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Arbeit für alle?! Berufliche Teilhabe von Menschen mit geistiger Behinderung in Deutschland und den USA

©2013 Bachelorarbeit 49 Seiten

Zusammenfassung

Die Vereinten Nationen haben sich in der UN Behinderten Rechtskonvention darauf verständigt, dass Menschen mit Behinderung ein Recht auf Arbeit (auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt) haben und dadurch ihren Lebensunterhalt verdienen dürfen und sollten. Arbeit hat in der modernen Gesellschaft eine Vielzahl von Funktionen und nimmt einen großen zeitlichen Anteil in unserem Leben ein. Grundlegend gilt, dass in westlichen Gesellschaften nur Erwerbsarbeit als „echte“ Arbeit anerkannt wird. Dies hat zur Folge, dass besonders Menschen mit geistiger Behinderung in ihrer Teilhabe an der Gesellschaft eingeschränkt sind. Sie arbeiten meist nicht auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt sondern in Werkstätten für Menschen mit Behinderung. Damit können sie ihren Lebensunterhalt nicht bestreiten.
Dieses Buch will vorhandene Möglichkeit Menschen mit geistiger Behinderung in Deutschland und den USA auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt zu integrieren aufzeigen. Neben den Möglichkeiten der Integration wird auch das bestehende System der Werkstätten für Menschen mit Behinderung dargestellt.
Zum Abschluss werden Möglichkeiten für die Optimierung der Integration bzw. der inklusiven Arbeitsbedingungen dargestellt.

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


3.1 Werkstätten für Menschen mit Behinderung

Die Mehrheit der Menschen mit Behinderung wird in Deutschland immer noch in Werkstätten für Menschen mit Behinderung beschäftigt und betreut.

Die Werkstätten für Menschen mit Behinderung haben im Wandel der Zeit ebenfalls eine Veränderung erlebt, wie dies bereits an der Namensänderung deutlich wird. So hießen die Werkstätten bis zum Jahr 2001 Werkstätten für Behinderte[1]. In ihrem Wandel bleibt aber das Wechselverhältnis von rehabilitativen wie auch erwerbswirtschaftlichen Zielen bestehen[2]. Diese auf den ersten Blick unterschiedlichen Ziele gilt es mit regional sehr unterschiedlichen Rahmenbedingungen miteinander in Einklang zu bringen[3]. Diese Gegensätzlichkeit wird auch an der Definition im § 136 I SGB IX deutlich, nachdem die Werkstatt für behinderte Menschen sowohl eine Einrichtung zur Teilhabe behinderter Menschen am Arbeitsleben, als auch eine Einrichtung zur Eingliederung in den allgemeinen Arbeitsmarkt ist[4]. Die Aufgabenstellung hinsichtlich der Eingliederung auf den allgemeinen Arbeitsmarkt wird auch an der Kooperation mit den Integrationsfachdiensten deutlich (§110 Abs 2 Nr.8 SGB IX).

Bis zu diesem Entwicklungsschritt haben die Werkstätten für Menschen mit Behinderung eine Vielzahl von Veränderungen erleben müssen, beginnend im Jahr 1949 mit den Begriffen wie „Anlernstätten“ oder Förderwerkstätten[5]. Zu Beginn der 1960iger Jahre wurde aufgrund der Initiative der Bundesvereinigung Lebenshilfe das Konzept der „Beschützenden Werkstatt“ entwickelt und eingeführt. Dort war die Zielsetzung die „Förderung der Integration durch Arbeit in einem geschützten Umfeld, arbeitsbegleitende Betreuung und die Befriedigung psychosozialer Bedürfnisse[6] “. Bis zu diesem Zeitpunkt gab es für die Werkstätten keinerlei Aufnahmekriterien. Im Jahr 1974 gab es Veränderungen im Schwerbehindertengesetz. Am Ende dieses Prozesses standen die ersten Anforderungen sowohl an die Werkstätten für Behinderte (wie sie im Schwerbehindertengesetz genannt werden), wie auch für die Aufnahme in die Werkstatt. Die Menschen mit Behinderung mussten „ein Mindestmaß wirtschaftlich verwertbarer Arbeitsleistung[7] erbringen können.“ Die Anforderungen werden im § 52 Abs. 3 SchwerbG geregelt.

Die Anforderungen an die Werkstätten haben sich erst mit der Werkstättenverordnung und dem Schwerbehindertengesetz von 1980 weiter differenziert. Diese Differenzierung war die Grundlage für die heutige Werkstatt für Menschen mit Behinderung, die als solches seit 2001 existiert und deren rechtliche Grundlage sich im SGB IX befindet[8]. Die inhaltliche Grundlage für die Werkstätten für Menschen mit Behinderung ist die „Rehabilitation und Teilhabe[9] “.

Nach dem § 136 SGB IX sollen die Werkstätten für behinderte Menschen (WfbM) den Menschen mit Behinderung eine Teilhabe am Arbeitsleben ermöglichen, wenn diese „nicht, noch nicht oder noch nicht wieder auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt tätig sein können[10] “. Es existiert im § 137 SGB IX ein Rechtsanspruch für Menschen, die aufgrund ihrer Behinderung nicht auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt tätig sein können.

Im Jahr 2011 gab es 721 WfbM mit 2.500 Standorten, in welchen 250.000 Beschäftigte im Arbeitsbereich arbeiteten[11]. Der Leistungsträger für den Arbeitsbereich ist in der Regel der Sozialhilfeträger im Rahmen der Eingliederungshilfe[12]. „Typische Arbeitsbereiche in der WfbM sind Montage, Verpackung, Druck, Holzverarbeitung, Garten- und Landschaftspflege, Küchenservice und Wäscherei[13] “. Für Menschen mit einer geistigen Behinderung ist dies laut Doose[14] immer noch die vorherrschende Form der Beschäftigung. So waren 2006 70% der Beschäftigten in den WfbM Personen mit einer geistigen Behinderung[15]. Grundsätzlich existiert zwischen dem Menschen mit Behinderung und der Werkstatt kein Arbeitnehmerverhältnis sondern ein arbeitnehmerähnliches Verhältnis, welches in einem Werkstattvertrag geregelt sein sollte. In wenigen Fällen existiert ein „ordentliches“ Arbeitnehmerverhältnis. Laut Cramer[16] finden die arbeitsrechtlichen Vorschriften trotzdem Anwendung[17].

An dieser Stelle muss angemerkt werden, dass bei weitem nicht alle Menschen mit einer (geistigen) Behinderung in einer WfbM beschäftigt werden, sondern insgesamt 14.729 Menschen (Stand 2011) in Fördergruppen untergebracht sind[18].

Der § 136 III SGB IX ist eine KANN-Vorschrift, die besagt, dass Fördergruppen nicht zwingend in einer WfbM untergebracht werden müssen, da sie nur organisatorisch angegliedert sind. Diese Vorschrift führt dazu, dass es Bundesländer gibt, wo Menschen mit schweren bzw. Mehrfach-Behinderung nicht einmal im selben Gebäude für die Tagesförderung untergebracht werden, sondern in gesonderten Tagesförderstätten[19]. Diese Kann- Vorschrift ermöglicht die Existenz vieler Varianten für die Betreuung von Menschen, die die Aufnahmekriterien einer Werkstatt nicht erfüllen. So gibt es sowohl Fördergruppen, die in den Wohnstätten angegliedert sind oder in den Werkstätten, daneben gibt es auch Fördergruppen, die selbstständig als Förderstätten oder Tagesförderstätten organisiert sind. Ebenso ist der Schwerpunkt von Fördergruppen nicht geklärt. So legen einige den Schwerpunkt auf Arbeit, während andere in der Verselbstständigung ihren Schwerpunkt haben. Dies resultiert auch aus den fehlenden fachlichen Standards[20]. Diese Vorschrift trägt dazu bei, dass 14.729 Menschen in Deutschland (Stand 2011) aufgrund der Schwere ihrer Behinderung nicht sozialversichert sind und ihre Tagesstruktur völlig abgekoppelt ist von der alltäglichen Relativität der mehrheitlichen Gesellschaft[21].

Die Werkstatt für behinderte Menschen lässt sich in drei Bereiche unterteilen: In dem Eingangsverfahren, den Berufsbildungsbereich und den Arbeitsbereich. In den beiden ersten Bereichen beziehen die Beschäftigten kein Arbeitsentgelt, sondern erhalten vielmehr von dem entsprechenden Rehabilitationsträger eine Geldleistung und ein Ausbildungsgeld durch die Agentur für Arbeit. Dies beträgt im ersten Jahr monatlich 63 Euro und im zweiten Jahr 75 Euro pro Monat[22]. Im Arbeitsbereich liegt der durchschnittliche Monatslohn bei 170 Euro pro Monat. Im Arbeitsbereich der WfbM ist im Jahr 2001 ein Arbeitsförderungsgeld eingeführt worden. Das Arbeitsförderungsgeld erhalten die Beschäftigten mit einem geringeren Entgelt als 325 Euro monatlich. Das Arbeitsförderungsgeld beträgt 26 Euro. In Konstellationen, wo das Entgelt höher ist, wird das Arbeitsförderungsgeld nur anteilig ausbezahlt[23].

Für die Beschäftigten in der Werkstatt wird auch bis auf die Arbeitslosenversicherung in die Sozialsysteme eingezahlt, da davon ausgegangen wird, dass Beschäftigte in der Werkstatt nicht arbeitslos werden können. Für die Berechnungsgrundlage werden Mindestentgelte herangezogen[24]. Bei der Rentenversicherung werden die Beiträge von 80% des Mindestentgelts berechnet. Das waren im Jahr 2012 2.100 Euro Brutto pro Monat in den alten Bundesländern und 1.792 Euro Brutto in den neuen Bundesländern. Dies ermöglicht, dass die Menschen mit Behinderung nach ihrem Renteneintritt nicht von der Grundsicherung leben müssen. Bei der Kranken- und Pflegeversicherung rechnet man mit einem Betrag von 20% des Mindestentgelts, dieser lag im Jahr 2012 bei 525 Euro[25].

3.2 Exkurs Integrationsfachdienste

Die heutigen Integrationsfachdienste sind durch unterschiedliche Projekte und Bewegungen entstanden, zum einen aus der Supported Employment Bewegung aus den USA, die nach Deutschland getragen wurde, desweiteren aus dem Wirken der Elterninitiativen in der Bundesrepublik und als Ergebnis aus unterschiedlichen Modellprojekten[26].

Die Aufgaben des Integrationsfachdienstes (im folgenden IFD) werden in § 110 SGB IX definiert[27]. Beispielsweise kann der Integrationsfachdienst bereits bei der Berufsorientierung, schulischen Betriebspraktika und die Berufswegeplanung unterstützen[28]. Besonders wenn der IFD erst nach der Schule in den Eingliederungsprozess mit einbezogen wird, hat sich ein vierphasiges Verfahren etabliert. Zunächst wird ein Fähigkeitsprofil erstellt, danach wird begonnen Arbeitsplätze zu akquirieren. Wenn ein Arbeitsplatz oder ein Praktikumsplatz gefunden ist, wird der Mensch mit Behinderung auf diesem Arbeitsplatz qualifiziert und erst stückweise die Intensität der Begleitung zurückgenommen[29].

Diese Kooperation existiert noch nicht bundesweit, sondern befindet sich noch in der Projektphase. In den Bundesländern Hessen, Saarland, Berlin und Bremen arbeiten so genannte Fachkräfte für berufliche Integration in Werkstätten für behinderte Menschen[30]. Diese Fachkräfte für berufliche Integration sollen dazu beitragen, dass mehr Beschäftigte der WfbM auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt eine Beschäftigung finden. In Niedersachsen gab es beispielsweise zwischen 2000 und 2006 ein Modellprojekt mit dem Namen „Fachdienste für Qualifizierung und Vermittlung.“ Einige dieser Projekte sind nach der Projektphase nicht in die Regelfinanzierung übernommen worden[31]. Allerdings wurden an vielen Stellen durch die Integrationsämter Integrationsfachdienste gegründet, welche den Auftrag haben, die Integrationsämter bei der Aufgabe zu unterstützen, Menschen mit Behinderung in oder wieder in sozialversicherungspflichtige Arbeitsverhältnisse zu bringen und sie dort zu unterstützen[32]. Die Auftragslage unterscheidet sich von Integrationsfachdienst zu Integrationsfachdienst, da es noch keine einheitliche Rechtsgrundlage gab. Diese gab es erst mit dem Gesetz zum Abbau der Arbeitslosigkeit schwerbehinderter Menschen im Jahr 2000 und wurde im Zuge der Novellierung der Sozialgesetzbücher immer weiter ausdifferenziert[33]. Dies hat zur Konsequenz, dass der Integrationsfachdienst „für die Träger der gesetzlichen Unfallversicherung, die Träger der gesetzlichen Rentenversicherung, die Träger der Sozialhilfe und die Bundesagentur für Arbeit als Rehabilitationsträger[34] “ tätig sein kann.

Eines der wenigen Projekte, welches in die Regelfinanzierung übernommen worden ist, war und ist das Programm JobBudget in Rheinland-Pfalz. Das JobBudget hat es bis jetzt 166 Personen ermöglicht, mit den finanziellen Mitteln, die sonst ihr Werkstattplatz inklusive Betreuung kosten würde, ein unterstütztes Arbeitsverhältnis auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt für sich zu erhalten[35]. Mit dem Budget kann der Lohnzuschuss gezahlt und die notwendige Betreuung organisiert werden[36]. Auf das Modell „JobBudget“ wird in einem späteren Kapitel noch näher eingegangen.

3.3 Ausgelagerte Werkstattarbeitsplätze

Im Jahr 2006 waren nur 3% der Arbeitsplätze in den Werkstätten für behinderte Menschen Außenarbeitsplätze. Dabei schwankt die Zahl der ausgelagerten Arbeitsplätze regional sehr stark, so gibt es in einzelnen Werkstätten bis zu 25% ausgelagerte Arbeitsplätze, in den Stadtstaaten Bremen und Hamburg nur 11% und in anderen Werkstätten fast keine[37]. Ausgelagerte Arbeitsplätze können unterschiedlich organisiert sein. In jeder dieser Varianten bleiben die Beschäftigen in ihrem arbeitnehmerähnlichen Verhältnis zur Werkstatt und behalten somit ihr Entgelt, auch werden die Zahlungen in die Sozialsysteme weiterhin wahr genommen. Die Außenarbeitsplätze können auf Dauer angelegt sein oder als Übergang in den allgemeinen Arbeitsmarkt dienen. Es gibt ausgelagerte Einzelarbeitsplätze, Außenarbeitsgruppen und mobile Dienstleistungsgruppen[38]. Ausgelagerte Einzelarbeitsplätze sind entweder Dauerarbeitsplätze für Menschen mit einer schweren Behinderung, die nicht zu den tariflichen Entgelten beschäftigt werden können oder sie sollen als zeitlich befristeter Übergang in den allgemeinen Arbeitsmarkt nach §5 IV der Werkstattverordnung dienen. Ebenso dient der ausgelagerte Einzelarbeitsplatz der sozialen Integration und der Teilhabe an einem realistischen betrieblichen Arbeitsalltag[39]. Die anderen beiden Varianten von ausgelagerten Arbeitsplätzen haben gemeinsam, dass die Arbeit zwar außerhalb der Werkstatt stattfindet, aber in einer Gruppe von Menschen mit Behinderung, wobei die mobilen Dienstleistungsgruppen jeweils ihren Arbeitstag in der Werkstatt beginnen und beenden, während die Außenarbeitsgruppe dauerhaft in einen Betrieb, der mit der Werkstatt zusammenarbeitet, verlegt wird. Das Ziel ist die soziale Integration der Menschen mit Behinderung. Kritisch ist hierbei sicherlich, dass die Möglichkeit besteht, dass zwei Gruppen getrennt voneinander interagieren und sich eine Parallelstruktur entwickelt, wie etwa eine kleine Werkstatt innerhalb des Betriebs und es keine Berührungspunkte zwischen Menschen mit und ohne Behinderung gibt, wie etwa gemeinsame Pausen.

Als eine Alternative zu einem klassischen Außenarbeitsplatz kann sicherlich das Konzept von XTERN angesehen werden. Ein XTERN ist eine virtuelle Werkstatt und befindet sich in der Projektträgerschaft der Caritas Werkstätten Mayen. Das Projekt wurde 2008 gestartet und es soll der Förderung von betrieblicher Teilhabe außerhalb der vorhandenen WfbM Struktur dienen. Die virtuelle Werkstatt XTERN ist bisher in vier Landkreisen in Rheinland-Pfalz vertreten (Mayen-Koblenz, Ahrweiler, Cochem-Zell und Bernkastel-Kues). Die virtuelle Werkstatt zeichnet sich dadurch aus, dass die Beschäftigten in Betrieben des allgemeinen Arbeitsmarkts tätig sind, aber die Möglichkeiten und Funktionen einer WfbM weiterhin in Anspruch nehmen können und individuell nach einem passenden Nischenarbeitsplatz gesucht wird. Unter Nischenarbeitsplatz können meist neu geschaffene Arbeitsplätze verstanden werden, die mit dem Ziel eingerichtet werden, andere Kollegen durch die Übernahme zeitlich umfangreicher Routineaufgaben zu entlasten[40].

Der Kerngedanke dahinter ist, möglichst viele Menschen mit Behinderung, die dies wünschen, auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt unterzubringen und qualitativ hochwertig zu begleiten, um eine vielfältigere Integration zu ermöglichen, als in einer klassischen Werkstatt für Menschen mit Behinderung. Ebenso ist es möglich, dass Beschäftigte in Integrationsbetrieben beschäftigt werden können[41]. In den Betrieben sind die Beschäftigten nach Bedarf nicht auf sich allein gestellt, sondern es findet auch hier in angemessener Form eine Begleitung am Arbeitsplatz statt. Die Arbeitsplätze sind genauso vielfältig wie die Beschäftigten auch. Sie reichen von der Metallverarbeitung bis hin zu einem integrativen Kindergarten. Neben der „Integration von Werkstattarbeitsplätzen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt“ gestaltet XTERN gemeinsam mit den kooperierenden Unternehmen einen ambulanten Berufsbildungsbereich. Ebenso begleitet XTERN Budgetnehmer, besonders im Bezug auf das Budget für Arbeit[42]. Neben der Integration ist es ebenso möglich, dauerhaft oder vorübergehend in einem Integrationsbetrieb einen Arbeitsplatz zu finden. XTERN arbeitet zum Beispiel mit einem CAP Lebensmittelmarkt zusammen oder mit einem Bauernhof, der sowohl Gartenlandschaftsbau für Auftraggeber übernimmt als auch eine eigene Mosterei betreibt.

3.4 Integrationsbetriebe bzw. Integrationsfirmen

„Integrationsfirmen“ sind Unternehmen, die sich zwar am Markt orientieren, aber trotzdem sozial agieren wollen und einen „hohen Anteil von Menschen mit Behinderung dauerhaft als vollwertige Arbeitnehmer beschäftigen, d.h. mit einer ortsüblichen Entlohnung und als „normalen“ Beitragszahler in die Sozialsysteme[43]. Es gibt unterschiedliche Arten von Integrationsfirmen: marktorientierte Firmen, „Zuverdienst-Firmen“ und „Maßnahme-Firmen“. Die marktorientierten Firmen orientieren sich vollständig am Markt und suchen sich Nichtbehinderte wie auch die behinderten Mitarbeiter nach diesem Gesichtspunkt aus und organisieren die Versorgung der behinderten Mitarbeiter mit externer Hilfe. Die Zuverdienst-Firmen wollen einen Rahmen bieten, in dem Menschen nach langer Phase ohne Erwerbsarbeit wieder für einige Stunden einer Tätigkeit nachgehen können oder Frührentnern diese Möglichkeit bieten. Die Maßnahme-Firmen haben rehabilitative Ziele fokussiert und können weniger Kontinuität gewährleisten, da dies aufgrund von fehlender Finanzierungssicherheit auch gar nicht möglich ist[44].

Im Jahr 2005 gab es in der Bundesrepublik Deutschland 500 Integrationsprojekte mit 17.000 Arbeitsplätzen für Menschen mit Beeinträchtigungen[45], die nach dem § 132 SGB IX Teil des allgemeinen Arbeitsmarktes sind[46]. Dies hat zur Folge, dass die Mitarbeiter dort in einem ordentlichen Arbeitnehmerverhältnis beschäftigt sind und nicht wie in der Werkstatt für Menschen mit Behinderung in einem arbeitnehmerähnlichen Verhältnis, somit haben sie auch alle Rechte und Pflichten wie jeder andere Arbeitnehmer in der freien Wirtschaft auch[47]. Trotzdem können Integrationsfirmen als Brücke zwischen dem allgemeinen Arbeitsmarkt und den Werkstätten für Menschen mit Behinderungen verstanden werden[48]. Auch wenn die Integrationsfirmen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt agieren, zeigen sich Unterschiede zu einer allgemeinen GmbH zum Beispiel, die sich grundsätzlich primär um ihre betriebswirtschaftlichen Probleme kümmern kann[49], während die Integrationsfirmen sich auch um die sozialethische Komponente kümmern und zusätzliche Pflichten erfüllen müssen, wie zum Beispiel mindestens 25% ihrer Arbeitsplätze an schwerbehinderte Menschen zu vergeben und Fördermaßnahmen anzubieten[50]. Gefördert werden die Integrationsfirmen durch Mittel der Ausgleichsabgabe. Diese bundesweite Ausgleichsgabe umfasst ca. 580 Millionen Euro jährlich[51] und wird in einem Ausgleichsfonds verwaltet. Betriebe mit mehr als 20 Angestellten müssen einen gewissen Prozentsatz von Arbeitsplätzen an Menschen mit Behinderung vergeben; wenn sie dies nicht tun, müssen sie pro Monat und nicht besetztem Pflichtplatz eine Ausgleichabgabe leisten[52]. Mit den Mitteln der Ausgleichsabgabe nach der Schwerbehindertenausgleichsabgabeverordnung ist es, in der Folge möglich Betriebe zu fördern, die Menschen mit Behinderung eingestellt haben und zum Beispiel technische Hilfsmittel zur Anpassung des Arbeitsplatzes benötigen[53]. Es werden unter anderem Beratung bei der Gründung oder in Krisen gefördert, aber auch Minderleistungen der Arbeitnehmer ausgeglichen[54]. Oftmals gründen WfbM-Träger selbst eine Integrationsfirma in Form einer Ausgründung, sprich in der Regel einer GmbH oder gGmbH, um einerseits Menschen, die ein höheres Leistungspotenzial, als das durchschnittliche Leistungspotenzial in der WfbM haben, eine Möglichkeit zu geben, sich auch außerhalb der WfbM weiterzuentwickeln bzw. die fehlenden Werkstattplätze zu kompensieren[55].

[...]


[1] Vgl. S. 1; Cramer,H.; Werkstätten für behinderte Menschen; Kommentar; 5. Auflage; C.H. Beck Verlag München; 2009.

[2] Vgl. S. 7; Miller, A.; Ziele in Werkstäten für behinderte Menschen - Die Gestaltung eines Zielsystems als Teil des Qualitätsmangements; Lambertus Verlag; Freiburg im Breisgau; 2005.

[3] Vgl. S. 7; Miller, A.; ebenda.

[4] Vgl. S. 9; Miller, A.; ebenda.

[5] Diese Entwicklungsschritte gelten bis 1990 nur für den westlichen Teil der Bundesrepublik.

[6] S. 62; Schlummer,W./ Schütte,U.; Mitwirkung von Menschen mit geistiger Behinderung Schule, Arbeit, Wohnen; Ernst Reinhardt Verlag; u.a. München; 2006.

[7] S. 62; Schlummer,W./ Schütte,U.; Mitwirkung von Menschen mit geistiger Behinderung Schule, Arbeit, Wohnen; Ernst Reinhardt Verlag; u.a. München; 2006.

[8] Vgl. S. 62; Schlummer,W./ Schütte,U.; ebenda.

[9] Vgl. S. 62; Schlummer,W./ Schütte,U.; ebenda.

[10] S. 82; Cramer, H.; Werkstätten für behinderte Menschen; Kommentar; 5. Auflage; C.H. Beck Verlag; München; 2009.

[11] Vgl. S. 128; Doose, S.; Unterstützte Beschäftigung: Berufliche Integration auf lange Sicht- Theorie, Methodik und Nachhaltigkeit der Unterstützung von Menschen mit Lernschwierigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt- Eine Verbleibs- und Verlaufsstudie; Lebenshilfe Verlag; Marburg; 2012.

[12] Vgl. S. 128; Doose, S.; ebenda.

[13] S. 127; Doose, S.; ebenda.

[14] Vgl. S. 126; Doose, S.; ebenda.

[15] Vgl. S. 126; Doose, S.; Unterstützte Beschäftigung: Berufliche Integration auf lange Sicht –Theorie, Methodik und Nachhaltigkeit der Unterstützung von Menschen mit Lernschwierigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt- Eine Verbleibs- und Verlaufsstudie; Lebenshilfe Verlag; Marburg; 2012.

[16] Ministerialrat a.D. im Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung u.a.

[17] Vgl. S. 127; Doose, S.; ebenda.

[18] Vgl. http://www.bagwfbm.de/page/24; 12:56 Uhr; 07.04.2013.

[19] Vgl. S. 12; Brinkmann,S.; Gleiches Recht für alle? (S.12- 17) in: Fachzeitschrift impulse (04.2009) no.51, BAG UB; 2009.

[20] Vgl. S. 13f.; Brinkmann,S.; ebens:

[21] Vgl. http://www.bagwfbm.de/page/24; 12:56 Uhr; 07.04.2013.

[22] Vgl. S. 127; Doose, S.; Unterstützte Beschäftigung: Berufliche Integration auf lange Sicht- Theorie, Methodik und Nachhaltigkeit der Unterstützung von Menschen mit Lernschwierigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt - Eine Verbleibs- und Verlaufsstudie; Lebenshilfe Verlag; Marburg; 2012.

[23] Vgl. S. 127; Doose, S.; ebenda.

[24] Vgl. S. 127; Doose, S.; ebenda.

[25] Vgl. S, 127; Doose, S.; ebenda.

[26] Vgl. S. 258; Schartmann, D.; Betriebliche Integration durch Integrationsfachdienste (S. 258- 281) In: Bieker,R. (Hrsg.); Teilhabe am Arbeitsleben Wege der beruflichen Integration von Menschen mit Behinderung.

[27] Vgl. http://www.bag-ub.de/ifd/index.htm; 10:00 Uhr; 28.03.2013.

[28] Vgl. S. 95; Doose, S.; Unterstützte Beschäftigung: Berufliche Integration auf lange Sicht –Theorie, Methodik und Nachhaltigkeit der Unterstützung von Menschen mit Lernschwierigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt - Eine Verbleibs- und Verlaufsstudie; Lebenshilfe Verlag; Marburg; 2012.

[29] Vgl. S. 42; Barlsen, J.; Unterstützte Beschäftigung und Integrationsfachdienste im Spiegel empirischer Forschung (S.39-63) In: Barlsen, J./Hohmeier, J.(Hrsg.); Neue berufliche Chancen für Menschen mit Behinderung- Unterstützte Beschäftigung im System der beruflichen Rehabilitation; Verlag selbstbestimmtes Leben; Düsseldorf;2001.

[30] Vgl. S. 132; Doose, S.; Unterstützte Beschäftigung: Berufliche Integration auf lange Sicht - Theorie, Methodik und Nachhaltigkeit der Unterstützung von Menschen mit Lernschwierigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt- Eine Verbleibs- und Verlaufsstudie; Lebenshilfe Verlag; Marburg; 2012.

[31] Vgl. S. 131; Doose, S.; Unterstützte Beschäftigung: Berufliche Integration auf lange Sicht –Theorie, Methodik und Nachhaltigkeit der Unterstützung von Menschen mit Lernschwierigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt- Eine Verbleibs- und Verlaufsstudie; Lebenshilfe Verlag; Marburg; 2012.

[32] Vgl. S. 259; Schartmann, D.; Betriebliche Integration durch Integrationsfachdienste (S.258- 281) in: Bieker ,R. (Hrsg.); Bieker ,R. (Hrsg.); Teilhabe am Arbeitsleben Wege der beruflichen Integration von Menschen mit Behinderung; Verlag W. Kohlhammer; Stuttgart; 2005.

[33] Vgl. S. 260; Schartmann, D.; ebenda.

[34] S. 260; Schartmann, D.; ebenda.

[35] Vgl. S. 131; Doose, S.; Unterstützte Beschäftigung: Berufliche Integration auf lange Sicht –Theorie, Methodik und Nachhaltigkeit der Unterstützung von Menschen mit Lernschwierigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt- Eine Verbleibs- und Verlaufsstudie; Lebenshilfe Verlag; Marburg; 2012.

[36] Vgl. S. 131f.; Doose, S.; ebenda.

[37] Vgl. S. 138; Doose, S.; Unterstützte Beschäftigung: Berufliche Integration auf lange Sicht –Theorie, Methodik und Nachhaltigkeit der Unterstützung von Menschen mit Lernschwierigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt- Eine Verbleibs- und Verlaufsstudie; Lebenshilfe Verlag; Marburg; 2012.

[38] Vgl. S. 128; Doose, S.; ebenda.

[39] Vgl. S. 129; Doose, S.; ebenda.

[40] Vgl. http://www.cwfb.de/html/integration/frame-integration-beiuns.htm; 09:05 Uhr; 10.04.2013.

[41] Vgl. http://www.caritas-werkstaetten.de/html/integration/frame-integration.htm; 08:55 Uhr; 10.04.2013.

[42] Vgl. http://www.caritas-werkstaetten.de/html/integration/frame-modellprojekte.htm; 09:02 Uhr; 10.04.2013.

[43] Vgl. S. 11; Schwendy,A.; Integrationsfirmen in der Wirtschafts- und Arbeitsmarktstruktur- Eine Standortbestimmung in: Stadler,P./ Gredig, C.(Hg.); Die Entwicklung von Integrationsfirmen Ein Kompendium für Soziale Unternehmer/innen; FAF gGmbH; 2005.

[44] Vgl. S. 302; Schwendy,A./ Senner,A.; Integrationsprojekte- Formen der Beschäftigung zwischen allgemeinen Arbeitsmarkt und Werkstatt für behinderte Menschen (S.296- 312) In: Bieker,R. (Hrsg.); Teilhabe am Arbeitsleben Wege der beruflichen Integration.

[45] Vgl. S. 37; Kühn,A./Rüter,M.; Arbeitsmarkt und Behinderung - Neue Herausforderungen an die Soziale Arbeit?- Hildesheimer Schriften zur Sozialpädagogik und Sozialarbeit; Georg Olms Verlag; u.a. Hildesheim; 2008.

[46] Vgl. S. 12; Schwendy, A.; Integrationsfirmen in der Wirtschafts- und Arbeitsmarktstruktur- Eine Standortbestimmung in: Stadler, P./Gredig, C.(Hg.); Die Entwicklung von Integrationsfirmen - Ein Kompendium für Soziale Unternehmer/innen; FAF gGmbH; 2005.

[47] Vgl. S.12f.; Schwendy,A; Integrationsfirmen in der Wirtschafts- und Arbeitsmarktstruktur- Eine Standortbestimmung in: Stadler, P./Gredig, C.(Hg.); Die Entwicklung von Integrationsfirmen - Ein Kompendium für Soziale Unternehmer/innen; FAF gGmbH; 2005.

[48] Vgl. S. 37; Kühn, A./Rüter, M.; Arbeitsmarkt und Behinderung –Neue Herausforderungen an die Soziale Arbeit?- Hildesheimer Schriften zur Sozialpädagogik und Sozialarbeit; Georg Olms Verlag; u.a. Hildesheim; 2008.

[49] Vgl. S. 17; Schwendy, A.; Integrationsfirmen in der Wirtschafts- und Arbeitsmarktstruktur- Eine Standortbestimmung in: Stadler, P./Gredig, C.(Hg.); Die Entwicklung von Integrationsfirmen - Ein Kompendium für Soziale Unternehmer/innen; FAF gGmbH; 2005.

[50] Vgl. S. 15; Schwendy,A.; ebenda.

[51] Vgl. S. 18; Schwendy,A.; ebenda.

[52] Vgl. S. 1850; Nomos (Hrsg.); Gesetze für die Soziale Arbeit; Ausgabe 2011/2012; Nomos Verlag, Baden-Baden; 2011.

[53] Vgl. S. 594; Cramer, H.; Werkstätten für behinderte Menschen; Kommentar; 5. Auflage; C.H. Beck Verlag; München; 2009.

[54] Vgl. S. 18; Schwendy, A.; Integrationsfirmen in der Wirtschafts- und Arbeitsmarktstruktur- Eine Standortbestimmung in: Stadler, P./Gredig, C.(Hg.); Die Entwicklung von Integrationsfirmen - Ein Kompendium für Soziale Unternehmer/innen; FAF gGmbH; 2005.

[55] Vgl. S. 39; Kühn, A./ Rüter, M.; Arbeitsmarkt und Behinderung - Neue Herausforderungen an die Soziale Arbeit?- Hildesheimer Schriften zur Sozialpädagogik und Sozialarbeit; Georg Olms Verlag; u.a. Hildesheim; 2008.

Details

Seiten
Erscheinungsform
Erstausgabe
Jahr
2013
ISBN (PDF)
9783956846212
ISBN (Paperback)
9783956841217
Dateigröße
730 KB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Fachhochschule Braunschweig / Wolfenbüttel; Standort Wolfenbüttel
Erscheinungsdatum
2015 (Februar)
Note
1,5
Schlagworte
Inklusion Integration geistige Behinderung Budget Sheltered Workshop

Autor

Anja Schüler wurde 1988 in Quedlinburg geborgen. Ihr Studium der Sozialen Arbeit absolvierte sie an Ostfalia Hochschule in Wolfenbüttel. Bereits während des Studiums beschäftigte sie sich mit den Themen Behindertenhilfe und Inklusion. Während des Studiums arbeitet sie bereits in unterschiedlichen Bereichen der Behindertenhilfe. Heute arbeitet sie in der außerschulischen Bildungsarbeit und einer ihrer Arbeitsschwerpunkte ist „Inklusion und Jugendverbandsarbeit“.
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