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Altersarmut in Deutschland: Herausforderung für die Sozialpolitik

©2012 Diplomarbeit 75 Seiten

Zusammenfassung

Die Altersarmut in Deutschland ist ein Thema, welchem zukünftig eine große gesellschaftliche Bedeutung zukommen wird und das gleichzeitig zu einer Art sozialem Sprengstoff werden kann, wenn nicht rechtzeitig gegengesteuert wird. Konkret untersucht die Arbeit die Ausgangsvermutung, dass die wesentlichen Ursachen für den voraussichtlichen Anstieg der Altersarmut in Deutschland im demografischen Wandel, in sich wandelnden Erwerbsbiografien und den strukturellen Reformen, besonders im Bereich der Sozialversicherung, begründet sind. Die vorliegende Arbeit soll so einen Beitrag zum Verständnis zukünftig erwarteter Entstehung von Armut im Alter leisten aber gleichzeitig auch die aktuelle Situation beschreiben. Ausgehend von den heute schon sichtbaren Indikatoren für zukünftige Entwicklungen auf dem Gebiet der Sozialpolitik werden Lösungsansätze für die Vermeidung von zukünftiger Altersarmut aufgezeigt.

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


3.3 Deutsches Modell der Alterssicherung

Beim System der Alterssicherung handelt es sich um eine Mischung unterschiedlicher Systeme, Institutionen und Leistungsprinzipien. Im Sinne eines besseren Überblicks lassen sich die Einzelsysteme drei Ebenen zuordnen: der GRV sowie der betrieblichen und privaten Alterssicherung (vgl. Bäcker et al. 2010b, S. 389f.). Im Folgenden werden die einzelnen Ebenen dargestellt. Zielsetzung ist es, einen Überblick über den Aufbau der Alterssicherung zu offerieren.

3.3.1 Grundlagen

Die GRV wird als die erste Ebene der Alterssicherung in Deutschland bezeichnet. Grundlage der GRV ist seit dem 01.01.1992 das SGB VI. Nahezu die gesamte Bevölkerung ist durch die GRV erfasst. Im Jahr 2008 zählten 35 Mio. Personen zu den aktiv Versicherten. Versichert sind alle Personen, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt sind, es existiert ein Versicherungszwang. Jedoch gibt es Ausnahmen, diese betreffen Personen, die über andere Wege versichert sind, wie bspw. Beamte in der Beamtenversorgung. Auch besteht für Selbständige keine Versicherungspflicht. Dennoch können Personen, die nicht in der GRV versichert sind, auf Antrag der Versicherung beitreten (vgl. Datz 2003, S. 21f.).

Wie schon erwähnt, handelt es sich bei der GRV um eine Pflichtversicherung, in von dem beitragspflichtigen Arbeitsentgelt der ein gesetzlich geregelter Prozentsatz erhoben wird. Die Beiträge werden jeweils zur Hälfte vom Arbeitgeber und Arbeitnehmer getragen.

Die Aufgaben und der damit verbundene Leistungskatalog der GRV sind sehr umfangreich. Neben Rehabilitationsleistungen bilden vor allem Rentenleistungen den Kern der GRV. Demnach leistet diese Institution neben der Altersrente, auch Renten wegen Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit sowie Hinterbliebenenrente (ebd., S. 23).

Die GRV blickt auf eine lange Geschichte zurück. Die Wurzeln des Rentensystems liegen vor über 100 Jahren in der Bismarckschen Sozialreform. Bismarck führte 1889 die Rentenversicherung ein, mit dem Ziel, Altersarmut zu vermeiden und somit die Quellen sozialer Unruhen zu unterdrücken. Die Rentenzahlungen waren in dieser Zeit ein bloßer Zuschuss, der einen Bruchteil der Lebensunterhaltungskosten deckte (vgl. Weth 2010, S. 257).

Seit dem Jahr 1957, mit der großen Rentenreform unter Konrad Adenauer, definiert sich das Ziel wie folgt:

Die Leistungen der Rentenversicherung sollen nicht nur das sozio-kulturelle Existenzminimum abdecken, sondern beim Übergang vom Arbeitsleben in den Ruhestand eine Rentenhöhe gewährleisten, die einen Abfall im erreichten Lebensstandard vermeidet und soziale Sicherheit im Lebensverlauf garantiert (Schweppe 2002, S. 127).

Die Lebensstandsicherung liegt ein bestimmtes Sicherungsziel zugrunde, das der Versicherte nach seinem Ausscheiden aus dem Berufsleben als Lohnersatz bekommen soll. Um dieses Ziel zu erreichen, wurden bestimmte Kernelemente in das Rentensystem eingeführt: das Umlageverfahren, das Äquivalenzprinzip sowie die dynamische Anpassung der Rente (vgl. Hegelich 2006, S. 64).

3.3.2 Rentenberechnung

Grundsätzlich bestimmen zwei Faktoren die Höhe der Rente – das beitragspflichtige Arbeitseinkommen, welches der Versicherte im Verlauf des gesamten Arbeitslebens erzielt hat, und die Dauer der versicherungspflichtigen Erwerbstätigkeit. Diese beiden Faktoren spiegeln das Äquivalenzprinzip von Leistung und Gegenleistung wider. Je höher das zurückliegende Arbeitseinkommen und je länger die Beitragszahldauer ist, desto höher fällt die individuelle Rente aus. (vgl. Bäcker 2010b,S. 416)

Deutlich wird das Äquivalenzprinzip anhand der Rentenformel. Die Grundformel berechnet sich nach persönlichen Entgeltpunkten x Zugangsfaktor x Rentenfaktor x aktuellem Rentenwert (vgl. Bäcker et al. 2010b, S. 415).

Persönliche Entgeltpunkte berechnen sich nach dem durchschnittlichen Bruttoeinkommen aller Versicherten eines Kalenderjahres. Ein Entgeltpunkt bedeutet, dass der Versicherte genau das Durchschnittseinkommen aller Versicherten verdient hat. Liegt er unter eins, hat er weniger, liegt er darüber, hat er mehr verdient. Jedoch können nur bis zu einer bestimmten Beitragsgrenze Entgeltpunkte gesammelt werden. (vgl. Viebrock et al. 2004. S. 21)

Obwohl die GRV nach dem Äquivalenzprinzip arbeitet, befinden sich an verschiedenen Stellen Elemente des Solidarprinzips. Diese betreffen be­stimmte biografische Abschnitte oder Ereignisse, in denen Entgeltpunkte erworben werden, obwohl keine Erwerbstätigkeit vorlag und keine Beiträge entrichtet wurden. Dies sind bspw. Zeiten der Kindererziehung, Langzeiterkrankungen, ehrenamtliche Pflege sowie Arbeitslosigkeit. (vgl. Bäcker et al. 2010b, S. 420)

Der Rentenfaktor ist ein Wert, der die Rentenart (z.B. Rente wegen Erwerbsminderung) und das Sicherungsziel, welches erreicht werden soll, berücksichtigt. Bei der vollen Altersrente besteht ein Sicherungsziel von 1,0. Ein niedrigeres Sicherungsziel besteht beispielsweise bei der kleinen Hinterbliebenenrente oder bei der Rente wegen Berufsunfähigkeit.

Zusätzlich zum Rentenfaktor spielt der Zugangsfaktor eine erhebliche Rolle. Für diesen ist der Zeitpunkt des Beginns der Altersrente ausschlaggebend. Der Zugangsfaktor liegt bei der Rente wegen Alters bei 1,0. Die aktuelle Arbeit konzentriert sich auf die Rente wegen Alters, mit dem Sicherungsziel 1.0. Voraussetzung zum Bezug einer Rente wegen Alters ist seit dem Jahr 1916 die Erreichung des 65. Lebensjahrs. Dies gilt für Jahrgänge bis 1946, für die Geburtsjahrgänge ab 1947 wurde eine stufenweise Anhebung der Altersgrenze nach Jahrgangsstufen um jeweils 1 bzw. 2 Monate mit Beginn des Jahres 2012 bis 2029 auf 67 Jahre festgelegt. Zudem muss die allgemeine Mindestwartezeit von fünf Jahren erfüllt sein(vgl. Weth 2010, S. 257). Für einige Personengruppen besteht die Möglichkeit, nach langjährigen Versicherungszeiten z. B. von 35 oder 45 Jahren eine vorgezogene Altersrente zu beantragen. Dies gilt insbesondere für die Altersrente bei langjährig Versicherten, für schwerbehinderte Menschen, wegen Arbeitslosigkeit und nach Altersteilzeit mit 60 Jahren. Bei diesen Formen der Rente findet eine Minderung um jeweils 0,03 Entgeltpunkte pro Monat statt, das heißt, die Rente sinkt pro vorgezogener Monat um 0,3 % (ebd., S. 421f.).

Der aktuelle Rentenwert beschreibt den Wert eines Entgeltpunktes im jeweils maßgeblichen Zeitraum. Der Rentenwert spiegelt die aktuelle Lohn- und Gehaltssituation aller versicherungspflichtigen Beschäftigten wider. Der Rentenwert wird jährlich zum 01.07. neu berechnet und bewirkt damit eine Dynamisierung der Rente, da der Rentenwert den aktuellen Lohn- und Gehaltsentwicklungen entspricht. Die Rentendynamik soll den älteren Menschen garantieren, dass ihre einmal festgelegte Rente an die allgemeine Entwicklung des Lebensstandards angepasst wird. Im Jahr 2011 betrug der Rentenwert 24,37 € (Ost) und 27,47 € (West). Der geringere Rentenwert für die neuen Bundesländer hat seine Ursachen im nach wie vor niedrigeren Lohn- und Gehaltsniveau (ebd.).

Das Rentenniveau bildet das Sicherungsziel der GRV für eine sogenannte Normalerwerbsbiografie. Nur für den erwerbslebenslangen vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmer soll die Rente deutlich oberhalb der Bedarfsgrenze der Fürsorge liegen. Berechnet wird das Rentenniveau anhand des ‚Standardrentners‘, der 45 Jahre lang durchschnittlich verdient und Beiträge gezahlt hat, dieser erhält heute 68 % des durchschnittlichen Nettoverdienstes aller Beschäftigten im Kalenderjahr. Bis zum Jahr 2004 wurde das Nettorentenniveau als Messlatte verwendet. Seit 2005 jedoch wird das sogenannte Sicherungsniveau vor Steuern (SvS) benutzt. Bei dem SvS werden die Standardrente und das Durchschnittsentgelt aller aktiv Versicherten verglichen, berücksichtigt werden jedoch nicht die steuerlichen Belastungen des Arbeitsentgeltes sowie die der Rente. Das Niveausicherungsziel beträgt bis ins Jahr 2030 43 % (vgl. Demel et al. 2008, S. 70ff.).

Da die Rentenformel sehr abstrakt ist,dient im Folgenden ein Beispiel der Darstellung für die Berechnung einer Brutto-Altersrente nach der Rentenformel:

Ein Versicherter weist 40 anrechnungsfähige Versicherungsjahre auf. Im Oktober 2011 bezieht er mit 60 Jahren eine vorgezogene Altersrente. Für jedes Jahr des Erwerbslebens wird das individuelle Einkommen dem Durchschnittseinkommen gegenübergestellt. Während seiner Erwerbsbiographie hat er 120 % des Durchschnittseinkommens verdient. Er erreicht somit 1,2 Entgeltpunkte pro Jahr x seiner 40 Erwerbsjahre, es ergeben sich somit 48 Entgeltpunkte. Da jedoch die Altersrente bereits mit Vollendung des 60. Lebensjahres bezogen wird, also um 60 Monate vorzeitig (60 Monate x 0,03), vermindert sich der Zugangsfaktor auf 0,82. Da es sich hierbei um eine Rente wegen Alters handelt, beträgt der Rentenfaktor 1,0. Die Entgeltpunkte (48) werden mit dem Zugangsfaktor (0,82), dem Rentenfaktor (1,0) und dem Rentenwert multipliziert. Dies führt zu einer Bruttomonatsrente von 1081 € (West) und 959 € (Ost).

Bei dem gerade gezeigten Beispiel handelt es sich um die Bruttorente, von der die individuellen Beiträge zur Kranken- und zur Pflegeversicherung automatisch abgezogen werden. Die Beiträge zur Krankenkasse müssen zur Hälfte vom Rentner getragen werden, die Pflegeversicherung voll. Seit dem Jahr 2005 gilt auch bei den Renten eine nachgelagerte Besteuerung, die jedoch über einen Zeitraum von 45 Jahren hinweg eingeführt wird. Mit dem Jahr 2005 gilt ein Besteuerungsanteil von 50 % des Rentenbetrages. Dieser wird jährlich bis in das Jahr 2020 jeweils um 2 % erhöht, ab dem Jahr 2020 bis zum Jahr 2040 steigt der Besteuerungsanteil um 1 %, sodass im Jahr 2040 jeder Ruheständler seine Alterseinkünfte zu 100 % versteuern muss (vgl. Bäcker et al. 2010b S. 380).Für die Beispielrechnung würde dies nach sich ziehen, dass von der Bruttomonatsrente von 1081 € (West) folgende Abzüge geltend gemacht werden:

- Voller Beitrag zur Pflegeversicherung (1,95%) = 21 €
- Halber Beitrag zur Krankenversicherung (½ x 15,5%) = 83,77 €

Einkommensteueranteil für das Jahr 2011 = 62 % der Altersrente = 670,22 €/Monat bzw. 8042 €/Jahr. Das steuerfreie Existenzminimum liegt bei 7664 €, somit müssen von der Rente ca. 378 € versteuert werden.

3.3.3 Finanzierung

Die Leistungen der GRV finanzieren sich seit 1969 über das Umlageverfahren. Dieses Verfahren, welches häufig auch sinngemäß als Generationenvertrag bezeichnet wird, basiert auf dem Prinzip, dass die erwerbstätige Generation mit ihren Beiträgen zur Rentenversicherung im Wesentlichen die Rente der Ruhestandsgeneration finanziert ( vgl. Geißler 2002, S. 65). Somit werden die Aufwendungen der GRV durch die aktuellen Einnahmen bestritten, welche sich paritätisch auf einen Arbeitgeber- und einen Arbeitnehmeranteil aufteilen. Es wird hierbei kein Kapitalstock aufgebaut. Die Rentenzahlungen einer Periode werden aus den Einnahmen der gleichen Periode geleistet.

Neben den Beitragszahlungen der Versicherten, die die wichtigste Einnahmequelle der GRV darstellen, wird die GRV durch Bundeszuschüsse finanziert, die aus Steuermitteln getragen werden. Die Bundeszuschüsse sollen die Kosten für die der Rentenversicherung übertragenen gesamtgesellschaftlichen Aufgaben abdecken. Hierzu gehören u. a. Kosten für die Anerkennung für Ausbildungszeiten, Kindererziehungszeiten sowie Ansprüche Behinderter in geschützten Einrichtungen (vgl. Datz 2003, S. 24f.). Der Gesamtetat der Rentenversicherungsträger belief sich im Jahr 2007 auf 283,3 Mrd. €. Finanziert wird dieser Betrag zu 73 % aus Beiträgen der Versicherten sowie zu ca. 26 % aus Zuschüssen des Bundes.

3.3.4 Rentenreformen

Mit der Rentenreform von 1957 wurde das deutsche Rentensystem in seiner jetzigen Form mit dynamischer, lohnorientierter, umlagefinanzierter und beitragsabhängiger Rente eingeführt. Zielsetzung der Reform war eine Lebensstandardsicherung nach einem durchgehenden Erwerbsleben. Das Ziel war eine Lösung für das Problem der massenhaften Altersarmut der Rentner, die vom Wirtschaftswunder überwiegend ausgeschlossen blieben. Die nächste große Rentenreform erfolgte 1972 und stand im Zeichen des Ausbaues der GRV. Kernpunkte waren die Einführung einer Rente nach Mindesteinkommen mit dem Ziel der Vermeidung von Altersarmut insbesondere für Versicherte im Niedriglohnsektor. Zudem fand, um die Arbeitsmarktprobleme zu kompensieren, eine massiv genutzte Strategie der Frühverrentung statt. In den anschließenden Jahren gab es viele weitere Änderungsgesetze, die überwiegend kurz- bis mittelfristige Finanzierungslücken betrafen, das System jedoch nicht grundlegend reformierten. Erst mit der Rentenreform im Jahr 1992 stand die Rentenpolitik unter dem Vorrang der finanziellen Sicherung. Der demografische Wandel, die Entwicklung der Wirtschaft sowie des Arbeitsmarktes führten dazu, dass es zu erheblichen Einschnitten in der Berechnung sowie dem Leistungsniveau der GRV kam (vgl. Weth 2010, S. 248). So beinhalteten die Reformmaßnahmen eine stufenweise Anhebung des Renteneintrittsalters auf 65 Jahre. Eine weitere Maßnahme war, dass die Rentenanpassung zukünftig nicht mehr an die Entwicklung der Bruttolöhne, sondern an die der Nettolöhne gekoppelt ist. Dies bewirkt, dass die Renten sinken, wenn Sozialbeiträge oder Steuern bei der erwerbstätigen Bevölkerung steigen. In den Jahren gab es eine Reihe von Änderungsgesetzen, die überwiegend kurz- bis mittelfristige Finanzierungslücken betrafen, das System jedoch nicht grundlegend reformierten.

Die jüngste große Rentenreform 2001, die am 01.01.2002 in Kraft trat, brachte erstmalig erhebliche Veränderungen, die auch als Systemwechsel bezeichnet werden können. Ziel der Rot-Grünen-Regierung war es, die Beiträge bis 2020 auf 20 % und bis 2030 auf 22 % stabil zu halten. Um dieses Ziel umzusetzen, trat eine neue Rentenformel im Rahmen der Rentenstrukturreform in Kraft. Mithilfe der neuen Formel wird das Rentenniveau in den nächsten Jahren spürbar sinken.

So richtet sich seit 2002 die Höhe der Rentenanpassung nach der Entwicklung der Bruttoentgelte. Das bedeutet eine Orientierung der Rentenentwicklung an der Entwicklung des durchschnittlichen Bruttoverdienstes der Arbeitnehmer. Jedoch wird der Bruttolohn um die Arbeitnehmer- und -geberbeiträge zur GRV sowie der Aufwendungen zur privaten Altersvorsorge gemindert (vgl. Bäcker et al. 2008b, S. 15). Eine Kopplung an die Bruttolohnentwicklung führt auf Dauer dazu, dass die Renten sinken, da Steuersenkungen, die sich bei der Nettolohnentwicklung noch positiv auf die Rente ausgewirkt haben, nicht mehr Wirkung zeigen.

Mit der Rentenreform 2004 trat am 1. Januar 2005 das Alterseinkünftegesetz in Kraft, welches innerhalb einer Übergangsphase bis zum Jahr 2050 die stufenweise Umstellung der Beitrags- und Rentenzahlungen auf eine nachgelagerte Besteuerung beinhaltet. Des Weiteren wurde im selben Jahr die Rentenanpassungsformel um einen sogenannten Nachhaltigkeitsfaktor ergänzt. Der Nachhaltigkeitsfaktor bewirkt, dass sich die Rentenanpassung reduziert, wenn sich das Verhältnis von Rentnern zu Beitragszahlern zulasten der Beitragszahler verschlechtert. Aufgrund einer Niveausicherungsklausel wird das Rentenniveau für eine Zugangsrente im Jahr 2020 nicht unter 46 % und bis in das Jahr 2030 nicht unter 43 % vor Steuern sinken (vor der Reform 1957 lag es bei 30 %). Das bisher letzte große Reformvorhaben war die im April 2007 die beschlossene Rentenversicherungs-Altersgrenzenanpassung. Kernpunkt war die Anhebung der Regelaltersrente von 65 auf 67 Jahre, die im Jahr 2012 beginnt und bis zum Jahr 2029 abgeschlossen sein soll (vgl. Benz et al. 2009, S. 13ff.).

Zudem muss noch auf die Besonderheit des Rentensystems in Ostdeutschland hingewiesen werden: Nach der Wiedervereinigung erfolgte eine Angleichung des ostdeutschen an das westdeutsche System und nachfolgend an das bundesdeutsche Sozialrecht. Mit der Wiedervereinigung verpflichtete sich die DDR zu einer Angleichung ihrer Alterssysteme nach dem Vorbild der Bundesrepublik. Am 28. Juni 1989 fand die Implementierung des Rentenangleichungsgesetzes der DDR statt. Die Niveauanpassung erfolgte nach dem Modell des Standard-Rentners. Wer diesem Modell entsprach, bekam 70 % des durchschnittlichen Nettoarbeiterentgeltes der DDR, dies entsprach in etwa 672 DM. Aufgrund der in der DDR herrschenden Vollbeschäftigung ergaben sich hier für einen Großteil der Rentner erhebliche Vorteile und hohe Renten. Für die neuen Bundesländer wurden noch zahlreiche Übergangsregeln in das Rentenrecht aufgenommen, bis es dann im Juli 1996 auf das Verfahren umgestellt wurde, welches auch in den alten Bundesländern herrscht (vgl. Deml et al. 2008, S. 37ff.).

3.4 Ergänzende Modelle der Alterssicherung

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die seit dem Jahr 2001 durchgeführten Reformmaßnahmen das Ziel haben, den Beitragssatz dauerhaft zu stabilisieren. Demgegenüber wird das Rentenniveau stark sinken und im Jahr 2030 nur noch 43 % vor Steuern betragen. Um diesen Verlust auszugleichen, entschied sich die Regierung für einen Ausbau und die Förderung der privaten Altersvorsorge. Im Folgenden wird die betriebliche sowie private Altersvorsorge dargestellt.

3.4.1 Betriebliche Altersvorsorge

Die betriebliche Altersvorsorge (BAV) ist in Deutschland die zweite Säule des Systems der Alterssicherung. Dieser kommt jedoch nur eine ergänzende Funktion zu, da es sich um eine freiwillige Form handelt.

Die grundlegenden Vorschriften zur BAV sind im Gesetz zur Verbesserung der betrieblichen Altersvorsorge – kurz BetrAVG – geregelt. Bei der BAV existieren drei verschiedene Zusagearten. Bei den ersten beiden handelt es sich um die Leistungszusage sowie die betriebsorientierte Leistungszusage. Bei beiden Leistungszusagen verpflichtet sich der Arbeitgeber, einen bestimmten Beitrag in Anwartschaften umzuwandeln oder eine betriebsinterne Rente auszuzahlen. Bei beiden Arten erfolgt die Finanzierung ausschließlich durch den Arbeitgeber (vgl. Datz 2003, S. 3f.).

Bei der Entgeltumwandlung jedoch ist es dem Arbeitnehmer möglich, sich an der Finanzierung seiner BAV zu beteiligen. Im Jahr 2001 besaßen in den westdeutschen Bundesländern etwa 32 % der männlichen und 26 % der weiblichen Angestellten Anwartschaften oder einen Anspruch auf betriebliche Rente (vgl. Wehlau 2008, S. 76).

Jedoch ist perspektivisch mit einer Zunahme der betrieblichen Altersvorsorge zu rechnen, da mit der Rentenreform 2001 die steuerliche Förderung eingeführt wurde und für alle Arbeitnehmer das Recht auf Entgeltumwandlung besteht.

3.4.2 Private Altersvorsorge

Die private Altersvorsorge stellt die dritte Säule im Alterssicherungssystem in Deutschland dar. Da die private Altersvorsorge nicht verpflichtend ist, existiert eine Fülle von individuellen unterschiedlichen Angeboten. Die Finanzierung privater Altersvorsorge erfolgt über das Kapitaldeckungsverfahren, das bedeutet, der Versicherte bildet aus seinen laufenden Einkommen Ersparnisse, aus denen im Ruhestand die Versicherungsleistungen gezahlt werden. Angeboten werden solche Produkte von der Finanzdienstleistungsbranche. Es lassen sich im Wesentlichen folgende Formen der privaten Altersvorsorge unterscheiden: Die klassischen Produkte wie Lebensversicherungen zur Absicherung gegen Tod und Invalidität sowie das Sachkapital wie Wohnungen oder Grundbesitz. Zum anderen dominieren Produkte wie Banksparpläne oder Investmentprodukte (vgl. Wehlau 2008, S. 77).

Der Staat fördert seit 2001 bestimmte definierte private Altersvorsorgeprodukte mit steuerlichen Anreizen oder jährlichen Zuschüssen. So bekommen Alleinstehende einen Zuschuss von bis zu 154 €, Verheiratete 308 € und pro Kind gibt es nochmals einen Zuschuss in Höhe von jährlich 185 €. Jedoch muss der Arbeitnehmer, um diese Vorteile zu erhalten, 4 % seines Bruttoverdienstes in bestimmte Altersversorgungsprodukte investieren. Erfolgt die Investition von weniger als 4 % des Bruttoeinkommens, werden die Zuschläge nur anteilsmäßig einbezahlt (vgl. Bäcker et al. 20010b, S. 457).

3.5 Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung

Im Jahre 2003 wurde das Gesetz über eine bedarfsorientierte Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung (GSIG) eingeführt. Bei der Grundsicherung im Alter handelt es sich um keine Rente, sondern um eine Fürsorgeleistung, welche aus Steuern bezahlt wird.

Anspruchsberechtigt sind nach § 41 Abs. 1 SGB XII Personen mit gewöhnlichem Aufenthalt im Inland, die entweder das 65. Lebensjahr oder das 18. Lebensjahr vollendet haben und unabhängig von der Arbeitsmarktlage voll erwerbsgemindert sind und bei denen unwahrscheinlich ist, dass die volle Erwerbsminderung behoben werden kann (vgl. Trenczek et al. 2008, S. 441).

Zielsetzung der Grundsicherung ist die Bekämpfung der sogenannten „verschämten Armut“. In der Vergangenheit haben sich ältere Menschen trotz Bedürftigkeit gescheut, Leistungen der Sozialhilfe in Anspruch zu nehmen, da sie einen Rückgriff des Sozialamtes auf ihre unterhaltspflichtigen Kinder fürchteten (vgl. BMAS 2006, S. 64).

Die Grundsicherungsleistung wird auf Antrag und nach einer Prüfung der Bedürftigkeit im Rahmen einer Einkommens- und Vermögensprüfung bei dem Hilfebedürftigen sowie bei dessen nicht dauernd getrennt lebendem Partner bewährt. Ein Rückgriff auf unterhaltspflichtige Kinder oder Eltern erfolgt nicht, sofern deren Gesamteinkommen 100.000 € nicht überschreitet (vgl. Deml et al. 2008 S. 116).

Der Umfang der Leistungen der Grundsicherung entspricht weitestgehend dem der Hilfe zum Lebensunterhalt. Folglich soll die Grundsicherung die Aufrechterhaltung des notwendigen Lebensstandards gewährleisten. Der notwendige Lebensunterhalt bemisst sich nach bundeseinheitlichen Regelsätzen, für Alleinstehende beträgt der monatliche Regelsatz 351 €, in Paarhaushalten sind es jeweils 90 % des Eckregelsatzes, also 316 € pro Person. Die Kosten der Unterkunft, die Miete und Nebenkosten umfassen, werden in voller Höhe anerkannt, soweit diese als angemessen betrachtet werden. Weitere Leistungen sind der einmalige Bedarf, dazu gehören beispielsweise die Erstausstattung einer Wohnung, Erstattung für Bekleidung sowie finanzielle Unterstützung bei Schwangerschaft und Geburt. Auch können zur Sicherung der Unterkunft bzw. Vermeidung von Wohnungslosigkeit Schulden in der Form eines Darlehns übernommen werden (vgl. Trenczek et al. 2008, S. 437f.).

4 Die Einkommenssituation im Alter

Im folgenden Kapitel wird die ökonomische Situation älterer Menschen in Deutschland beschrieben. Da neben der gesetzlichen Rentenversicherung noch weitere potenzielle Einkommensquellen aus der 2. und 3. Säule existieren, wird als erstes auf die gegenwärtige Einkommenssituation eingegangen. Im Anschluss erfolgt die Betrachtung der Entwicklung der Alterseinkommen. Mithilfe der Daten wird dann analysiert, ob sich Tendenzen der steigenden Altersarmut feststellen lassen.

4.1 Quellen der Alterseinkommen

Die wichtigste Einkommensquelle im Alter ist sowohl in den neuen als auch in den alten Bundesländern die Rente aus der GRV. Darüber hinaus existieren noch in unterschiedlichem Maße Einnahmen aus privater sowie betrieblicher Altersvorsorge. Dies kann im Bedarfsfall ergänzt werden durch Sozialleistungen zur Grundsicherung im Alter und bei dauerhafter Erwerbsminderung (vgl. Haupt 2011, S. 4).

Um sich einen Überblick über die Verteilung der Alterseinkommen zu verschaffen, werden in Tabelle 1 die aktuellen Einkommenskomponenten am Bruttoeinkommensvolumen der Altersgruppe 65 und Älter dargestellt.

Tabelle 1 : Anteil von Einkommenskomponenten am Bruttoeinkommensvolumen (ab 65 Jahren)

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: BMAS 2008, S. 24.

Aus Tabelle 1 wird deutlich, dass für 65 % der 65-Jährigen die gesetzliche Rentenversicherung die wichtigste Einnahmequelle im Alter ist. Zu 19 % fließen noch Alterseinkommen aus anderen Alterssicherungsleistungen sowie 10 % aus privater Vorsorge in das Gesamteinkommen ein. Transferleistungen spielen hier mit 1 % nur eine untergeordnete Rolle. Bei einer differenzierten Betrachtung von Ost- und Westdeutschland werden erhebliche Unterschiede bei der Struktur der Alterseinkommen deutlich. So sind 92 % der Ostdeutschen auf das Einkommen der gesetzlichen Rentenversicherung angewiesen, in Westdeutschland dagegen nur 59 % (vgl. Tabelle 1). Ein Grund für die starke Abweichung ist, dass in Westdeutschland viele Rentner zusätzlich zur Zahlung aus der gesetzlichen Rentenversicherung noch Leistungen aus privater Vorsorge (11 %) und anderen Alterssicherungsprodukten (23 %) erhalten. In Ostdeutschland jedoch fließen über die Leistungen der gesetzlichen Rentenversicherung hinaus weitere Einkommensquellen äußerst spärlich.

Dies zieht nach sich, dass aufgrund der starken Abhängigkeit der Ostdeutschen von der GRV Reformen in diesem Bereich, die zum Beispiel eine Absenkung des Rentenniveaus betreffen, in Ostdeutschland eine viel größere Auswirkung auf das Gesamteinkommen im Alter haben (vgl. Haupt 2011, S. 5).

4.2 Struktur der Alterseinkommen

Um einen ersten Überblick über die Höhe der Alterseinkommen zu erhalten, wird nachfolgend die Verteilung der Rentenzahlungen analysiert. Hier lässt sich eine erhebliche Streuung der Renten feststellen. Dies wird in Tabelle 1 sehr deutlich. Bei den westdeutschen Männern lässt sich eine starke Zerrung der Renten von niedrigen Renten von unter 50 € bis zu Rentenzahlungen von über 2000 € feststellen. Bei den ostdeutschen Männern ist die Rente stark im Bereich zwischen 600 und 1300 € zentriert. Zudem lässt sich bei den ostdeutschen Frauen feststellen, dass die Rentenzahlungen erheblich höher als bei westdeutschen Frauen liegen (vgl. Abbildung 1: Verteilung der Altersrenten nach Zahlbetragsklassen im Bestand der gesetzlichen Rentenversicherung am 31.12.2002).

Abbildung 1 : Verteilung der Altersrenten nach Zahlbetragsklassen im Bestand der gesetzlichen Rentenversicherung am 31.12.2002

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: BMAS 2005, S. 194.

Zudem liegt eine Vielzahl der Rentner in West- wie in Ostdeutschland unterhalb des Standardrentenniveaus. Im Jahr 2002 umfasste dieses nach Abzug der Kranken- und Pflegeversicherung knapp 1060 € monatlich (West) bzw. 930 € (Ost). So erhielten etwas weniger als 50 % der west- wie ostdeutschen Männer eine Rente von weniger als 1000 €. Bei den westdeutschen Frauen waren es sogar etwa 95 % (vgl. BMAS 2005, S. 194).

Jedoch kann von der Höhe der Rentenzahlung aus der GRV nicht direkt auf eine niedrige Rente geschlossen werden. Wie schon bei der Auswertung von Tabelle 1 festgestellt, existieren in unterschiedlichem Maße zusätzliche Einkommen aus anderen Quellen.

Daher wird im Folgenden das Gesamteinkommen älterer Menschen betrachtet. Abbildung 2 wird die Verteilung der Gesamteinkommen im Alter für das Jahr 2007 dargestellt, untergliedert in alte und neue Bundesländer.

Abbildung 2 : Verteilung der Gesamteinkommen im Alter 2007 Schichtung des Gesamteinkommens der über 65-Jährigen in den neuen und alten Bundesländern

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: BMAS 2008, S. 120.

Deutlich wird, dass die Einkommen von alleinstehenden Frauen mit zu den niedrigsten gehören. So beziehen 19 % der alleinstehenden Frauen in Westdeutschland ein Einkommen unter 750 € sowie 23 % ein Einkommen zwischen 750 und 1.000 €. Aus diesen Daten wird schon ersichtlich, dass gerade alleinstehende Frauen ein Einkommen unterhalb der Armutsschwelle aufweisen und auf Grundsicherungsleistungen angewiesen sein werden.

In den neuen Bundesländern ergibt sich jedoch ein anderes Bild. So beziehen lediglich 12 % der Frauen ein Einkommen unter 750 %. Ein Anteil von 30 % der alleinstehenden Frauen weist ein Einkommen zwischen 1.000 und 1.250 € auf. Hier wirken sich die DDR-Zeiten aufgrund der durchgängigen Erwerbsbiografien noch positiv aus. Wer in den Jahren nach der Wiedervereinigung in den Ruhestand ging, konnte sich meist Beitragszeiten von ca. 45 Jahren für Männer sowie ca. 37 Jahren für Frauen anrechnen lassen (vgl. BMAS 2008, S. 9). Bei den Ehepaaren wird ersichtlich, dass diese in den neuen sowie alten Bundesländern mit die günstigste Einkommensposition haben. So erhalten 31 % der Ehepaare in den alten bzw. 32 % in den neuen Bundesländern ein Einkommen zwischen 2.000 und 3.000 €. Ursache hierfür ist, dass Paare gemeinsam in einem Haushalt leben und daher auch zusammen wirtschaften. Ein niedriges Einkommen der Ehefrau kann so durch das Einkommen ihres Mannes kompensiert werden. Auch wird ersichtlich, dass die Einkommensverteilung in den alten Bundesländern eine erheblich weitere Spanne zulässt, als dies in den neuen Bundesländern der Fall ist. In den alten Bundesländern bewegt sich die Spanne der Einkommensverteilung zwischen sehr niedrigen Einkommen unter 750 € bis über 4000 €. In den neuen Ländern zentrieren sich die Einkommen im mittleren Bereich. Gründe hierfür sind, dass wenig ältere Menschen in den neuen Bundesländern ein Einkommen aus anderen Systemen beziehen (vgl. Tabelle 1).

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Details

Seiten
Erscheinungsform
Erstausgabe
Jahr
2012
ISBN (PDF)
9783956846601
ISBN (Paperback)
9783956841606
Dateigröße
938 KB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Evangelische Hochschule Rheinland-Westfalen-Lippe
Erscheinungsdatum
2015 (Februar)
Note
1,3
Schlagworte
Altersarmut Riester Rente Soziale Arbeit Grundsicherung Niederiglohnsektor

Autor

Nick Loetz, geb. 1982, studierte Soziale Arbeit an der Evangelischen Fachhochschule RWL Bochum. Seit seinem Abschluss 2012 ist er als Dipl. Sozialpädagoge / Sozialarbeiter (FH) tätig.
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