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Vergleich der Jugendkultur HipHop in der Bundesrepublik Deutschland und der DDR

©2011 Examensarbeit 66 Seiten

Zusammenfassung

HipHop entwickelte sich innerhalb der letzten 40 Jahre zur weltweit größten Jugendkultur aller Zeiten und spielt in der heutigen Lebenswelt von Jugendlichen eine bedeutende Rolle.
HipHop entstand in Ghettos der New Yorker Bronx und erhielt Anfang der 1980er Jahre Einzug in das damals geteilte Deutschland - sowohl in die Bundesrepublik Deutschland als auch in die Deutsche Demokratische Republik.
Während des in den 1980er Jahren andauernden Kalten Krieges war die Bundesrepublik Deutschland von einer deutlichen Bindung an den Westen, einer Antihaltung gegenüber dem Kommunismus und einer pluralistischen Öffentlichkeit geprägt. Auf Seiten der DDR hingegen durchzogen staatliche Kontrollmaßnahmen sowie ein ausgeprägtes Misstrauen gegenüber Einflüssen aus der westlichen Welt alle Lebensbereiche der Bürger. Vor diesem Hintergrund befasst sich die vorliegende Arbeit im Kern mit der Frage, inwieweit die amerikanische Jugendkultur HipHop in beiden Systemen unterschiedlich verbreitet, adaptiert und weiterentwickelt wurde und ob sich, trotz der verschiedenartigen Bedingungen, auch gemeinsame Entwicklungen vollziehen konnten.

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis



Einleitung
1. Einleitung
Breakdance-Battles in Frankreich, Graffiti-Contests in China, Jams
1
in Rio de
Janeiro, Rap in Tansania ­ HipHop entwickelte sich innerhalb der letzten 40
Jahre zur weltweit größten Jugendkultur aller Zeiten und spielt in der heutigen
Lebenswelt von Jugendlichen eine bedeutende Rolle.
Das Phänomen HipHop, das vor allem durch die vier Ausdrucksformen
Breakdance, Graffiti, DJing und Rap gekennzeichnet ist, entstand in den
Ghettos der New Yorker Bronx und erhielt Anfang der 1980er Jahre Einzug in
das damals geteilte Deutschland ­ sowohl in die Bundesrepublik Deutschland
als auch in die Deutsche Demokratische Republik.
Während des in den 1980er Jahren andauernden Kalten Krieges war die
Bundesrepublik Deutschland von einer deutlichen Bindung an den Westen,
einer Antihaltung gegenüber dem Kommunismus und einer pluralistischen
Öffentlichkeit geprägt (vgl. Wehler 2008, S. 399-406). Auf Seiten der DDR
hingegen durchzogen staatliche Kontrollmaßnahmen sowie ein ausgeprägtes
Misstrauen gegenüber Einflüssen aus der westlichen Welt alle Lebensbereiche
der Bürger (ebd., S. 414-419).
Vor diesem Hintergrund befasst sich die vorliegende Arbeit im Kern mit der
Frage, inwieweit die amerikanische Jugendkultur HipHop in beiden Systemen
unterschiedlich verbreitet, adaptiert und weiterentwickelt wurde und ob sich,
trotz der verschiedenartigen Bedingungen, auch gemeinsame Entwicklungen
vollziehen konnten.
Zunächst werden die Begriffe Jugend und Kultur eingeführt. Anschließend
erfolgt deren Verbindung zum Terminus Jugendkultur und es werden gegen-
wärtige Merkmale dieser Bewegung erläutert.
Im darauffolgenden Abschnitt werden die afroamerikanischen Wurzeln, insbe-
sondere die Kulturtechniken des HipHop betrachtet, um einen Eindruck von
der Entstehung und Charakteristik dieser Jugendkultur zu erhalten.
In den Kapiteln 4, 5 und 6 wird anhand ausgewählter Vergleichskriterien die
lokale Entstehungsgeschichte der Jugendkultur HipHop in der Bundesrepublik
Deutschland mit der in der DDR in den 1980er Jahren verglichen. Bezüglich
der Bundesrepublik Deutschland wird dabei auch auf die maßgebliche Beteili-
gung junger Migranten an der Entstehung und Etablierung von HipHop
1
Bezeichnung für HipHop-Großveranstaltungen, auf der zumeist Gruppen und Einzelakteure
aus allen Teilbereichen des HipHop in Aktion treten (vgl. Krekow et al. 1999, S. 175).
3

Die Begriffe Jugend, Kultur und Jugendkultur
eingegangen. Auf Seiten der DDR wird ­ aufgrund der politisch-gesellschaft-
lichen Voraussetzungen ­ besonders berücksichtigt, wie HipHop als amerika-
nische Erscheinung, den Eisernen Vorhang durchdringen konnte und unter
welchen Bedingungen diese Kultur akzeptiert wurde.
2. Die Begriffe Jugend, Kultur und Jugendkultur
2.1 Jugend
Eine epochen- und kulturübergreifende, allgemeingültige Antwort auf die
Frage, was
J
ugend
sei, gibt es nicht (vgl. Horn 1998, S.15). Die historische
Entwicklung des Begriffes
J
ugend
beginnt erst um 1700: In dieser Zeit wurde
ein sehr geringer Teil des männlichen Nachwuchses als
junge
H
errn
bezeichnet
(vgl. Ferchhoff 2007, S. 27). Anschließend ­ in der Mitte des 18. Jahrhunderts
­ entwickelte sich der Terminus
J
ü
ngling
, der fortan ebenfalls nur für eine
verschwindend kleine Gruppe von jungen Männern gebraucht wurde (vgl.
ebd.). Begrifflich taucht die Phase der
J
ugend
erstmals zu Beginn des
20. Jahrhunderts auf, wird anfangs allerdings durchgängig als eine Zeit der
Krisen verstanden (vgl. Baacke 2007, S. 231). Als Begründung hierfür führt
Baacke (2007), die sich zu jener Zeit vollziehenden, irritierenden
Veränderungen in der Jugendphase, wie beispielsweise die zurückgehende
Geburtenrate in der Mittelschicht und die frühere Einsetzung sexueller Reife an
(vgl. Baacke 2007, S. 231 f). In der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts hat sich
die dem Erwachsenenalter vorgelagerte Lebensphase
K
indheit
in eine frühe
und in eine späte Phase aufgegliedert, wobei die spätere Phase fortan als
J
ugend
bezeichnet wurde (vgl. Hurrelmann 2007, S. 20 f).
Zunächst wurde der Lebensabschnitt
J
ugend
noch als eine sehr kurze, mit den
körperlichen, psychischen und sozialkulturellen Entwicklungs- und Reifungs-
prozessen, kurz der Pubertät, einsetzenden Phase bezeichnet, die mit der Heirat
oder dem Eintritt in das Berufsleben endete (vgl. Ferchhoff 2007, S. 86 f). Zu
dieser Zeit bezogen sich die Betrachtungen des Begriffes
J
ugend
vorwiegend
auf biologische Aspekte und phasenspezifische Dimensionen.
Heute ist die Eheschließung und die damit verbundene Legitimation zu
sexuellem Verkehr kein Merkmal mehr für den Übergang von
der Jugend zum Erwachsenensein, ,,weil Sexualität sich zu einer zentralen
Komponente des Jugendstatus emanzipiert hat" (Baacke 2007, S. 238).
Ferchhoff (2007) betrachtet den Wandel von
J
ugend
aus sozialhistorischer
4

Die Begriffe Jugend, Kultur und Jugendkultur
Perspektive und kommt zu folgender Erkenntnis: Angesichts längerer Schul-
und Ausbildungszeiten und der damit verbundenen verstärkten Abhängigkeit
vom Elternhaus ist die Phase der
J
ugend
,,so weit ausgedehnt worden, dass sie
[
...] den Charakter als verlängerte Warte-, Übergangs- oder Reifezeit weit-
gehend verloren hat" (Ferchhoff 2007, S. 93). Somit hat sich
J
ugend
begrifflich
kurzerhand zu einem bis zu 20 Jahre umfassenden Lebensabschnitt entwickelt,
der nicht mehr in erster Linie einen Übergang vom Kind zum Erwachsenen,
sondern eine eigenständige Lebensweise kennzeichnet (vgl. Hurrelmann 2007,
S. 21 nach Krüger & Grunert 2002; Sander & Vollbrecht 2000). Für diesen
Lebensabschnitt charakteristisch ist vor allem das Treffen wichtiger
Entscheidungen für den weiteren Lebensverlauf bezüglich der beruflichen,
familiären und alltagskulturellen Lebensführung (vgl. Fend 1991, S. 16). An
das Ende des Jugendalters schließt sich nicht mehr unbedingt der
Erwachsenenstatus an, sondern die Postadoleszenz oder der junge Erwachsene
(vgl. Ferchhoff & Neubauer 1997, S. 109). Darüber hinaus stellen Richter
(1998) und Bohle (1998) fest, dass die Konturen der Lebensphase
J
ugend
immer mehr verschwimmen (vgl. Hitzler et al. 2001, S. 16). Gleichzeitig bleibt
jedoch der Anspruch bestehen, Möglichkeiten zu erkennen und zu nutzen oder
mit nicht realisierbaren Chancen umzugehen, um eine stabile Identität zu
entwickeln (vgl. Hitzler et al. 2001, S. 16 nach Lüders 1997).
Im Osten Deutschlands vollzogen sich Heirat und die Übergänge in
Ausbildung und Beruf vor dem Eintreten des gesellschaftlichen Umbruchs
1989 altersspezifisch vergleichsweise früh, da diese aufgrund von ausgeprägten
Altersnormierungen sowie durch hohe soziale und institutionalisierte
Einbindungen durch das DDR-Regime weitgehend geregelt waren. Das
,,Modell einer postadoleszenten Jugendstruktur" als verlängerte Jugendphase
hatte sich hingegen im Westen Deutschlands tendenziell für einen Großteil der
Jugendlichen bereits seit Jahrzehnten durchgesetzt (vgl. Ferchhoff 2007, S. 89).
2.2 Kultur
Da in der Literatur eine Vielzahl von Definitionen des Kulturbegriffes
auftauchen, erscheint es notwendig, den Terminus
K
ultur
im Rahmen des für
diese Arbeit verwendeten Begriffes genauer zu bestimmen.
Der Begriff
K
ultur
wurde im 17. Jahrhundert in die deutsche Sprache
aufgenommen und stammt ursprünglich aus dem Lateinischen (
colo
,
colui
,
5

Die Begriffe Jugend, Kultur und Jugendkultur
colere
). Er bedeutet
pflegen
,
bebauen
,
bearbeiten
und wurde ursprünglich im
Sinne von Land- und Bodenpflege verwendet. Erst später findet sich auch der
Ausdruck
cultura
wider, der die Pflege, Ausbildung und Vervollkommnung
menschlicher Fähigkeiten kennzeichnet. Bezüglich des Bildungsbegriffes
wurde in Deutschland Kultur traditionell mit dem Begriff
H
ochkultur
gleichgesetzt und meinte damit in der Regel Kultur als die ,,Schönen Künste"
(wie z. B. Musik, Malerei, Tanz, Literatur) (vgl. Uzarewicz 2002, S. 4).
Tylor (1871) formuliert die erste umfassende wissenschaftliche Kulturdefini-
tion: Demnach ist Kultur
,,jenes komplexe Ganze, das Wissen, Glauben, Kunst,
Moral, Recht, Sitte, Brauch und alle anderen Fähigkeiten und Gewohnheiten
umfaßt [sic], die der Mensch als Mitglied einer Gesellschaft erworben hat"
(Tylor 1871 zit. in Harris 1989, S. 20). Diese Definition bildet die Grundlage
einer Vielzahl weiterer Begriffsbestimmungen (vgl. Hirschberg 1988, S. 269).
Der Begriff
K
ultur
hat sich entschieden gewandelt. Baacke (2007)
distanziert sich deshalb vom traditionellen Kulturbegriff unter Einbeziehung
moderner Erscheinungen wie Konsum, Musik und Mode:
`K
ultur
`
ist
nicht
mehr
nur
der
B
estand
an
T
raditionen
und
geistigen
B
ildungsg
ü
tern
,
sondern
[...]
ein
L
ebensraum
,
der
[...]
[
einer
]
kulturellen
T
iefendimension
im
traditionellen
S
inn
entbehrt
. ,K
ultur
`
in
den
heutigen
J
ugendkulturen
meint
[...]
die
S
chaffung
von
S
tilen
ü
ber
M
edien
,
deren
,
bildender
G
ehalt
`
unter
P
ä
dagogen
eher
strittig
sein
d
ü
rfte
(Baacke 2007, S. 143).
Alle Definitionen des Kulturbegriffs stehen stets in einem sozialen und
gesellschaftlichen Kontext. Peschke (2010) resümiert auf der Grundlage dieser
K
ultur
als Lebensweise, die eine bestimmte Gesellschaft oder Gruppierung
kennzeichnet (vgl. Peschke 2010, S. 28).
2.3 Jugendkultur: Merkmale und historische Entwicklung in Deutsch-
land
Der Ursprung des Terminus
J
ugendkultur
geht auf Gustav Wyneken (1920)
zurück, der damit die Betonung und die Forderung nach einer Eigenständigkeit
der Jugend sowie eine Kritik an der Kultur als Ganzes meint (vgl. Griese 2000,
S. 39).
1942 führte Talcott Parsons als Erster ein soziologisch-elaboriertes Konzept
J
ugendkultur
ein. Seinen Ausführungen nach steht diese Lebensform mit ihren
6

Die Begriffe Jugend, Kultur und Jugendkultur
spezifischen Mustern und Verhaltensweisen in einem gewissen Gegensatz zur
Erwachsenenwelt und kann sogar Ursache eines Generationenkonfliktes sein
(vgl. ebd., S. 40).
Gegenwärtig wird eine Teilkultur der Gesellschaft dann als Jugendkultur be-
zeichnet,
wenn
die
G
emeinsamkeiten
hinsichtlich
der
W
eltanschauung
,
der
A
ktivit
ä
ten
,
der
K
leidung
,
der
symbolischen
H
andlungen
,
der
S
prache
und
anderer
E
lemente
eines
L
ebensstils
zu
einem
Z
ugeh
ö
rigkeitsgef
ü
hl
f
ü
hren
,
welches
nicht
ortsgebunden
ist
(Schröder & Leonhardt 1998, S. 17).
Jugendlichen Kulturen gemeinsam ist die Suche nach Gruppenidentität, welche
innerhalb der Gemeinschaft gefunden wird (vgl. ebd.). Sie sind Ausdruck eines
spezifischen, temporären Weges beim Übergangsstadium ins Erwachsenenle-
ben und können als Katalysator gesellschaftlicher Prozesse gelten, da sie neu
hinterfragen, Schwierigkeiten ansprechen und häufig unvorhersehbare Lösun-
gen anbieten (vgl. Thiele & Taylor 1998, S. 146).
Stile, Rituale und Symbole in einer Jugendkultur vermitteln Inhalte und dienen
der Herstellung des Gefühls von Gemeinsamkeit. Ein Stil als Teil eines umfas-
senden Systems von Zeichen, Symbolen und Verweisungen für soziale Orien-
tierung ist Ausdruck, Instrument und Ergebnis sozialer Orientierung zugleich
(vgl. Soeffner 1992 zit. in Schröder und Leonhardt 1998, S. 21). Das
Zugehörigkeitsgefühl zu einer Gruppe entsteht durch einen bestimmten
Lebensstil. Die Shell-Studie von 1997 belegt, welche vielfältigen Ausdrucks-
stile die Akteure in den Jugendkulturen entwickelt haben:
[K]
ö
rperbezogene
A
usdrucksformen
(K
leidungsstile
; M
ake
-
up
;
T
attoos
;
F
risuren
;
T
anzstile
;
...),
raumbezogene
A
usdrucksformen
(M
usik
; P
oster
; B
uttons
u
.
a
. A
cessoires
),
objektbezogene
A
usdrucksformen
(G
raffiti
; ,S
cratchen
`; ...),
ereignisbezogene
A
usdrucksformen
(L
ove
-P
arade
; C
haos
-
T
age
; ...) (Shell-Studie 1997 zit. in Schröder & Leonhardt 1998,
S. 21).
Der Kleidungsstil stellt dabei das augenscheinlichste Zugehörigkeits- und
Unterscheidungsmerkmal Jugendlicher dar und fungiert als Kommunikations-
instrument innerhalb sozialer Formationen (vgl. Hitzler et al. 2001, S. 35).
Musik als raumbezogener Ausdrucksstil ,,ist ein kaum zu überschätzender
Bestandteil der juvenilen Existenz [...]. Wie wesentlich Musik für Jugendliche
ist, zeigt sich schon daran, daß [sic] sich die quantitativ größten Jugendszenen
7

Die Begriffe Jugend, Kultur und Jugendkultur
als Musikszenen konstituieren" (ebd.). Sie bietet Jugendlichen innerhalb
sozialer Beziehungen, wie sie in Jugendkulturen vorzufinden sind, die Mög-
lichkeit, soziale Solidarität bzw. soziale Integration auszudrücken und dient
dabei als ein Mittel, sich der gegenseitigen Akzeptanz der Gruppenmitglieder
zu versichern (vgl. Peschke 2010, S. 50).
Zudem spielen Rituale in modernen Jugendkulturen eine zentrale Rolle.
Ritualisierte Handlungsabläufe als Träger von Normen und Werten, die von
außen häufig nicht unmittelbar verständlich sind, müssen in ihrem
Bedeutungsinhalt untersucht, hinterfragt und interpretiert werden (vgl.
Schröder & Leonhardt 1998, S. 22).
Das Gleiche gilt für Zeichen und Symbole, deren Botschaften in verkürzter und
verschlüsselter Form vorliegen. Diese Form der Geheimsprache produziert
Gemeinschaft und ermöglicht Abgrenzung gegenüber anderen, da ,,[d]ie zu
einem Symbol gehörige latente Bedeutung [...] von allen Angehörigen einer
Kultur [...] verstanden bzw. oftmals nur gespürt [wird]" (ebd., S. 21 f).
Jugendkulturen sind heute Bestandteil von Theorien kultureller Moderni-
sierung. So gewinnt diesbezüglich die Rolle der Medien zunehmend an
Bedeutung. Erst durch die Entwicklung neuer Kommunikationsmedien und den
Prozess der massenmedialen Verbreitung kann eine große Gruppe Jugendlicher
nicht mehr nur lokal, sondern auch überregional oder gar international an einer
gemeinsamen Kultur teilhaben (vgl. Hitzler, Bucher, Niederbacher 2001, S. 36;
Peschke 2010, S. 51). Medien tragen nicht nur zur Verbreitung und Inter-
nationalisierung von Jugendkulturen bei, sondern reduzieren und lenken diese
gewissermaßen (vgl. Peschke 2010, S. 52 nach Janke & Niehues 1995, S. 35).
Die mediale und damit auch kommerzielle Vereinnahmung von Jugendkulturen
wird dabei sehr unterscheidlich diskutiert: Während die einen die Aneignungs-
und Gestaltungsfreiheit sowie die Kreativität der Beteiligten im Umgang mit
Medien und Konsumgütern hervorheben, vermuten andere, dass Jugendkultur
eine mit ökonomischen Absichten inszenierte Massenkultur für passive Rezi-
pienten ist (vgl. Pfaff 2006, S. 43 f).
Ein weiteres Merkmal jugendkultureller Strömungen stellt der Prozess der
Tribalisierung dar, die vielfältige Zersplitterung in Untergruppen. Daher sind
Jugendkulturen begrifflich von diesen Untergruppen, wie z. B. Subkulturen,
Cliquen und Szenen abzugrenzen (vgl. Thiele & Taylor 1998, S. 148). So
bezeichnet Subkultur ein Muster von Werten, Normen und Verhaltensweisen,
8

Die Begriffe Jugend, Kultur und Jugendkultur
das entschieden von der vorherrschenden Kultur abweicht und von ,,unten" her
Widerstand und Veränderung in Gang setzt (vgl. Hurrelmann 2004, S. 132;
Schröder & Leonhardt 1998, S. 17). Unter dem Begriff Cliquen werden
einerseits Gruppierungen verstanden, die sich nach außen erkennbar abgrenzen
und nach innen ein ausgeprägtes Wir-Gefühl erzeugen. Andererseits wird
dieser zunehmend auch als Synonym für Gruppen verwendet, in denen die
Bindungen eher locker und informell sind. ,,[E]ine jugendkulturelle Szene
[wiederum] bezeichnet die Anhänger eines Lebensstils in einem regional
begrenzten Raum", sodass der regionale Aspekt hierbei miteinbezogen wird.
(vgl. Schröder & Leonhardt 1998, S. 18).
Die Geschichte der Jugendkulturen in Deutschland begann Anfang des
20. Jahrhunderts mit der Wandervogelbewegung, deren Mitglieder sich
aufgrund ihres Erscheinungsbildes deutlich vom gängigen Bild der Jugend
abhoben (vgl. Ferchhoff 2007, S. 30; Schröder & Leonhardt 1998, S. 18). In
den 1920er Jahren entwickelten sich sogenannte ,,Wilde Cliquen" als eine
Form proletarischer Jugendkultur, die neue jugendkulturelle Elemente entfal-
teten und ein traditionsunabhängiges, jugendspezifisches Lebensgefühl zum
Ausdruck brachten (vgl. Schröder & Leonhardt 1998, S. 18 nach Thole 1995).
In der Zeit des Nationalsozialismus wurden alle Jugendbewegungen mit
eigenen Stilen unterdrückt, verboten und verfolgt (vgl. Schröder & Leonhardt
1998, S. 18).
Im geteilten Deutschland ließen die Einflüsse der USA und Großbritanniens
Jugendkulturen trotz unterschiedlicher gesellschaftlicher Systeme sowohl im
Westen als auch im Osten entstehen, wenn auch unterschiedlich stark
ausgeprägt und zu verschiedenen Zeiten. Im Westen Deutschlands war es die
Jugend selbst, die Amerika sowie England und seine Popmusik als Ausdrucks-
medium entdeckte und sie somit zu einem bedeutungstragenden Element
jugendlicher Praxis machte. In der DDR versuchten sich Jugendliche durch
Jugendkulturen von der Masse der Jugendlichen abzugrenzen, die in der FDJ
2
organisiert war. Da sie sich durch diese nicht repräsentiert fühlten, zielten sie
darauf ab, sich über Jugendkulturen Räume für Aktivitäten zu schaffen. Eine
symbolische Kraft ging von ihrem Outfit sowie von gemeinsam entwickelten
Normen und Verhaltensmustern aus. Dadurch wurden sie in der Öffentlichkeit
2
Freie Deutsche Jugend
9

Die Begriffe Jugend, Kultur und Jugendkultur
stets wahrgenommen, obwohl sie zahlenmäßig eine relativ kleine Gruppe
darstellten (vgl. Thiele 1997, S. 383 f).
Während die 1960er und 1970er Jahre, allen voran die legendäre
Studentenbewegung der 1968er Jugendgeneration, deutliche politische und
soziale Züge aufwiesen, wurde in den 1980er und 1990er Jahren vor allem der
Freizeitbereich von jugendkulturellen Strömungen besetzt und gekennzeichnet
(vgl. Bock & Pfaff 2003, S. 104 ff; Schröder & Leonhardt 1998, S. 19 f). Dies
bestätigt u. a. die Shell-Studie von 1997: Sie zeigt auf, dass der politische
Gehalt in Jugendkulturen und die Vision einer Gegenkultur zunehmend an
Bedeutung verlieren. Sie seien eher eine Freizeitbewegung und Vergnügungs-
kultur, die Jugendlichen dazu dient, sich von Erwachsenen abzugrenzen (vgl.
Schröder & Leonhardt 1998, S. 20 nach Jugendwerk 1997, S. 20 ff). Ferchhoff
(2007) hebt im Zusammenhang mit dem Aspekt der Freizeitgestaltung auch
den Medienbezug hervor und verweist damit auf den steigenden Konsumbezug
innerhalb jugendkultureller Bewegungen:
D
ie
heutigen
vielf
ä
ltigen
J
ugendkulturen
[...]
sind
allemal
freizeit
-,
h
ä
ufig
auch
nur
noch
medien
-
und
konsumbezogen
und
bindungsabstinent
,
wenn
es
um
organisatorische
(
vereins
-,
verbands
-
und
politikbezogene
) R
ahmungen
geht
(Ferchhoff
2007, S. 56).
In den 1990er Jahren haben sich die verschiedenen Jugendkulturen gegenüber
den 1980er Jahren noch einmal beträchtlich vermehrt und ausdifferenziert (vgl.
ebd., S. 175). Aus diesem Grund liegt zu Beginn des 21. Jahrhunderts eine
unübersichtliche Pluralität und Zersplitterung von diversen jugendlichen
Verhaltensweisen, Orientierungen, Haltungen, Lebensstilen sowie inhomoge-
nen jugendkulturellen Einstellungen, Ausfächerungen und Stilisierungen vor
(ebd.).
10

Die Jugendkultur HipHop
3. Die Jugendkultur HipHop
Die Entwicklung der HipHop-Szene in Deutschland lässt sich nur in Bezug auf
die amerikanische Entstehungsgeschichte des HipHop beschreiben und ver-
stehen (vgl. Verlan & Loh 2002, S. 38), weshalb im Folgenden zunächst die
Anfänge der HipHop-Kultur in den USA im Zusammenhang mit ihren
Ausdrucksformen betrachtet werden.
3.1 Entstehungsgeschichte und gesellschaftlicher Hintergrund
In den 1960er Jahren veränderten sich die urbanen Strukturen in den USA
nachhaltig: Während viele Weiße in die Vororte der Städte zogen, lebte der
Großteil der Afroamerikaner in den Ghettos von Großstädten wie New York.
Ihr Leben war geprägt von Arbeitslosigkeit sowie damit einhergehender Armut
(vgl. Kage 2004, S. 30) und Verelendung. Dies förderte das Aufkommen
schwarzer Jugendbanden (Thiele & Taylor 1998, S. 133), die sich fern von
jeglicher Aussicht auf eine Veränderung ihrer Lage erbitterte Straßenkämpfe
lieferten (vgl. Farin 1998, S. 45 f). Es war Afrika Bambaataa, ursprünglich
Mitglied der legendären New Yorker Straßengang Black Spade, der sich nach
dem Mord an seinem besten Freund entschloss, seine Gang zu verlassen. In der
Folge entwicklete er sich zur Integrationsfigur, da es ihm gelang, die blutigen
Bandenkriege in einen gewaltfreien, popkulturellen Wettkampf zu überführen,
der sich über Musik, Tanz und Wortgefechte definierte (vgl. Krekow et al.
1999, S. 29; Niemczyk 2001, S. 210). Bambaataa gründete die Zulu Nation,
einen Zusammenschluss von HipHop-Akteuren, die sich für Gewaltlosigkeit,
Drogenfreiheit und gegenseitigen Respekt einsetzten und zu einer Alternative
zu den Gangs wurde. Konflikte wurden fortan immer häufiger in Form von
H
ip
H
op
-B
attles
bewältigt: So trugen die Kontrahenten drohende Schlägereien
auf Freiluft-Parties, den sogenannten
B
lock
-P
arties
, in Rap-, Breakdance- oder
später in Graffiti-Duellen aus (vgl. Verlan & Loh 2002, S. 132; Toop 1992,
S. 22; 69-73). Die aus Armut, Entbehrung und Verlangen schöpfende
Kreativität, Produktivität und Ausdrucksstärke schwarzer Kultur schafft ein
Gefühl der Zusammenhörigkeit (vgl. Winter 2004, S. 217 nach Rose 1997,
S. 142), aus dem heraus sich eine eigene kulturelle Gemeinschaft entwickeln
konnte. ,,HipHop ist seitdem nicht nur eine Musikform, HipHop ist auch eine
Kultur des Zusammenlebens" (Verlan & Loh 2002, S. 133). Weinfeld (2000)
bezeichnet die Jugendkultur HipHop auch als ,,Kultur von unten" bzw. ,,Kultur
11

Die Jugendkultur HipHop
der Ausgestoßenen" und verweist somit darauf, dass die HipHop-Bewegung
am Rande der Gesellschaft entstanden ist und ihre Vertreter aus dieser Margi-
nalität geholt hat (Weinfeld 2000, S. 255; 261).
3.2 Die Kulturtechniken im HipHop
Bei der HipHop-Kultur handelt es sich um eine äußerst facettenreiche
Kulturbewegung, die durch ihre Ausdrucksformen Rap, DJing, Breakdance
und Graffiti ,,mehr als andere weltweite Jugenkulturbewegungen, Text, Musik,
Tanz und Bild miteinander verbindet" (Weinfeld 2000, S. 253) und ,,ermög-
licht ihren Anhängern somit auf mehreren Ausdrucksebenen die [...] Erlan-
gung von (jugendkultureller) Identität" (Müller-Bachmann 2002, S. 94). Um
eine Vorstellung von der HipHop-Jugendkultur als Ganzes zu erhalten, werden
im Folgenden die vier wichtigsten Ausdrucksformen Breakdance, Graffti,
DJing und Rap in ihrer Entstehung genauer betrachtet.
3.2.1 DJing
DJ ist die Abkürzung für die englische Bezeichnung D
iscjockey
und wird mit
P
lattenaufleger
übersetzt (vgl. Krekow et al. 1999, S. 101). Das DJing mit der
musikalischen Praxis des
S
cratching
3
und
M
ixing
4
ist Ausdruck einer Uminter-
pretation des Plattenauflegers, dessen Ziel es nun ist, eigenhändig Musik zu
produzieren. Dieser erweitert sein Handlungsspektrum, indem er Platten manu-
ell bewegt und mit Hilfe mehrer Plattenspieler verschiedene
S
ounds
ineinander
mischt. Dadurch schafft er es, Musik zu verfremden und die instrumentalen
Phasen der Stücke zu verlängern (vgl. Klein & Friedrich 2003a, S. 15). Zu den
bekanntesten ersten HipHop-DJs zählen u. a. Grandmaster Flash und Kool DJ
Herc, die in den 1970er Jahren selbstorganisierte
B
lock
-P
arties
in der South
Bronx von New York veranstalteten. Die Technik der Soundmontage fand
dabei live vor tanzendem Publikum statt und wurde durch neue Effekte und
Tricks immer weiter ausgebaut (vgl. Niemczyk 2001, S. 210). In den Anfängen
soll DJing dabei vor allem Spaß und Unterhaltung bringen:
D
ie
ersten
DJ
s
[...]
wollen
vor
allem
das
P
ublikum
unterhalten
und
buhlen
um
dessen
G
unst
. S
ie
wollen
,
da
ß [
sic
]
die
L
eute
zu
ihrer
M
usik
tanzen
und
nicht
zu
der
eines
anderen
DJ. D
eshalb
3
Technik, bei der eine Schallplatte an einer markanten Stelle mit der Hand hin und her bewegt
wird, sodass ein kratzendes Geräusch entsteht (vgl. Krekow et al. 1999, S. 279).
4
Technik, bei der ein Mischpult dem Zusammenführen verschiedener elektrischer Signale
dient.
12

Die Jugendkultur HipHop
mixen
und
scratchen
sie
,
ver
ä
ndern
und
verl
ä
ngern
die
S
t
ü
cke
(Klein & Friedrich 2003a, S. 25).
DJing ist die kulturelle Praxis, die die Ausdrucksformen
R
ap
und
B
reakdance
zur Folge hatte (vgl. Rode 2002, S. 31). Deren Entstehung wird nachfolgend
erläutert.
3.2.2 Rap
Rap ist das bekannteste Stilelement der HipHop-Jugendkultur. Der Begriff
stammt aus dem Englischen und bedeutet
S
chlagen
bzw.
Q
uatschen
(vgl.
Krekow et al. 1999, S. 256). Der Sprechgesang stammt ursprünglich aus der
afrikanischen Kultur, die mit der Sklaverei in Amerika eingeführt wurde.
Hierbei diente er dazu, Geschichten zu erzählen und Nachrichten zu verbreiten
(vgl. Nolteernsting 1997, S. 283).
DJ Kool Herc gilt als Pionier des Rap, denn er war der Erste, der damit begann
vor Publikum über seine künstlich erzeugten Instrumentalstücke zu sprechen
und somit versuchte, durch verbale Einlagen die Breakdancer zum Weiter-
machen bzw. das Publikum zum Tanzen zu animieren (vgl. Gorris 1989,
S. 194). Da die DJs sich jedoch zunehmend stärker auf ihre Plattenmixe
konzentrierten, engagierten sie Leute, die sich sprachlich dem Publikum
zuwandten: Diese ersten Rapper, auch
MC
s
5
genannt, sollten das Publikum bei
Laune und vor allem auf der Tanzfläche halten. Sie lobten die Fähigkeiten und
Tricks des DJs und erzählten Witze oder Geschichten aus der Nachbarschaft
(vgl. Verlan & Loh 2002, S. 56). Als Rap entwickelte sich dies zu einer eigen-
ständigen kulturellen Praxis: ,,Rap ist ein Sprachspiel voller ironischer Über-
treibungen, Wortspiele und Slang-Fragmente, bei dem nicht nur rhythmisch
gesprochen, sondern auch mit Tempo, Tonhöhe und Klangfarbe gespielt wird"
(Klein & Friedrich 2003a, S. 15). Anfänglich fand
R
apping
ausschließlich auf
der Straße und auf Parties statt, was die spontanen, öffentlichen Vorführungen
bis zum Erscheinen der ersten Rap-Schallplatte
6
im Jahre 1979 für den Au-
genblick unwiederholbar und einzigartig machte (vgl. Klein & Friedrich 2003a,
S. 15; Gorris 1989, S. 196 f).
5
Master of Ceremony; Akteur auf der Bühne, der die Aufgabe hat, das Publikum zu unterhal-
ten und zu bewegen (vgl. Krekow et al. 1999, S. 208).
6
R
apper
'
s
D
elight
von der Sugarhill Gang war die erste Rap-Schallplatte, die je veröffentlicht
wurde.
13

Die Jugendkultur HipHop
Beim Rappen standen von Anfang an die Texte im Mittelpunkt. Ganz gleich,
ob sie von Sex, Drogen, Armut oder Kriminalität handelten, sie spiegelten stets
den Alltag und die Träume der schwarzen US-amerikanischen Unterschicht
wider (vgl. Farin 1998, S. 46) und waren darüber hinaus geprägt von dem
Wettkampf der Crews um den besten DJ und den besten MC auf einer Party
(vgl. Gorris 1989, S. 199). Farin (1998) beschreibt die Sprache des Rap als
subversiv:
B
egriffe
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der
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A
ngeh
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rigen
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S
tadtviertel
zu
decodieren
(Farin 1998, S. 46).
3.2.3 Breakdance
Die Grundlage des Breakdance bildet eine einfache, in wenigen Minuten zu
erlernende Schrittfolge. Die darauf aufbauenden Bewegungen und Techniken
sind kompliziert, erfordern viel Körperbeherrschung und Training. Indem
Breakdance Achsen und Zentren überall im Körper vorstellbar macht, bricht er
radikal mit der Tradition des europäischen Tanzes (vgl. Klein & Friedrich
2003a, S. 31 f). So ist der Tanzstil des Breakdance charakterisiert durch den
permanenten Wechsel von simultanen und sukzessiven Bewegungen:
B
reakdance
kann
man
beschreiben
als
ruckartiges
S
ch
ü
tteln
des
K
ö
rpers
verbunden
mit
akrobatischen
D
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auf
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,
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zum
W
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,
untermauert
von
den
,,
dozens
",
einer
ö
ffentlich
ausgetragenen
W
ortschlacht
(Nolteernsting 1997, S. 283 nach Freund 1996).
Zu den drei Stilen des Breakdance gehören
B
reaking
,
P
opping
und
L
ocking
.
B
reaking
hieß ursprünglich
B-B
oying
und erinnert an Kampfsportarten, wie
Kung Fu oder Karate. Auch die im 16./17. Jahrhundert erfundene brasilia-
nische Tanz-Kampfkunst
C
apoeira
formte den Stil und seine Akrobatik ent-
scheidend mit. Jede Breakdancedarbietung schließt abrupt und überraschend
mit einer Pose, die als
F
reeze
7
bezeichnet wird, da die Tänzer dabei wie erstarrt
bzw.
eingefroren
wirken (vgl. Rode 2002, S. 120).
L
ocking
ist im Vergleich zu
P
opping
der ausdrucksstärkere Tanz. Er beruht auf Grundschritten, die
rhythmusbetont sind, und erinnert an kleine Spielzeugfiguren, die an Fäden
7
to freeze: englische Bezeichnung für
frieren
,
einfrieren
,
erstarren
14

Die Jugendkultur HipHop
hängend bewegt werden. Außerdem ist dieser Tanzstil pantomimisch und ironi-
sierend; er spielt mit Spannung und Entspannung (vgl. ebd.).
3.2.4 Graffiti
Graffiti ist die Pluralform von
G
raffito
und stammt von dem italienischen Verb
graffiare
, welches mit
einritzen
oder
einkratzen
übersetzt werden kann (vgl.
Krekow et al. 1999, S. 149). Während der Ausdruck
G
raffiti
für
Wandmalereien im Allgemeinen steht, geht es beim
W
riting
vor allem um den
Namen. Um 1968 begannen die ersten Jugendlichen in den Straßen von New
York ihren Namen mit Filzstiften zu hinterlassen. Dabei war es üblich, hinter
dem eigenen Namen eine Nummer zu setzen, die für eine Straßen- oder Haus-
nummer stehen konnte und somit einen Hinweis auf die Herkunft des Urhebers
gab. Die Tatsache, dass im Jahre 1971 ein Interview des
W
riters
Taki 183 in
der New York Times erschien, animierte Jugendliche zunehmend zur
Nachahmung (vgl. ebd., S. 23). Die einzuhaltende Grundregel hierbei war
denkbar einfach: ,,Schreib mit dickem Filzstift oder Sprühdosen Deinen Namen
und markiere Dein Gebiet im öffentlichen Raum" (Klein & Friedrich 2003a,
S. 31).
Neben dem Malen einfacher Namenszüge gehört auch das Gestalten
dreidimensionaler Bilder, die auch Figuren, Gebäude, Situationen und
Phantasiewelten zeigen, zu Graffiti. Ziel der
W
riter
, wie die Graffiti-Sprüher
sich selbst bezeichnen, ist es, den Respekt der Szene zu gewinnen. Um viel
Ansehen zu erlangen, müssen die
T
ags
8
oder
P
ieces
9
möglichst sichtbar,
risikoreich und waghalsig platziert werden (vgl. ebd.).
Graffitis fanden sich vorzugsweise an den U-Bahnzügen und Hauswänden der
Großstädte wieder und dienten den untereinander konkurrierenden Gangs in
den USA dazu, ihre Reviere zu kennzeichnen (vgl. Nolteernsting 1997, S. 283).
Da das Bemalen von öffentlichen Flächen jedoch illegal ist, ist es für einen
W
riter
nicht erstrebenswert, bei der Allgemeinbevölkerung bekannt zu werden.
Im Gegenteil: Für ihn besteht ein großes Interesse daran, anonym zu bleiben
(vgl. van Treeck 2003, S. 102). Bezogen auf andere Szeneangehörige gilt dies
jedoch nicht. Sie sollen beeindruckt werden und von den eigenen Aktivitäten
8
(engl. Namensschild, Nummernschild); Die einfachsten Graffitis, die reinen Unterschriften
der Writer werden
T
ags
genannt (vgl. Krekow et al. 1999, S. 304).
9
(engl. Stück);
P
iece
ist im Writing ein Synonym für Bild bzw. ausgearbeitetes Graffiti (vgl.
Krekow et al. 1999, S. 149).
15

Details

Seiten
Erscheinungsform
Erstausgabe
Erscheinungsjahr
2011
ISBN (PDF)
9783956846496
ISBN (Paperback)
9783956841491
Dateigröße
911 KB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Universität zu Köln
Erscheinungsdatum
2015 (Februar)
Note
1
Schlagworte
Jugend Kultur Rap Breakdance Graffiti
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Titel: Vergleich der Jugendkultur HipHop in der Bundesrepublik Deutschland und der DDR
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