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Smart Money? Der Erfolg von Prognosemärkten

©2013 Bachelorarbeit 47 Seiten

Zusammenfassung

Prognosemärkte versuchen das Wissen der Masse zu nutzen, um Aussagen über ungewisse Ereignisse zu treffen. In diesem Buch wird deren Funktionsweise und Fundamentalprinzipien erläutert. Es wird ein Überblick über die verschiedenen Kontraktarten und Auktionsmethoden gegeben und deren Nutzen sowie Vor- und Nachteile verdeutlicht. Eine Reihe empirischer Studien aus verschiedenen Anwendungsbereichen gibt zudem einen Eindruck von der Prognosegenauigkeit von Prognosemärkten im Vergleich zu klassischen Vorhersagemethoden. Um eine kritische Betrachtung zu ermöglichen, werden verschiedene Probleme und Ineffizienzen beleuchtet, die die Anwendung von Prognosemärkten einschränken. In der Schlussbetrachtung wird reflektierend eine Anwendungsempfehlung gegeben, unter welchen Umständen die Implementierung und Interpretation eines Prognosemarktes möglich ist.

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


Abkürzungsverzeichnis
ACM . . . . . . . . Association for Computing Machinery
AMMA . . . . . . Auctions, Market Mechanisms and Their Applications
CEO . . . . . . . . . Chief Executive Officer
CRRA . . . . . . . Constant Relative Risk Aversion
FDP . . . . . . . . . Freie Demokratische Partei
HP . . . . . . . . . . . Hewlett-Packard
IAM . . . . . . . . . Information Aggregation Mechanism
IEM . . . . . . . . . Iowa Electronic Market
SIGKKD . . . . . Special Interest Group on Knowledge Discovery and Data Mining
US . . . . . . . . . . . United States
öS . . . . . . . . . . . österreichischer Schilling
iv

1
Einführung
,,If only HP knew what HP knows, we would be three-times more productive."
1
Ob Wis-
sensmanagement im Unternehmen oder Umfragen zu kommenden Wahlen, das Problem
ist beide Male das Gleiche: ,,Wie können über mehrere Personen gestreute Informationen
gesammelt und zugänglich gemacht werden?" Hayek (1945) sprach bereits von der Fähig-
keit von Märkten Informationen zu sammeln. Aktionäre werden z. B. Meldungen über die
künftige Ertragslage eines Unternehmens nutzen, um daran den fairen Wert seiner Akti-
en zu beurteilen und entsprechend zu handeln. In Prognosemärkten wird diese Rolle der
Märkte genutzt, um Vorhersagen zu bestimmten Ereignissen treffen zu können. Seit 1988
wird an der Universität von Iowa daher der Iowa Electronic Market (IEM) betrieben, um
u. a. Vorhersagen zu den amerikanischen Präsidentschaftswahlen zu treffen. Der Erfolg
dieses Marktes und die Verbreitung des Internets, in dem sich Informationen schnell ver-
breiten, hat zu einem steigenden Interesse an Prognosemärkten in den letzten Jahrzehnten
geführt. Der Anwendungsbereich ist stark gewachsen und erstreckt sich mittlerweile von
der Vorhersage von Oscar-Nominierungen
2
bis hin zur Wahrscheinlichkeit einer Mondba-
sis vor dem Jahr 2025.
3
Auch große Konzerne nutzen mittlerweile Prognosemärkte um
bessere Entscheidungen treffen zu können (Cowgill et al., 2009). Dem Urteil der Märkte
kommt daher große Bedeutung zu, da es Einfluss auf die Wahl und Umsetzung von teuren
Investitionen haben kann.
Angesichts dessen stellt sich im Rahmen dieser Arbeit die Frage, ob Prognosemärkte in der
Lage sind stets effiziente Vorhersagen zu treffen, die dieser Rolle gerecht werden. In Kapitel
2 wird dafür als erstes eine theoretische Grundlage geschaffen, welche die Grundprinzi-
pien, auf denen diese Märkte aufbauen, erklärt. Dabei wird gezeigt, wie Prognosemärk-
te Wahrscheinlichkeiten und Erwartungswerte schätzen können, indem Marktteilnehmer
auf ihnen handeln. In Kapitel 3 wird verglichen, wie effizient Prognosemärkte in der
Vergangenheit in verschiedenen Anwendungsbereichen waren. Als traditionelle Vorher-
sagemethoden dienen hier Umfragen und Expertenmeinungen als Vergleichsgegenstand.
In Kapitel 4 wird das Augenmerk auf offene Fragen und Ineffizienzen gelegt, welche die
Grenzen dieser Märkte als Vorhersagemethode aufzeigen. Im letzten Kapitel werden die-
se Erkenntnisse abgewogen und verdeutlicht, unter welchen Umständen die Vorhersagen
eines Prognosemarkets zur Entscheidungsfindung genutzt werden können.
1
Lewis E. Platt, CEO Hawlett-Packard (1992-1999)
2
Hollywood Stock Exchange (www.hsx.com)
3
Foresight Exchange (www.ideosphere.com)
1

2
Grundlagen
2.1
Markteffizienzhypothese
Nach Fama (1970) behauptet die Markteffizienzhypothese, dass Preise an Fianzmärkten
in der Hinsicht effizient sind, dass verfügbare Informationen durch Händler bereits einge-
preist wurden. Es lassen sich drei Formen der Informationseffizienz unterscheiden. In der
schwachen Form sind alle Informationen aus vergangenen Preisen bereits im aktuellen
Preis reflektiert. Zukünftige Preise können nicht an Hand der Vergangenheit, z. B. durch
Trendfolge, vorhergesagt werden. Bei der mittelstarken Form sind zusätzlich alle zurzeit
verfügbaren öffentlichen Informationen bereits im Preis enthalten. Auf neue Informatio-
nen reagiert der Preis unverzüglich, sodass es nicht möglich ist durch diese Informationen
eine Überrendite zu erwirtschaften. In der starken Form sind letztendlich alle Informa-
tionen, also auch private Insiderinformationen, zu jeder Zeit im Preis reflektiert. Fama
sieht diesen Extremfall nicht als realistisch an und schlägt vor, ihn als Vergleichsbasis
zu nutzen. Das Verbot von Insiderhandel sollte in der Theorie ebenfalls gegen die starke
Form der Informationseffizienz sprechen. Gesetze können aber Verstöße nicht verhindern.
Fama (1970) berichtet von empirischen Untersuchungen die seine Annahme, dass Prei-
se Informationen effizient reflektieren, unterstützen. Nach der Markteffizienzhypothese
sind daher auch auf Prognosemärkten alle vorhandenen und für die Vorhersage relevan-
ten Informationen durch die Marktteilnehmer eingepreist. Dies macht es möglich davon
auszugehen, dass Preise auf Prognosemärkten genau Vorhersagen ermöglichen.
2.2
Arten von Prognosemärkten
Ein Prognosemarkt bindet die Auszahlung eines Kontraktes an den Ausgang eines Ereig-
nisses. Solche Ereignisse können aus den verschiedensten Bereichen wie z. B. Sport, Wirt-
schaft und Politik stammen und müssen eindeutig beschrieben werden. Dies geschieht
meist durch die Koppelung eines erwarteten Zustandes an einen zeitlichen Rahmen z. B.
,,Die Partei X zieht bei der Bundestagswahl 2013 in den Bundestag ein." Wolfers and Zit-
zewitz (2004) sprechen von drei Arten von Prognosemärkten, die sich hauptsächlich durch
ihre Auszahlungsstruktur unterscheiden. Dadurch lassen sich unterschiedliche Parameter
wie die Wahrscheinlichkeit des Eintretens eines Ereignisses oder den Mittelwert und Me-
dian einer unbekannten Menge erheben. Bei einem winner-takes-all -Kontrakt erhält der
Inhaber einen festgelegten Betrag, z. B. $ 1, falls das beschriebene Ereignis eintritt. Tritt
das Ereignis nicht ein, so zahlt der Kontrakt $ 0 aus. Der Preis eines solchen Kontraktes
wird sich daher zwischen $ 0 und $ 1 bewegen. Bei Ablauf des Kontraktes in dem be-
2

schriebenen Zeitrahmen, wird genau einer der beiden Zustände realisiert sein. Der Preis
ist daher als Wahrscheinlichkeit zu interpretieren, das der Kontrakt $ 1 auszahlt und das
Ereignis eintritt. Marktteilnehmer werden einen Kontrakt der zu $ 0.6 notiert kaufen,
wenn ihre persönliche Einschätzung, dass das Ereignis eintritt größer als 60 % ist. Ist ihre
Erwartung kleiner, werden sie entsprechend verkaufen.
Ein Index-Kontrakt könnte lauten: ,,$ 1 für je 10.000 Stimmen die auf Partei X bei der
Bundestagswahl 2013 entfallen". Im Gegensatz zum winner-takes-all -Kontrakt ist die end-
gültige Auszahlungshöhe anfangs nicht bekannt. Ein Marktteilnehmer würde diesen Kon-
trakt zu $ 140 kaufen, wenn er davon ausgeht, dass Partei X mehr als 1.4 Millionen
Stimmen erhält. Bei letztendlich 1.5 Millionen Stimmen würde er $ 150 pro Kontrakt er-
halten für die er $ 140 pro Kontrakt investiert hat. Bei weniger als 1.4 Millionen Stimmen
erleidet er daher einen Verlust. Der Preis gibt in diesem Fall Aufschluss darüber, welchen
Mittelwert an Stimmen die Marktteilnehmer erwarten.
Ein Spread-Kontrakt hat feste Kosten von $ 1 und zahlt $ 2, wenn z. B. ,,Partei X mehr als
y* % der Stimmen bei der Bundestagswahl 2013 erhält", anderenfalls verliert der Inhaber
seinen Einsatz. Ein Marktteilnehmer kann also nur eine unterschiedlich große Anzahl an
Kontrakten kaufen z. B. 10 Kontrakte zu y*=47. Durch dieses Handeln ändert sich y*. Bei
einem Kosten/Auszahlung-Verhältnis von 1:2 müssen also zu y* genau soviele Kontrakte
gekauft wie verkauft worden sein. Die eine Hälfte an Marktteilnehmern verdoppelt dabei
ihren Einsatz, während die andere ihren verliert. y* stellt somit einen Wert dar, bei dem
genau die Hälfte der Marktteilnehmer mehr als y* % der Stimmen für Partei X erwarten.
Dieser Wert wird Median genannt.
Durch Kombination und Abwandlung dieser Typen lassen sich weitere Informationen
über ein Ereignis erlangen. Eine Serie von winner-takes-all -Kontrakten sind in der Lage
die Wahrscheinlichkeitsverteilung für dieses Ereignis zu enthüllen. Jeder Kontrakt müss-
te dafür in unserem Beispiel in der Art ,,Die Partei X erhält zwischen x % und y % der
Stimmen bei der Bundestagswahl 2013" jeweils einen eigenen Bereich markieren, für den
dann die Wahrscheinlichkeit erhoben wird. Durch hinzufügen von Nebenbedingungen bei
der Beschreibung des Ereignisses, lässt sich der Einfluss dieser Nebenbedingungen auf
das Ereignis untersuchen. Hierbei ergibt sich aber das Problem Ursache von Wirkung zu
trennen.
3

2.3
Funktionsweise von Prognosemärkten
Um solche Vorhersagen mit hoher Genauigkeit zu ermöglichen, muss nach Snowberg et al.
(2012) ein Prognosemarkt drei Voraussetzungen erfüllen.
Als erstes muss er einen Mechanismus bieten, um Informationen zu sammeln. Im häufigs-
ten Fall geschieht dies durch einen bei Finanzmärkten üblichen Auktionsprozess, bei dem
Nachfrager angeben, wie viele Kontrakte sie zu einem Geldkurs bereit sind zu kaufen.
Gleichzeitig geben Anbieter an, zu welchem Briefkurs sie welche Mengen an Kontrakten
verkaufen würden. Im Gleichgewichtspreis stimmen die Erwartungen beider Seiten über-
ein und die größtmögliche Anzahl an Kontrakten wird gehandelt. Ein weiterer Markt-
mechanismus ist der Totalisator, welcher gewöhnlich bei Pferdewetten angewandt wird.
Jeder Marktteilnehmer setzt einen Betrag auf das Eintreten oder Nicht-Eintreten eines
Ereignisses. Aus dem Verhältnis des auf den jeweiligen Zustand gesetzten Geldes zum
Gesamtbetrag aller Wetten ergibt sich die Quote. Bis zum Schließen des Marktes sieht
jeder Marktteilnehmer die Quote, wie wenn keine weiteren Wetten mehr entgegengenom-
men werden würden. Die Gewinner erhalten ihren Einsatz multipliziert mit der Quote
zurück, sodass alles Geld an die Gewinner verteilt wird. Der Vorteil dieses Mechanis-
musses ist, dass die Marktteilnehmer keinen direkten Handelspartner brauchen und bei
dünnen Märkten die mangelnde Liquidität nicht die Effizienz des Marktes beeinflusst. Die
durch Hanson (2002) begründeten market scoring rules belohnen einen einzelnen Markt-
teilnehmer, wenn er eine genaue Vorhersage macht. Andere Teilnehmer werden versuchen
diese Vorhersage zu übertreffen, um den Gewinn zu erhalten der von einem market maker
bereitgestellt wird. Wie auch beim Totalisator besteht hier kein Liquiditätsproblem. Dem
market maker entstehen dabei aber Kosten um die Vorhersage zu erheben.
Die Aussicht auf Gewinn erklärt auch die zweite Voraussetzung die ein Markt erfüllen
muss, um genaue Vorhersagen zu ermöglichen. Märkte müssen anreizkompatibel sein,
d. h. die Marktteilnehmer müssen einen Grund haben, ihre wahre Erwartung preiszuge-
ben. Der Wettbewerb mit anderen Markteilnehmern um monetäre Gewinne zwingt sie
dabei, für ihre Erwartung auch mit ihrem Geld einzustehen. Dadurch wird das cheap-
talk -Problem gelöst, welches bei Umfragen zum selben Ereignis entsteht. Die Antwort
des Marktteilnehmers auf die Umfrage hätte keinen Einfluss auf seinen eigenen Nutzen
und wahrheitsgemäße Aussagen sind damit nicht garantiert (Farrell and Rabin, 1996).
Die Gewinne müssen dabei nicht monetär sein, um Anreizkompatibilität zu gewährleis-
ten. Nach Servan-Schreiber et al. (2004) sind auch Spielgeldmärkte in der Lage, genau
Vorhersagen zu treffen. Die Aussicht auf Highscore-Ränge kann Markteilnehmer genug
motivieren, ihre wahren Erwartungen durch den Marktmechanismus einzupreisen. Die
dritte Voraussetzung, die ein Markt erfüllen muss, ist es, die Suche nach neuen Informa-
tionen zu belohnen. Marktteilnehmer können sich spezialisieren, um auf neue Informa-
4

tionen als Erste zu reagieren und von der folgenden Preisbewegung zu profitieren. Dies
führt dazu, dass wie in Kapitel 2.1 angesprochen, der Markt informationseffizient wird
und neue Informationen sich schnell im Preis niederschlagen. Ein Beispiel dafür ist der
winner-takes-all -Markt auf das Ereignis ,,Osama Bin Laden wird vor Dezember 2011 ge-
fasst". Nach einem Tweet eines ehemaligen Stabschefs des früheren Verteidigungsministers
Donald Rumsfeld notierte der Kontrakt binnen weniger Minuten bei $ 99, noch bevor die
allgemeinen Nachrichtensender davon berichteten.
Abbildung 1: Marktteilnehmer suchen neue Informationen (Snowberg et al., 2012, S. 7).
5

2.4
Marginal-Trader-Hypothese
Es ist nicht davon auszugehen, dass sich alle Marktteilnehmer stets rational verhalten.
Der Markt führt zwar zu einer Selbstselektion, sodass vor allem Personen handeln die
davon ausgehen, gut über das Ereignis informiert zu sein, aber auch wenig informier-
te Händler werden sich aus verschiedenen Motiven beteiligen. Dies könnte aus Hedging-
Absichten sein, oder um ihre eigene Neigung z. B. zur Präsidentschaftswahl auszudrücken.
Ein Prognosemarkt muss also in der Lage sein, diese Neigungen zu filtern, um eine un-
verzerrte Vorhersage zu ermöglichen. Forsythe et al. (1992) untersuchte dazu den Iowa
Political Stock Market für die US Präsidentschaftswahl 1988. Die freiwillig teilnehmenden
Händler wurden dazu postalisch nach ihrer politischen Einstellung befragt. Die Händler
waren leicht stärker den Republikanern zugeneigt und favorisierten George Bush, als das
im Vergleich in einer davon unabhängigen Umfrage von CBS/New York Times während
derselben Zeitspanne der Fall war. Diese Neigung schlug sich in den Transaktionen der
jeweiligen Parteianhänger nieder. Nach Debatten der Präsidentschaftskandidaten kauften
beide Lager jeweils weitere Kontrakte, die ihre Kandidaten favorisierten, da sie als Ge-
winner angesehen wurden. Trotzdem erwies sich die Vorhersage des Prognosemarktes als
präziser als jede der 6 großen Meinungsforschungsinstitute. Es wurde vermutet, dass der
Preis auf dem Prognosemarkt nicht maßgeblich vom Durchschnittshändler, welcher nach
den Umfragen eine Neigung besaß, beeinflusst wurde. Stattdessen, hat eine Gruppe mar-
ginaler Händler diese Verzerrungen für Arbitragemöglichkeiten genutzt und dadurch den
Preis korrigiert. Um marginale Händler zu identifizieren, wurde untersucht, wer an min-
destens 3 Tagen während der gesamten Marktlaufzeit Limitorder innerhalb von 2 Cent
am Marktpreis hielt. Es konnten so 22 der 192 Händler als marginale Händler identifiziert
werden. Diese Händler investierten im Schnitt doppelt so viel Geld, handelten an mehr
Tagen und konnten eine Medianrendite von 9.6 % erwirtschaften. Der Rest der Händler
konnte hingegen nur eine Medianrendite von 0 % erwirtschaften. Die Marginal-Trader-
Hypothese besagt daher, dass, solange eine Gruppe von Händlern sich rational verhält,
Märkte effizient funktionieren können.
6

3
Vorhersagegenauigkeit
In diesem Kapitel wird die Vorhersagegenauigkeit verschiedener Prognosemärkte beleuch-
tet. Prognosemärkte finden in vielen Bereichen Anwendung und konnten im Sportbereich
präzise Vorhersagen machen (Servan-Schreiber et al., 2004). Laut Pennock et al. (2001)
konnten Marktteilnehmer des Hollywood Stock Exchange die Kassenerfolge von Filmen
oft besser vorhersagen als Branchenexperten. Bei der Erstellung von Wirtschaftsprogno-
sen fanden Prognosemärkte nach Snowberg et al. (2012) trotz der wachsenden Popularität
aber bisher wenig Beachtung. Sehr großes wissenschaftliches Interesse galt stattdessen den
Politikmärkten. Durch den Iowa Electronic Market bot sich seit 1988 die Möglichkeit, in
einem durch die Universität Iowa kontrollierten Umfeld Daten zu erheben. Ein Grund
für das Interesse an Politikmärkten ist sicherlich auch, dass sich Vorhersagen leicht am
offiziellen Wahlergebnis messen lassen. Um Vergleiche anstellen zu können, werden prak-
tischerweise zu jeder Wahl durch mehrere Meinungsforschungsinstitute eigene Vorhersa-
gen erhoben. Diese Menge an Daten erlaubt es, robuste Aussagen über die Genauigkeit
von Prognosemärkten zu treffen. Da wie in Kapitel 1 angesprochen, große Konzerne mit
mehreren Hunderttausend Mitarbeitern vor dem Problem stehen, dass Wissen über viele
Köpfe verstreut ist, wurde auch in diesem Bereich geforscht. Obwohl weniger Informatio-
nen öffentlich verfügbar sind, da Unternehmen ihre internen Prozesse selten offenlegen,
sind einige Studien vorhanden. Es wird sich in diesem Kapitel auf die beiden Bereiche
Politik und Unternehmen beschränkt.
3.1
In der Politik
Berg et al. (2008) haben mit Hilfe des Iowa Electronic Market, 49 Prognosemärkte zu
Wahlen in verschiedenen Ländern untersucht. Die Stimm- und Sitzverteilungen wurden
dabei mit Index-Kontrakten erhoben. Um die Genauigkeit von Prognosemärkten beurtei-
len zu können, müssen diese direkt mit den Ergebnissen der Wahlen verglichen werden.
Prognosemärkte müssen sich außerdem an Umfragen messen lassen. Die einfachste Me-
thode um die absolute Genauigkeit der Vorhersagen zu prüfen, ist ein Streudiagramm.
Auf der 45
Linie würden sich alle Datenpunkte finden, bei denen das Ergebnis genau
vorhergesagt werden konnte. Eine geringe Streuung um diese Linie ist daher mit einer
guten Vorhersagekraft der Prognosemärkte gleichzusetzen. Abbildung 2 zeigt die Ergeb-
nisse von US Präsidentschaftswahlen, US Senatswahlen, US parteiinterne Vorwahlen und
unterschiedliche Wahlen in anderen Ländern. Die Märkte waren in der Lage, für gerin-
ge sowie auch hohe Ergebnisse genaue Vorhersagen zutreffen. Gerade für die Präsident-
schaftswahlen ist der durchschnittliche absolute Vorhersagefehler besonders niedrig. Dies
7

könnte an der größeren Bedeutsamkeit dieser Wahlen liegen, was zu mehr Aktivität in
diesen Märkten geführt hat. Allerdings stehen hier auch weniger Stichproben zur Ver-
fügungen. Auffällig sind drei Ausreißer bei den parteiinternen Vorwahlen, die alle aus
dem Jahr 1992 stammen. Unklar ist hier, ob bestimmte Umstände zu diesen extremen
Abweichungen geführt haben. Ohne diese Ausreißer scheinen die restlichen US Wahlen
mit einem durchschnittlichen absoluten Vorhersagefehler von ca. 2 % von den Märkten
genauso gut vorhergesagt worden zu sein, wie Wahlen in anderen Ländern.
Um Prognosemärkte und Umfragen vergleichen zu können, muss geklärt werden, welcher
Preis des Marktes als Vorhersage herangezogen wird. Berg et al. (2008) haben dabei den
Preis um Mitternacht vor dem Wahlabend, sowie einen mit dem Volumen gewichteten
Durchschnittspreis der letzten Woche vor den Wahlen herangezogen. Es wird argumen-
tiert, dass der Mitternachtspreis alle Informationen die relevant sein könnten repräsen-
tiert. Der gewichtete Durchschnittspreis ist hingegen näher an der Zeitspanne, während
der auch die letzte Umfrage vor der Wahl erhoben wurde. Abbildung 3 zeigt ein Bal-
kendiagramm, das die absolute Vorhersagegenauigkeit der Umfragen, mit der der beiden
Marktpreise vergleicht. Aus der Ausarbeitung von Berg et al. (2008) wird leider nicht
deutlich, ob hier gegen jeweils eine einzige Umfrage verglichen wurde, oder ob mehre-
re dafür gemittelt wurden. Bis auf zwei Ausnahmen liegen die Vorhersagen der beiden
Marktpreise sehr nahe beieinander. Verglichen mit dem Mitternachtspreis unterliegt die
Umfrage dabei in 9 von 15 Fällen.
Das Potential der Märkte zeigt sich erst, wenn die gesamte Wahlkampfkampagne im Ver-
lauf betrachtet wird. Abbildung 4 zeigt die vorhergesagte prozentuale Führung von Bill
Clinton in der US Präsidentschaftswahl 1996. Dieser Markt hat in Abbildung 3 mit seinem
Mitternachtspreis auffallend schlecht gegen Umfragen abgeschnitten. Es wird deutlich,
dass zwischen den verschiedenen Umfragen eine große Streuung besteht. Auch einzel-
ne Umfrageinstitute verzeichnen starke Schwankungen im Verlauf des Wahlkampfes. Der
Prognosemarktpreis ist hingegen vergleichsweise stabil über den gesamten Zeitraum. Die
durch vertikale Linien dargestellten politischen Ereignisse wie Parteitage und Debatten,
scheinen nur temporär auf den Marktpreis gewirkt zu haben. Innerhalb kurzer Zeit nor-
malisierte sich der Preis wieder, während die Umfragen sichtlich stärker davon beeinflusst
wurden. Lediglich kurz vor der Wahl ist der Markt von seiner richtigen Prognose ab-
gewichen. Der gewichtete Wochen-Durchschnittspreis ist daher, wie in Abbildung 3 zu
erkennen, wesentlich genauer und gleichauf mit dem Vorhersagefehler der Umfragen. Was
zu der großen Abweichung des Marktpreises kurz vor der Wahl führte ist nicht bekannt. Es
wird deutlich, dass Umfragen Momentaufnahmen sind, die die individuelle Wahlpräferenz
erheben, die kurzfristig durch Debatten beeinflusst sein könnten. Prognosemärkte stellen
dagegen die Frage: ,,Wen würden alle wählen?", was dazu führt, dass Neigungen weniger
stark zum Vorschein kommen. Das selbe Bild zeigt sich bei fünf weiteren Präsidentschafts-
8

wahlen in Abbildung 5. Die Prognosemärkte näherten sich stetig dem Endergebnis an,
während Umfragen dies zum Teil stark über- und unterschätzen.
Erikson and Wlezien (2008) argumentieren daher, dass die in Umfragen bekannten vor-
handenen Neigungen heraus gerechnet werden müssten. Nur so ist ein fairer Vergleich
zwischen Märkten und Umfragen möglich. Der Vorsprung eines Kandiaten in frühen Um-
fragen schrumpft gewöhnlich bis zm Wahltag. Dies wird aber nicht in den bloßen Umfrage-
daten repräsentiert, die Zeitpunkt bezogen sind. Mittels Regressionsanalyse konstruieren
sie daher eine Vorhersage, die den erwarteten Vorsprung des Favoriten am Wahltag vor-
hersagt. Für die von ihnen untersuchten vier US Präsidentschaftswahlen zwischen 1992
und 2004 zeigen sie, dass die bereinigten Umfragen die Märkte in vielen Fällen schla-
gen. Erikson and Wlezien (2008) begründen das damit, dass Marktpreise den Favoriten
systematisch unterbewerten, weil zu viel Unsicherheit in den weiteren Fortgang der Wahl-
kampagne interpretiert wird. Rothschild (2009) entgegnet dem, dass der favorite-longshot
bias in Prognosemärkten ebenfalls bekannt ist und bereinigt werden muss, um einen
wirklich fairen Vergleich anzustellen. Er kritisiert auch die kleine Stichprobe an Wahlen,
die von Erikson and Wlezien (2008) genutzt wurden. An Hand von 74 Präsidentschafts-
und Senatswahlen vergleicht er beide Vorhersagemethoden die um bekannte Neigungen
bereinigt wurden. Abbildung 6 zeigt die Differenz der durchschnittlichen mittleren qua-
dratischen Abweichung der Umfragen, zu der des Prognosemarktes. Eine Notierung über
0 zeigt daher, dass der Vorhersagefehler der Umfragen überwiegt. Dies ist besonders lange
vor der Wahl generell der Fall. Rothschild (2009) begründet das damit, dass Umfragen
nur öffentliche Informationen enthalten. Prognosemärkte können aber auch von Personen
gehandelt werden, die vielleicht genauere Informationen z. B. über noch nicht veröffent-
lichte Skandale haben.
Die Vorhersagegenauigkeit weit vor dem Wahltermin wurde auch von Berg et al. (2007)
mit einem einfachen Test verdeutlicht. Es wurde getestet wie oft der Prognosemarkt
genauer als die jeweilige Umfrage zu einer der Präsidentschaftswahlen war. Sind beide
gleichgute Vorhersagemethoden, so müsste der Markt das Ergebnis in nur 50 % der Fälle
besser vorhergesagt haben. Es wurden jeweils unterschiedlich große Stichproben betrach-
tet, die eine bestimmte Anzahl an Tagen vor der Wahl beinhalten. In Tabelle 1 ist zu
sehen, dass 100 Tage vor der Wahl der Prognosemarkt oft zwischen 70 % bis 80 % der
Umfragen schlägt. Dabei sind gerade in den jüngeren Wahlen weit über 100 Umfragen
in der Stichprobe enthalten. Es verwundert nicht, dass die Hypothese, dass der Schätz-
wert von 50 % nicht verschieden ist, selbst zu
=1 % abgewiesen wird. Die Ergebnisse
sind daher hochsignifikant. Allein 1988 scheinen Umfragen und der Prognosemarkt un-
gefähr gleichoft das Ergebnis besser voraus gesagt haben. Dies ist das Jahr in dem der
Iowa Electronic Market das erste mal eingesetzt wurde. Möglicherweise hat die gestie-
gene Popularität über die Jahre erst zu der heutigen Effizienz geführt. Erst 5 Tage vor
9

Details

Seiten
Erscheinungsform
Erstausgabe
Jahr
2013
ISBN (PDF)
9783956846151
ISBN (Paperback)
9783956841156
Dateigröße
3.5 MB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Universität Trier
Erscheinungsdatum
2015 (Februar)
Note
1,7
Schlagworte
Iowa Electronic Market Informationsmarkt Event Future Idea Future Entscheidungsmarkt
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