Lade Inhalt...

Unternehmenswissen sichern, erweitern und übertragen: Wissensmanagement im demografischen Wandel

©2013 Bachelorarbeit 58 Seiten

Zusammenfassung

Der demografische Wandel in Deutschland hat neben gesellschaftlichen Auswirkungen auch Einfluss auf deutsche Unternehmen. Zum einen sinkt die Anzahl verfügbarer Fachkräfte, zum anderen steigt die Lebensarbeitszeit. Beides beeinflusst die Produktivität und Wettbewerbsfähigkeit.
Die vorliegende Arbeit geht der Frage nach, wie Unternehmen dem Verlust von Wissen, bedingt durch den demografischen Wandel, mit Hilfe von aktivem Wissensmanagement entgegenwirken können, um ihre Wettbewerbsfähigkeit aufrecht zu erhalten. Dazu wird untersucht, ob lebenslanges Lernen einen Beitrag dazu leisten kann und mit welchen Methoden das Wissen im Unternehmen gesichert werden kann.
Zunächst erfolgt dabei eine einleitende Übersicht der Teilbereiche Wissensmanagement und demografischer Wandel, bevor im Hauptteil eine Zusammenführung beider Themen vorgenommen wird. Nach Untersuchung der relevanten Handlungsfelder werden die Voraussetzungen für erfolgreichen Wissenstransfer aufgeführt. Es werden außerdem interne und externe Barrieren betrachtet.

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


2.3.1 Wissensmanagementmodelle

Wissenstreppe North

Nachhaltige Wettbewerbsvorteile basieren auf wissensorientierter Unternehmensführung. Dies wird realisiert, indem aus Informationen Wissen generiert wird. Das von North entwickelte Modell der Wissenstreppe verdeutlicht, wie Wissen zur Wettbewerbsfähigkeit beiträgt. Es zeigt den Weg hierarchisch auf, wie aus reinen Zeichen Wettbewerbsfähigkeit entstehen kann. Zeichen werden zu Daten, diese werden durch einen Bezugspunkt zu Informationen. Durch die Vernetzung von Informationen werden sie zu Wissen. Nur wenn Wissen in Form von Handlungen genutzt wird, ist es sichtbar. Aus diesen Handlungen entsteht die Kompetenz der Organisation oder einer Person. Hohe Kompetenzen einer Organisation unterstützen die Wettbewerbsfähigkeit (North, 2011, S. 35 ff.).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 2-1: Die Wissenstreppe (North, 2011, S. 36)

Bausteine des Wissensmanagements

Wissensmanagement basiert auf sechs Kernprozessen, welche durch zwei Ergänzungen vervollständigt werden. Die Kernprozesse bilden dabei Wissensidentifikation, Wissenserwerb, Wissensentwicklung, Wissensverteilung, Wissensnutzung und Wissensbewahrung. Da die Probleme aber auch in der Unternehmensstrategie liegen können, werden diese durch die pragmatischen Bausteine Wissensziele und Wissensbewertung ergänzt. Das Konzept soll Führungskräften helfen, Wissensbestände zu lenken und ihre Entwicklung zu beeinflussen (Probst, 2010, S. 31 ff.).

Die Besonderheit des Modelles liegt darin, dass die Ressource Wissen als ausschließliches, integrierendes Gliederungsprinzip in den Mittelpunkt der unternehmerischen Tätigkeit gestellt wird. Managementprobleme sollen so in Wissensprobleme umgewandelt werden. In folgender Abbildung werden die Bausteine in einem logischen Zusammenhang dargestellt.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 2-2: Die Bausteine des Wissensmanagements (Probst et al., 2010, S. 32)

Potsdamer Wissensmanagement-Modell

Das Potsdamer Wissensmanagementmodell definiert Wissensmanagement auf Basis eines ganzheitlichen Verständnisses des Begriffes. Die Maßnahmen des Wissensmanagements werden hierbei hinsichtlich ihrer Reichweite, ihres Managementbezugs und ihrer organisatorischen Bedeutung eingeordnet.

Die Hauptelemente des Modells sind: Definition der Begriffe Wissen bzw. Wissensmanagement, Aufgaben des Wissensmanagements, Ordnungssystem für Aufgaben des Wissensmanagements sowie eine Übersicht über die unterschiedlichen Arten von Rahmenbedingungen und Handlungsgegenständen, mit denen sich Maßnahmen zur Verrichtung von Aufgaben des Wissensmanagements auseinanderzusetzen haben.

In diesem Modell werden, im Gegensatz zu den Bausteinen des Wissensmanagements, elf Aufgaben benannt, die im Kontext von Wissensmanagement relevant sind. Diese lassen sich in die Bereiche ablauforganisatorische, aufbauorganisatorische und personelle Reichweite untergliedern. Sie unterliegen verschiedenen Rahmenbedingungen, welche Handlungsgegenstand der zu realisierenden Maßnahmen sein können (Gronau, 2012). In folgender Abbildung wird das gesamte Modell dargestellt.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 2-3: Potsdamer Wissensmanagementmodell (Gronau, 2012)

2.3.2 Wissenstransfermodelle

Die Vielzahl von Arten des Wissenstransfers können grundsätzlich in zwei Arten unterschieden werden. Einerseits kann Wissen über soziale Vernetzung übertragen werden (Personifizierungsstrategie). Die Übertragung erfolgt hierbei über den persönlichen Austausch. Andererseits kann die Übertragung durch Kodifizierung der Information realisiert werden (Kodifizierungsstrategie). Dies geschieht durch technische Unterstützung wie beispielsweise digitale Verzeichnisse (Bauer et al., 2007, S. 154).

Drei-Phasen-Modell

Die Notwendigkeit eines effektiven Wissenstransferprozesses kann auf fünf äußeren Umständen beruhen (Ehemann, 2010, S. 54 ff.).

Fluktuation

Es ist eher selten, dass Arbeitnehmer ihr gesamtes Arbeitsleben in nur einem Unternehmen verbringen. Ein Wechsel des Arbeitsplatzes geht meist von dem Arbeitnehmer aus. Gründe hierfür sind beispielsweise höhere Gehaltswünsche, Lust auf Veränderung, allgemeine Unzufriedenheit oder familiäre Erfordernisse. Falls in einem Unternehmen Wissensmanagement nicht aktiv gelebt wird, steht es vor der Aufgabe, das Wissen des Mitarbeiters innerhalb kürzester Zeit zu sichern und auf andere zu übertragen. Mit Fluktuation werden Unternehmen grundsätzlich konfrontiert. In bestimmten Branchen z.B. Unternehmensberatungen kann Fluktuation gewünscht sein, um so neues Wissen in das Unternehmen zu bringen.

Outsourcing

Besonders in Industrieunternehmen werden durch Outsourcing ganze Unternehmensbereiche herausgelöst. Anfangs waren lediglich die Bereiche betroffen, bei denen keine Kernkompetenzen des Betriebes vorhanden waren. Häufig handelt es sich inzwischen jedoch um die eigentlichen Know-how-Quellen. Die Unternehmen verlieren so entscheidendes Wissen, wenn nicht frühzeitig für dessen Sicherung gesorgt wurde.

Strukturelle Veränderungen im Unternehmen

Interne oder externe Faktoren können dazu führen, dass innerhalb eines Unternehmens Veränderungen vorgenommen werden müssen. Einzelne Aufgaben oder auch komplette Organisationseinheiten werden umstrukturiert. Um das vorhandene Wissen in solchen Fällen zu sichern, gilt es, die Wissensträger frühzeitig zu identifizieren, um deren Know-how strukturiert auf andere zu übertragen.

Verkürzte Innovationszyklen

Wissen verliert durch die steigende Komplexität von Produkten und Prozessen mit zunehmender Geschwindigkeit an Wert. Es muss daher permanent gefestigt und erweitert werden. Der Prozess des lebenslangen Lernens wird dadurch unabdingbar.

Demografische Entwicklung

Besonders Unternehmen werden den demografischen Wandel frühzeitig spüren, da sich die Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter schneller reduziert als die Gesamtbevölkerung. Es gilt das Wissen der „Baby-Boom-Generation“ zu sichern, bevor diese aus dem Berufsleben ausscheiden. Hierauf wird in Kapital 4 näher eingegangen. In Zukunft wird es wichtig sein, Maßnahmen zu ergreifen, um das vorhandene Arbeitskräftepotenzial optimal zu nutzen. Es gilt, Beschäftigungsfähigkeiten zu mobilisieren, alters- und alternsgerechte Arbeitsbedingungen zu fördern und Arbeitskräftelücken aufzudecken und zu schließen.

Um die Gefahr des Wissensverlustes aufgrund der vorgenannten Umstände zu minimieren, ist ein funktionierender Wissenstransferprozess unabdingbar. Voraussetzung hierfür ist ein bestehendes Bewusstsein für die Notwendigkeit von Wissenstransfer im Unternehmen. Den gesamten Prozess des temporären Wissenstransfers stellt Ackermann in dem folgenden Modell zusammen.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 2-4: Drei-Phasen-Modell Ackermann

In Phase 1 wird das vorhandene Wissen zunächst identifiziert und dann nach passenden Methoden für den Wissenstransfer gesucht. Ein mögliches Mittel hierfür ist die Wissenslandkarte, auf der das vorhandene Wissen dokumentiert wird. Enthalten sind darin Systeme, Prozesse, Kontaktpersonen, Best Practice, Notfallszenarien etc. Der Nachfolger soll so einen Überblick über die Aufgaben des Vorgängers erhalten. Wichtig ist die Vollständigkeit der Identifikation.

Phase 2 dient der Weitergabe des ermittelten Wissens durch zu bestimmende Methoden zwischen den beteiligten Parteien. Ziel ist Übertragung und Weitergabe des impliziten Wissens.

In Phase 3 wird implizites Wissen in explizites Wissen umgewandelt (vgl. Kapitel 2.2). Dies erfolgt in schriftlicher Form, welche als „Journal“ des Wissenstransfers dienen kann. Das niedergeschriebene Dokument kann zu einem späteren Zeitpunkt erneut genutzt werden, wenn beispielsweise ein Stellvertreter eingearbeitet werden soll (Ackermann, 2008).

Die Umsetzung dieses theoretischen Modells kann in der Praxis auf verschiedene Hindernisse stoßen. Hauptsächlich handelt es sich hierbei um mangelnde Motivation der Beteiligten. Gründe hierfür können Rivalitäten zwischen Abteilungen bzw. Unternehmensteilen oder genereller Widerstand gegen Wandel sein (Probst et al., 2010, S. 163).

Die Spirale des Wissens

Dieses Modell sieht das Grundproblem im Wissensmanagement ebenfalls in der Überführung von implizitem Wissen in explizites Wissen, denn nur in expliziter Form ist es nutzbar. Das dargestellte Modell ist in vier Prozessphasen untergliedert, welche aufeinander aufbauen.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 2-5: Die Spirale des Wissens (Nonaka/Takeuchi, 1995, S. 72)

Die Sozialisation beschreibt die Transformation von implizitem Wissen des Individuums zu eigenem implizitem Wissen. Dies kann beispielsweise durch Beobachtung oder gemeinsame Übungen erfolgen.

Bei der Externalisierung wird impliziertes Wissen in explizites Wissen umgewandelt. Ein Beispiel hierfür ist Herstellung von Analogien mit bereits vorhandenem Wissen.

Im Rahmen der Kombination wird vorhandenes explizites Wissen mit neuem explizitem Wissen zusammengebracht. Beispielsweise wird vorhandenes Wissen auf andere Zusammenhänge übertragen.

Die Internalisierung erläutert den Übergang von explizitem Wissen in implizites Wissen. Dies erfolgt durch Aufnahme, Ergänzung und Neuordnung ihres Wissens. Typisch ist dies auch bei der Methode „Learning by doing“ (North, 2011, S. 48 f.).

Nicht berücksichtigt werden in diesem Modell die Barrieren wie beispielsweise fehlende Bereitschaft der Mitarbeiter zu Weitergabe des Wissens.

3 Demografischer Wandel

3.1 Definition des Begriffs demografischer Wandel

Der Begriff Demografie stammt aus dem Griechischen und setzt sich aus den Worten demos (Volk) und gráphein (schreiben) zusammen. Er beschreibt die wirtschafts- und sozialpolitischen Bevölkerungsbewegungen sowie die Bevölkerungswissenschaft (Duden, 2009).

Bevölkerungsbewegung oder demografischer Wandel erläutert die Veränderungen der Bevölkerungszahl und -struktur. Die Bevölkerungszahl verändert sich permanent beispielsweise durch Geburten, Todesfälle, Ab- und Zuwanderungen und Einbürgerungen, die Struktur beispielweise durch Hochzeiten, Scheidungen oder auch Änderungen der Altersverteilung in Form von Geburten- und Sterberaten oder Veränderung der Lebenserwartung (Ehemann, 2010, S. 3 / Preißing, 2010, S. 4).

Demografischer Wandel beschreibt also die Veränderungen von Größe und Struktur einer Bevölkerung. Nicht alle Facetten berücksichtigend wird der Begriff in Deutschland mit dem Altern der Bevölkerung synonym verwendet. Der Anteil der Älteren steigt stetig gegenüber dem Anteil der Jüngeren (Ehemann, 2010, S. 4). Dieser Aspekt wird im folgenden Kapitel 3.2 näher beschrieben.

Zur Vollständigkeit soll an dieser Stelle noch die Bevölkerungswissenschaft eingeführt werden, welche sich mit den Konsequenzen der Bevölkerungsbewegung/ des demografischen Wandels für Wirtschaft, Politik, Technik, soziale Sicherungssysteme oder Umwelt beschäftigt. Untersucht werden hierbei die Unterschiede in der Größe und Verteilung der Bevölkerung und die daraus resultierenden Konsequenzen für die wirtschaftliche und soziale Situation eines Landes (Gabler, 2013).

3.2 Bevölkerungsentwicklung in Deutschland

Wie in Kapitel 1 beschrieben, widmet sich diese Arbeit der Situation und Entwicklung in Deutschland. Daher wird auf eine Beschreibung der globalen Entwicklung oder das Aufzeigen nationaler Unterschiede verzichtet. Zur Einordnung sei darauf hingewiesen, dass sich Deutschland in die Reihe westlicher Industriestaaten einreiht, welche im Gegensatz zur gesamten Weltbevölkerung negative Wachstumsraten aufweisen. Seit dem Höchststand in 2002 von 82,54 Millionen fiel diese in 2011 auf 81,84 Millionen (Bundeszentrale für politische Bildung, 2012). Auch auf eine deskriptive Betrachtung der Vergangenheit wird zu Gunsten der zukünftigen Entwicklung verzichtet.

Das Statistische Bundesamt rechnet in seiner 12. koordinierten Vorausberechnung der Bevölkerung Deutschlands mit einem Rückgang der Bevölkerung bis 2060 um ca. 21%. Auch wenn eine solch lange Prognose vielen Änderungsparametern unterliegt, zeigt sie doch einen klaren Trend auf (vgl. Abbildung 3-1).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 3-1: Bevölkerungsentwicklung in Deutschland(Statistisches Bundesamt, 2011)[1]

Die Gründe für diese Entwicklung müssen in den beeinflussenden Parametern Lebendgeborene, Gestorbene und im Wanderungssaldo gesucht werden (BMI, 2011, S. 13). So lässt sich ab 2005 eine Zunahme der Todesfälle in Deutschland ablesen.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 3-2: Gestorbene in Deutschland (in 1000) (Statistisches Bundesamt, 2011)3

Demgegenüber sinkt die Zahl der Lebendgeborenen signifikant (vgl. Abbildung 3-3). Mit einer durchschnittliche Kinderzahl je Frau von 1,36 (2009) liegt Deutschland auch im Vergleich der westlichen Industrieländer auf einem der hinteren Plätze und erreicht nicht den für eine konstante Bevölkerung nötigen Durchschnitt von 2,1 Kindern pro Frau (BMI 2011, S. 16).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 3-3: Lebendgeborene in Deutschland (in 1000) (Statistisches Bundesamt, 2011)

Der Wanderungssaldo wird in Deutschland auch zukünftig positiv eingeschätzt. So wird durch die volle Freizügigkeit in der EU seit 2011 mit einem höheren Zustrom an Arbeitnehmern gerechnet, die in Deutschland Beschäftigung suchen. Langfristig werden nach Meinung der Statistiker auch Faktoren wie der Klimawandel zu Wanderungsbewegungen beitragen, so dass insgesamt mit einem positiven Saldo von durchschnittlich 100.000 Menschen pro Jahr für die nächsten Jahrzehnte ausgegangen wird (Statistisches Bundesamt, 2011)

Der aus den Abbildungen 3-2 und 3-3 abzuleitende negative Saldo aus Geburten- und Sterbezahlen kann also bereits heute von diesem angenommenen Wanderungssaldo nicht ausgeglichen werden.

In Bezug auf die Bevölkerungsstruktur fällt besonders der Entwicklung der Lebenserwartung eine besondere Rolle zu. Die kontinuierlich positive Tendenz bzw. Prognose (vgl. Abbildung 3-4) hat Folgen auf die Altersstruktur der Gesellschaft.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 3-4: Entwicklung der Lebenserwartung in Deutschland (BMI, 2011)

In Folge der genannten Entwicklungen ist nicht nur mit einer schrumpfenden Gesamtbevölkerung zu rechnen, sondern auch mit einer weiter alternden Gesellschaft. Dieser Trend ist schon heute Realität (vgl. Abbildung 3-5) und wird sich weiter fortsetzen. Erste Auswirkungen zeigen sich beispielsweise in der Anhebung des Renteneintrittsalters seit 2012.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 3-5: Bevölkerungsvorausberechnung (Statistisches Bundesamt, 2011) 3

3.3 Bedeutung für deutsche Unternehmen

Die oben beschriebenen Entwicklungen sollen in diesem Kapitel in Bezug auf ihre möglichen Auswirkungen auf Unternehmen eingeordnet werden. Entsprechend der Zielsetzung dieser Arbeit werden im Folgenden ausschließlich deutsche Unternehmen betrachtet.

Die Auswirkungen einer schrumpfenden und alternden Bevölkerung sind vielfältig. Hier sei beispielsweise die einhergehende Reduzierung des Absatzmarktes, die sich ändernde Nachfrage für altersgerechte Produkte oder auch die mögliche Änderung der Vertriebs-Kanäle genannt. Im Folgenden soll aber nicht die Marktperspektive beleuchtet werden, sondern der Mensch als Mitarbeiter und somit als „Produktionsressource“ im Fokus stehen.

Die Sicherung der Verfügbarkeit einer ausreichenden Anzahl von leistungsbereiten, gut qualifizierten und innovationsfreudigen Arbeitskräften wird dabei als Vorrausetzung für eine Wachstums- und Wohlstandsperspektive und damit für die Sicherung des Lebensstandards und der Lebensqualität betrachtet (BMI, 2011, S. 93 f.).

Den größten Wachstumsbeitrag für die deutsche Wirtschaft liefert der technische Fortschritt. Für das dazu notwendige Potenzial in Wissenschaft und Forschung werden vor allem qualifizierte Arbeitsnehmer und Unternehmer benötigt. Gerade in einer alternden Gesellschaft ist es erforderlich, dass Innovationen in Arbeitsprozessen und Märkten angenommen werden müssen. Ein Rückgang der Bevölkerung im erwerbfähigen Alter hat außerdem unmittelbare Auswirkungen auf das Wachstumspotenzial der Volkswirtschaft, da sich angebotsseitig die Zahl der Erwerbstätigen verringert, die Güter und Dienstleistungen produzieren können (BMI, 2011, S. 95 f.).

Gerade Unternehmen werden den in Kapitel 3.2 beschriebenen demografischen Wandel schneller spüren, da die Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter und damit das vorhandene Arbeitskräftepotenzial schneller zurück geht als die Gesamtbevölkerung.

Besonders ab dem Jahr 2020 wird dies spürbar, da dann die stark besetzten Jahrgänge aus dem Erwerbsleben ausscheiden. Durch die rückläufige Entwicklung der Gesamtbevölkerung seit dem Jahr 2003 ist die demografische Entwicklung bereits heute spürbar.

Dazu kommt, dass durch die Trends der technologischen Entwicklung und der anhaltenden Globalisierung der Wirtschaftsaktivitäten die Spezialisierung der deutschen Wirtschaft auf hochwertige Güter und wissensintensive Dienstleistungen mit hohem Forschungs- und Entwicklungsbedarf vorangetrieben wird. Dieser Wandel führt zu einem Anstieg der Nachfrage an hochqualifizierten Arbeitskräften (BMI, 2011, S. 102).

Dem Fachkräftemangel entgegen wirkt die tiefe Nutzung des vorhandenen Arbeitnehmerpotentials. Obwohl laut einer Auswertung des Statistischen Bundesamtes das Arbeitskräftepotential der Personen im Alter zwischen 20 und 64 bereits seit 1997 sinkt, steigt die Zahl der Erwerbsfähigen in gleichem Zeitraum an. Gründe hierfür sind eine gestiegene Erwerbsbeteiligung und der deutliche Rückgang der Arbeitslosigkeit (BMI, 2011, S. 100 f.). Dies gilt auch für die Gruppe der älteren Arbeitnehmer: In der Zeit zwischen 2005-2010 hat sich die Erwerbstätigenquote in der Bevölkerungsgruppe der 55-64-jähringen um gut 12% von 45,4% auf 57,5% erhöht. Diese Entwicklung zeigt, dass deren Arbeitskraft nutzbar gemacht werden kann (BMI, 2011, S. 104).

Daher stellt sich die Frage nach der Produktivität älterer Arbeitnehmer. Die These: “Alterung der Belegschaft wirkt sich negativ auf Produktivität und Wachstum aus, da ältere Erwerbstätige im Arbeitsalltag weniger leistungsfähig sind als jüngere.“ sei wissenschaftlich nicht belegt, hält das BMI fest. Entscheidend für Produktivität sei nicht alleine die physische und kognitive Leistungsfähigkeit, sondern ebenfalls Erfahrungswissen und soziale Kompetenz. Entscheidend für die Produktivität sei eine altersspezifische Arbeitsverteilung und –organisation. Die produktive Arbeitsfähigkeit könne im höheren Erwerbsalter durch die Verbindung der Fähigkeiten von jüngeren und älteren Beschäftigen auf einem hohen Niveau gehalten werden (BMI, 2011, S. 96).

Daraus leiten sich als Konsequenzen für die Unternehmen zum einen ab, die älteren Beschäftigten effizient und altersgruppengerecht zu integrieren, zu organisieren und zu unterstützen. Zum anderen bekommt der Faktor Wissenstransfer und Wissensmanagement eine höhere Bedeutung, um dem Fachkräftemangel aktiv zu begegnen. Letzteres soll im Folgenden näher untersucht werden.

4 Wissensmanagement im demografischen Wandel

Der demografische Wandel hat einen nachweisbaren Effekt auf die Verfügbarkeit von Mitarbeitern für Unternehmen. Aufgrund von Fluktuation und Fachkräftemangel wird daher der effiziente Einsatz der Mitarbeiter und das Sichern ihres Wissens im Unternehmen immer wichtiger.

Im Folgenden sollen daher Handlungsfelder aufgezeigt werden, innerhalb derer sich diese Problematik aktiv adressieren lässt. Die Umsetzung identifizierter Ziele muss sich dabei an Rahmenbedingungen orientieren und charakteristische Barrieren überwinden. Schließlich wird die Frage nach Methoden für Ihre Umsetzung und deren Eignung betrachtet. Eine Betrachtung der empirischen Datenlage schließt diese Kapitel ab.

4.1 Handlungsfelder im Bereich Wissensmanagement

Ziele des Wissensmanagements für Unternehmen lassen sich aus Kapitel 3.3 ableiten. Neben der Identifikation generischer Ziele auf Basis unterschiedlicher Handlungsfelder, soll im Folgenden auch der Prozess der Zieldefinition beschrieben werden. Im Fokus steht hierbei der Wissenstransferprozess.

Unternehmen (das jeweilige Management) müssen sich die Frage stellen, ob durch den Alterungsprozess der Mitarbeiter des Unternehmens eine Einschränkung der Leistungsfähigkeit zu erwarten ist und welche Maßnahmen frühzeitig ergriffen werden können, um negative Entwicklungen zu vermeiden. Bislang hatten Unternehmen keine Schwierigkeiten junge und qualifizierte Arbeitskräfte auf dem Markt zu finden. Daher wurden älteren Arbeitsnehmern aktiv Vorruhestandsregelungen angeboten. Künftig wird es eine steigende Anzahl älterer Beschäftigter geben, mit denen die kommenden wirtschaftlichen Umbrüche und die damit verbundenen Anpassungsprozesse erfolgreich gemeistert werden müssen. Dies erfordert ein Umdenken und die Definition von entsprechenden Wissenszielen, die sich beispielsweise auf die besondere Qualifikation von 40-50-Jährigen bezieht. Der Fokus sollte demnach nicht ausschließlich auf den fehlenden Nachwuchskräften liegen, sondern vor allem auf der lebenslangen Kompetenzentwicklung und der Förderung der Leistungsfähigkeit älteren Arbeitnehmer (Happe, 2010, S. 17 f.).

Es werden dabei in der Literatur fünf Handlungsfelder unterschieden, in denen Unternehmen aktiv werden sollten, um den demografischen Wandel erfolgreich zu meistern. Dadurch soll festgestellt werden, ob sowohl die strategische als auch die organisatorische Ausrichtung erfolgreich ist (Voelpel et al., 2007, S. 39 ff.).

- Etablierung neuer Denk- und Sichtweisen im Management

Eine der größten Herausforderungen vor denen ältere Arbeitnehmer stehen, sind Vorurteile. Aussagen wie, „sie sind unflexibel“, „gehen neuen Technologien aus dem Weg“ oder „es lohnt sich nicht für sie in Weiterbildung zu investieren, da sie bald gehen“, sind verbreitet (Voelpel et al., 2007, S. 105ff.). Eine neue Denkweise in diesem Bereich zu etablieren, ist in erster Linie die Aufgabe des Managements, da sie die Abläufe und Denkweisen im Unternehmen maßgeblich beeinflussen.

Häufig wird Führungskräften erst bewusst, über welches Wissen ein Mitarbeiter verfügt, wenn er kurz davor ist, das Unternehmen zu verlassen. Oberstes Managementziel sollte es daher sein, eine proaktive Vorgehensweise zu

entwickeln, um frühzeitig über den Wissenstransferprozess das Wissen zu sichern. In zahlreichen Unternehmen wird das Problem des Wissensverlustes nur im Einzelfall betrachtet, was dazu führt, dass Aufwand und Kosten relativ hoch sind. Mit dieser Vorgehensweise kann den Folgen des demografischen Wandels langfristig nicht entgegengewirkt werden. Voraussetzung ist vielmehr die Entwicklung von individuell zugeschnittenen Lösungsansätzen, die dauerhaft und nachhaltig genutzt werden können (Ehemann, 2010, S. 24 f.).

- Unterstützung neuer Prozesse des Wissensmanagements

Da der demografische Wandel eine Gefahr für den Wissensbestand darstellt, sind nachhaltige Maßnahmen nötig, um das Wissen zu bewahren. In den nächsten 10 bis 15 Jahren geht ein Großteil der Baby-Boom-Generation in den Ruhestand.

Es gilt, dieses Wissen durch geeignete Maßnahmen im Unternehmen zu halten. Genau dieses Know-how kann als „Deep Smarts“ bezeichnet werden. Deep Smarts entwickeln sich aus Erfahrungen und sind somit nicht kurzfristig übertragbar. Die Entwicklung basiert auf der praktischen Tätigkeit innerhalb des Unternehmens (Ehemann, 2010, S. 42). Leonard und Swap (2005, S.1) bezeichnen Deep Smarts als den Motor eines Unternehmens. Sie basieren nicht alleine auf Intelligenz und Fachwissen. Vielmehr haben sie die Fähigkeit, komplexe Situationen schnell zu erfassen und umgehend eine scheinbar intuitive und richtige Entscheidung zu treffen. Die Basis sind Erfahrungen, die sich langsam entwickeln und nicht von außen in das Unternehmen gebracht werden können. Die englische Definition lautet:

“Deep smarts are a potent form of expertise based on first-hand life experiences, providing insights drawn from tacit knowledge, and shaped by beliefs and social forces. Deep smarts are as close as we get to wisdom. They are based on know-how more than know-what - the ability to comprehend complex, interactive relationship and make swift, expert decisions based on that system level comprehension but also the ability, when necessary, to dive into component parts of that system and understand the details. Deep smarts cannot be attained through formal education alone - but they can be deliberately nourished and grown and, with dedication, transferred or recreated.”

Deep Smarts bezeichnen also Expertise basierend auf eigenen Erfahrungen und implizitem Wissen, geformt von Überzeugung und gesellschaftlichen Kräften. Sie können damit als Weisheit bezeichnet werden.

Da sich Deep Smarts über einen langen Zeitraum aufbauen, ist es schwer sie zu transferieren. Das Ziel besteht darin, vorhandene Deep Smarts zu transferieren und neu zu schaffen. Dies geschieht auf Basis gezielt gesteuerter Erfahrungssammlung, was man durch gelenkten Praxiserwerb, gelenkte Beobachtung, gelenktes Problemlösen und angeleitetes Experimentieren erreichen kann. Die Grundlage bildet die kontextabhängige Erkennung bestimmter Muster (Voelpel et al., 2007, S. 150).

- Einführung neuer Praktiken und Werkzeuge im Human Resources Management

Der Bereich Human Resources (Personalwirtschaft) übernimmt eine wichtige Rolle, da hier die Steuerung der Wissenstransferprozesse angesiedelt ist. Eine erfolgreiche Steuerung setzt jedoch zunächst eine zeitgemäße Denkweise voraus. Ruhestandsregelungen, Entlohnungssysteme oder Karrierewege beruhen häufig auf einem starren Muster. Früher standen vor allem Aspekte wie Sicherung des Arbeitsplatzes, umfassende Arbeitgeberleistungen und Rentenpakete im Vordergrund. Heute wird die Qualität der Arbeit und des Arbeitsplatzes immer wichtiger. Ziel der Unternehmen und deren Human Resources sollte es daher sein, die Mitarbeiter emotional an das Unternehmen zu binden, um deren Engagement zu maximieren und das Wissen zu bewahren (Voelpel et al., 2007, S. 232 ff.).

- Einführung angemessener Arbeitsumgebung, Arbeitsgestaltung und Werkzeuge (Technologie und Ergonomie)

Seit einigen Jahren werden die Arbeitsbedingungen von Beschäftigten verbessert, um die Arbeit zu erleichtern. Die Anzahl an Berufskrankheiten ist zurückgegangen, was meist eine Verbesserung der Arbeitseinstellung mit sich bringt. Vor dem Hintergrund der immer älter werdenden Arbeitnehmer werden Rahmenbedingungen wie Arbeitsumgebung, Arbeitsgestaltung, Arbeitsorganisation aber vor allem auch Trainings- und Weiterbildungsmaßnahmen immer wichtiger (Ehemann, 2010, S. 32).

- Einführung neuer Prozesse im Gesundheitsmanagement

Ältere Arbeitnehmer kämpfen häufig mit Vorurteilen die sich auf ihren Gesundheitszustand beziehen. Dabei wird unterstellt, dass sie häufig krank seien und so hohe Kosten für Unternehmen verursachen. Auch wenn dies weder bestätigt noch entkräftet werden kann, gilt es hier anzusetzen und aktiv zu werden. Vor dem Hintergrund der zunehmend geistigen Tätigkeiten wird sich der Gesundheitsbegriff immer weiter weg von den rein körperlichen Beschwerden entwickeln. Vor allem der Bereich der Psyche drängt sich immer weiter in den Vordergrund. Die Leistungsfähigkeit eines Menschen basiert laut Voelpel et al. (2010, S. 169) auf den Bereichen körperlich-physische, geistig-mentale und emotionale Gesundheit.

Da das Unternehmenskapital in Form von Wissen in den Köpfen der Arbeitnehmer sitzt, gilt es auch den Bereich Gesundheitsmanagement zu berücksichtigen, um die Ressource „Arbeitnehmer“ zu nutzten, zu erhalten und auszubauen.

Die genannten Handlungsfelder stecken den Unternehmen den Rahmen für Ziele und den Prozess ihrer Definition. Im Folgenden wird Beides ausgeführt.

[...]


[1] Ergebnisse der 12. koordinierten Bevölkerungsvorausberechnung/Variante Untergrenze der „mittleren“ Bevölkerung

Details

Seiten
Erscheinungsform
Erstausgabe
Jahr
2013
ISBN (PDF)
9783956845901
ISBN (Paperback)
9783956840906
Dateigröße
3.1 MB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Fachhochschule Südwestfalen; Abteilung Meschede
Erscheinungsdatum
2015 (Februar)
Note
1
Schlagworte
Unternehmen lebenslanges Lernen Fachkräftemangel Wissenstransfer Wissen

Autor

Colline Unterhalt geb. Müller, B.A., wurde 1981 in Wiesbaden geboren. Ihr berufsbegleitendes Studium der Wirtschaftswissenschaften an der Fachhochschule Südwestfalen schloss die Autorin 2013 mit dem akademischen Grad Bachelor of Arts in Business Administration erfolgreich ab. Der Titel dieser Arbeit ergab sich aus ihrer beruflichen Tätigkeit als Filialleiterin einer Bank.
Zurück

Titel: Unternehmenswissen sichern, erweitern und übertragen: Wissensmanagement im demografischen Wandel
book preview page numper 1
book preview page numper 2
book preview page numper 3
book preview page numper 4
book preview page numper 5
book preview page numper 6
book preview page numper 7
book preview page numper 8
book preview page numper 9
book preview page numper 10
book preview page numper 11
book preview page numper 12
58 Seiten
Cookie-Einstellungen