosovos begrüßt (Ebd.). Auch in Spanien dominieren in der Kosovopolitik innenpolitische Motive, die mit eigenen Minderheitenfragen verbunden sind. Die Stellungnahmen der baskischen und katalanischen Akteure bestätigen allerdings die Befürchtungen der spanischen Politiker. Die im Untergrund agierende ETA, die für eine baskische Unabhängigkeit kämpft, begrüßt eine Unabhängigkeit Kosovos und erhofft sich dadurch Auftrieb für die eigenen Unabhängigkeitsbestrebungen (vgl. derStandard.at, „Beispiel Kosovo macht der ETA Hoffnung“, http://derstandard.at/3171091 - 18.02.08). Nach der Unabhängigkeitserklärung Kosovos verringert Spanien seine Präsenz im Kosovo. Im September 2009 zieht Spanien seine Truppen aus dem Kosovo ab (vgl. derStandard.at, „Spanien beendet seinen Einsatz im Kosovo“, http://derstandard.at/1252771729724/KFOR-Spanien-beendet-seinen-Einsatz-im-Kosovo - 19.09.09). Diese Maßnahme wurde vorher von der internationalen Gemeinschaft kritisiert, jedoch begründete Spanien diesen Schritt mit der Zunahme von polizeilichen Aufgaben im Kosovo und diese können Spanien aufgrund der Nicht-Anerkennung nicht übernehmen (vgl. derStandard.at, „Streit um Truppenabzug aus dem Kosovo“, http://derstandard.at/1237227886082/USA-enttaeuscht-Streit-um-Truppenabzug-aus-dem-Kosovo - 24.03.09). Trotz der ablehnenden Haltung gegenüber einem unabhängigen Kosovo, hindert Spanien Kosovo nicht an den EU-Annäherungsprozess[1] (vgl. derStandard.at, „Spanien lädt den Kosovo zu EU-Konferenz ein“, http://derstandard.at/1256745470068/Spanien-laedt-den-Kosovo-zu-EU-Konferenz-ein - 23.11.09). Das verdeutlicht nochmals der spanische Außenminister, der sich „der Entwicklung und der institutionellen sowie politischen Stabilität des Kosovo nicht entgegenstellen“ wird (Ebd.).

Zypern. Der nördliche Teil Zyperns ist seit 1974 nicht unter Kontrolle von Nikosia. Zypern ist faktisch seit fast 40 Jahren geteilt. Die Republik Nordzypern wurde bislang nur von der Türkei anerkannt. Durch die Unabhängigkeitserklärung des Kosovos sah die zypriotische Regierung Parallelen zum eigenen Konflikt um Nordzypern und lehnte die Unabhängigkeit Kosovos ab (vgl. derStandard.at, „Christofias: Werden Kosovo nicht anerkennen“, http://derstandard.at/1234507785832/Christofias-Werden-Kosovo-nicht-anerkennen - 23.02.2008). Darüber hinaus bestärken Stellungnahmen von nordzypriotischen Politikern diese Haltung Zyperns, denn diese begrüßen die Unabhängigkeit Kosovos und sehen im Weg Kosovos einen möglichen Lösungsansatz im Zypern-Konflikt (vgl. derStandard.at, „Präsidentenwahl: Chance auf Ende der Blockade“, http://derstandard.at/3228283 - 07.03.2008). Zypern betreibt im Vergleich zu den anderen Nicht-Anerkenner Staaten eine aktive Nicht-Anerkennungspolitik des Kosovos, indem zum einen bei Besuchen in Belgrad die serbische Position unterstützt wird und zum anderen bei Fragen des Kosovos in der EU eine Bremspolitik betrieben. Beispielsweise wurde die Machbarkeitsstudie der Kommission von der zypriotischen Regierung zunächst abgelehnt (derStandard.at: „Rumänien als letzte Hürde für Serbien“, http://derstandard.at/1329870450547/EU-Kandidatur-Rumaenien-als-letzte-Huerde-fuer-Serbien - 28.02.2012).

b. Die EU-Kommission

Die Kommission als supranationales Organ der Europäischen Union gilt aufgrund ihrer Zusammensetzung und Kompetenzen als die Exekutive der EU. Deswegen soll in dieser Arbeit auch insbesondere die Kommission für den Akteur EU stehen.

Unter den 27 Kommissaren nimmt der Hohe Beauftragte für Außen- und Sicherheitspolitik, zurzeit die Britin Catherin Ashton, eine Sonderstellung ein. Wie schon in der Einleitung kurz angeführt, hat die EU und insbesondere die Kommission die Staatlichkeitswerdung des Kosovos unterstützt (vgl. Vogel 2009: 233). Neben dem wirtschaftlichen Wiederaufbau, was nach der UN-Resolution 1244 zu den Hauptaufgaben der EU gehörte, forcierte die Kommission den Annäherungsprozess des Kosovos an die EU. Das wird durch die Einbindung des Kosovos in die „Stabilisation and Associaiton Tracking Mechanism“ im Jahr 2002 deutlich. Denn bis zu diesem Zeitpunkt wurde der Kosovo zusammen mit der Bundesrepublik Jugoslawien erwähnt, von da an jedoch separat. Aber auch beim Institutionsaufbau vor Ort nahm die Kommission eine wichtige Rolle ein. Außerdem ergab sich für den Kosovo durch den Einfluss der Kommission auf die Gesetzgebung, früh eine enge Orientierung der kosovarischen Gesetze an europäischen Normen (Ebd.: 243). Obwohl die Mehrheit der EU und der internationalen Gemeinschaft zu diesem Zeitpunkt die Statusfrage in den Hintergrund stellte, betrieb die Kommission eine Politik, die den Kosovo quasi wie ein Staat behandelte. Diese Strategie wurde damit begründet, dass der Kosovo im Annäherungsprozess nicht zurückfallen durfte und er deswegen wie andere Staaten in der Region behandelt werden musste (Ebd.: 244). Durch diese Maßnahmen kann man der Kommission hier schon einen Zuwachs an Autonomy bescheinigen. Denn während die Mehrheit der europäischen Staaten noch zögernd die Kosovofrage behandelte, unternahm die Kommission erste bedeutende Schritte hin zu einer Staatlichkeit des Kosovos. Darüber hinaus verfügte die Kommission zu der Zeit über die meisten Finanzinstrumente im Kosovo und hat durch ihre Präsenz vor Ort, eigenes Büro in Prishtina, auch an authority gewonnen (Ebd.: 245).

Die Position der Kommission gegenüber dem Kosovo ist schon früh eher im Interesse der lokalen kosovarischen Akteure, da die Selbstverwaltung und somit der Weg in die Unabhängigkeit gefördert wird. Durch die Unabhängigkeitserklärung 2008 sind aber die EU-Mitgliedsländer die entscheidenden Akteure, die den Kosovo anerkennen können. Die Kommission kann aufgrund ihrer eingeschränkten Kompetenz in völkerrechtlichen Fragen keine Initiative ergreifen, um den Kosovo anzuerkennen. Trotzdem leistet sie weiter bedeutende Beiträge zur Etablierung der Staatlichkeit und zur Annäherung des Kosovos an die EU. Im Sommer 2012 wurde für den Kosovo eine Road-Map zur Visaliberalisierung erstellt (vgl. http://europa.eu/rapid/press-release_IP-12-605_de.htm - 14.06.12). Im Oktober des gleichen Jahres wird überraschend eine Machbarkeitsstudie für den Kosovo in Auftrag gegeben. Diese wurde lange Zeit von einigen EU-Mitgliedern gebremst (siehe Kapitel 3.a). Aktuell wird unter Leitung der Kommission ein politischer Dialog zwischen Kosovo und Serbien geführt. Durch das erreichte Abkommen zwischen Kosovo und Serbien wurde auf Empfehlung der Kommission vom Europäischen Rat beschlossen, dass Serbien einen Termin für die Beitrittsverhandlungen bekommt und mit dem Kosovo Verhandlungen über das Stabilisierung- und Assoziierungsabkommen aufgenommen werden (vgl. faz.net: http://www.faz.net/aktuell/politik/europaeische-union/fuer-2014-eu-will-beitrittsverhandlungen-mit-serbien-aufnehmen-12263863.html - 28.06.13).

i. EULEX Kosovo

Nachdem die Position der EU-Mitgliedsstaaten und der Kommission vorgestellt wurden, soll nun die EULEX-Mission vorgestellt werden, die unmittelbar im Kosovo ihren Einfluss ausüben kann. Zunächst wird aufgeführt unter welchem rechtlichen Rahmen die Mission im Kosovo arbeitet. Dabei werden die Mandatierung, die Aufgaben und die Kompetenzfelder näher erläutert. Anschließend soll ein Zwischenfazit gezogen werden, indem erste Ergebnisse der EULEX erörtert werden.

1. Rechtlicher Rahmen

Nachdem die Statusverhandlungen zwischen Serbien und Kosovo zu keiner Lösung führten, stellte der UNO-Vermittler dieser Verhandlungen, Martti Ahtisaari, einen Plan vor, der den Kosovo in eine schrittweise Unabhängigkeit führte und der serbischen Minderheit im Kosovo weitreichende Rechte zusprach. Dieser Plan wurde von der serbischen Seite abgelehnt. Am 17.02.2008 beriefen sich kosovarische Politiker bei der Unabhängigkeitserklärung auf den Ahtisaari-Plan. Dieser sollte durch die Schaffung des International Civilian Office umgesetzt werden, der die Unabhängigkeit Kosovos überwachen sollte. Neben dieser Instanz sollte eine EU-Mission den kosovarischen Institutionen bei der Entwicklung des Rechtsstaats helfen. Die UNMIK sollte nach einer 120-tägigen Übergangsphase aufgelöst werden. Im „neuen“ Kosovo sollte insbesondere der EU eine wichtige Rolle zukommen. EU-Politiker wie Javier Solana, damaliger Hoher Vertreter für die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik, und Erweiterungskommissar Olli Rehn erhofften sich dadurch eine Zunahme der Bedeutung der EU im Kosovo (Richter 2009: 33). Die neue Bedeutung der EU drückte sich außerdem in der Besetzung des Leiters des ICOs aus, da dieser gleichzeitig der EU-Sonderbeauftrage des Kosovos sein sollte. Somit war klar, dass die EU einen unabhängigen Kosovo unterstützen würde.

Aber es zeigte sich früh, dass dieser Plan nur von einigen Staaten unterstützt wird. Staaten wie Russland und China lehnten eine neue UN-Resolution im Sicherheitsrat ab, und da auch einige EU-Staaten den Kosovo nicht anerkannten, musste die EU eine statusneutrale Position einnehmen (Ebd.). Dadurch erwies sich die Implementierung der neuen EU-Mission EULEX als kompliziert. Die UNMIK blieb weiterhin ein entscheidender Akteur im Kosovo. So ergab sich nach der Unabhängigkeitserklärung des Kosovos die Konstellation, dass verschiedene internationale Organisationen teilweise in Konkurrenz zueinander standen (Basic 2013: 164). Vor diesem Hintergrund startete also die größte zivile Mission der EU-Geschichte. Die Startbedingungen für die EULEX waren also nicht optimal. Denn neben der rechtlichen Problematik, welchem Mandat und welchen Gesetzen, kosovarischem oder UNMIK-Recht, sie folgen sollte, befand sich die Mission auch in einem inhärenten Widerspruch. Zum einen sollte sie die Justiz, Polizei und Zoll unterstützen und somit beim Aufbau von Kerninstitutionen eines souveränen Staates helfen, aber andererseits konnte sie diesen Staat nicht als solchen anerkennen (vgl. Richter 2009: 37). Die kontroverse Haltung der EU gegenüber dem Status Kosovos wurde auf die EULEX weitergegeben (vgl. Wittkowsky/ Kasch 2012: 3). Trotz dieses Umstandes wurde die Mission vom Europäischen Rat einstimmig verabschiedet, dies folgte jedoch weniger aufgrund einer kohärenten Kosovopolitik, als um eine Handlungsfähigkeit in dieser Region zu demonstrieren (vgl. Richter 2009: 34).

Schließlich wurde aufgrund eines Kompromisses zwischen EU, USA und Serbien der von UN-Generalsekretär sogenannte Sechs-Punkte-Plan beschlossen, der die Mandatierung der EULEX aus der UN-Resolution 1244 ableitete (vgl. Dzihic/ Kramer 2009: 19). Allerdings sollte die UNMIK im Norden Kosovos weiterhin bestehen bleiben. Die EULEX hatte nun eine rechtliche Grundlage, diese zwang sie jedoch zur Statusneutralität. Andrerseits wurde von der EULEX das kosovarische Recht befolgt (vgl. Richter 2009: 38).

Die Mission wurde so auch von den fünf Nicht-Anerkennerstaaten unterstützt, jedoch forderten diese eine statusneutrale Haltung der EULEX, die sich auch in den offiziellen Dokumenten zeigen sollte. So darf in diesen nicht die Rede von einer „Regierung“ oder von „Staatsbürgern“ des Kosovos sein. Offizielle Berichte der EU müssen stets den Verweis auf den Einklang mit der UN-Resolution 1244 enthalten (Richter 2000: 37).

Der damalige Leiter des ICO, der International Civilian Representative for Kosovo, und EU-Sonderbeauftragte, Pieter Feith umschrieb die Situation der EULEX wie folgt: „Es gibt jetzt also (nach der Unabhängigkeitserklärung vom 17.02.2008, Anmerkung des Autors) zwei Welten im internationalen Kontext, das ist die Welt von 1244 UNMIK und die Welt der Unabhängigkeit des ICO. EULEX steht irgendwo dazwischen.“ (Rathfelder 2010: 435).

Serbien betrachtete die EULEX zunächst als störend, denn diese sollte ja die staatlichen Strukturen im Kosovo unterstützen. Durch die Einbindung der EULEX unter die UN-Resolution 1244 wurde diese jedoch doch noch akzeptiert. Auf Druck der USA und der EU wurden dann eine Kooperation zwischen serbischem Innenministerium und EULEX zu Grenzsicherung zwischen Kosovo und Serbien abgeschlossen (vgl. derStandard.at, „Serbien unterschreibt Kooperation mit EU-Mission“, http://derstandard.at/1252771211521/Serbien-unterschreibt-Kooperation-mit-EU-Mission - 13.09.09).

Nachdem die Rahmenbedingungen der EULEX im Kosovo dargestellt wurden, wird nun auf die Kompetenzen und Aufgabenfelder der Mission eingegangen. Wie schon erwähnt lag die oberste Priorität der Mission bei der Stärkung des Rechtsstaates. Die EULEX-Mission sollte nach dem Ahtisaari-Plan konsultative Aufgaben übernehmen. Sie sollte im Vergleich zur UN-Mission also keine administrativen Rechte haben und den kosovarischen Institutionen beratend zur Seite stehen.

Die Aufteilung der Mission erfolgte zunächst nach inhaltlichen Kriterien. Dies waren die Bereiche Polizei, Justiz und Zoll. Diese Bereiche sollten mit MMA-Aktivitäten unterstützt werden. Also Monitoring, die Beobachtung von Vorgängen in den jeweiligen Behörden. Mentoring, die Anleitung für bestimmte Prozesse. Schließlich das Advising, die Beratung der örtlichen Mitarbeiter (vgl. Richter 2009: 36). Neben diesen weichen Kompetenzen besaß die Mission auch exekutive Vollmachten, sodass die EULEX in Rechtsangelegenheiten intervenieren konnte. So können EULEX-Richter z.B. operative Entscheidungen der zuständigen Behörden zurücknehmen oder aufheben, außerdem können sie Rechtsentscheidungen fällen.

Die Bekämpfung von Korruption und Organisierter Kriminalität sollte einen Aufgabenschwerpunkt darstellen. Dafür sollte das kosovarische Justizsystem reformiert werden. Denn knapp 10 Jahre UN-Verwaltung hatten keinen rechtsstaatlichen Standards geschaffen, die dieses Problem effektiv bekämpfen konnten. Des Weiteren sollte dem kosovarischem Zoll bei der Durchführung von Grenzkontrollen geholfen werden. Daneben sollte die EULEX auch bei der Aufklärung von Kriegsverbrechen helfen.

Seit 2012 wird die Arbeit der EULEX nach der Arbeitsweise unterteilt. Zum einen die MMA-Aktivitäten, also der konsultative Bereich, der mit „strengthening“ betitelt wird, womit die Stärkung der kosovarischen Institutionen umschrieben wird. Die „strengthening“ Einheit hat 250 internationale Mitarbeiter. Hierbei sollen die lokalen kosovarischen Kollegen bei ihrer Arbeit begleitet werden (vgl. Gesellmann/ Roth 2013: 229).

Bei der „executive“, dem Bereich wo Entscheidungs- und Ermittlungsbefugnisse eingesetzt werden, können EULEX-Beamte selbst die Aufnahme und Durchführung von Fällen übernehmen. Die Einheit der Exekutive hat 1200 internationale Mitarbeiter. Die exekutive Funktion der EULEX wird insbesondere in den Bereichen der Verfolgung von Kriegsverbrechen, der Bekämpfung von Terrorismus, organisiertem Verbrechen und der Korruption auf hoher Ebene angewandt.

Die EULEX soll nach eigenen Angaben den Kosovo auf dem Weg in die europäische Integration begleiten und dabei den Rechtsstaat stärken. Außerdem soll die EULEX den Kosovo bei der Visaliberalisierungsprozess, bei der Umsetzung der Machbarkeitsstudie und dem Dialog mit Belgrad unterstützten (Homepage der EULEX, www.eulex-kosovo.eu)

2. Zwischenfazit der Mission

Nach den Anfangsschwierigkeiten, die sich durch die unklare Rechtsgrundlage ergaben, wurde die EULEX Mission immer aktiver in der Erfüllung ihrer Aufgaben. Insbesondere im Bereich der Bekämpfung der Organisierten Kriminalität und der Korruption, wofür sie oft kritisiert wurde, zeigte sich eine Zunahme an Aktivitäten. So wurden z.B. einige berühmte Persönlichkeiten wie der Chef der kosovarischen Zentralbank wegen Korruption angeklagt (vgl. Berner Zeitung: „Chef der Kosovo-Zentralbank festgenommen“, http://www.bernerzeitung.ch/wirtschaft/unternehmen-und-konjunktur/Chef-der-KosovoZentralbank-festgenommen/story/27682920 - 23.07.10). Außerdem wurden einige Verfahren in der Verfolgung von Kriegsverbrechen aufgenommen (vgl. Wiener Zeitung, „Untersuchungen zu womöglich schwerstem Kriegsverbrechen im Kosovo“, http://www.wienerzeitung.at/nachrichten/europa/europastaaten/541825_Untersuchungen-zu-womoeglich-schwerstem-Kriegsverbrechen-im-Kosovo.html - 25.04.13).

Trotzdem steht die EULEX Mission immer noch vor einer schwierigen Aufgabe den kosovarischen Rechtsstaat zu fördern, da die kosovarische Justiz weiterhin unterentwickelt ist. Ein Hauptproblem der kosovarischen Justiz ist die politische Einflussnahme bei der Besetzung von Ämtern. Deshalb wurde durch eine Neuausschreibung aller Stellen für Richter und Staatsanwälte im Jahr 2009 versucht diesem Problem entgegenzuwirken. Dabei übernahm das internationale besetzte Indepent Judicial and Prosecutorial Commission (IJPC) die Bewertung der Kandidaten. Die Besetzung der Ämter wurde allerdings von den kosovarischen Institutionen durchgeführt, was die politische Einflussnahme aufgrund einer nicht transparenten Auswahl vermuten ließ (vgl. Gesellmann/ Roth 2013: 231). Darüber hinaus fehlt es dem kosovarischen Staat an geeigneten Bewerbern für den Justizapparat. Ein Grund hierfür ist die „persönliche Bedrohungssituation von Justizbeamten“ (Ebd.: 232), was eine Arbeit in diesem Bereich nicht attraktiv macht. Außerdem sind die Gehälter von Richtern niedrig, sodass die Gefahr der Korruption steigt. Des Weiteren ist die schlechte Infrastruktur der Justiz zu bemängeln, da wenig Gerichtsgebäude vorhanden sind und auch die Aufbewahrung von Beweismaterialien schwierig macht (Ebd.: 234). Ähnlich sieht es beim Aufbau eines Zeugenschutzprogrammes aus, „das im Fall des Kosovo (…) ein Prüfstein des Rechtstaats darstellt“ (Ebd.: 236).

Neben den schwierigen lokalen Bedingungen sind auch die begrenzten Möglichkeiten der EULEX, die sich aus der widersprüchlichen Haltung der EU zum Kosovostatus ergeben, für eine effektivere und erfolgreichere Erfüllung ihrer Aufgaben verantwortlich (vgl. Greicevci 2011: 290).

Ein wesentlicher Kritikpunkt an der EULEX ist deren inkohärentes Auftreten, was ihre Position bei lokalen Akteuren schwächt. (Wittkowsky/ Kasch 2012: 2, Dzihic 2011: 96). Ein weiterer Kritikpunkt ist die Ineffektivität. Erst im Oktober 2012 stellte der Europäische Rechnungshof ein „vernichtendes Urteil“ über die Verschwendung von finanziellen Mitteln der Mission (FAZ.net: http://www.faz.net/aktuell/politik/europaeische-union/europaeischer-rechnungshof-vernichtendes-urteil-ueber-eu-mission-im-kosovo-11943943.html - 30.10.2012). Die EULEX ist weiterhin nur im Süden des Kosovos präsent. In dem von mehrheitlich von Serben bewohnten Gebiet nördlich der Stadt Mitrovica hat die EULEX keinen Zugriff. Dort herrschen unklare Verhältnisse, selbst der Einfluss der serbischen Regierung scheint mittlerweile dort verblast zu sein.

Die Gründe für die bislang mäßigen Erfolge der EULEX liegen vor allem außerhalb des Einflussbereichs der Mission selbst, denn „Viele Probleme der Mission sind (…) politischer Natur.“ (Wittkowsky/ Kasch 2012). Für die Anfangsschwierigkeiten war insbesondere die unklare Statusfrage verantwortlich. Die vorgefundene Realität ließ eine Erfüllung der hoch gesetzten Ziele nicht zu.

Die recogntion der EULEX ist durch die Einladung der kosovarischen Regierung offiziell vorhanden (vgl. Muharremi 2010: 361). Aber auch durch die Zusammenarbeit der kosovarischen Akteure mit der EULEX ist diese auch faktisch gegeben. Jedoch war die Anfangsphase schwierig, da die EULEX unter den politischen Rahmenbedingungen Probleme hatte einen Platz im kosovarischen System zu finden. Außerdem wurde die EULEX zu Beginn von Serbien abgelehnt, was sich allerdings änderte.

Die rechtliche Grundlage der EULEX wurde nach einem anfänglichen Chaos, durch die Eingliederung der Mission in den UN-Rahmen geschaffen. Völkerrechtlich beruft sich die Mission damit auf die UN-Resolution 1244, ihr Mandat wird aber von der EU gegeben. Das aktuelle Mandat wurde bis 2014 verlängert.

Durch die EULEX hat die EU ein Instrument, womit sie sich profilieren kann und ihre autonomy im Kosovo stärken kann. Jedoch sind die politischen Rahmenbedingungen, z.B. die zu Beginn unklare rechtliche Grundlage der Mission und die Statusneutralität, eine Bremse in einer autonomeren Arbeit. Außerdem muss sich die EULEX mit anderen internationalen Organisationen im Kosovo arrangieren, was deren Gestaltungsmöglichkeiten mindert (vgl. Greiçevci 2011: 295).

Die Kohärenz zur Umsetzung einer EU-Mission war unter den EU-Mitgliedsstaaten vorhanden. Jedoch sollte sich diese Mission, nachdem keine Einigung zur Statusfrage erzielt wurde, zur Statusneutralität verpflichten. Es wurde somit eine prozedurale Kohärenz geschaffen (vgl. Greiçevci 2011: 291).

ii. Neuere Maßnahmen der Kommission

1. Visaliberalisierung

Ein Instrument der EU, neben der Erweiterungsperspektive, ist seit einigen Jahren die Möglichkeit für Nicht-EU-Länder das visafreie Reisen in den Schengen-Raum zu ermöglichen. Durch dieses Mittel ergibt sich für die EU eine weitere Möglichkeit Einfluss auf außenpolitischer Bühne zu üben. Im Zuge des Erweiterungsprozesses der westlichen Balkanstaaten wurde die Visapflicht für diese Staaten aufgehoben. Allerdings mit Ausnahme des Kosovos. Das Kosovo ist weiterhin das einzige Land auf dem Westbalkan, das weiterhin nicht diese Möglichkeit nutzen kann. Erst im vergangenen Jahr wurden durch die Aufnahme von Gesprächen der Kommission mit der kosovarischen Regierung konkrete Schritte in Richtung einer Visaliberalisierung unternommen.

Im ersten Kommissionsbericht über die Fortschritte Kosovos bei der Visaliberalisierung vom 12.02.2013 wird die Bekämpfung der organisierten Kriminalität und der Korruption als Hauptkritikpunkt aufgefasst. Es werden „gravierende Auswirkungen auf die innere Sicherheit der EU“ befürchtet, da die „Möglichkeiten des Kosovos zur Bekämpfung von organisierter Kriminalität und Korruption […] noch begrenzt“ sind (Kommissionsbericht: http://europa.eu/rapid/press-release_IP-13-108_de.htm - 12.02.13).

In einigen Bereichen werden aber auch erste positive Entwicklungen beobachtet. So hat das Kosovo einen rechtlichen und institutionellen Rahmen für folgende Bereiche geschaffen: Rückübernahme, Wiedereingliederung, Dokumentensicherheit, Grenzmanagement, Migration, Asyl, Bekämpfung von organisierter Kriminalität und Korruption, polizeiliche und justizielle Zusammenarbeit, Datenschutz und Grundrechte im Zusammenhang mit der Freizügigkeit (Ebd.).

Trotz der berechtigten Kritik an den unterentwickelten staatlichen Strukturen Kosovos, konnte durch die Verschleppung des Beginns des Visaliberalisierungsprozesses der Eindruck entstehen, dass die Statusproblematik eine Rolle hierfür spielte. Die ehemalige EULEX-Rechtsberaterin Gunda Schumann spricht in Bezug auf die Vorenthaltung der Visaerleichterung für den Kosovos von „hard measures“ der EU. Diese sind die Maßnahmen der EU, die im Official Journal der EU, also dem offiziellen Amtsblatt der EU nachzulesen sind. Dort steht das Kosovo auf der „schwarzen Liste“, ist also Drittstaat der EU, dessen Einwohner ein Visum für den Schengen-Raum brauchen (vgl. Schumann, Gunda: „Visaliberalisierung im Kosovo „ein drängendes Problem““ in: EurActiv.de, (http://www.euractiv.de/druck-version/artikel/die-visaliberalisierung-im-kosovo-ist-ein-drangendes-problem-004001 - 29.11.10). Damit betont sie die Isolation Kosovos in der Region. Das wurde Ende 2010 verstärkt, als für Albanien und Bosnien und Herzegowina auch die Visumspflicht aufgehoben wurde (vgl. Lunacek, Ulrike: „"Kosovo braucht Visadialog und spür- und sichtbare Erfolge im Dialog mit Serbien", http://www.ulrikelunacek.at/index.php?id=11&tx_sfiarticle_pi1[uid]=344 – 22.11.2011).

Erst durch die Aufnahme des Visadialogs im Frühjahr 2012 konnte man eine Entwicklung in diesem Prozess sehen, der nun auch den Bürgern Kosovos eine konkrete Aussicht auf visumfreien Reisen in die EU stellt.

Welche Auswirkungen hat der Visaliberalisierungsprozess auf die Akteursqualitäten der EU? Der Visa-Dialog mit der kosovarischen Regierung und die Übergabe der Visa-Road-Map durch die Kommission zeigt die recognition der EU. Außerdem übt die EU durch dieses Instrument Einfluss auf die Angeleichung des kosovarischen Rechtssystems an europäischen Normen. Die EU sieht selbst den Dialog zur Visaliberalisierung „als Kerngerüst für die Annahme und Umsetzung von Reformen im Bereich der Rechtsstaatlichkeit“ (Kommissionsbericht: http://register.consilium.europa.eu/pdf/de/13/st08/st08742.de13.pdf - 22.04.13).

Die authority ist seit dem Beginn des Visa-Dialogs vorhanden, da nun eine klare rechtliche Grundlage für den Visaliberalisierungsprozess mit dem Kosovo besteht.

Ungeachtet der Nicht-Anerkennung einiger EU-Staaten, hat die Kommission durch die Aufnahme des Prozesses zur Visaliberalisierung den Kosovo faktisch wie einen völkerrechtlich anerkannten Staat behandelt. Somit wird das autonomy Kriterium in diesem Bereich erfüllt.

Durch die Aufnahme des Visa-Dialogs scheint sich eine kohärente Politik in diesem Bereich entwickelt zu haben. Die lange Verzögerung des Visaliberalisierungsprozesses, knapp eineinhalb Jahre nachdem die letzten Staaten der Region diesen Prozess schon durchlaufen hatten, zeigt, dass in diesem Bereich die Statusproblematik bedeutend ist.

2. Machbarkeitsstudie

Im Februar 2012 beschloss die Kommission mit Zustimmung des Europäischen Rates eine Machbarkeitsstudie zum Kosovo durchzuführen. Durch diese Machbarkeitsstudie sollte überprüft werden, ob ein Stabilisierungs- und Assoziierungsabkommen mit dem Kosovo möglich ist. Die Kommission versprach sich durch diese Studie eine „umfassende Untersuchung zu Kosovos weiterer Integration in den politischen Rahmen der EU für den Westbalkan“ (vgl. DiePresse.com, „Kosovo: Auf dem Weg zum EU-Beitritt?“, http://diepresse.com/home/politik/eu/743612/Kosovo_Auf-dem-Weg-zum-EUBeitritt - 26.03.12). Bevor der Kosovo weitere Schritte im Annäherungsprozess machen konnte, forderte die EU Fortschritte in den Bereichen Rechtsstaatlichkeit, öffentliche Verwaltung, Minderheitenschutz und Handel erzielen.

Im Bereich der Rechtsstaatlichkeit sollte insbesondere die Bekämpfung der organisierten Kriminalität und der Korruption forciert werden. Des Weiteren sollten neue Gesetze verabschiedet werden, die Finanzverbrechen wie Geldwäsche besser bekämpfen (vgl. Machbarkeitsstudie: http://ec.europa.eu/enlargement/pdf/key_documents/2012/package/ks_feasibility_2012_de.pdf - 10.10.2012).

Die Reformen in der öffentlichen Verwaltung sollten den rechtlichen Rahmen für den öffentlichen Dienst und die Besoldung der Mitarbeiter besser regulieren. Außerdem sollte das Amt des Ombudsmanns durch die Bereitstellung von Räumlichkeiten und der Gewährleistung der finanziellen Unabhängigkeit gestärkt werden (Ebd.).

Für den Minderheitenschutz sollte eine gemeinsame Plattform errichtet werden, wo sich die verschiedenen Volksgruppen austauschen können (Ebd.).

Das Ministerium für Handel und Industrie sollte umstrukturiert werden, sodass die interne Leitung und Koordinierung Verhandlungen mit der EU möglich macht. Darüber hinaus sollte die Folgenabschätzung der handelsbezogenen Aspekte eines Stabilisierungs- und Assoziierungsabkommens vorbereitet werden (Ebd.).

Im Kommissions-Bericht vom 22.04.2013 wird die Umsetzung dieser genannten Forderungen insgesamt als positiv bewertet. Den kosovarischen Akteuren wird eine gute Zusammenarbeit mit der EULEX bescheinigt. Durch diese enge Zusammenarbeit konnten „im Jahr 2012 183 Fälle von Amtsmissbrauch, 6 Fälle von organisierter Kriminalität, 22 Fälle von Menschenhandel, 186 Fälle von Drogendelikten und 24 Fälle von Waffendelikten“ von kosovarischen Gerichten abgeschlossen werden (Kommissionsbericht: http://register.consilium.europa.eu/pdf/de/13/st08/st08742.de13.pdf - 22.04.13).

Die geforderten Justizreformen wurden durch die Verabschiedung des neuen Strafgesetzbuches und die neue Strafprozessordnung umgesetzt. Durch die Errichtung von sieben Erstgerichten und einem Berufungsgericht wurde außerdem eine neue Gerichts- und Strafverfolgungsstruktur eingeführt, die zur Unabhängigkeit und Unparteilichkeit der kosovarischen Justiz beitragen soll (Ebd.).

In der öffentlichen Verwaltung wurden auch die geforderten Reformen zum öffentlichen Dienst erlassen. Des Weiteren wurden dem Amt des Ombudsmanns neue Räumlichkeiten zur Verfügung gestellt und dessen finanzielle Unabhängigkeit gesichert (Ebd.).

Es wurde ein sogenannter Umsetzungsüberwachungsrat errichtet, in dem die serbisch-orthodoxe Kirche, die kosovarischen Behörden, die EU und die OSZE vertreten sind. Diese soll den Minderheitenschutz fördern (Ebd.).

Im Bereich des Handels wurde im zuständigen Ministerium eine Struktur geschaffen, die eine Leitung und Koordinierung der Verhandlungen über Handelsfragen im Kontext eines Stabilisierungs- und Assoziierungsabkommen möglich macht (Ebd.).

Aufgrund dieser positiven Bewertung empfiehlt die Kommission die Aufnahme von Verhandlungen über ein Stabilisierungs- und Assoziierungsabkommen zwischen der EU und dem Kosovo (Ebd.).

An der Maßnahme der Erstellung und der Bewertung der Machbarkeitsstudie kann man eine gute Analyse der vier Actorness-Kriterien machen. Durch die Machbarkeitsstudie konnte die EU wichtigen Einfluss auf die kosovarische Politik ausüben, wodurch neue Reformen in der Justiz und in der öffentlichen Verwaltung durchgeführt wurden. Das zeigt ein weiteres Mal, dass die EU als Akteur anerkannt wird und Macht ausüben kann. Die authority ist durch den abgeschlossenen Vertrag zwischen kosovarischer Regierung und Kommission über die Durchführung der Machbarkeitsstudie gegeben. Um die Statusproblematik zu umgehen beruft sich die Kommission hier auf Artikel 228 des EG-Vertrages, der es der EU ermöglicht auch mit nicht-völkerrechtlichen Subjekten Verträge abzuschließen (Machbarkeitsstudie: http://ec.europa.eu/enlargement/pdf/key_documents/2012/package/ks_feasibility_2012_de.pdf - 10.10.2012). Darüber hinaus kann man in diesem Punkt von einer eigenständigen Politik der Kommission sprechen, da sie die Studie initiierte und erstellte. Aus rechtlichen Gründen musste sie das in Absprache mit dem Europäischen Rat machen. In ihrer Empfehlung, Verhandlungen mit dem Kosovo über ein Stabilisierungs- und Assoziierungsabkommen zu führen, lässt die Kommission die Statusproblematik außer Acht und spricht sich somit indirekt für eine Anerkennung des Kosovos aus. Eine autonomy der Kommission kann man daran gut erkennen. Die cohesion war bei der Durchführung der Machbarkeitsstudie nicht immer vorhanden. Das EU-Mitglied Zypern lehnte diesen Schritt zunächst ab (derStandard.at: „Rumänien als letzte Hürde für Serbien“, http://derstandard.at/1329870450547/EU-Kandidatur-Rumaenien-als-letzte-Huerde-fuer-Serbien - 28.02.2012). Aus diesem Grund wurde in der Machbarkeitsstudie explizit auf die jeweilige Haltung der einzelnen Mitgliedsländer zum Kosovostatus hingewiesen.

3. Dialog zwischen Kosovo und Serbien

Nach den Statusverhandlungen zwischen Kosovo und Serbien von 2006 bis Ende 2007 herrschte nach der Unabhängigkeitserklärung Kosovos Funkstille zwischen Prishtina und Belgrad. Erst im Frühjahr 2011 wurden unter Leitung der EU wieder Gespräche zwischen den Konfliktparteien aufgenommen. Zunächst sollten diese allerdings nur einen technischen Charakter haben und von Regierungsunterhändlern geführt werden. Die Statusfrage wurde ausgelassen. (euractiv.de, “Serbien und Kosovo starten Dialog - mit Problemen”, http://www.euractiv.de/erweiterung-und-nachbarn/artikel/serbien-und-kosovo-starten-dialog-004471 - 08.03.2011).

Im Vordergrund dieser Gespräche sollten Themen wie Telekommunikation, Verkehr und Kataster stehen (Ebd.). Zur Sprache sollten auch die von Belgrad nicht anerkannten kosovarischen Zollsiegel kommen, die der kosovarischen Wirtschaft schadeten, da sie dadurch Probleme beim Export hatten. An diesem Punkt sollte der Dialog schon nach ein paar Monaten scheitern und zu neuen Unruhen im Kosovo führen.

Denn nachdem keine Einigung erzielt wurde, beschloss die kosovarische Regierung serbische Zollsiegel ebenfalls nicht anzuerkennen und die Einfuhr von serbischen Produkten in den Kosovo zu verhindern. Deswegen wurden in einer „Nacht und Nebel Aktion“ Spezialeinheiten von der Regierung in Prishtina nach Nordkosovo geschickt, um diesen Importstopp durchzusetzen. Dies rief bei der örtlichen serbischen Bevölkerung Unmut hervor. Bei den anschließenden Unruhen wurde ein kosovarischer Polizist getötet (vgl. derStandard.at, „Serbien ruft Uno an“, http://derstandard.at/1310512233917/Serbien-ruft-Uno-an - 27.07.2011). Nachdem sich die kosovarischen Polizeieinheiten zurückzogen, übernahmen die KFOR-Truppen die Grenzkontrollen im Norden Kosovos. (vgl. derStandard.at, „Nato-Truppen kontrollieren Nordkosovo“, http://derstandard.at/1310512317700/Grenzkonflikt-Nato-Truppen-kontrollieren-Nordkosovo - 28.07.2011). Seitdem hat sich die Lage im Nordkosovo weiter angespannt, die Abschottung der serbischen Bevölkerung im Norden Kosovos manifestierte sich in der Errichtung von Straßenblockaden gen Süden.

Im September 2011 sollten die Gespräche fortgeführt werden. Dazu kam es jedoch nicht, da die serbische Seite zunächst den Grenzkonflikt im Norden Kosovos lösen wollte (vgl. derStandard.at: „Serben und Kosovaren beenden Gespräche“: http://derstandard.at/1317018689427/EU-gefuehrter-Dialog-Serben-und-Kosovaren-beenden-Gespraeche - 28.09.2011).

Erst im November 2011 wurde der Dialog zwischen Belgrad und Prishtina fortgesetzt. Nach einem Vorschlag des EU-Vermittlers Robert Cooper einigten sich beide Seiten auf ein gemeinsames Grenzmanagement von serbischen und kosovarischen Zöllnern mit Hilfe von EULEX-Beamten(vgl. derStandard.at: „Serbien und Kosovo bestätigen Einigung“: http://derstandard.at/1322872832455/Grenzkonflikt-Serbien-und-Kosovo-bestaetigen-Einigung - 03.12.11).

Bevor der Dialog aufgrund der Parlamentswahlen in Serbien wieder unterbrochen wurde, einigte man sich auf die Bezeichnung Kosovos bei internationalen Treffen (vgl. taz.de: „Kompromiss mit Fußnote“: http://www.taz.de/!88399/ - 24.02.12). Denn bis dahin boykottierte Serbien alle internationalen Treffen, wo das Kosovo als eigenständiger Staat auftrat. Schließlich einigte man sich auf dem Zusatz einer Fußnote, die auf die UN-Resolution 1244 und dem Gutachten des Internationalen Gerichtshof zur Unabhängigkeitserklärung des Kosovos hinwies[2].

Nach den serbischen Parlamentswahlen, in denen die nationalistischen Kräfte gewannen, sollte der Dialog fortgesetzt werden (vgl. derStandard.at: „Dačić und Thaçi, ein Treffen erprobter Feinde“: http://derstandard.at/1345164625782/Dacic-und-Thaci-ein-Treffen-erprobter-Feinde - 20.08.12). Nun sollte dieser aber auf hoher Ebene von der Hohen Vertreterin der EU für Außen- und Sicherheitspolitik, Catherin Ashton, geführt werden.

Ab Oktober 2012 fanden eine Reihe hochrangiger Zusammenkünfte der beiden Premierminister, Ivica Dacic, Serbien, und Hashim Thaci, Kosovo, statt. Die Herangehensweise der EU bei diesem Dialog zielte auf eine allmähliche Normalisierung der Beziehungen zwischen den Konfliktparteien. Deswegen wurden bei den ersten Treffen Fragen erörtert, die die Statusfrage unberührt ließen und eher eine Fortführung des technischen Dialogs sein sollten. Hier knüpfte man an die erzielten Abkommen im ersten Dialog zwischen den Regierungsunterhändlern an. So wurde z.B. die Umsetzung des integrierten Grenzmanagements erfolgreich durchgeführt, das Reisen wurde für die Bürger erleichtert und auch die Vereinbarung über die Zollstempel, die ein Jahr zuvor zu den Unruhen im Nordkosovo führte, wurde umgesetzt (Kommissionsbericht: http://register.consilium.europa.eu/pdf/de/13/st08/st08742.de13.pdf - 22.04.13).

Nachdem die neue serbische Regierung von internationalen Beobachtern mit Skepsis beobachtet wurde, da der neue serbische Ministerpräsident, Ivica Dacic, ehemaliger Sprecher von Slobodan Milosevic und dessen Nachfolger als Parteichef der Sozialistischen Partei Serbiens (SPS) war, erwartete man einen Stillstand oder gar einen Rückschritt im kosovarisch-serbischen Dialog. Allerdings nahm der Dialog eine ganz neue Qualität an, da sich nun die Regierungschefs zum ersten Mal in der Geschichte zu direkten Gesprächen trafen.

Nach den ersten Dialogrunden zwischen den Ministerpräsidenten kamen nun im Frühjahr 2013 die kritischen Fragen auf die Agenda. Denn ein Hauptproblem für beide Seiten bleibt weiterhin die unklare rechtliche Lage im Nordkosovo, wo mittlerweile auch der serbische Staat wenig Einfluss hat (vgl. derStandard.at: „Belgrad verliert Kontrolle über die Kosovo-Serben“, http://derstandard.at/1319183525332/Belgrad-verliert-Kontrolle-ueber-die-Kosovo-Serben - 22.11.11). In dieser Phase, wo ein erstes Abkommen erzielt werden sollte, kam es in der nördlichen Stadt Mitrovica immer wieder zu Anschlägen (vgl. derStandard.at: „Kosovo: Erneut Sprengstoffangriff in Nord-Mitrovica“, http://derstandard.at/1362107446095/Kosovo-Erneut-Sprengstoffangriff-in-Nord-Mitrovica - 05.03.13). Das zeigt die enorme Brisanz dieses Dialogs und die schwierigen Umstände der beiden Verhandlungsparteien. Anfang April lehnte Serbien einen EU-Vorschlag zu einem Abkommen mit dem Kosovo ab. Damit gefährdete Serbien ein mögliches Datum für Beitrittsgespräche. Erst Mitte April einigten sich beide Parteien auf ein Abkommen, das von manchen als historisch bewertet wurde. Dieses Abkommen soll im Folgenden etwas näher erläutert werden.

Die „Erste Vereinbarung über Grundsätze für die Normalisierung der Beziehungen“ zwischen Serbien und Kosovo soll in erster Linie die sogenannten Parallelstrukturen im Norden Kosovos auflösen. Dafür sollen die serbischen Gemeinden die Möglichkeit bekommen sich in einem Verband oder in einer Gemeinschaft zu organisieren. Dieses Organ soll im rechtlichen Rahmen der kosovarischen Verfassung operieren. Die Mitglieder von serbischen Sicherheitsstrukturen sollen die Möglichkeit haben sich in den kosovarischen Sicherheitsstrukturen zu integrieren. Im Kosovo soll es nur eine Polizei geben. Der regionale Polizeikommandant für die vier serbischen Gemeinden soll aus einer Vorschlagsliste der jeweiligen Bürgermeister vom kosovarischen Innenminister ernannt werden. Des Weiteren sollen die parallelen Justizbehörden im Nordkosovo in den rechtlichen Rahmen Kosovos integriert werden. Außerdem wurde in dem Abkommen die Abhaltung von Kommunalwahlen in den nördlichen Kommunen mit Unterstützung der OSZE für das Jahr 2013 vereinbart. Neben der Behandlung des Nordkosovos einigten sich die Konfliktparteien darauf, dass keine Seite die Fortschritte der anderen Seite auf ihrem Weg zur EU-Mitgliedschaft blockiert oder andere zu einer solchen Blockade ermutigt (vgl. KAS-Länderbericht Kosovo: „Meilenstein im Kosovo-Serbien-Dialog“, http://www.kas.de/wf/doc/kas_34160-1522-1-30.pdf?130424114750 – 24.04.13).

Zurzeit wird über die Umsetzung des Abkommens verhandelt. Aber ein wichtiger Schritt wurde schon gemacht, da beide nationalen Parlamente das Abkommen zugestimmt haben. Aufgrund des positiven Verlaufs der Gespräche hat Serbien nun den Termin für Beitrittsgespräche bekommen und Kosovo kann Verhandlungen über das Stabilisierung- und Assoziierungsabkommen aufnehmen (FAZ.net: http://www.faz.net/aktuell/politik/europaeische-union/fuer-2014-eu-will-beitrittsverhandlungen-mit-serbien-aufnehmen-12263863.html - 28.06.2013).

Im Folgenden werden die vier Actorness Kriterien auf den Dialog zwischen Prishtina und Belgrad überprüft. Da diese Gespräche auf Vermittlung und Druck der EU geführt werden, ist die Anerkennung der EU deutlich zu beobachten. Die EU konnte hier die Beitrittsperspektive als Druckmittel für eine Entwicklung der gutnachbarschaftlichen Beziehungen zwischen Kosovo und Serbien nutzen.

Die authority ist in diesem Zusammenhang eher wage, da sich die zwei Konfliktparteien im Rahmen der EU-Erweiterungsperspektive getroffen haben, aber eine vertragliche Grundlage mit der EU in Bezug auf den Dialog nicht vorhanden war. Trotzdem war das nicht nötig, um einen Dialog zu ermöglichen.

Die autonomy der EU ist in diesem Fall so weit gegeben, dass sie diese Gespräche moderiert und der internationale Hauptakteur ist. Trotzdem spielen die EU-Mitgliedsstaaten im Hintergrund immer noch eine wichtige Rolle, die entweder den Druck auf einen jeweiligen Dialogteilnehmer erhöhen, wie z.B. Deutschland gegenüber Serbien, oder die Achtung der Nicht-Anerkenner-Staaten auf die Bezeichnung Kosovos, das nicht die Statusfrage berühren darf (Merkur Online: „Deutschland gegen serbischen EU-Beitritt“, http://www.merkur-online.de/aktuelles/politik/deutschland-gegen-serbischen-eu-beitritt-1523376.html - 09.12.2011).

Das Kohärenzkriterium wird in diesem Bereich erfüllt, da sich alle EU-Mitglieder einig sind, dass sich die Beziehungen zwischen Serbien und Kosovo normalisieren müssen, um Fortschritte im Erweiterungsprozess zu machen.

[...]


[1] Im Rahmen der spanischen EU-Ratspräsidentschaft lässt Spanien Kosovo an der Balkan-Konferenz der EU teilnehmen

[2] Kosovo*Diese Bezeichnung berührt nicht die Standpunkte zum Status und steht im Einklang mit der Resolution 1244/99 des VN-Sicherheitsrates und dem Gutachten des Internationalen Gerichtshofs zur Unabhängigkeitserklärung des Kosovos.

Details

Seiten
Erscheinungsform
Erstausgabe
Jahr
2013
ISBN (PDF)
9783956845512
ISBN (Paperback)
9783956840517
Dateigröße
844 KB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Universität Duisburg-Essen
Erscheinungsdatum
2015 (Februar)
Note
2,3
Schlagworte
Frieden Balkan Jugoslawien Europa actorness

Autor

Shkelzen Hasani, B.A., wurde 1990 in Mitrovica, Kosovo, geboren. Sein Studium der Politikwissenschaft an der Universität Duisburg-Essen schloss der Autor im Jahr 2013 mit dem akademischen Grad Bachelor of Arts erfolgreich ab. Bereits während des Studiums befasste sich der Autor mit der Thematik der europäischen Außenpolitik und insbesondere der Region Südosteuropa. Durch eine praktische Tätigkeit bei der Konrad-Adenauer-Stiftung in Tirana, Albanien, konnte er die Besonderheiten der Region vor Ort kennenlernen.
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Titel: Die EU als internationaler Akteur: Eine Untersuchung am Fallbeispiel des Kosovokonflikts
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