Kritische Analyse zum Einfluss elektronischen Medienkonsums auf den Schlaf von Kindern und Jugendlichen und den daraus resultierenden Folgen
Zusammenfassung
Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
3. Zirkadianer Rhythmus
Bereits vor 277 Jahren wurde entdeckt, dass alle lebenden Organismen, bis auf Höhlen- und Tiefseebewohner, dem Tag-Nacht-Rhythmus unterworfen sind (vgl. Staedt/Riemann 2007). Einige Lebewesen ruhen am Tag und sind nachtaktiv, andere Lebewesen, wie auch der Mensch, ruhen in der Nacht und sind am Tag wach. Diese innere Uhr ist genetisch programmiert und hat einen Rhythmus von etwa 24 Stunden. Man spricht daher vom zirkadianen Rhythmus, wobei das Wort zirkadian aus dem lateinischen abgeleitet ist und „circa“ ungefähr bedeutet und „dies“ Tag. Gesteuert wird dieser Rhythmus durch Umwelteinflüsse, insbesondere das Licht spielt hierbei eine entscheidende Rolle (vgl. Cajochen 2005). Die gesamte Körperfunktion ist auf diesen Rhythmus ausgelegt und wenn der Mensch entgegen der inneren Uhr am Tage schläft und während der Nacht wacht ist, wie es beispielsweise bei Schichtarbeit der Fall sein kann, kommt es zu erheblichen physiologischen Beeinträchtigungen. Die entstehenden physiologischen Desynchronisationen äußern sich unter anderem durch Beschwerden des Magen-Darm Bereichs und des Herzkreislaufsystems (vgl. Beermann 2008). Grundsätzlich ist es nicht möglich, den entgangenen nächtlichen Schlaf am Tag nachzuholen. Auch wenn in einer 24-Stunden Periode ausreichend Schlaf erfolgte, kann der Schlaf am Tag typischen Symptomen des Schlafentzugs, wie Müdigkeit, nicht entgegenwirken (vgl. Mesquita et al. 2007). Weshalb diese Erkenntnis von Bedeutung ist, wird im Teil 6 dieser Arbeit deutlich, in welchem unter anderem das Potential zur Schlafverschiebung durch Medienkonsum diskutiert wird.
4. Funktion des Schlafes
Während des Schlafes befindet sich der Körper in einem Ruhezustand und nur das Gehirn bleibt aktiv. Durch diese Aktivität werden nicht nur Erinnerungen und Gelerntes gefestigt, sondern auch die psychische Gesundheit, das Immunsystem und das Körperwachstum unterstützt. Schlafwissenschaftler unterscheiden zwei Dimensionen zur Beurteilung eines angemessenen und ausreichenden Schlafes. Die Quantität des Schlafes ist die erste Dimension. Hierbei handelt es sich um die Gesamtdauer des Schlafes, welche durch frühes Aufwachen und eine lange Einschlafdauer beeinträchtigt werden können. Die zweite Dimension ist die Qualität des Schlafes. Die Schlafqualität kann durch Albträume, nächtliches Aufwachen und irreguläre Schlafzeiten gestört werden (vgl. Zimmerman 2008).
Bei einem unzureichenden Schlaf ist die exekutive Funktion des Gehirns als erstes beeinträchtigt, wodurch es zu einer verminderten Fähigkeit zum Planen, Organisieren und Aufnehmen von Informationen kommt. Weiterhin gibt es Assoziationen zwischen Qualität oder Quantität des Schlafs und einer reduzierten Kreativität, vermindertem Gedächtnisvermögens, Stürzen und Verletzungen, Verhaltensauffälligkeiten und Schulversagen. Auch gibt es Studien, die einen Zusammenhang von Schlaf und der Regulation des Metabolismus zeigen, wodurch eine Verbindung von Schlaf und Übergewicht, sowie Diabetes, naheliegt (vgl. Zimmerman 2008). Diese Zusammenhänge werden im siebten Abschnitt dieser Arbeit genauer untersucht.
5. Mediennutzung von Kindern und Jugendlichen in Deutschland
Jedes Jahr untersucht der Medienpädagogische Forschungsverbund Südwest die Mediennutzung von Jugendlichen. Hierfür werden in der Langzeitstudie „Jugend, Information, (Multi-) Media Studie“ (JIM-Studie) 12- bis 19-Jährige zur ihrem Medienverhalten befragt. In diesem Bericht werden die Ergebnisse der JIM-Studie 2012 differenziert dargestellt. Bestimmte Aspekte werden mit den Ergebnissen der JIM-Studie 2000 verglichen, um zu beleuchten, in wie weit sich das Medienverhalten der Jugendlichen in den letzten zwölf Jahren verändert hat. Für die JIM-Studie 2012 wurden eine repräsentative Stichprobe von 1201 Zielpersonen per Telefon befragt. Dabei ergaben sich folgende Ergebnisse: Zur Grundausstattung der Haushalte der befragten Jugendlichen gehört ein Computer und/oder Laptop. Dieser war bei 100% der Befragten vorhanden. Über einen Fernseher, Handy und Internetzugang verfügen jeweils 98%. Eine feste Spielkonsole ist in 74% der Haushalte vorhanden. Neben der Haushaltsaustattung spielt auch der Besitz von eigenen Mediengeräten eine zentrale Rolle, denn über diese Geräte können die Jugendlichen oft selbst bestimmen und die Inhalte und Zeitpunkte der Nutzung eigenständig festlegen. Von den befragten Jugendlichen besitzen 79% der Mädchen und 85% der Jungen einen eigenen Computer oder Laptop. Knapp neun von zehn Jugendlichen können aus ihrem Zimmer per Laptop oder Computer auf das Internet zugreifen. Einen eigenen Fernseher besitzen 64% der Jungen und 55% der Mädchen. Bei dem Besitz von Handys liegen Mädchen mit 98% knapp vor den Jungen mit 95%. Der größte Geschlechtsunterschied zeigt sich bei dem Besitz einer festen Spielkonsole. Diese besitzen 61% der Jungen und nur 38% der Mädchen. Auch für verschiedene Bildungsgruppen zeigen sich unterschiedliche Häufigkeiten des Besitzes von Mediengeräten. Jugendliche, die eine Hauptschule besuchen bzw. einen entsprechenden Abschluss haben, besitzen häufiger einen eigenen Fernsehen und eine feste Spielkonsole als Gymnasiasten. Interessanter als die Ausstattung mit entsprechenden Medien ist jedoch die Beschäftigung mit ihnen. Von den Befragten geben 68% an, täglich das Internet zu nutzen. Täglich nutzen die Jugendlichen zu 62% den Fernseher und das Handy zu 83%. Zur Nutzungsdauer sagen die Jugendlichen aus, dass sie nach eigener Einschätzung an Wochentagen durchschnittlich 111 Minuten fernsehen. Gymnasiasten sehen mit durchschnittlich 96 Minuten weniger fern als Hauptschüler mit 137 Minuten. Ein weiteres wichtiges Thema ist die Spieldauer. Hierzu zählen sowohl Computer-, Konsolen- und Onlinespiele. Die befragten Jungen bringen hierfür an Wochentagen durchschnittlich 70 Minuten auf und am Wochenende 96 Minuten. Mädchen verbringen weniger Zeit mit dem Spielen. An Wochentagen spielen sie durchschnittlich 49 Minuten und am Wochenende 62 Minuten. Die JIM-Studie erfasst auch, in welchem Maße die Altersfreigaben für entsprechende Spiele von den Jugendlichen beachtet werden. Von den Jungen gaben 83% an, bereits Spiele gespielt zu haben, die für ihr Alter nicht freigegeben waren. Bei den Mädchen waren es 34%. Von den Spielern gaben außerdem 34% an, besonders brutale bzw. gewalthaltige Spiele zu bevorzugen. Bei den Mädchen sind es nur 10%. Zu diesen besonders gewalthaltigen Spielen gehört beispielsweise „Call of Duty“, welches von 22% der Jungen sogar insgesamt als Lieblingsspiel aufgeführt wird (vgl. mpfs 2012).
Im Vergleich zur JIM-Studie 2000 hat sich gezeigt, dass der Besitz eines eigenen Computers gestiegen ist und zwar um 36 Prozentpunkte. Einen noch größeren Anstieg zeigt sich beim Besitz des eigenen Mobiltelefons von 49% in 2000 auf 96,5% in 2012. Einen leichten Rückgang gab es beim Besitz eines eigenen Fernsehgerätes. Im Jahr 2000 gaben noch 67% der Jugendlichen an, einen eigenen Fernseher zu besitzen, während es im Jahr 2012 nur noch knapp unter 60% waren (vgl. mpfs 2000; mpfs 2012).
Frölich und Lehmkuhl verdeutlichen die Mediennutzung von Jugendlichen durch die Schilderungen eines 17 Jahre alten Jungen: „, Wenn ich von der Schule nach Hause komme, schalte ich meist als erstes meinen PC an und mache dann meine Hausaufgaben. Wenn ich dann fertig bin, schalte ich den Fernseher noch ein und das Handy ist immer an, damit ich auch für jeden erreichbar bin. Meinen PC lasse ich die meiste Zeit über an, damit ich auch immer weiß, was alles aktuell ist oder was alles passiert´“ (Frölich/Lehmkuhl 2012, 13).
Aufschluss über die Mediennutzung von jüngeren Kindern gibt eine bundesweite repräsentative Schülerbefragungen des Kriminologischen Forschungsinstituts Niedersachen E.V. Für diese Untersuchung wurden insgesamt 5531 Schüler und Schülerinnen der vierten Jahrgangsstufe befragt. Etwa jedes vierte Kind (26,8%) gab an, eine Spielekonsole im Zimmer stehen zu haben. Mehr als ein Drittel der Kinder haben jeweils einen Fernseher (36,1%) und einen Computer (36,0%). Diese Angaben erweisen sich als Ethnien-, status-, geschlechtsabhängig. Die Jungen haben insgesamt häufiger eigene elektronische Medien im Kinderzimmer als Mädchen. Am größten ist dieser Unterschied bei den Spielekonsolen, welche bei 38,1% der Jungen im Zimmer vorhanden ist und nur bei 15,6% der Mädchen. Kinder, deren Eltern laut Lehrerangaben ein höheres Bildungsniveau haben, verfügen seltener über elektronische Medien im Kinderzimmer als die Kinder, deren Eltern ein niedrigeres Bildungsniveau aufweisen. Der Unterschied ist mit 31,3% zu 57,3% beim Fernseher und 22,4% zu 42,7% bei Spielekonsolen beachtlich. Außerdem zeigt die Befragung, dass bei nicht-deutschen Kindern (inkl. deutsch mit Migrationshintergrund) häufiger entsprechende Geräte im Kinderzimmer zu finden sind als bei deutschen Kinder. Interessanter als das Vorhandensein dieser Medien ist jedoch die Nutzungsdauer. In dieser Untersuchung wurde die Nutzungsdauer der Viertklässler und Viertklässlerinnen erfasst, indem die befragten Kinder auf einem Zeitplan eintrugen, für wie lange sie am Vortag Tätigkeiten wie Fernsehen, Videos ansehen und Computer- und Konsolenspielen nachgegangen sind. Das Ergebnis zeigte, dass die befragten Kinder im Durchschnitt fast zwei Stunden eines Wochentages Medien konsumieren. Davon werden im Durchschnitt 88 Minuten mit dem Fernsehen und Video schauen verbracht und 28 Minuten mit Computer- und Konsolenspielen. Zur Erfassung der Nutzungsdauer wurde noch eine zweite Methode verwendet, bei denen die Kinder die durchschnittliche Zeit, welche sie mit dem Konsum von Medien verbringen, angaben. Diese Methode zeigte eine höhere durchschnittliche Nutzungsdauer, soll jedoch hier außer Acht gelassen werden, da nicht geklärt ist, inwieweit Kinder der vierten Klasse die Fähigkeit besitzen, Durchschnittswerte richtig zu berechnen (Baier et al. 2006). Da die Befragung bereits im Jahr 2005 durchgeführt wurde, ist davon auszugehen, dass die Werte, ähnlich wie bei den Jugendlichen, teilweise gestiegen sind.
6. Einfluss des elektronischen Medienkonsums auf den Schlaf
Die Betrachtung der Entwicklung des Medienkonsums hat gezeigt, dass es in den letzten Jahren zu einem Anstieg der Nutzer im Kindes und Jugendalter kam. In diesem Abschnitt wird nun anhand verschiedener Studien zu diesem Thema untersucht, ob der Medienkonsum einen Einfluss auf den Schlaf hat und wie sich dieser äußert. Die JIM-Studie 2012 ergab, dass Fernseher, Computer, Spielekonsolen und Mobiltelefone die am häufigsten genutzten Medien darstellen. Aus diesem Grund werden in diesem Bericht ausschließlich diese Medien untersucht. Hierfür wurden die elektronischen Datenbanken von PubMed, der Cochrane Collaboration, der Universität Bremen und Google Scholar durchsucht, wobei eine Kombination von verschiedenen Suchbegriffen, wie beispielsweise „computer use“ und „sleep“ oder „tv exposure“ und „sleep“ verwendet wurde. Zunächst wurde die Suche mit deutschen Schlagwörtern durchgeführt, was jedoch nur wenige Ergebnisse zeigte, sodass anschließend englische Synonyme genutzt wurden. Es wurden somit Studien der englischen und deutschen Sprache eingeschlossen. Außerdem ließen sich aus den Literaturlisten der bearbeiteten Studien noch weitere Studien finden. Es wurden nur die Studien betrachtet, die mindestens einen Aspekt des Medienkonsums und mindestens einen Aspekt zum Schlaf untersuchten. Einschlusskriterien waren außerdem der kostenfreie Zugang, eine Studienpopulation unter 18 Jahren und eine Studiendurchführung nach dem Jahr 2003. Insgesamt wurden sieben der gefundenen Studien aufgenommen und bearbeitet. Aufgrund fehlender Studien konnte der Einfluss vom Spielen an der Spielekonsole nicht bearbeitet werden. Die untersuchten Studien zum Thema Computernutzung beziehen sich jedoch teilweise auf die Nutzung des Computers zum Spielen, wobei zu vermuten ist, dass der Einfluss von Konsolenspielen und Computerspielen auf den Schlaf sich ähnelt. Im Folgenden werden die ausgewählten Studien vorgestellt und die Ergebnisse diskutiert. Insbesondere werden auch die möglichen Limitationen der einzelnen Studien evaluiert, wobei das Kriterium der Kausalität eine besondere Rolle spielt. Das heißt, dass für die einzelnen Studien geprüft werden soll, ob der möglicherweise veränderte Schlaf durch den Medienkonsum ausgelöst wurde und nicht umgekehrt (vgl. Klemperer 2010).
6.1 Schlaf und Fernsehen
Die Befragung von 2068 kalifornischen Haushalten mit Kindern unter drei Jahren ergab, dass der Fernsehkonsum von Säuglingen und Kleinkindern mit unregelmäßigen Schlafenszeiten assoziiert ist. Dieses Ergebnis war unabhängig von Faktoren wie Haushaltsgröße, Gesundheit der Eltern und familiärer Interaktion. Um auszuschließen, dass eine fehlende Tagesstruktur der Auslöser für unregelmäßige Schlafzeiten sein könnte, wurde bei der Regressionsanalyse der Faktor einer regelmäßigen Mahlzeit am Tag integriert. In dieser Studie ist die Wahrscheinlichkeit, dass die unregelmäßigen Schlafzeiten zu mehr Fernsehkonsum geführt haben, und nicht umgekehrt, eher gering, da Kinder dieses Alters keine unabhängige Kontrolle über den Fernsehkonsum besitzen. Eine Limitation dieser Studie war, dass die Angaben durch Befragungen der Eltern erfasst wurden und somit die Möglichkeit besteht, dass Messfehler entstanden (vgl. Thompson et al. 2005). Hierbei wäre es wahrscheinlich, dass die Eltern eher dazu geneigt waren, weniger Stunden des Fernsehkonsums zu dokumentieren, als es tatsächlich der Fall war, was dem Bias der sozialen Erwünschtheit, also einem Informationsbias, entspräche (Razum et al. 2012). Diese Studie ist insofern von Bedeutung, als dass unregelmäßige Schlafenszeiten die Qualität des Schlafes stören und somit die Gesamtheit eines angemessenen Schlafes negativ beeinflussen (vgl. Zimmerman 2008).
Eine belgische Querschnittstudie mit 2546 Schülern und Schülerinnen des ersten und des vierten Jahrgangs aus 15 verschiedenen Sekundarschulen einer flämischen Gemeinde beschäftigte sich mit dem Zusammenhang von Medienkonsum und Schlafprofilen, sowie Müdigkeit am Tage. Die Schüler und Schülerinnen des ersten Jahrgangs waren im Durchschnitt 13,16 Jahre alt und die des vierten Jahrgangs 16,37. Der Anteil der Jungen lag bei 54,2%. Der Fernsehkonsum wurde bemessen, indem die Schüler und Schülerinnen auf einem Zeitstrahl, welcher den Tag in Perioden von 30 Minuten teilt, die Zeitpunkte markierten, an denen sie für gewöhnlich fernsahen. Die Ergebnisse wurden anschließend zu einem Gesamtvolumen innerhalb einer Woche addiert. Außerdem wurden die Schüler und Schülerinnen gefragt, zu welcher Zeit sie gewöhnlich zu Bett gehen und wann sie aufstehen. Dabei wurde nach Wochentagen und Wochenende differenziert. Im nächsten Schritt wurden die Schüler und Schülerinnen aufgefordert, auf einer Skale zu markieren, wie müde sie sich zu bestimmten Zeiten fühlten. Die Skala reichte von -5 (=gar nicht müde) bis +5 (=sehr müde). Die Schüler und Schülerinnen wurden ebenfalls gefragt, ob sie einen Fernseher im Zimmer haben. Es zeigte sich, dass diejenigen Schüler und Schülerinnen, die angaben, einen Fernseher zu besitzen, an allen Tagen der Woche signifikant später zu Bett gehen, als diejenigen, die keinen Fernseher besitzen. Die Aufstehzeit bleibt an Wochentagen unter allen Gruppen konstant bei durchschnittlich 7 Uhr, und somit schlafen die Kinder mit Fernseher an Wochentagen insgesamt weniger. Am Wochenende stehen die Kinder mit eigenem Fernseher später auf. Insgesamt gab es zwischen diesen zwei Gruppen keine unterschiedliche Wahrnehmung der Müdigkeit. Ein weiteres Ergebnis der Studie ist, dass eine höhere Stundenzahl des wöchentlichen Fernsehkonsums spätere Schlafenszeiten zur Folge hat. An Wochentagen führt dies zu weniger Schlaf und am Wochenende zu einer zeitlichen Verlagerung des Schlafes nach hinten. Die Schüler und Schülerinnen, die häufiger fernsahen, litten auch häufiger unter Müdigkeit als diejenigen, die weniger fernsahen (vgl. Van den Bulck 2004). Im Vergleich zur oben beschriebenen kalifornischen Studie gibt es hier eine geringere Wahrscheinlichkeit für Messfehler, die durch falsche Angaben der Schüler und Schülerinnen entstanden sein könnten. Ein großes Manko von Van den Bulcks Studie ist jedoch, dass der Kausalzusammengang von Fernsehkonsum und Schlaf nicht ausreichend geklärt ist. In dieser Studie ist nicht auszuschließen, dass beispielsweise die Schüler und Schülerinnen mit einem Fernseher im Zimmer zuerst unter abendlicher Schlaflosigkeit litten und sich anschließend einen Fernseher im Zimmer aufstellten, um der Schlaflosigkeit zu entgehen. Des Weiteren ist unbekannt, inwiefern die Studie sich auf die Population in anderen Regionen übertragen lässt und somit, wie repräsentativ die Studie ist.
Eine in Deutschland durchgeführte Studie untersuchte, welchen Effekt gezielter Fernsehkonsum und gezieltes Computerspielen auf den Schlaf in der darauf folgenden Nacht hat. In diesem Abschnitt wird lediglich der Effekt des Fernsehkonsums beschrieben und die Ergebnisse zum Computerspielen werden erst im Teil 6.2 beschrieben. Es wurden zehn Jungen zwischen 12 und 14 Jahren untersucht, welche nicht unter Schlafproblemen litten und keine Medikamente nahmen. Mädchen wurden in dieser Studie nicht untersucht, da andere Studien einen Einfluss der Menstruation sowie der Anti-Baby Pille auf den Schlaf gezeigt hatten, sodass es bei dem Einschluss von Mädchen zu Messfehlern hätte kommen können. Für die zehn Jungen gab es drei Versuchstage, die jeweils sieben Tage auseinander lagen. Am ersten Untersuchstag wurden die Jungen aufgefordert, ein Computerspiel zu spielen. Am zweiten Untersuchstag wählten die Jungen einen von drei Filmen aus, den sie etwa zwei bis drei Stunden vor dem Schlafengehen ansahen. Dabei sollten die Jungen keinen Film wählen, den sie bereits gesehen hatten. Am dritten Untersuchstag, dem Kontrolltag, gingen die Jungen ihren normalen Gewohnheiten nach, hatten jedoch nicht die Erlaubnis, fernzusehen oder am Computer zu spielen. In den jeweiligen Nächten wurde der Schlaf der Jungen per Polysomnographie untersucht. Diese Untersuchung konnte, von einem Experten begleitet, bei den Jungen zu Hause, im gewohnten Schlafumfeld stattfinden. Von den polysomnographischen Geräten konnten mittels Elektroden die Gesamtdauer des Schlafes untersucht werden und auch die Zeit in den verschiedenen Schlafstadien. Außerdem wurde die Einschlafzeit erfasst und die Schlafeffizienz berechnet. Die Schlafeffizienz ist das Verhältnis der Gesamtschlafzeit zur im Bett verbrachten Zeit (vgl. Gruber et al. 2010). Die Jungen wurden auch aufgefordert, ein Schlaftagebuch für die Untersuchstage zu führen, in denen sie ihre Tagesmüdigkeit, sowie Beschwerden durch nächtliches Aufwachen, festhielten. Die Auswertung der Tagebücher zeigte keinen signifikanten Unterschied zwischen dem Untersuchstag mit Fernsehkonsum und dem Kontrolltag. Auch für die gesamte Schlafzeit gab es keine signifikanten Unterschiede. Der einzige signifikante Unterschied zeigte sich in der Schlafeffizienz, welche sich in den Nächten nach dem Fernsehkonsum verschlechterte. Eine mögliche Erklärung dafür, dass kaum ein Einfluss des Fernsehkonsums auf die Gesamtschlafzeit nachgewiesen wurde, wäre, dass die Konsumdauer zu kurz war. Außerdem sagten die Jungen nach der Untersuchung aus, dass sie die gesehenen Filme nicht aufregend oder spannend fanden (vgl. Dworak et al. 2007). Es wäre möglich, dass der Konsum von als spannend empfundenen Filmen einen größeren Einfluss auf den Schlaf hat. Einschränkungen der Studie waren außerdem, dass es bei Untersuchungen an nur zehn Schülern leicht zu Verzerrungen kommen kann. Auch die Tatsache, dass der Effekt in nur einer Nacht gemessen wurde, birgt die Gefahr, zufällige Veränderungen des Schlafes zu erfassen, anstatt den Einfluss des Medienkonsums. Es wurde bei der Studie versucht, mögliche Störfaktoren auszuschließen. So wurde den Jungen beispielsweise vorgeschrieben, an den Untersuchstagen kein Koffein, Nikotin oder Alkohol zu sich zu nehmen. Außerdem wurde auf eine konstante Temperatur in den Schlafräumen und auf gleichbleibende Schlafenszeiten geachtet (vgl. Dworak et al. 2007). Hierdurch konnten einige Bias ausgeschlossen werden, sicherlich jedoch nicht alle. Ein einfaches Beispiel wäre, dass an einem der Untersuchstage ein Nachbar Lärm machte, wodurch der Schlaf beeinträchtigt worden sein könnte. Positiv zu bemerken ist, dass diese Studie den Kausalzusammenhang zweifelsfrei beweisen konnte. Das heißt, dass es bei diesem Versuchsaufbau nicht möglich war, dass es durch einen gestörten Schlaf zum vermehrten Fernseh- oder Computerspielkonsum kam.
Schlaf und passives Fernsehen
Eine randomisierte populationsbasierte Studie aus dem Jahr 2006, welche sich mit der Assoziation zwischen TV-Konsum und Schlaf bei fünf- bis sechsjährigen Kindern aus Finnland beschäftigt, legt nahe, dass die Wirkung von passivem TV Konsum keinesfalls missachtet werden darf. Nach dieser Studie gibt es sogar einen stärkeren Zusammenhang zwischen passivem Fernsehkonsum und Schlafproblemen, als es zwischen aktivem Fernsehkonsum und Schlafproblemen der Fall ist (vgl. Paavonen et al. 2006). Passiver TV Konsum findet statt, wenn der Fernseher läuft, jedoch nicht als primäre Aktivität des Kindes verfolgt wird (vgl. Zimmerman 2008). Die Gründe für die Schlafprobleme durch passiven TV Konsum sind bisher unerforscht, und es können nur indirekt Verbindungen hergestellt werden. Beispielsweise wurde belegt, dass Eltern den aktiven Fernsehkonsum eher kontrollieren als den passiven. Somit ist es naheliegend, dass der Inhalt der passiv verfolgten Sendungen gewaltvoller und nicht altersgerecht sein könnte, und die darauf folgenden Schlafstörungen durch eine Traumatisierung ausgelöst werden (vgl. Paavonen et al. 2006).
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Details
- Seiten
- Erscheinungsform
- Erstausgabe
- Erscheinungsjahr
- 2013
- ISBN (PDF)
- 9783956846366
- ISBN (Paperback)
- 9783956841361
- Dateigröße
- 704 KB
- Sprache
- Deutsch
- Institution / Hochschule
- Universität Bremen
- Erscheinungsdatum
- 2015 (Februar)
- Note
- 1,7
- Schlagworte
- Zirkadianer Rhythmus Mediennutzung Medienkonsum Leistungsfähigkeit Schule
- Produktsicherheit
- BACHELOR + MASTER Publishing