Lade Inhalt...

Finanzielle Repression: Die schleichende Enteignung der Sparer

©2013 Bachelorarbeit 50 Seiten

Zusammenfassung

Nicht einmal die renommiertesten Ökonomen unserer Zeit konnten die Kettenreaktion vorhersehen, die im Herbst 2008 ihren Ursprung fand. Was als Bankenkrise den amerikanischen Finanzmarkt erfasste, mündete zunächst in einen globalen Wachstumseinbruch und erreichte als „dritte Welle“ in Form einer Spekulations- und Schuldenkrise die Eurozone. Als Resultat dieser Kette von Ereignissen stehen vor allem europäische Staaten derzeit vor der Herausforderung, die zur Bankenrettung angehäuften Schuldenberge abzubauen. Dabei bietet die „finanzielle Repression“ im Vergleich zu klassischen Maßnahmen eine weitaus intransparentere Methode des Schuldenabbaus. Ohne auf unpopuläre Mittel zurückgreifen zu müssen, kann sich ein Staat seiner Schulden durch die Hintertür entledigen. Obwohl das Instrument der finanziellen Repression der breiten Bevölkerung noch wenig bekannt ist, ist jeder davon betroffen, der monatlich etwas auf die Seite legt. Denn genau darauf zielt die finanzielle Repression ab - auf die Ersparnisse der Bürger. Wie dieses Instrument funktioniert, warum wir alle davon betroffen sind und ob es bereits umgesetzt wird, ist die zentrale Thematik dieser Arbeit.

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


2. Ursachen der europäischen Schuldenkrise

2.1 Makroökonomische Ungleichgewichte

Um die Ursachen für das Entstehen der europäischen Schuldenkrise zu identifizieren, muss vorab aufgearbeitet werden, was zu den Ungleichgewichten innerhalb der europäischen Wirtschafts- und Währungsunion geführt hat. Ausgangspunkt dieser Überlegungen ist die Tatsache, dass überdurchschnittlich hohe Schuldenstände in Ländern der EWWU das Ergebnis von langjährigen makroökonomischen Ungleichgewichten sind, die sich beispielsweise in stark defizitären Leistungsbilanzsalden niederschlagen haben. Seit der Einführung des Euro haben sich die Divergenzen der Leistungsbilanzsalden in der Eurozone verstärkt.[1] Kurz vor Ausbruch der Finanzkrise im Jahr 2008, wurden vor allem in Peripherieländern des Euroraumes Defizite von über zehn Prozent des nationalen Bruttoinlandsprodukts festgestellt.[2]

Werden die Leistungsbilanzdefizite eines Landes genauerer Betrachtung unterzogen, kann zwischen positiven und negativen Defiziten unterschieden werden. Befindet sich ein Land im Aufholprozess und sieht sich hohen Wachstumsperspektiven gegenüber, handelt es sich um positive Defizite, da das Wachstum nicht allein aus der Ersparnis finanziert werden kann, wird Kapital zur Finanzierung der Investitionen über eine negative Leistungsbilanz importiert. Die Ökonomie kann aus den wachsenden Exporteinnahmen die Auslandsschuld finanzieren. Im negativen Fall sind die Defizite jedoch Ausdruck geringer Wettbewerbsfähigkeit und ein ernsthaftes Problem, weil die wachsende Auslandsverschuldung nicht durch eine wachsende Exportquote kompensiert werden kann.[3] In Bezug auf die Defizitländer der Eurozone zeigt sich, dass nach Einführung des Euro die Catching-up-Hypothese nicht eindeutig belegt werden kann, so dass die Defizite größtenteils auf eine Zunahme der Auslandsverschuldung hindeuten.[4] Diese Defizite hätten auch nicht durch eine Absenkung der Lohnkosten gedrosselt werden können, da in den meisten Fällen eine schwache Exportquote, einem kreditfinanzierten Importboom gegenüberstand. Das größte Problem lag somit in den hohen Kapitalimporten aufgrund der Zinskonvergenz nach Einführung der Währungsunion. In der jüngeren Vergangenheit der OECD-Staaten sind Ungleichgewichte nicht ungewöhnlich, jedoch gingen von diesen meiste wichtige Reformimpulse aus. Beispiel hierfür sind die italienischen Zahlungsbilanzkrisen im Jahr 1974 und 1977, wie auch die Lira-Krise 1992, in diesen Aufgrund des Drucks am Anleihenmarkt das Land schnelle Konsolidierungsschritte einleitete. Für Länder wie Irland, Portugal oder Griechenland ist es nun nur möglich, ihre Zahlungsbilanzdefizite über eine Kontraktion der Binnennachfrage zu reduzieren. Allen Aussichten auf eine ökonomische Erholung dieser Länder, stehen die nun hohen Staatsschulden gegenüber.[5]

2.1.1 Schieflage öffentlicher Haushalte durch die Finanzkrise

Die derzeitige Staatsschuldenkrise im Euroraum ist keine isolierte Schuldenkrise einiger Mitgliedsstaaten der EWWU, sondern steht in Zusammenhang mit der seit dem Jahr 2007 andauernden internationalen Finanzkrise. Sie ist die dritte Welle der Krise, ausgelöst durch eine notgedrungene Kreditaufnahme vieler europäischer Staaten zur Bekämpfung der internationalen Finanzkrise 2007/2008 und dem dadurch ausgelösten weltweiten Wachstumseinbruch 2008/2009 einerseits und der Verweigerung der gemeinschaftlichen Haftung für Staatschulden in der Eurozone andererseits.[6] Der früherer IWF-Chefökonom Kenneth Rogoff und die Wirtschaftsprofessorin Carmen Reinhart haben in einer empirischen Studie die Krisen der vergangenen acht Jahrhunderte untersucht und festgestellt, dass die Zyklen von Bankenkrisen mit Zahlungsunfähigkeiten von souveränen Staaten korrelieren. Wird die wirtschaftliche Entwicklung nach 1900 betrachtet, sind bei schwerwiegenden Finanzkrisen, nach Auffassung von Rogoff und Reinhart, nachfolgende Staatsschuldenkrisen geradezu vorprogrammiert.[7] Mit Blick auf die derzeitige Finanzkrise attestierten die beiden Ökonomen bereits im Jahr 2009: „Ein drastischer Anstieg der Zahlungsausfälle souveräner Schuldner in der derzeitigen globalen Finanzumgebung wäre nicht weiter überraschend.“[8] Das größte Problem liegt in den Ungleichgewichten des finanziellen Sektors, die sich auf globaler Ebene nahezu identisch in den Jahren vor der Krise entwickelt haben. Es sind allerdings auch spezifische Fehlentwicklungen innerhalb der europäischen Währungsunion zu beobachten, die in anderen Ländern nicht auftreten.[9] Da der öffentliche Haushalt in vielen Ländern der EWWU bis zum Ausbruch der Finanzkrise die zulässige Höchstgrenze des Stabilitäts- und Wachstumspakts von 3 Prozent nicht überschritt, lassen sich die Leistungsbilanzsalden bis zum Jahr 2007 auf stark divergierende Finanzierungssalden im privaten Sektor zurückführen. Negative Finanzierungssalden sind nicht auf Mitgliedsländer des Euroraumes begrenzt. Ein Beispiel ist Island, das nicht Mitglied der EWWU ist und ab dem Jahr 2008 keine Finanzierungsüberschüsse mehr ausweisen konnte. Verschuldet wurden diese Ungleichgewichte durch die Finanzkrise, da erhebliche Transformationsleistungen des globalen Finanzsystems nötig waren, um die Ersparnisse der Überschussländer in Kredite für Unternehmen und private Haushalte in Defizitländern umzuwandeln.[10] Die heutige hohe Verschuldung in Problemländern der Währungsunion ist daher auf ein extrem geringes Risikobewusstsein von Finanzmarktteilnehmern zurückzuführen. Es wurde Schuldnern mit unzureichender Bonität leichtfertig der Zugang zu Krediten ermöglicht. Ein Beispiel sind die niedrigen Zinsen für Immobilienkredite zu Anfang des Jahrzehnts, die in Problemländern der EWWU niedriger waren als in Deutschland. Die kreditfinanzierten Mittel wurden zum Teil konsumiert, aber größtenteils im Immobilienbereich investiert. Durch den krisenbedingten Rückgang im Bausektor stieg die Arbeitslosigkeit an, was zu einer erheblichen Belastung der öffentlichen Haushalte führte. Gleichzeitig waren umfangreiche staatliche Aufwendungen zur Stabilisierung der Banken nötig, die durch Fehlspekulationen am Kapitalmarkt kurz vor der Zahlungsunfähigkeit standen.[11] Die Deutsche Industriebank IKB beispielsweise, war in strukturierten Portfolioinvestments engagiert, zu denen auch US-Immobilienkredite aus dem Subprime-Bereich gehörten.[12] Die Rettung der IKB kostete den deutschen Staat über zehn Milliarden Euro.[13] Die Notwendigkeit zur Begrenzung der finanzwirtschaftlichen und realwirtschaftlichen Folgen der Krise, führte in vielen Ländern zu einer Schieflage der öffentlichen Haushalte und zu einem Anstieg der Schuldenquote.[14]

Der im Juni 1997 abgeschlossene Stabilitäts- und Wachstumspackt zwischen Staaten der EU, sieht als Fortführung der Maastricht-Konvergenzkriterien auch nach Eintritt eines Landes in die EWWU vor, dass das jährliche Haushaltsdefizit auf 3 % des BIP und der Stand der öffentlichen Verschuldung auf 60 % des BIP begrenzt werden. Hintergrund des SWP ist die Vorstellung, dass eine steigende Neuverschuldung eines Landes, die Partnerländer über steigende Zinssätze schädigt.[15]

In welchem Maße die öffentlichen Haushalte der EWWU überdehnt sind, verdeutlichen die Schaubilder 1 und 2. Im Hinblick auf die Ziele des SWP nimmt vor allem Griechenland mit einem Haushaltsdefizit von 15,6 % im Jahr 2009 und einer Schuldenstandquote von 170,3 % im Jahr 2011 eine Spitzenposition in der europäischen Währungsunion ein.

Abbildung 1: Entwicklung der Bruttoverschuldung in der EWWU in % des BIP

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Datenquelle: Eurostat (2013b)

Abbildung 2: Haushaltssalden europäischer Staaten in % des BIP

Datenquelle: Eurostat (2013c)

Das schnellste Wachstum der Bruttoverschuldung entfällt neben Griechenland auf die restlichen GIPS-Staaten. Hervorzuheben ist Irland, dessen Schuldenstand in den Jahren 2006 und 2007 mit 24,6 und 25,1 weit unterhalb des EU-durchschnitts lag und ab dem Jahr 2008 regelrecht explodierte. Im Jahr 2012 verzeichnete Irland eine Bruttoverschuldung von 117,6 Prozent. Die höchste Verschuldung in der Eurozone entfiel im Jahr 2012 weiterhin auf Griechenland mit 156,9%, wobei diese im Vergleich zu 2011 bereits gesunken ist. Dahinter rangiert Italien mit einer Bruttoverschuldung von 127% und Portugal mit 123,6%. Jedoch ist die europäische Schuldenkrise nicht auf die Schieflage der öffentlichen Haushalte beschränkt, der Blick muss des Weiteren auf die defizitären Leistungsbilanzen der europäischen Problemländer gerichtet werden.

2.1.2 Divergierende Leistungsbilanzsalden

Wie eingangs bereits erwähnt, sind nicht nur die hohen Schuldenstände der GIPS-Staaten verantwortlich für die makroökonomischen Ungleichgewichte innerhalb der Währungsunion, sondern auch die außenwirtschaftliche Situation.

Bei dem Versuch die Gründe zu identifizieren die zur europäischen Schuldenkrise führten, wird schnell deutlich, dass es verschiedene Ansichten über die zentrale Ursache dieser Krise gibt. Mit Blick auf die öffentliche Diskussion in den Medien und die Äußerungen prominenter Politiker, scheint die Ursache schnell gefunden. Diesen Aussagen zufolge, sind die wachsenden Defizite der öffentlichen Haushalte von EWWU Problemländer die zentrale Ursache für die Schuldenkrise. Dies würde implizieren, dass eine in Zukunft konsequentere Einhaltung des SWP und die schnelle Konsolidierung der Staatsfinanzen in den betroffenen Ländern die Stabilität der Eurozone wiederherstellen würde. Jedoch muss dieser Aussage hier widersprochen werden.[16] Mitunter ein entscheidender Geburtsfehler des Euro ist der Staatsschuldenbias. Bereits zu Beginn der EWWU wurde dem Problem der Staatsschulden eine größere Aufmerksamkeit geschenkt, als dem weit wichtigeren Problem der Wettbewerbs- und Zahlungsbilanzungleichgewichte.[17] Hohe Defizite in Problemländern der Währungsunion sind höchstens ein Teilproblem, nicht aber die zentrale Ursache dieser Krise und selbst wenn eine schnelle Haushaltskonsolidierung in diesen Staaten gelingen sollte, wären die Probleme der EWWU damit nicht gelöst. Die eigentliche Ursache liegt in der aggregierten Verschuldung aller Sektoren eines Landes gegenüber dem Rest der Welt. Zu diesen Sektoren gehören neben dem öffentlichen Sektor auch private Haushalte und Unternehmen, in denen sich überwiegend die Auslandsverschuldung niederschlägt.[18] Vor Beginn der Währungsunion wiesen die GIPS-Staaten eine leicht negative Leistungsbilanz in Höhe von 0.7 % des BIP, gegenüber der restlichen Welt aus.[19] Wie aus dem Schaubild 3 ersichtlich, nehmen die Defizite ab dem Jahr 2000 deutlich zu. Vor allem in Griechenland, Spanien und Portugal sind bis zum Jahr 2008 enorme Leistungsbilanzdefizite zu verzeichnen. Diese betragen bis zu 18% des BIP im Falle von Griechenland.[20]

Jedoch hat sich das Finanzierungsdefizit des öffentlichen Sektors in den nördlichen, wie auch in den südlichen Ländern der Währungsunion seit Einführung des Euros reduziert. Das Defizit in den Südländern lag vor dem Jahr 1999 bei 5,7 % des BIP und reduzierte sich bis zum Jahr 2007 auf 2,1 %.[21] In nördlicher Hemisphäre ist eine ähnliche Entwicklung zu beobachten, daher kann davon ausgegangen werden, dass der SWP eine positive Wirkung entfaltet hat.[22]

Abbildung 3: Leistungsbilanzsalden europäischer Staaten in % des BIP

Datenquelle: Wirtschaftskammer Österreich (2013)

Da der öffentliche Haushalt bis zum Ausbruch der Finanzkrise im Jahr 2007 im Durchschnitt der EU 27 nahezu ausgeglichen war, lassen sich die Leistungsbilanzsalden auf stark divergierende Finanzierungssalden im privaten Sektor zurückführen. Dieser private Sektor, zudem neben Unternehmen auch private Haushalte gehören, wies im Zeitraum von 1992 bis 1998 einen Finanzierungsüberschuss von 5 % des BIP aus. Nach Beginn der EWWU wandelte sich dieser in ein Defizit von 4,7 %.[23] Der aggregierte Finanzierungssaldo des privaten und öffentlichen Sektors spiegelt sich in Verbindlichkeiten oder Forderungen gegenüber dem Ausland wieder. Da der Leistungsbilanzsaldo innerhalb der Währungsunion weitestgehend ausgeglichen ist, wie die Abbildung 3 verdeutlicht, kann davon ausgegangen werden, dass die Auslandsverschuldung der GIPS-Staaten direkt oder indirekt bei den Nordländern entstanden ist. Alan Greenspan sieht vor allem darin eines der zentralen Probleme der Währungsunion, denn nach der technischen Einführung des Euro wurde erwartet, dass sich vor allem in südeuropäischen Staaten ein Aufholprozess in Gang setzt, der jedoch ausblieb. Stattdessen subventioniert Nordeuropa den übermäßigen Konsum Südeuropas, was sich in den defizitären Leistungsbilanzen dieser Länder deutlich zeigt.[24]

Eine negative Leistungsbilanz entsteht grundsätzlich dadurch, dass der öffentliche und private Sektor eines Landes für Güterkäufe mehr ausgibt, als er selbst an Wert schafft. Um die Auslandsschulden zu begleichen muss das Land langfristig in der Lage sein durch den Verkauf von Gütern, Dienstleistungen und Kapitalanlagen mehr Einnahmen zu erzielen als im Inland ausgegeben wird. Eine langfristige Auslandsverschuldung wird daher auf die mangelnde Wettbewerbsfähigkeit eines Landes zurückgeführt.

Wie bereits erwähnt, ist die Verschuldung im Falle eines Catching-up Prozesses positiver Natur, oder negativ aufgrund einer schwachen außerwirtschaftlichen Preformance, wie am Beispiel der GIPS-Staaten deutlich wird. Die Auslandsverschuldung kann ausgeweitet werden, solange die Gläubiger bereit sind Kapital ins Inland zu transferieren. Kommen jedoch Zweifel an der Kreditwürdigkeit eines Landes auf, können die Zahlungen ein abruptes Ende nehmen, wie jüngst am Beispiel Griechenlands zu sehen war.[25] Steigende Zinsen und Zahlungsbilanzkrisen dieser Staaten sind die Folge von der Abhängigkeit internationaler Kapitalmärkte. Es ist nur möglich die entstandene Auslandsverschuldung zu reduzieren, wenn sich die Wettbewerbsfähigkeit eines Landes erhöht. Gelingt das nicht, fließt ein steigender Anteil der Bruttowertschöpfung ins Ausland ab und das Leistungsbilanzdefizit nimmt zu. Das dieser Vorgang zu einer steigenden Verschuldung des jeweiligen Landes führt, ist offensichtlich.

Am Beispiel von Irland kann verdeutlicht werden, dass der Kern des Problems nicht in der Staatsverschuldung sondern in der Auslandsverschuldung liegt. Aus Schaubild 1 kann entnommen werden, dass die Bruttoverschuldung Irlands bis zum Jahr 2007 vergleichsweise gering war und sogar unter dem Durchschnitt der Teilnehmer der Währungsunion lag. Das ist nach Meinung prominenter Politiker eine zentrale Voraussetzung innereuropäischer Stabilität[26] Jedoch war Irland, vor allem im privaten Sektor mit einem Leistungsbilanzdefizit von 5,5 % des BIP im Ausland verschuldet[27] Als die Hypothekenblase in Irland platze, musste der Staat die betroffenen Finanzinstitute mit finanziellen Mitteln vor der Zahlungsunfähigkeit retten und ein Haushaltsdefizit zulassen, durch welches die Auslandsschulden in Staatsschulden transformiert wurden. Erst durch diesen Prozess wurden Staatschulden geschaffen.[28]

Seit dem Jahr 2009 sind sie Leistungsbilanzdefizite in den Problemländern der Eurozone rückläufig. Griechenland hat aufgrund von steigenden Zinszahlungen an das Ausland jedoch nach wie vor ein Leistungsbilanzdefizit von 6 % des BIP, wohingegen Spanien sein Defizit auf 2 % reduzieren konnte. Dieser Rückgang Spaniens ist auf eine positive Entwicklung der Handelsbilanz zurückzuführen, da ein Fehlbetrag von 63,7 Mrd. Euro im Jahr 2008 in einen Überschuss in Höhe von 23,3 Mrd. Euro im Jahr 2012 umgewandelt werden konnte. Der positive Abbau der Divergenzen ist jedoch verstärkt einem inländischen Nachfragerückgang zu verdanken und weniger einer steigenden Wettbewerbsfähigkeit. Das zeigt sich vor allem am Beispiel von Griechenland, dessen Importvolumen im Jahr 2012 im Vergleich zu 2007 mit 37 % deutlich stärker zurückgegangen ist als das Exportvolumen, welches lediglich um 11 % geschrumpft ist. Die positive außenwirtschaftliche Entwicklung steht im Einklang mit umfangreichen Strukturreformen der Problemländer hinsichtlich der Wettbewerbsfähigkeit ihrer Unternehmen. Die OECD und die Weltbank attestieren den Problemländern der Eurozone deutliche Fortschritte auf dem Weg der Reformen seit dem Jahr 2008, doch es bleibt abzuwarten in welchem Umfang die ergriffenen Maßnahmen auf lange Sicht greifen.[29]

2.2 Spezifische Probleme innerhalb des europäischen Währungsraumes

Die globale Finanzkrise hat hinsichtlich der öffentlichen Finanzen dem europäischen Währungsraum stark zugesetzt. Daher wird die EWWU langfristig nur eine Zukunft haben, wenn die Institutionellen Rahmenbedingungen grundlegend reformiert werden. Der Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung sieht vor allem in drei Bereichen grundlegende Schwächen in der Konstruktion der europäischen Währungsunion. Trotz des SWP war die Stabilität der öffentlichen Finanzen nicht gewährleistet. Das private Finanzsystem konnte durch die nationalen Aufsichtsbehörden nicht gesichert werden und der Vertrag von Maastricht hat, abgesehen von der No-bail-out Klausel, keine Vorkehrungen für Krisenfälle getroffen.[30] Da bereits vor Einführung des Euro die Diskussion um Europa als optimalen Währungsraum in vollem Gange war, haben sich die Zweifel im Zuge der gegenwärtigen Krise wieder verstärkt. Vor allem Gegner der Währungsunion prophezeien der Eurozone eine kurze Lebensdauer, allein schon aufgrund von Sprachbarrieren und kulturellen unterschieden. So auch der US-amerikanische Ökonom Milton Friedman, der für seine fundamentale Arbeit auf dem Gebiet der Mikro- und Makroökonomie den Nobelpreis für Wirtschaftswissenschaften im Jahr 1976 erhielt.[31] „Euroland bricht in fünf bis fünfzehn Jahren auseinander“, äußerte er nach der Einführung des Euro und gab weiter zu bedenken: „Die Menschen sprechen verschiedene Sprachen und haben unterschiedliche Kulturen“.[32] Jedoch ist die Zunahme der öffentlichen Verschuldung nicht auf den Euroraum beschränkt, sondern auch in den Vereinigten Staaten, dem Vereinigten Königreich und Japan zu beobachten. Allerdings gibt es auch Fehlentwicklungen die in anderen Teilen der Welt nicht auftreten und somit auf die spezielle Konstruktion der EWWU zurückgeführt werden können.[33] Im Folgenden werden nun die Rolle der europäischen Zentralbank in der Krise und der Aspekt, dass die Mitgliedschaft in der EWWU das Insolvenzrisiko für Staaten erhöht, untersucht.

2.2.1 Zentrale Geldpolitik der EZB in der Krise

Durch die Gründung der EWWU hat sich auch das wirtschaftspolitische Bild Europas grundlegend geändert. Der Eintritt in die Währungsunion hat zur Folge, dass sich ein Staat bereit erklärt auf das nationale Instrument der Geldpolitik zu verzichten.[34] Die Europäische Zentralbank nahm am 1. Januar 1999 ihrer Geschäftstätigkeit auf und somit auch die Verantwortung für die Geldpolitik im Euroraum.[35] Die EZB hat als führende Instanz im europäischen Finanzsektor eine besondere Verantwortung für die Stabilität des Finanzsystems und trägt entscheidend zu der Förderung der europäischen Finanzmarktintegration bei. Ihr vorrangiges Ziel liegt dabei in der Gewährleistung der Preisstabilität im Interesse des Gemeinwohls.[36] Weder nationale Regierungen noch die Europäische Kommission und das Europäische Parlament haben das Recht, Einfluss auf die Politik der EZB zu nehmen.[37] Durch den Entfall der Geldpolitik auf nationaler Ebene ist kein Einfluss auf den Zinssatz, Wechselkurs und die Inflationsrate durch die Mitgliedsstaaten der EWWU mehr möglich.[38] Dadurch hat die Fiskalpolitik, die auf nationaler Ebene verblieben ist, erheblich an Bedeutung gewonnen, da sie das einzige wirtschaftspolitische Instrument gegen asymmetrische Schocks bleibt.[39] Jedoch gibt es auch Argumente die für eine Einschränkung der Fiskalpolitik auf nationaler Ebene sprechen. Ein Beispiel hierfür sind spill-over Effekte der nationalen Finanzpolitik auf die zentrale Geldpolitik. Staaten mit hohem Schuldenstand müssen einen großen Anteil ihrer Einnahmen zur Tilgung der Schuld und der Zinsen verwenden.

Deutlich komfortabler wird der Abbau der Schulden, wenn der Staat auf einen Anstieg der Inflationsrate hinwirkt. Das entgegnet jedoch dem Ziel der Zentralbank, die Preisstabilität zu wahren. Unterbunden wird diese Aktivität, wenn die Staatsverschuldung begrenzt wird und der Defizitquote eine Obergrenze gesetzt wird.[40] Diese Regelungen finden sich im Stabilitäts- und Wachstumspackt wieder, mit der Ausnahme, dass es seither bei Verletzung einer dieser Restriktionen des Paktes, keine Sanktionen für die Verschuldeten Staaten gab. Damit verliert der SWP eindeutig an Wirkung.

Im Folgenden wird der Verlauf der Krise und die Interventionen der Federal Reserve und der Europäischen Zentralbank begutachtet. Der Beginn der Finanzkrise wird auf den 09.August 2007 datiert, da sich an jenem Tag der Libor-OIS-Spread, zu welchem sich internationale Banken gegenseitig Geld leihen, stark vergrößert hat.[41] Aufgrund von Vertrauensverlusten liehen sich Geschäftsbanken gegenseitig kein Geld mehr und wurden zunehmen illiquide. Die Fed war gezwungen zu intervenieren und reagierte auf die Verspannungen über verschiedene Wege. Zum einen senkte sie ab September 2007 das Federal Funds Rate Target, sprich den Leitzins in mehreren Schritten von 5,25 % auf 1 %. Ab Dezember 2007 schuf sie zum anderen eine Vielzahl an neuen geldpolitischen Instrumenten. Darunter die im gleichen Monat eingeführte Term Auction Facility, durch die Banken einen direkten Zugang zur Fed bekamen und eine breite Palette an Sicherheiten wirksam wurde. Durch die Zuspitzung der Krise im Jahr 2008, wurde zusätzlich die Primary Dealer Credit Facility eingerichtet, durch die auch Investmentbanken Zugang zu Zentralbankliquidität gewährt wurde. Sowie die Term Securities Lending Facility, durch welche es einer breiten Gruppe von Banken ermöglicht wurde, temporär illiquide Wertpapiere gegen liquide Staatstitel zu tauschen, die zur Liquiditätsbeschaffung im Rahmen von Rückkaufgeschäften dienen können. Da im Herbst 2008 auch der Markt für kurzfristige Commercial Paper und Geldmarktfonds unter Druck geriet, wurden drei neue Fazilitäten eingeführt. Dazu gehören die Commercial Paper Funding Facility, die Money Market Investor Funding Facility und die Commercial Paper Funding Facility. Besondere Bedeutung hat jedoch die bereits genannte Term Auction Facility, da durch sie der Zentralbankzugang erheblich ausgeweitet wurde. Die Bereitstellung von Liquidität über die neugeschaffenen Fazilitäten wurde durch eine Reduktion der Offenmarktgeschäfte ausgeglichen und es kam zunächst zu keiner Verlängerung der Zentralbankbilanz, beziehungsweise zu keiner Ausweitung der Geldmenge. Da sich die Bankenkrise ab September 2008 jedoch verschärfte, änderte die Fed ihre Strategie.

Durch die Aufstockung der Term Auction Facility und der Ausweitung der Swap-Linie mit der EZB kam es zu einer Verdopplung der Bilanzsumme von 940 Mrd. auf 1800 Mrd. US-Dollar.[42]

Die Europäische Zentralbank reagierte zu Beginn der Krise mit einem Schnelltender zur Bereitstellung von Zentralbankgeld. Eine wichtige Neuerung war die Auflage von längerfristigen Refinanzierungsgeschäften im August 2007 mit einer Laufzeit von drei Monaten und einem Umfang von 115 Mrd. Euro. Die Strategien der Fed und EZB waren hinsichtlich der Ausweitung der Geldmenge gleich, aber unterschieden sich in der Zinspolitik. Die Fed reagierte bereits zu Beginn der Krise mit einer schnellen Senkung des Leitzinses, die EZB hingegen hielt ihren Zins bis Mitte 2008 konstant bei 4 % und hob ihn zwischenzeitlich sogar an. Erst Anfang Oktober 2008 senkte sie den Leitzins zuerst auf 3,75 % und dann auf 3,25 %.[43] Durch Fehlspekulationen europäischer Geschäftsbanken und die dadurch steigende Staatsverschuldung zur Rettung dieser Banken setzte sich die Senkung des europäischen Leitzinses fort und erreicht im Mai 2009 erstmals den historischen Tiefstand von einem Prozent.[44] Im Zuge der Griechenland-Krise entschied sich die EZB nach der Fed und der Bank of England zum Ankauf von Staatsanleihen auf dem Sekundärmarkt.[45] Dieser Vorgang wird als Quantitative Easing bezeichnet. Dabei weitet die Zentralbank ihre Bilanzsumme aus und vergrößert die Geldbasis, indem sie Wertpapiere auf dem Sekundärmarkt ankauft. Eine expansive Geldpolitik wird im Normalfall durch die Senkung des Leitzinses erreicht, liegt dieser allerding bereits nahe Null, sind weitere Maßnahmen notwendig die Finanzmärkte zu stabilisieren. Quantitative Lockerung ermöglicht zum einen die Senkung des Langzeitzinses, da langfristige Wertpapiere aufgekauft werden, andererseits wird die Risikoprämie über den Ankauf riskanter Staatsanleihen gesenkt. Diese Maßnahmen wirken in der Regel stimulierend auf eine Volkswirtschaft. Erste Anleihekäufe der EZB fanden im Mai 2010 statt, dabei wurden in Höhe von 63,5 Mrd. Euro griechische, irische und portugiesische Anleihen gekauft.[46] Im September 2012 kündigte der EZB Präsident Mario Draghi einen weiteren Ankauf von Staatsanleihen notleidender Euro-Staaten in unbegrenzter Höhe an. Die Bedingung für den Ankauf von bis zu dreijährigen Anleihen ist, dass sich der betreffende Staat der strengen Kontrolle der Euro-Rettungsfonds unterzieht.[47]

Mit den neu geschaffenen Instrumenten der Zentralbanken ist es ihnen zwar gelungen, die Liquiditätsprobleme des Bankensektors zu lösen, aber nicht die Nachfrage des privaten Sektors zu stimulieren. Vor allem im Euroraum lässt sich deutlich erkennen, dass die Geldbasis seit 2007 deutlich zugenommen hat, die Vergabe von Krediten an private Haushalte und Unternehmen jedoch nicht. Somit werden zwar die Märkte mit frischem Geld versorgt, jedoch ist nicht sichergestellt, dass dieses auch den Weg über die Schuldner zu den Gläubigern findet.

Derzeit prägt besonders eine heterogene konjunkturelle Entwicklung den Euroraum. In Nordeuropa ist weiterhin mit einer Erholung der Konjunktur zu rechnen, wohingegen in den Peripherieländern der Währungsunion einem schnellen Aufschwung noch realwirtschaftliche Probleme gegenüberstehen.[48] Dazu zählt beispielsweise die derzeit hohe Arbeitslosigkeit in Spanien von 27,2 % und die Unterauslastung in den Kapazitäten, durch die eine nur geringe Ausweitung der Investitionen zu erwarten ist.[49] Das zentrale Problem liegt jedoch in den teilweise bereits begonnen Konsolidierungsmaßnahmen der öffentlichen Haushalte, die vor allem die Nachfrageentwicklung in den kommenden Jahren hemmen wird.[50]

Neben den bestehenden realwirtschaftlichen Divergenzen, waren die Inflationsdifferentiale in der Eurozone noch nie so hoch wie im Jahr 2011. Nach drei Jahren der Niedrigzinspolitik hat die EZB am 7. April 2011 ihren Leitzins erstmalig wieder erhöht. Für das Zusammenwirken der Geld- und Fiskalpolitik in den Eurostaaten bedeutet das eine Belastungsprobe. Die Spanne der Inflationsdifferentiale im Jahr 2011 reichte von 0,9 % in Irland bis hin zu 5,5 % in Estland. Deutschland lag in 2011 nur leicht über dem, von der EZB gesteckten Ziel von 2,2%. Die Differentiale sind somit fast siebenmal so hoch wie zu Beginn der Währungsunion, bei der im Basisjahr 2007 gerademal ein Unterschied der Inflationsraten von 0,7 % zu verzeichnen war. Das Problem hierbei ist, dass die EZB durch zu hohe Unterschiede in den Inflationsraten der EWWU an Treffsicherheit verliert. Im Durchschnitt mag die Geldpolitik zwar angemessen sein, für einige Eurostaaten wirkt sie aber zu expansiv und für andere zu restriktiv. In Hochinflationsländern mit geringen Realzinsen werden die wirtschaftlichen Aktivitäten zusätzlich angeregt und der Preisdruck steigt. Umgekehrt verhält es sich in Ländern mit niedriger Inflation und hohen Realzinsen, diese werden zusätzlich gebremst.[51] Hierbei kommt die Frage auf, ob die EZB in Zukunft den bestehenden Unterschieden hinsichtlich der Inflation und dem Produktionswachstum Rechnung tragen soll.

Die EZB hat jedoch deutlich zum Ausdruck gebracht, dass sie die Geldpolitik für den Euroraum insgesamt festlegt. Bei der Frage, ob eine solche Geldpolitik effizient ist, wird häufig darauf verwiesen, dass die Geldpolitik gegen divergierende wirtschaftliche Entwicklungen nichts unternehmen kann. Nichtsdestotrotz gibt es einige Theorien, die begründen weshalb die Geldpolitik diese Unterschiede berücksichtigen sollte. Hinsichtlich der gegenwärtigen konjunkturellen Entwicklungen im Euroraum, bei der sich die Nordeuropäer in einem Aufschwung befinden, wohingegen in südlichen Gefilden aufgrund von Reformen die Konjunktur noch stockt, wäre ein Abweichen der klassischen EZB Politik empfehlenswert. Eine am Durchschnitt des Währungsraumes ausgerichtete Politik ist aufgrund der derzeitigen Realwirtschaftlichen Divergenzen nicht angemessen. Eine optimale Geldpolitik ist darum bemüht, die Wohlfahrt auf beiden Seiten zu maximieren. Wenn sie sich nun anstatt am Durchschnitt, auf die weniger flexible Seite des Währungsraumes fokussiert und dieser ein größeres Gewicht beimisst, so wird sich die flexible Seite auch mit einer nicht optimalen Geldpolitik wieder erholen, beziehungsweise den Aufschwung fortsetzen. Die unflexible Seite hat es nun jedoch leichter, durch eine angepasste Zentralbankpolitik, die internen Missstände zu bewältigen.[52]

Mit der unkonventionellen Krisenpolitik der Fed und EZB wurde ein Zusammenbruch des Finanzsystems verhindert, jedoch erreicht die expansive Geldpolitik nun ihre Grenzen. Seit Beginn der Finanzkrise haben die Notenbanken ihre Bilanzsumme auf nun mehr insgesamt 20 Billionen US-Dollar verdoppelt. Trotz dieser Verdopplung blieb ein starkes Wirtschaftswachstum aus. Darum kündigte der amerikanische Notenbankpräsident Ben Bernanke an, die Anleihekäufe bis Mitte 2014 einzustellen. Für die Bewältigung der europäischen Staatsschuldenkrise ist nun vor allem eine Sanierung der öffentlichen Haushalte von Bedeutung.[53]

2.2.2 Mitgliedschaft in der EWWU erhöht Insolvenzrisiko für Staaten

Mit Blick auf die Schuldenstandquote und die Neuverschulung des Vereinigten Königreichs unterscheidet sich dieses kaum von Problemländern der Währungsunion. Jedoch befindet es sich aus makroökonomischer Sicht in einer deutlich komfortableren Situation. Wenn die Auslandsverschuldung gering ist und die Staatsverschuldung somit größtenteils auf Pfund Sterling lautet, muss es prinzipiell nie zu einer Zahlungsunfähigkeit kommen. Bei der Fälligkeit von Staatsanleihen kann durch die Bank of England der Rückzahlungsbetrag bereitgestellt werden. Des Weiteren können neue Anleihen im Zuge eines Quantitative Easing durch die Bank erworben werden, um die Verschuldung auszuweiten. Auf diese Weise hat die BoE im Jahr 2009 die gesamt Neuverschuldung des Vereinigten Königreichs finanziert.[54] Eine Notenbankfinanzierung des Staates entfällt durch die Teilnahme an der EWWU, da der Vertrag über die Arbeitsweise der EU dies ausschließt.[55] Damit bricht das Instrument der Geldpolitik auf nationaler Ebene weg und mit diesem auch die Möglichkeit den Wechselkurs, Zinssatz und die Inflation zu Gunsten des eigenen Staates zu steuern.[56] Genauer bedeutet das ein steigendes Insolvenzrisiko für die Mitgliedsländer, denn grundsätzlich besteht das Risiko für fällige Staatsanleihen keine Anschlussfinanzierung zu erhalten. Diesem Insolvenzrisiko steht ein souveräner Staat ansonsten nur gegenüber, wenn entweder die nationale Notenbank unabhängig agiert und ihr dadurch eine Staatsfinanzierung untersagt ist, oder wenn Schulden in fremder Währung aufgenommen werden. Abgesehen von der No-bail-out Klausel die besagt, dass kein Mitgliedsstaat der EU für Schulden und Verbindlichkeiten eines anderen Mitgliedsstaates haftet, haben die Konstrukteure der europäischen Währungsunion auf Regeln für die drohende Insolvenz eines Staates verzichtet, da dieses Risiko für sehr gering gehalten wurde. Diese Fehleinschätzung machte sich mit der dritten Welle der Finanzkrise schmerzhaft bemerkbar, als Griechenland im Jahr 2010 EU-Hilfe beantragte, da laufende Kreditzahlungen nicht mehr beglichen werden konnten. Ohne äußere Hilfe der EU, wäre es mit hoher Wahrscheinlichkeit zur Zahlungsunfähigkeit Griechenlands und später weiterer Problemländer gekommen.[57]

Es bleibt jedoch die Möglichkeit für Problemländer, wie beispielsweise Griechenland, aus der Währungsunion auszutreten. Dieser Austritt ist nicht absurd, sondern vielmehr sollten die möglichen Vor- und Nachteile mit Bedacht abgewogen werden.[58] Mit Blick auf die Vergangenheit ist es in politischen Umbruchphasen nicht ungewöhnlich, wenn einzelne Mitglieder aus Währungsverbünden austreten. Zum Beispiel führte der Zerfall der Sowjetunion zur Gründung unabhängiger Staaten mit eigener Währung. Eine häufige Folge dieser Austritte waren Währungskrisen, da der Staat seine neu eingeführte Währung zu dem Wechselkurs einer Ankerwährung freigeben musste. Wie am Beispiel Italiens durch den Austritt aus dem europäischen Währungssystem 1992 zu sehen ist, führt dies häufig zu einer Abwertung der eigenen Währung gegenüber den Handelspartnern.[59] In Bezug auf Griechenland ist es nicht ausreichend, mit der Summe der Ausstiegskosten zu argumentieren. Diese müssen mit den Kosten des Verbleibs in der Währungsunion verglichen werden, wobei mehrere Szenarien unterschieden werden können.

Im ersten Szenario wird von einem Austritt Griechenlands mit externer Abwertung ausgegangen. Die Einführung einer neuen nationalen Währung eröffnet die Möglichkeit gegenüber dem Euro und anderen Währungen, durch eine Wechselkursanpassung abzuwerten. Durch diese externe Abwertung käme es zu einer Steigerung der internationalen Wettbewerbsfähigkeit Griechenlands, wodurch die Leistungsbilanzdefizite abgebaut werden könnten. Exportgüter würden preislich attraktiver werden und der Preis für Importgüter würde steigen. Der entstehende Außenhandelsüberschuss könnte dazu genutzt werden, die gegenüber dem Ausland fälligen Zinsen zu begleichen. Dem stehen jedoch zwei Probleme entgegen. Erstens führt eine Abwertung zu negativen Bilanzeffekten, wenn Teile der Verbindlichkeiten des staatlichen und privaten Sektors weiterhin in Euro denominiert bleiben, die Forderungen jedoch auf die neue Währung umgestellt werden. Das würde vor allem dem Bankensystem zusetzten, wenn dieses eine hohe Verschuldung im Ausland aufweist, Kredite jedoch primär im Inland vergeben hat. Zweitens gilt es den Austritt aus der Währungsunion zu organisieren, denn neben der Einführung einer neuen Währung muss in der Umstellungsphase die Kapitalflucht verhindert werden.[60]

Das zweite Szenario betrachtet den Verbleib Griechenlands in der Währungsunion mit einer internen Abwertung. Darunter wird die Senkung griechischer Löhne und Preise, relativ zu denen der Partnerländer verstanden, mit dem Ziel die preisliche Wettbewerbsfähigkeit zu steigern. Unter anderem ist genau das der Weg, den Griechenland auf Wunsch der europäischen Geldgeber einschlagen soll. Wie im Austrittsszenario würde dies zu einer Stärkung des Außenbeitrags führen, wodurch die Schulden im Ausland bedient werden können. Die Probleme hierbei sind, dass die Preise in Griechenland, trotz einer Rezession in den letzten drei Jahren, noch immer nicht gefallen sind. Somit steht die Politik vor der Aufgabe eine Preissenkung einzuleiten und vor allem auch durchzuhalten. Es besteht bei einer Deflation das Problem der steigenden Arbeitslosigkeit die in Griechenland bereits heute bei 21 % liegt. Letztlich umgeht auch die interne Abwertung nicht das Problem der negativen Bilanzeffekte. Sinkenden Löhne und Preise führen zu nominal sinkenden Einkommen denen nominal unveränderte Schulden gegenüberstehen. Die Zinsen wie auch die Schuld selbst müssen aus dem gesunkenen Einkommen getilgt werden. Dieses Problem betrifft nicht nur die Schulden im Ausland sondern auch die inländischen Schulden, womit auch durch den Verbleib Griechenlands in der Währungsunion das Insolvenzrisiko steigt.

Im letzten Szenario wird der Verbleib Griechenlands in der EWWU ohne eine interne Abwertung betrachtet. Durch eine Abwertung kommt es zu politischen wie auch ökonomischen Problemen, wodurch diese auch unterbunden werden können. Beispielsweise dadurch, dass Lohn- beziehungsweise Preissenkungen durch Gewerkschaften dauerhaft abgewehrt werden. Ohne Preisanpassungen kann es nicht zu einer Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit und zu einer Erhöhung des Außenbeitrags kommen. Dieses Phänomen spiegelt die derzeitige Entwicklung in Griechenland wieder. Die nach wie vor anhaltende Rezession bewirkt einen deutlichen Rückgang der produzierten Güter und Dienstleistungen und damit auch eine sinkende Erwerbsquote. Der rezessionsbedingte Rückgang der Importquote führte zwar zu einer relativen Verbesserung des Außenbeitrags, jedoch ohne eine Steigerung der Exportquote. Da ausländisches Kapital nicht mehr ins Inland gelangt, wird die Finanzierungslücke durch EU Rettungspakete und Zentralbankoperationen wie dem Quantitative Easing geschlossen. Gelingt es nicht die Wettbewerbsfähigkeit Griechenlands wiederherzustellen, ist eine langfristige Abhängigkeit von europäischen Transferzahlungen so gut wie sicher.[61]

Der größte ausländische Kreditgeber für Spanien, Portugal und Irland ist nach wie vor Deutschland und für Griechenland ist es der zweitgrößte. Da auf deutsche Banken rund 25 % der gesamten Auslandsverschuldung der Problemländer entfällt, wären diese damit besonders stark betroffen. Somit würde es, unter Beachtung der No-bail-out Klausel, bei einem Austritt Griechenlands zu erheblichen Risiken für deutsche Finanzinstitute kommen.[62]

[...]


[1] Vgl. Heinemann; Jopp (2012). S. 3

[2] Vgl. Eurostat (2013a)

[3] Vgl. Heinemann; Jopp (2012). S. 3f

[4] Vgl. Belke; Dreger (2011). S. 11ff

[5] Vgl. Heinemann; Jopp (2012). S. 4f

[6] Vgl. Junkernheinrich et al. (2012). S.303

[7] Vgl. Reinhart; Rogoff (2010). S. 133ff

[8] Vgl. Reinhart; Rogoff (2010). S. 135

[9] Vgl. SVR (2010). S. 71

[10] Vgl. SVR (2010). S. 72f

[11] Vgl. Ebenda, S. 73ff

[12] Vgl. Süddeutsche (2010)

[13] Vgl. Süddeutsche (2011)

[14] Vgl. SVR (2010). S 75

[15] Vgl. Hoff (2007). S. 95

[16] Vgl. Krämer (2010). S. 380

[17] Vgl. Flessbeck; Spiecker (2010). S. 1

[18] Vgl. Krämer (2010). S. 379f

[19] Vgl. Ebenda, S. 380

[20] Vgl. Wirtschaftskammer Österreich (2013). S.1

[21] Vgl. Holinski et al. (2012). S. 6

[22] Vgl. Krämer (2010). S. 380

[23] Vgl. Holinski et al. (2012). S. 6

[24] Vgl. CNBC (2013)

[25] Vgl. Krämer (2010). S. 380

[26] Vgl. Krämer (2010). S. 381

[27] Vgl. Wirtschaftskammer Österreich (2013). S.1

[28] Vgl. Krämer (2010). S. 381f

[29] Vgl. SVR (2011). S. 73ff

[30] Vgl. SVR (2010). S. 67

[31] Vgl. The Nobel Foundation (2005)

[32] Tagespiegel (2010)

[33] Vgl. SVR (2010). S. 68

[34] Vgl. Bluthaupt (2001). S. 1

[35] Vgl. Puhani (2003). S. 75

[36] Vgl. Europäische Zentralbank (2013)

[37] Vgl. Puhani (2003). S. 75

[38] Vgl. Bluthaupt (2001). S. 1

[39] Vgl. Ribhegge (2011). S. 225

[40] Vgl. Wagener; Eger (2009). S. 668

[41] Vgl. Sengupta; Man Tam (2008)

[42] Vgl. SVR (2008). S. 132ff

[43] Vgl. SVR (2008). S. 135f

[44] Vgl. EZB-Leitzins (2013)

[45] Vgl. SVR (2010). S. 80

[46] Vgl. SVR (2010). S. 79f

[47] Vgl. FAZ (2012)

[48] Vgl. SVR (2010). S. 41

[49] Vgl. FAZ (2013)

[50] Vgl. SVR (2010). S. 41

[51] Vgl. Steinbach (2011). S. 398

[52] Vgl. OECD Wirtschaftsbericht (2006). S. 66

[53] Vgl. FAZ (2013b)

[54] Vgl. SVR (2010). S. 79

[55] Vgl. Ebenda, S. 81

[56] Vgl. Bluthaupt (2001). S. 1

[57] Vgl. SVR (2010). S. 81

[58] Vgl. Born et al. (2012). S. 10

[59] Vgl. Born et al. (2012). S. 9

[60] Vgl. Born et al. (2012). S. 10

[61] Vgl. Born et al. (2012). S. 10

[62] Vgl. SVR (2010). S. 83

Details

Seiten
Erscheinungsform
Erstausgabe
Jahr
2013
ISBN (PDF)
9783956845703
ISBN (Paperback)
9783956840708
Dateigröße
859 KB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Universität Hohenheim
Erscheinungsdatum
2015 (Februar)
Note
1,3
Schlagworte
Europäischer Währungsraum Geldpolitik Finanzwissenschaft Anlagestrategie Staatsanleihe

Autor

Tim Hampel, BSc, wurde 1988 in Esslingen am Neckar geboren. Sein Studium der Wirtschaftswissenschaften an der Universität Hohenheim schloss der Autor im Jahr 2013 mit dem akademischen Grad des Bachelor of Science erfolgreich ab. Bereits während des Studiums sammelte der Autor praktische Erfahrungen im Bereich der Volkswirtschaftslehre. Fasziniert von dem Zusammenspiel der globalen Finanzmärkte setzte er sich intensiv mit dem Entstehen der Weltwirtschaftskrise 2007 und deren Folgen auseinander, was ihn auch dazu motivierte, sich der Thematik der vorliegenden Arbeit zu widmen.
Zurück

Titel: Finanzielle Repression: Die schleichende Enteignung der Sparer
book preview page numper 1
book preview page numper 2
book preview page numper 3
book preview page numper 4
book preview page numper 5
book preview page numper 6
book preview page numper 7
book preview page numper 8
book preview page numper 9
book preview page numper 10
50 Seiten
Cookie-Einstellungen