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Die Sanierungsklausel des Körperschaftsteuergesetzes als rechtswidrig gewährte Beihilfe nach den Verträgen der Europäischen Union?

©2012 Bachelorarbeit 51 Seiten

Zusammenfassung

Im Zuge der Wirtschaftskrise 2008 hatte die Bundesregierung die Sanierungsklausel, § 8c Abs. 1a KStG, eingeführt, um die Sanierung von Unternehmen bei Veräußerung zu erleichtern. Daraufhin hatte die Kommission der Europäischen Union, diese Maßnahme der Prüfung bezüglich der Qualifizierung dieser Klausel als rechtswidrig gewährte Beihilfe angestrebt und als solche auch qualifiziert. Derzeit ist ein Feststellungsverfahren beim Europäischen Gerichtshof anhängig, der die Einstufung der Klausel prüft. In diesem Buch werden die Regelung des § 8c Abs. 1a KStG und die Vorgängerregelung des § 8 Abs. 4 KStG a.F. miteinander verglichen, um eine mögliche Kontinuität des Gesetzgebung bzgl. der Sanierungsklausel aufzuzeigen. Hierbei werden die Argumente der EU-Kommission und der Bundesregierung gegenüber gestellt, um die Richtigkeit der Qualifizierung der Sanierungsklausel als rechtswidrig gewährte Beihilfe zu bewerten.

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


2.1.2 Zu den Regelungsinhalten

Nach § 8 Abs. 4 KStG a.F. sind vom Regelungsinhalt der Norm Körperschaften betroffen. Da Körperschaften rechtsfähige Personenvereinigungen sind, sind Vermögensmassen von der Anwendung ausgeschlossen.[1] Neben der Wahrung der rechtlichen Identität setzt der § 8 Abs. 4 KStG a.F. auch den Erhalt der wirtschaftlichen Identität für den Verlustabzug nach § 10d EStG voraus. Die Wahrung der rechtlichen Identität ist gegeben, solange die Rechtsfähigkeit der Körperschaft erhalten bleibt, wobei auch die formwechselnde Umwandlung in eine andere Körperschaft sowie eine Sitzverlegung diesem nicht entgegensteht.

2.1.2.1 Der Verlust der wirtschaftlichen Identität

Der Gesetzgeber hatte den Begriff der wirtschaftlichen Identität nicht legal definiert,[2] daher generierte die Finanzverwaltung (FinVerw.) für die Auslegung des § 8 Abs. 4 KStG a.F. den sog. Hauptanwendungsfall.[3] Dieser besagt, dass eine Kapitalgesellschaft ihre wirtschaftliche Identität i.S.d. § 8 Abs. 4 KStG a.F. verliert, wenn nach § 8 Abs. 4 S. 2 KStG a.F. mehr als 50 % der Anteile der Kapitalgesellschaft übertragen wurden und der Geschäftsbetrieb mit überwiegend neuem Betriebsvermögen fortgeführt bzw. wieder aufgenommen wird. Sollten die beiden Tatbestandsvoraussetzungen erfüllt sein, führt dies zum Verlustabzugsverbot für Verluste nach § 10d EStG, die die Körperschaft folglich unter einer anderen wirtschaftlichen Identität erwirtschaftet hat.

2.1.2.1.1 Der schädliche Anteilseignerwechsel

In Bezug auf den Hauptanwendungsfall bezieht sich die FinVerw. bei der Übertragung von Anteilen auf das Nennkapital der Kapitalgesellschaft bzw. Verlustgesellschaft, dem werden für andere Körperschaften Mitgliedschafts- bzw. Beteiligungsrechte gleichgesetzt.[4] Bei einer Übertragung von mehr als 50 % der Anteile wird von einem schädlichen Anteilseignerwechsel gesprochen. Die durch die Verlustgesellschaft selbstgehaltenen Anteile werden bei der Ermittlung der übertragenen Anteile mitberücksichtigt, indem auf den veräußerten Nennbetrag der Anteile im Verhältnis zum Gesamtbetrag abzüglich des Betrags der selbst gehaltenen Anteile abgestellt wird.

Nach Auffassung der FinVerw. kann auch die Übertragung von mehr als 50 % der Stimmrechte in bestimmten Fällen zum Verlust der wirtschaftlichen Identität führen.[5] Die Literatur ist anderer Auffassung, denn eine Übertragung von Stimmrechten ruft weder beim ursprünglichen Anteilseigner noch beim Stimmrechterwerber eine Veränderung der Vermögensposition hervor.[6] Ebenso sollen die Übertragung von Genussrechten, Bezugsrechten oder weiteren schuldrechtlichen Verpflichtungen mit einer Anteilsübertragung nicht gleichgesetzt werden können. Bei der Übertragung der Anteile ist es jedoch unerheblich, ob die Übertragung entgeltlich oder unentgeltlich oder auf einen oder mehrere Erwerber erfolgt.[7] Einer Anteilsübertragung gleichgesetzt werden die Kapitalerhöhung und Einbringung eines Betriebs, Teilbetriebs oder Mitunternehmeranteils, wenn die neuen Gesellschafter mit mehr als 50 % beteiligt sind, sowie die Verschmelzung einer Gesellschaft auf die Verlustgesellschaft, wenn die bisher nicht beteiligten Gesellschafter mit mehr als 50 % beteiligt sind.[8] Auch die mittelbare Anteilsübertragung kann nach Auffassung der FinVerw. entgegen der Auffassung des BFH zum Verlust der wirtschaftlichen Identität führen.[9] Die Auffassung des BFH begründet sich darin, dass es an einer gesetzlichen Grundlage für die Gleichstellung einer unmittelbaren mit einer mittelbaren Anteilsübertragung fehle.[10] Innerhalb von Konzernstrukturen kann die Übertragung von Anteilen ebenfalls zu einem Verlust der wirtschaftlichen Identität bei der Verlustgesellschaft führen, sofern die mittelbare Beteiligung nicht als mittelbare Beteiligung erhalten bleibt.[11]

2.1.2.1.2 Die Zuführung von überwiegend neuem Betriebsvermögen

Als Betriebsvermögen definiert die FinVerw. das Aktivvermögen, d.h. Anlage- und Umlaufvermögen der Verlustgesellschaft.[12] Im Urteil vom 8. August 2001[13] konkretisierte der BFH die Definition des Aktivvermögens als Anlagevermögen, dem sich die FinVerw. jedoch nicht angeschlossen hat.[14] Darüber hinaus gehören Bilanzierungshilfen, die nicht die Voraussetzungen eines Wirtschaftsgutes erfüllen, ebenfalls nicht zum Aktivvermögen. Immaterielle Wirtschaftsgüter hingegen sind dem Aktivvermögen der Verlustgesellschaft hinzuzurechnen.

Die Zuführung bzw. Finanzierung von Betriebsvermögen kann in Form einer Einlage durch die Gesellschafter oder durch Fremdkapital, aber auch durch Verschmelzung einer Gesellschaft auf die Verlustgesellschaft – somit im Grundsatz von außen – erfolgen.[15] Nutzungseinlagen, die Übernahme von Bürgschaften, Gewährung von Sicherheiten für Kredite oder Leistungen, die nicht als Wirtschaftsgut definiert werden, können nicht als Betriebsvermögen i.S.d. § 8 Abs. 4 S. 2 KStG a.F. angesehen werden. Dennoch können diese Leistungen Dritter ebenfalls i.S.d. § 8 Abs. 4 S. 1 KStG a.F. zum Verlust der wirtschaftlichen Identität bei der Verlustgesellschaft führen.[16] Eine Zuführung von Wirtschaftsgütern, die durch eigene Mittel der Verlustgesellschaft finanziert wurden, stellt keine Zuführung von Betriebsvermögen dar. Nur im Falle eines Branchenwechsel, d.h. „… [durch die] Einstellung des bisherigen Gewerbes und die Neueröffnung des neuen Gewerbes …“ [17], führt die Innenfinanzierung von Wirtschaftsgütern zur Zuführung von Betriebsvermögen.[18] Ob zugeführtes Betriebsvermögen bei der Fortführung bzw. Wiederaufnahme des Geschäftsbetriebs überwiegt, wird durch die gegenständliche Betrachtungsweise ermittelt. Hierbei wird ein Vergleich zwischen dem Betrag des zugeführten Bestands mit dem Bestand vor der Zuführung vollzogen. Wenn der Zugang betragsmäßig den Altbestand übersteigt, überwiegt das neu zugeführte Betriebsvermögen.[19]

2.1.2.1.3 Der Zusammenhang zwischen Anteilseignerwechsel und der Zuführung von Betriebsvermögen

Die FinVerw. war ursprünglich der Auffassung, dass zwischen dem schädlichen Anteilseignerwechsel und der Zuführung von neuem Betriebsvermögen nur ein zeitlicher Zusammenhang und nicht auch ein wirtschaftlicher bestehen musste. Beide Ereignisse mussten innerhalb eines Zeitraumes von fünf Jahren erfolgen, damit die wirtschaftliche Identität verloren ginge. Dieses Kriterium wandte die FinVerw. auch für den schädlichen Anteilseignerwechsel an, wenn Anteile sukzessive übertragen wurden.[20] Dem zeitlichen Zusammenhang wies die herrschende Meinung jedoch nur eine indizielle Bedeutung zu, da sowohl ein Zusammenhang bei der sukzessiven Übertragung sowie ein Zusammenhang zwischen Anteilseignerwechsel und Zuführung von Betriebsvermögen widerlegbar seien, denn auf den wirtschaftlichen Zusammenhang komme es schließlich an.[21] Nach dem Urteil des BFH vom 14. März 2006[22] schloss sich die FinVerw. der Auffassung an, dass ein zeitlicher und wirtschaftlicher Zusammenhang zwischen der Anteilsübertragung und Zuführung des Betriebsvermögens bestehen müsse.[23] Nunmehr geht die FinVerw. vom Vorliegen dieses Zusammenhangs innerhalb einer Zweijahresfrist aus – aber auch bei Überschreiten dieser Frist kann die wirtschaftliche Identität weiterhin verloren gehen.

2.1.2.2 Die Sanierungsklausel

In Fällen der Sanierung von Unternehmen bleibt unter der Erfüllung der Voraussetzungen des § 8 Abs. 4 S. 3 KStG die wirtschaftliche Identität der Körperschaft erhalten und der Verlustabzug nach § 10d EStG, der eine Steuerminderung bzw. -vergünstigung bewirkt, wird daraufhin nicht versagt. Eine Sanierung ist nach herrschender Meinung und nach Auffassung der FinVerw. eine Maßnahme mit dem Ziel „ … ein Unternehmen oder einen Unternehmensträger (juristische oder natürliche Person) vor dem finanziellen Zusammenbruch zu bewahren und wieder ertragsfähig zu machen ….“[24]

Die Körperschaft hat bei Geltendmachung des steuermindernden Anspruchs nachzuweisen[25], dass gem. § 8 Abs. 4 S. 3 KStG a.F. die Zuführung des neuen Betriebsvermögen allein der Sanierung gedient hat, der verlustverursachende Geschäftsbetrieb in einem nach dem Gesamtbild der wirtschaftlichen Verhältnisse beibehalten und durch die Körperschaft fünf Jahre fortgeführt wird.[26]

2.1.2.2.1 Die Zuführung von Betriebsvermögen zum Zwecke der Sanierung

Mit einer plausiblen Prognoseentscheidung kann der Steuerpflichtige den Nachweis erbringen, dass die Zuführung des Betriebsvermögens auch nach Auffassung der FinVerw. allein der Sanierung gedient hat.[27] Die Prognoseentscheidung muss Stellungnahmen zur Sanierungsbedürftigkeit der Körperschaft sowie zur Sanierungsgeeignetheit der gewählten Mittel und zusätzlich eine Beurteilung zur Sanierungsabsicht der Anteilseigener beinhalten.

Die Feststellung der Sanierungsbedürftigkeit der Körperschaft gründet auf der Beurteilung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der Körperschaft sowie auf der Frage, ob der Verzicht auf Zuführung von Betriebsvermögen zum Zusammenbruch des Geschäftsbetriebs führen würde und die Zuführung damit unabdingbar sei. Sollte der Geschäftsbetrieb bereits vorher eingestellt worden sein, so ist nach Auffassung der FinVerw. die Sanierungsbedürftigkeit nicht mehr gegeben. Auch die Verpachtung des Geschäftsbetriebs und ein Branchenwechsel mit Strukturveränderung bei Personal und Anlagevermögen werden als Einstellung des Geschäftsbetriebs angesehen und führen ebenso zur Negierung der Sanierungsbedürftigkeit.[28] Nach der Auffassung der FinVerw. sind die gewählten Mittel nur dann sanierungsgeeignet, wenn das zugführte Betriebsvermögen den notwendigen Umfang nicht wesentlich überschreitet.[29] Die Art der Mittel ist so zu wählen, dass sie der Sanierung des Unternehmens zweckdienlich sind und zur Steigerung der Ertragskraft beitragen.[30] Die Zuführung von Barmitteln und Forderungen kann daher im Gegensatz zur Zuführung von Wirtschaftsgütern – diese müssen hinsichtlich ihres Nutzens für den Geschäftsbetrieb beurteilt werden – als unproblematisch angesehen werden. Darüber hinaus ist ebenso die Höhe der Zuführung für den jeweiligen Einzelfall zu ermitteln, da das Ziel verfolgt wird, den Geschäftsbetrieb in seiner Ertragskraft zu steigern. Eine zu gering bemessene Zuführung ist dem Sanierungszweck nicht förderlich. Aber auch eine zu hohe bzw. übermäßige Zuführung kann mangels Rechtfertigung in Bezug auf den Sanierungszweck zur Ungeeignetheit der Maßnahme führen, weil der zuvor definierte notwendige Umfang signifikant überschritten wird. Die begründete Sanierungsabsicht der Anteilseigner bestimmt sich zum Zeitpunkt der Zuführung des Betriebsvermögens; diese ist begründet, wenn ein Dritter durch objektive Beurteilung unter Beachtung der kaufmännischen Vernunft ebenso die Sanierungsbedürftigkeit des Geschäftsbetriebs und die Sanierungsgeeignetheit der Mittel in gleicher Weiser beurteilt und die Sanierung des Geschäftsbetriebs für erforderlich hält.[31]

2.1.2.2.2 Die Fortführung des Geschäftsbetriebs oder der Erhalt der wesentlichen Betriebsstrukturen

Weiterhin muss die Voraussetzung der zeitlichen Mindestfortführung des verlustverursachenden Geschäftsbetriebs über einen Zeitraum von fünf Jahren erfüllt werden. Die FinVerw. ist der Auffassung, dass es sich bei dem verlustverursachenden Geschäftsbetrieb um den ursprünglichen Geschäftsbetrieb in dem Umfang handelt, der sich während der Verlustphase – spätestens beendet mit Verlust der wirtschaftlichen Identität – im Durchschnitt ergab.[32]

In der Literatur finden sich dazu kontroverse Positionen, worauf die FinVerw. genau abstellt,[33] da jede Kapitalgesellschaft nur einen einheitlichen Geschäftsbetrieb haben kann,[34] sodass eine Ermittlung des verlustverursachenden Geschäftsbetriebs anhand von Quoten schlicht unmöglich ist und so im Endeffekt nur auf den einheitlichen Geschäftsbetrieb in seiner Gesamtheit bezogen werden kann.[35] Relevant wird die Abstellung auf den Umfang des ursprünglichen Geschäftsbetriebs im Hinblick auf die Frage, ob eine schädliche Abschmelzung während des Fortführungszeitraums erfolgt ist. Eine schädliche Abschmelzung des Geschäftsbetriebs liegt vor, wenn dieser um mehr als die Hälfte in seinem Umfang im Vergleich zum Umfang des ursprünglichen Geschäftsbetriebs reduziert wurde. Hierbei werden zur Ermittlung betriebswirtschaftlich messbare Werte wie z. B. Umsatz, Arbeitnehmeranzahl, Auftragsvolumina etc. herangezogen, um den ursprünglichen Umfang mit dem Ist-Umfang zu vergleichen.[36] Diese Verfahrensweise wird auch bei der Würdigung des fortbestehenden Umfangs in Bezug auf den Gesamteindruck der wirtschaftlichen Verhältnisse angewandt. Der Beginn des fünf Zeitjahre betragende Fortführungszeitraumes wird mit der Erfüllung der Voraussetzungen nach § 8 Abs. 4 S. 2 KStG a.F., die zum Verlust der wirtschaftlichen Identität führen, festgelegt.[37] In diesem Zeitraum hat die Körperschaft den Geschäftsbetrieb selbst fortzuführen; weder darf der Geschäftsbetrieb – außer im Zuge einer Gesamtrechtsnachfolge – übertragen werden noch eine schädliche Abschmelzung des Geschäftsbetriebs erfolgen, da dies unweigerlich zu dem Wegfall des Verlustabzuges führen würde.[38]

2.2 Die Norm des § 8c KStG

2.2.1 Zur Historie und Intention des Gesetzgebers

Die bis zur Einführung des § 8c KStG i.d.F. von 2008 geltende Regelung des § 8 Abs. 4 KStG a.F. wurde vom Gesetzgeber für die Praxis als nicht praktikabel in Bezug auf den Zusammenhang der beiden Tatbestandsmerkmale mit Blick auf den Erhalt der wirtschaftlichen Identität angesehen, daher sollte mit der Einführung nur noch auf ein Tatbestandsmerkmal abgestellt werden und so die Anwendung der Norm vereinfacht werden.[39] Der Begrifflich der wirtschaftlichen Identität als Tatbestandmerkmal der Norm wurde aufgeben, jedoch sieht der Gesetzgeber eine Veränderung der wirtschaftlichen Identität, wenn ein anderer Anteilseigener durch Erhöhung seiner Beteiligung maßgeblich auf die wirtschaftliche Ausrichtung der Körperschaft einwirken kann. Im Zuge der Unternehmensteuerreform wurde eine Tarifsenkung von 25 % auf 15 % vollzogen; mit der Einführung der neuen Regelung für Verlustabzugsbeschränkungen sollte die Gegenfinanzierung anteilig erfolgen.

Die Ergänzung des § 8c KStG i.d .F. 2008 mit der Sanierungsklausel erfolgte auf Initiative des Deutschen Bundesrates, der die Notwendigkeit einer Sanierungsklausel mit der Bewältigung der Finanz- und Wirtschaftskrise begründete, da die bisherige Begünstigung der Steuerbefreiung von Sanierungsgewinnen auf dem Billigkeitswege nicht ausreichend sei.[40] Die Sanierungsklausel sollte den Erhalt von vorgetragenen Verlusten im Falle von Unternehmenssanierungen bewirken und so mehr potenzielle Investoren anregen, sich mit verfügbaren Kapital bei sich in der Krise befindenden Unternehmen zu beteiligen. Zusätzlich sollte nach der Auffassung des Bundesrates die sich bisher aufgrund des Verzichtes auf eine Sanierungsklausel ergebende Diskrepanz zwischen einer steuerlichen Begünstigung bei Verstaatlichungen bzw. Teilverstaatlichung von Unternehmen einerseits und eines quotalen oder absoluten Untergangs von Verlustvorträgen bei Unternehmenssanierungen andererseits durch Investoren aus der Privatwirtschaft aufgehoben werden. Die zeitliche Begrenzung der durch das Bürgerentlastungsgesetz Krankenversicherung[41] eingeführte Sanierungsklausel wurde mit Wachstumsbeschleunigungsgesetz[42] aufgehoben. Dadurch sollte die Sanierungsbereitschaft der Privatwirtschaft weiter gefördert werden.[43]

2.2.2 Zu den Regelungsinhalten

Mit § 8c KStG wird für Körperschaften eine weitere Voraussetzung für den Verlustabzug u.a. nach § 10d EStG implementiert, der die Personenidentität bzw. rechtliche Identität voraussetzt.[44] Die Regelungsinhalte des § 8c KStG sollen auf unbeschränkt und beschränkt steuerpflichtige Körperschaften angewendet werden. Entgegen anderer Ansichten, die sich auf den Gesetzeswortlaut stützen,[45] sollen auch nach Auffassung der FinVerw. Personenvereinigungen und Vermögensmassen in den Anwendungsbereich des § 8c KStG fallen.[46] Die Abzugsbeschränkung – Rechtsfolge des § 8c KStG – wird nicht nur auf die nicht ausgeglichenen und nicht abgezogenen negativen Einkünfte – nicht genutzte Verluste – des § 10d EStG angewendet, sondern umfasst nach Ansicht der FinVerw. auch weitere Verlustarten z.B. Verluste i.S.d. §§ 2a, 15a, 15b EStG etc.

2.2.2.1 Der schädliche Beteiligungserwerb

Voraussetzung für eine uneingeschränkte Verlustnutzung ist, dass kein schädlicher Beteiligungserwerb i.S.d. § 8c Abs. 1 S. 1 KStG vorliegt. Der schädliche Beteiligungserwerb beschreibt eine Veränderung der Beteiligungsverhältnisse innerhalb der Körperschaft: Sollten sich diese innerhalb von fünf Jahren i.S.d. § 8c Abs. 1 S. 1 KStG um 25 % ändern, so können nicht genutzte Verluste anteilig nicht mehr geltend gemacht werden. Im Falle einer Veränderung um mehr als 50 % gehen diese nach § 8c Abs. 1 S. 2 KStG vollständig unter.[47] Der schädliche Beteiligungserwerb wurde durch den Gesetzgeber in § 8c Abs. 1 S. 1 KStG legal definiert; danach ist dieser eine innerhalb von fünf Jahren unmittelbare oder mittelbare Übertragung von Anteilen an Nennkapital[48], Beteiligungs-, Mitgliedschafts- oder Stimmenrechten an einen Erwerber oder ein vergleichbarer Sachverhalt. Gleichzeitig setzt der Gesetzgeber die Kapitalerhöhung, wenn diese zur Veränderung des Beteiligungsverhältnisses führt, der Übertragung von gezeichnetem Kapital gem. § 8c Abs. 1 S. 4 KStG gleich. Darauf abstellend sieht die FinVerw. eine die Beteiligungsverhältnisse ändernde Kapitalherabsetzung als einen vergleichbaren Sachverhalt an.[49]

Darüber hinaus sind nach ihrer Auffassung u.a. der Erwerb von Genussrechten nach § 8 Abs. 3 S. 2 KStG oder von eigenen Anteilen bei Veränderung des Beteiligungsverhältnisses sowie Stimmrechtsvereinbarungen, -bindungen oder -verzichte als vergleichbare Sachverhalte anzusehen. Eine unklare Bestimmung des vergleichbaren Sachverhaltes durch den Gesetzgeber birgt eine erhebliche Rechtsunsicherheit in sich, die ggf. erst mit der Rechtsprechung beseitigt werden kann.[50] Daher wird auf diesen Tatbestand nicht weitereingegangen.

Die Übertragung hat gem. § 8c Abs. 1 S. 1 KStG auf einen Erwerber oder ihm nahestehende Person – dem sog. Erwerberkreis[51] – zu erfolgen. Als Erwerber kommt jede natürliche oder juristische Person bzw. jede Mitunternehmerschaft in Frage; weiterhin können aber auch Personen mit gleichgerichteten Interessen als ein Erwerber gem. § 8c Abs. 1 S. 3 KStG auftreten.[52] Diese auf einen Erwerber bezogene Betrachtungsweise ist der Intention des Gesetzgebers geschuldet, da sich nach dessen Auffassung „… die wirtschaftliche Identität der Gesellschaft durch das wirtschaftliche Engagement eines anderen Anteilseigners (oder Anteilseignerkreises) ändert.“ [53] Es ist für das Vorliegen eines schädlichen Beteiligungserwerbs unerheblich, ob der Erwerb unentgeltlich oder entgeltlich[54] bzw. unmittelbar oder mittelbar erfolgte.[55] Mit dem Übergang des wirtschaftlichen Eigentums bzw. Eintragung der Kapitalerhöhung in das Handelsregister wird der Zeitpunkt des Beteiligungserwerbes festgelegt.[56]

Ab diesem Zeitpunkt – ausgelöst durch einen ersten mittelbaren oder unmittelbaren Erwerb – beginnt der erste zu betrachtende Fünfjahreszeitraum für einen Erwerber bzw. Erwerberkreis.[57] Innerhalb des Zeitraumes werden alle Erwerbe bzw. Übertragungen des Erwerberkreises ungeachtet des Bestehens nicht genutzter Verluste bei der Körperschaft zusammengefasst.

Dieser erste Zeitraum gilt für die Betrachtungsweise nach § 8c Abs. 1 S. 1 und S. 2 KStG gleichermaßen. Sollte innerhalb dieses Zeitraumes mehr als 25 % auf den Erwerberkreis übertragen worden sein, so liegt zum einen ein schädlicher Beteiligungserwerb i.S.d. § 8c Abs. 1 S. 1 KStG mit der Rechtsfolge eines anteiligen Verlustgangs vor, zum anderen beginnt für die Betrachtungsweise nach § 8c Abs. 1 S. 1 KStG mit dem nächsten Beteiligungserwerb ein neuer Fünfjahreszeitraum. Für die Betrachtungsweise nach § 8c Abs. 1 S. 2 KStG ist immer noch der Zeitpunkt des ersten Erwerbes Ausgangspunkt. Wenn weitere Erwerbe zur Überschreitung der 50-Prozent-Grenze innerhalb dieses ersten Zeitraumes führen, geht aufgrund des Bestehens des schädlichen Beteiligungserwerbs nach § 8c Abs. 1 S. 2 KStG der Verlust vollständig unter.

2.2.2.2 Die Sanierungsklausel
2.2.2.2.1 Der Sanierungserwerb

Nach § 8c Abs. 1a S. 1 KStG wird der § 8c Abs. 1 KStG nicht angewendet, wenn der Beteiligungserwerb zum Zweck der Sanierung erfolgt ist. Der Gesetzgeber definiert mit § 8c Abs. 1 S. 2 KStG die Sanierung als eine Maßnahme mit dem Ziel, die Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung zu verhindern oder zu beseitigen und die wesentlichen Betriebsstrukturen zu erhalten. Wie der Erhalt der wesentlichen Betriebsstrukturen ermöglicht wird, führt der Gesetzgeber in § 8c Abs. 1a S. 3 KStG abschließend auf.

Der Begriff des Beteiligungserwerbs nach § 8c Abs. 1a S. 1 KStG kann mit dem in § 8c Abs. 1 KStG bestimmten Beteiligungserwerb gleichgesetzt werden, da sich § 8c Abs. 1a KStG auf die Nicht-Anwendung des § 8c Abs. 1 KStG bezieht.[58] Eine Ausweitung des Beteiligungsbegriffs auf Beteiligungsquoten verändernde Kapitalerhöhungen und vergleichbare Sachverhalt ist ebenso denkbar.[59]

Der Gesetzeswortlaut „… zum Zweck der Sanierung …“ kann derart ausgelegt werden, dass bereits mit dem Beteiligungserwerb des Geschäftsbetriebes die Absicht des Erwerbers bestehen muss, die Körperschaft im Ganzen – einheitlicher Geschäftsbetrieb – zu sanieren; dieses ist dem Erwerber auch nachträglich positiv zu unterstellen, wenn er eine der aufgeführten Maßnahmen zum Erhalt der wesentlichen Betriebsstrukturen ergreift.[60] Darüber hinaus kann eine Absicht zur Sanierung nur gegeben sein, wenn die Körperschaft bereits mit Beteiligungserwerb objektiv sanierungsbedürftig ist. Die Maßnahmen zur Sanierung der Körperschaft sollen u.a. die Zahlungsunfähigkeit verhindern und die Ertragskraft steigern; daher ist im Zuge der Mittelwahl die Sanierungsgeeignetheit der Maßnahme und im weiteren Verlauf die Sanierungsfähigkeit der Körperschaft zu berücksichtigen.[61] Die Berücksichtigung kann mittels einer Prognose bzw. eines Sanierungsplans erfolgen, der gleichzeitig als ergänzender Nachweis für die Voraussetzungserfüllung für eine Sanierung i.S.d. § 8c Abs. 1a S. 2 KStG herangezogen werden kann.

[...]


[1] Vgl. Schloßmacher (Fn. 22), § 8 KStG Rn. 421/425, dort auch zum folgenden Text.

[2] Vgl. Köllen/Vogl/Wagner, Lehrbuch Körperschaftsteuer, Rn. 771.

[3] Vgl. BMF-Schreiben vom 16.04.1999 - IV C 6 – S 2745-12/99, BStBl. I 1999, 455, Rn. 1.

[4] Vgl. BMF-Schreiben (Fn. 29), Rn. 3/24; Köllen/Vogl/Wagner (Fn. 28), Rn. 795, dort auch zum folgenden Text.

[5] Vgl. BMF-Schreiben (Fn. 29), Rn. 30.

[6] Vgl. Schloßmacher (Fn. 22), § 8 KStG Rn. 427.

[7] Vgl. BMF-Schreiben (Fn. 29), Rn. 3/5.

[8] Vgl. BMF-Schreiben (Fn. 29), Rn. 26.

[9] Vgl. BMF-Schreiben (Fn. 29), Rn. 28.

[10] Vgl. Schloßmacher (Fn. 22), § 8 KStG Rn. 447.

[11] Vgl. BMF-Schreiben (Fn. 29), Rn. 28; Schloßmacher (Fn. 22), Rn. 448.

[12] Vgl. BMF-Schreiben (Fn. 29), Rn. 9.

[13] BFH, Urteil vom 08.08.2001, I R 29/00, BStBl. II 2002, 392.

[14] Vgl. Schloßmacher (Fn. 22), § 8 KStG Rn. 451/452, dort auch zum folgenden Text.

[15] Vgl. BMF-Schreiben (Fn. 29), Rn. 9; Schloßmacher (Fn. 22), § 8 KStG Rn. 451.

[16] Vgl. Schloßmacher (Fn. 22), § 8 KStG Rn. 452, dort auch zum folgenden Text.

[17] Köllen/Vogl/Wagner (Fn. 28), Rn. 789.

[18] BFH, Urteil vom 5.6.2007, I R 106/05, BStBl. II 2008, 986, Leitsatz.

[19] Vgl. Köllen/Vogl/Wagner (Fn. 28), Rn. 788.

[20] Vgl. BMF-Schreiben (Fn. 29), Rn. 6/12.

[21] Vgl. Schloßmacher (Fn. 22), § 8 KStG Rn. 449/461.

[22] BFH, Urteil vom 14.3.2006, I R 8/05, BStBl. II 2007, 602.

[23] Vgl. BMF-Schreiben vom 2.8.2007 - IV B 7 - S 2745/0, 2007/0337332, BStBl. I 2007, 624, dort auch zum folgenden Text.

[24] BMF-Schreiben vom 27.3.2003 - IV A 6 - S 2140-8/03, BStBl. I 2003, Rn. 1; vgl. Schloßmacher (Fn. 22), § 8 KStG Rn. 471.

[25] Vgl. BMF-Schreiben (Fn. 29), Rn. 23; Schloßmacher (Fn. 22), § 8 KStG Rn. 484.

[26] Vgl. BMF-Schreiben (Fn. 29), Rn. 13.

[27] Vgl. BMF-Schreiben (Fn. 29), Rn. 14ff.; Schloßmacher (Fn. 22), § 8 KStG Rn. 471ff., dort auch zum folgenden Text.

[28] Vgl. BMF-Schreiben (Fn. 29), Rn. 18ff.; Schloßmacher (Fn. 22), § 8 KStG Rn. 472.

[29] Vgl. BMF-Schreiben (Fn. 29), Rn. 14.

[30] Vgl. Schloßmacher (Fn. 22), § 8 KStG Rn. 473, dort auch zum folgenden Text.

[31] Vgl. Schloßmacher (Fn. 22), § 8 KStG Rn. 474, dort auch zum folgenden Text.

[32] Vgl. BMF-Schreiben (Fn. 29), Rn. 15.

[33] Vgl. Fischer, NZI 1998, 14, 20; Schloßmacher (Fn. 22), § 8 KStG Rn. 480.

[34] Vgl. BMF-Schreiben (Fn. 29), Rn. 8.

[35] Vgl. Fischer, NZI 1998, 14, 20; Schloßmacher (Fn. 22), § 8 KStG Rn. 480.

[36] Vgl. BMF-Schreiben (Fn. 29), Rn. 17, dort auch zum folgenden Text.

[37] Vgl. BMF-Schreiben (Fn. 29), Rn. 21ff, dort auch zum folgenden Text.

[38] Vgl. BMF-Schreiben (Fn. 29), Rn. 16/22; Schloßmacher (Fn. 22), § 8 KStG Rn. 481ff.

[39] BT-Drucks. 16/4841 vom 27.03.2007, S. 33ff./74ff.

[40] BR-Drucks. 168/1/69 vom 23.03.2009, S. 33, dort auch zum folgenden Text.

[41] Zur Bezeichnung siehe Fn. 4.

[42] Zur Bezeichnung siehe Fn. 7.

[43] BT-Drucks. 17/15 vom 9.11.2009, S. 10.

[44] Vgl. Tipke/Lang, Steuerrecht, §9 Rn. 63.

[45] Vgl. Suchanek in: Herrmann/Heuer/Raupach, Kommentar zu Einkommensteuergesetz und Körperschaftsteuergesetz, § 8c KStG Rn. 9.

[46] Vgl. BMF-Schreiben vom 4.7.2008 - IV C 7 - S 2745-a/08/10001, BStBl. I 2008, 736, Rn. 1ff, dort auch zum folgenden Text.

[47] Vgl. Köllen/Vogl/Wagner (Fn. 28), Rn. 799; BT-Drucks. 16/4841 vom 27.03.2007, S. 75ff.

[48] Nach Gesetzeswortlaut gezeichnetes Kapital, aber es ist zu unterstellen, dass der Gesetzgeber eigentlich auf das Nennkapital und daher Anteile von Nennkapital abstellen will. Hierzu vgl. Benz, S. 175.

[49] Vgl. BMF-Schreiben (Fn. 72), Rn. 7ff.

[50] Vgl. Suchanek (Fn. 71), § 8c KStG Rn. 28.

[51] Vgl. BMF-Schreiben (Fn. 72), Rn. 3.

[52] Vgl. BMF-Schreiben (Fn. 72), Rn. 24ff.

[53] BT-Drucks. 16/4841 vom 27.03.2007, S. 76.

[54] Vgl. BMF-Schreiben (Fn. 72), Rn. 4.

[55] Vgl. BMF-Schreiben (Fn. 72), Rn. 11.

[56] Vgl. BMF-Schreiben (Fn. 72), Rn. 13ff.

[57] Vgl. BMF-Schreiben (Fn. 72), Rn. 16ff, dort auch zum folgenden Text.

[58] Vgl. Suchanek (Fn. 71), § 8c KStG Rn. 64ff.

[59] Vgl. Fey/Neyer, DB 2009, 1368, 1370.

[60] Vgl. Suchanek (Fn. 71), § 8c KStG Rn. 65ff.

[61] Vgl. Suchanek (Fn. 71), § 8c KStG Rn. 70ff; Fey/Neyer, DB 2009, 1368, 1371.

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Seiten
Erscheinungsform
Erstausgabe
Jahr
2012
ISBN (PDF)
9783956846113
ISBN (Paperback)
9783956841118
Dateigröße
855 KB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Technische Hochschule Wildau, ehem. Technische Fachhochschule Wildau
Erscheinungsdatum
2015 (Februar)
Note
1,3
Schlagworte
Körperschaft Gesetzgeber Steuergesetz Europäische Kommission Rückforderung
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