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Die nationale Problematik hundegestützter Interventionen in der Sozialen Arbeit: Eine qualitative Sozialforschung zur Professionalisierung der 'Methode' Hund

©2013 Bachelorarbeit 58 Seiten

Zusammenfassung

Der Hund als Methode in der Sozialen Arbeit erfreut sich zunehmender Beliebtheit. Die positive Wirkung von Hunden auf den Klienten selbst sowie auf die Beziehung zwischen Klienten und Sozialarbeiter ist belegt und Grundannahme dieser Studie.
Die "Methode" Hund hat viele Namen: Therapiehund, Therapiebegleithund, Besuchshund, Assistenzhund, Hilfshund, Servicehund, Co-Pädagoge, Co-Therapeut, Schulhund, Päddog, ...der deutsche Wortschatz wird durch diese Begriffe verwirrend bereichert. Etabliert wurde der ungünstige Begriff "Therapiehund", wodurch ein unqualifizierter Einsatz unkontrolliert möglich ist. Hinter jedem Begriff steckt jedoch die Motivation, einem Menschen durch den Kontakt zum Hund eine Milderung seiner Problemlage zu verschaffen.
Die Problematik der Methode Hund ist jedoch, dass es kaum Ausbildungsstandards für den Hund sowie für die tiergestützte Pädagogik gibt. Auf Grundlage einer qualitativen Sozialforschung mit der Delphie-Methode wurden konkrete Handlungsempfehlungen zur Professionalisierung gefunden.

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


3.1 Die Domestikation des Wolfes zum Hund im Abgleich mit der Bedürfnishierarchie nach Maslow

Die Grundannahme der humanistischen Psychologie als verwandte Disziplin der Sozialen Arbeit ist, dass eine relativ störungsfreie Entwicklung welche dem Grundgerüst nach Maslow folgt, die "innere Natur"[1] eines Menschen bis hin zur Selbstverwirklichung prägen kann. Dieses Ziel verfolgt auch die Soziale Arbeit (siehe Kapitel 3.2) und wird im Folgenden auf die Historie von Mensch und Hund beleuchtet.

Der Hund, welcher vom Wolf, vor etwa 15.000 Jahren zum Jagdhelfer und Hütehund domestiziert wurde, ist in Deutschland noch immer nicht als pädagogische Methode anerkannt. Dies mag darin begründet sein, dass dem Hund „primitive“ und nicht komplexe Aufgaben zugeschrieben werden.

Unter Betrachtung der Bedürfnishierarchie nach Abraham Maslow, ist eindeutig, welches Bedürfnis der domestizierte Wolf damals für den Menschen erfüllen sollte. Er diente der zweiten Ebene, dem Bedürfnis nach Sicherheit, bewahrte vor (möglichen) Gefahren und deren Folgen durch Eindringlinge und sicherte den Jagderfolg.

Auf der dritten Ebene, dem Bedürfnis nach Zuwendung erfüllen Diabetiker,- Epilepsie,- sowie Blindenführhunde die Bedürfnisse ihres Menschen.

Ihre primäre Aufgabe ist zwar die Kompensation der Krankheit / Beeinträchtigung, doch bilden sie damit die Grundlage für soziale Bedürfnisse wie Gruppenzugehörigkeit und Beziehungen zu anderen Menschen durch die Ermöglichung einer relativen Selbstständigkeit. Diese Theorie belegen Forscher nicht nur im Bezug auf Blindenführhunde, sondern auf den Hundehalter allgemein wie folgt:

"Das amerikanische Soziologen- und Ethnologenteam Robins, Sanders und Cahill untersuchte [...] das Problem sozialer Inklusion. Etablierte Gruppen neigen dazu, sich gegen nicht dazugehörende Personen abzuschließen. Das entspricht unser aller Alltagserfahrung [...] und führte zur Ausbildung ganzer sozialwissenschaftlicher Theorien über In- und Exklusion. Die Hundebesitzer [...] verhielten sich allerdings auffallend anders, als die beobachtenden Forscher aus ihrer Erfahrung mit anderen Gruppen erwartet hatten: Sie integrierten nämlich jede fremde Person, die auf sie zuging. Für das beobachtende Forscherteam gab es nur einen einzigen Schlüssel für dieses untypische Verhalten der Gruppenmitglieder: Ihre Hunde. [...] Hunde können also für mehr Gesellschaft sorgen, als nur ihre eigene. Sie sind gleichzeitig ein Mittel gegen die heute übliche Anonymität [...]. Hunde ermöglichen Kontakt, Vertrauen Gespräch und Verbindung."[2]

Diabetiker,- sowie Epilepsiewarnhunde dienen dem Menschen durch den Einsatz ihrer visuellen und olfaktorischen Sinne in Verbindung mit einer natürlichen sowie erlernten Beobachtungsgabe. Sie werden von gemeinnützigen Vereinen ausgebildet. Diese Hunde haben jedoch noch nicht die Privilegien des Blindenführhundes wie die Begleitung im Supermarkt oder der Reise im Flugzeug.

Der Blindenführhund, der Diabetikerwarnhund, sowie der Epilepsiewarnhund dienen dem körperlich eingeschränkten Menschen.

Dass Hunde sich jedoch auch auf das seelische Wohlbefinden auswirken, zeigen immer wieder Pressemeldungen verschiedener Erfolgsgeschichten durch Therapiehunde von Autisten, von Kindern mit AD(H)S, sowie als präventives Mittel gegen Depressionen.

Diese Hunde (Therapiehunde) erfüllen die vierte Ebene, das Bedürfnis nach Anerkennung. Als nonverbale, körperliche Wesen finden sie einen Zugang zu Menschen mit und ohne psychische Erkrankungen. Sie bestätigen, ohne ein Lob aussprechen zu können, sie haben ein dankbares Naturell, ohne den Wert schätzen zu können, unabhängig vom gesellschaftlichen Stand oder der Optik des Menschen. Sie bereiten ihren Menschen Erfolge, sei es auf Turnieren oder privat. Auch vermittelt es Menschen ein Gefühl von Macht und Verantwortung, einen Hund zu halten.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 3.1-Klassifizierung von Hunden nach Maslow

Es lässt sich daher feststellen, dass der Hund die Bedürfnishierarchie nach Maslow auf verschiedenen Ebenen erfüllt hat und noch immer erfüllt.

"Warnung vor dem Hunde" - Zahlreiche Schilder an Gartenpforten weisen noch immer auf das Bedürfnis nach Schutz des Menschen durch den Hund hin. Sie erfüllen als Schlüsselfunktion für Menschen mit körperlichen Einschränkungen das Bedürfnis nach autonomer Lebensgestaltung und Zugehörigkeit zur Gesellschaft.

Sie bieten eine Projektionsfläche für Anerkennung mit oder für den Hund. Er hat also auch nach 15.000 Jahren noch immer einen berechtigten Platz in der Gesellschaft.

Doch diese Eigenschaften des Hundes machen ihn nicht zu einem „Therapiehund“. Ein Hund kann für den Menschen zwar ein „Therapeutikum“[3] darstellen, doch ist der Erfolg der "Therapie" -Hund- von subjektiven Gegebenheiten abhängig (siehe Abbildung 3.2-Sinnvoller Tiereinsatz) . Durch die leichtfertige Bezeichnung „Therapiehund“ wird die Arbeit zwischen Sozialarbeiter, Hund und Klient nicht professioneller sondern stagniert durch fehlende Forschung und Entwicklung. Die mangelnden Hürden in Form einer standardisierten Ausbildung begründen vielleicht eine fehlende Anerkennung des Hundes im pädagogischen Setting.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 3.2-Sinnvoller Tiereinsatz[4]

3.1.1 Die demokratisch/hierarchische Beziehung zwischen Mensch und Hund

Die Beziehung zwischen Mensch und Hund ist ein Streitthema. Folgende Zitate legen dar, dass selbst unter Experten noch kein einheitlicher Kontext darüber besteht, ob die Beziehung zwischen Menschen und Hunden hierarchisch oder demokratisch strukturiert ist. Frau Dr. Feddersen-Petersen vom Institut für Haustierkunde in Kiel betont eher hierarchische Strukturen:

„Bereits in prähistorischer Zeit muss der Hund ein beliebtes Haustier gewesen sein - gemessen an der Zahl der Knochenfunde. […] Ausgehend vom Sozialverhalten des Menschen und der Wölfe sind soziale Gründe anzunehmen, die Wölfe/Hunde zum Menschen führten/bei ihm beließen. […] Menschen und Wölfe/ Hunde passen von ihrer Sozialordnung her sehr gut zueinander; der Wolf war - mit seinem geselligem Wesen und dem ausgeprägten „Rangordnungsdenken“ - sehr gut geeignet für eine Domestikation.[…]

Vor rund 15.000 Jahren begann die Geschichte des Haushundes, und in diesem großen Zeitraum wurden die Wolfsnachfahren den ganzen ökologischen Bedingungen des Hausstandes und dem Leben mit dem Menschen angepasst. […] Wie die sog. 'angeborene Zahmheit der Hunde', das Fehlen der Fluchttendenz dem Menschen gegenüber, so gibt es eine Reihe genetisch fixierter Änderungen, die den Hund zum idealen Menschenbegleiter gemacht haben."[5]

Eine demokratische Beziehungsgestaltung beobachtete Günther Bloch unter den Wölfen[6] im Yellowstone Nationalpark:

"Viele Wissenschaftler argumentieren, dass wir Menschen uns nicht in die typischen Grundsätzlichkeiten von Kanidengesellschaften[7] hineindenken können, weil wir gemeinsame Vorfahren aus der Affenwelt haben, wo oft hierarchische Zweckgesellschaften vorherrschen. [...] Ein solches Verhalten entspricht nicht den Kanidengruppen, deren Zweckgemeinschaften eben gerade nicht streng hierarchisch funktionieren."[8]

Eine einheitliche Meinung besteht darin, dass der Hund ein Rudeltier ist. Eine der wichtigsten Grundlagen der pädagogischen Arbeit mit Hunden ist daher, ihn als Rudeltier anzuerkennen. Ein Rudelverband weist eine Struktur von Regeln und Grenzen auf, und Personen oder Leittiere, die diese setzen. Der Rudelverband ordnet jedem Rudelmitglied eine Rolle zu, welche im weiteren Verlauf wenig (aber mögliche) Veränderung findet. Alle Rudelmitglieder tragen zu einem funktionierendem Miteinander bei.

Der Rudelverband der Hunde ist mit der demokratischen Gesellschaftsform der Menschen in manchen Punkten zu vergleichen. Wie Menschen, stabilisieren Hunde ihr Rudel von unten nach oben, eine Diktatur ist damit ausgeschlossen. Ferner verfügen Kanidengesellschaften über ein vergleichbares "soziales Netz" das die physische sowie psychische Fürsorge sichert.

In der pädagogischen Arbeit ist es wichtig die Grundregeln des Rudelordnungsdenkens von Hunden zu erlernen, zu erkennen und konsequent anzuwenden. Der Pädagoge soll Hund und Klienten überzeugen, indem er das familiäre (Rudel-)verhalten sicher und kompetent vorlebt, um ihm als leitende Person folgen zu wollen und zu können.

Der Pädagoge ist damit Gruppenleitung und Hundeleitung in Einem. Dies beinhaltet konsequentes Verhalten sowie Souveränität und Geduld. Vor allem das menschliche Beziehungssystem (zwischen Therapiehundeführer und Pädagogen/Therapeuten wenn nicht die selbe Person) muss harmonisch und stabil sein, um den Bedürfnissen aller beteiligten Menschen und Hunden gerecht zu werden. Dadurch entsteht familiär gefärbte Normalität als Grundlage für herbeigesehnte Erfolge.

3.2 Der Auftrag Sozialer Arbeit

„Soziale Arbeit greift in Problemsituationen ein, in denen die Selbstlösungskapazitäten von Menschen überfordert sind. Sie fungiert als Vermittler zwischen Individuen und Gesellschaft mit dem Auftrag, Belastungsfaktoren abzubauen und nachteilige Wirkung abzumildern und Grenzen der individuellen Bewältigung durch Hilfen zu kompensieren.“[9]

Diesen Auftrag kann ein Sozialarbeiter gegenüber seinem Klienten auch mit einem Hund erfüllen. Im Idealfall (positive Erfahrungen des Klienten mit Hunden, ausgebildeter Hund, tiergestützte pädagogische Ausbildung des Sozialarbeiters) wird dieser Auftrag effektiv und effizient umgesetzt. Der aktuelle Stand ist vergleichbar mit einem Radio in einem Jugendclub. Es spielt vor sich hin. Ein Musiktherapeut könnte durch seine fundierte Ausbildung mit diesem Radio Großes bewirken. Eine fundierte Ausbildung des Hundeführers könnte dies ebenso. In der folgenden Tabelle wird der Auftrag der Sozialen Arbeit nach Heiner auf die direkte Soziale Arbeit mit Hunden im pädagogischen Setting übertragen.

Tabelle 3.1-Direkte Soziale Arbeit in Bezug auf Therapiehunde

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

3.2.1 Hundegestützte Interventionen als Methode der Sozialen Arbeit

Hundegestützte Interventionen sind im Folgenden in die Begrifflichkeiten der tiergestützten Interventionen eingegliedert. In der Sozialen Arbeit sind hundegestützte Aktivitäten / animal-assisted-activities (AAA) sowie hundegestützte Pädagogik/Erziehung / animal-assisted-education (AAE) zu finden. Eine hundegestützte Therapie / animal-assisted-therapy (AAT) sollte von einem Sozialarbeiter nur mit entsprechender, universitärer Aus- bzw. Fortbildung angeboten werden.

AAA = animal assisted activities

“AAA provides opportunities for motivational, educational, recreational, and/or therapeutic benefits to enhance quality of life. AAA are delivered in a variety of environments by specially trained professionals, para­professionals, and/or volunteers, in association with animals that meet specific criteria"[10]

AAE = animal assisted education

"AAE is the incorporation of animals in an educational setting. Animal Assisted Education (AAE) is the process of learning, and training, specifically developing skills and knowledge that is being assisted and enhanced by the presence and use of an animal. The Visiting Animal in educational settings is either the subject of the lesson plan, to facilitate the learning plan or to enhance the environment for learning to take place."[11]

Die pädagogische Arbeit mit Hunden ist kein "zauberhafter" Ansatz für ein Lächeln des Klienten. Die belegbare Wirkung von Hunden lässt sich nicht durch eine einzelne Theorie erklären sondern kann nur multidimensional erfasst und verstanden werden. Diese Aufteilung der Delta-Society/Pet-Partners ist in der Praxis nicht immer klar voneinander zu trennen.

4 Nationale Problematik

4.1 Wirtschaftspolitische Aspekte

Ein paar Zahlen vorweg. Im Jahr 2011/2012 waren in Deutschland 7,4 Millionen Hunde registriert. Damit lebt in 13,4% der deutschen Haushalte ein Hund.[12] Der Heimtiermarkt gehört hiermit selbst in wirtschaftlich schwierigen Zeiten zu den wachsenden Märkten.[13] Im Jahr 2012 erwirtschaftete die Heimtierbranche 3,867 Milliarden Euro.[14] Der Wunsch nach einem Haustier scheint weitgehend unabhängig von wirtschaftlichen Verhältnissen zu sein.

Hunde sind neben Pferden die einzigen domestizierten Tiere, welche in Deutschland Steuer- und Versicherungspflichtig behaftet werden. Die Hundesteuer ist ein Relikt aus dem Mittelalter (es sollte sicherstellen, dass sich nur privilegierte Menschen einen Hund leisten können) das mit jährlich rund 258 Millionen Euro (Stand 2010) den Kommunen und Gemeinden zugutekommt. Ein Anwalt aus Niedersachsen sieht darin eine Menschenrechtsverletzung und klagt derzeit beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte gegen diese Steuer.[15] Die Hundesteuer könnte ein Faktor sein, warum manche Menschen dem gemeinen Hundehalter gegenüber abgeneigt sind. Mit einer Steuer sind viele Dinge behaftet, die dem Menschen schaden, z.B. Tabaksteuer, Alkoholsteuer, Benzinsteuer etc. Eine Hundesteuer ist aus diesem Blickwinkel nicht förderlich für die Wahrnehmung des Hundehalters in der Gesellschaft oder gar dem Hund in der Pädagogik.

Mit seinen wirtschaftlichen Verhältnissen wird jedoch auch derjenige konfrontiert, der sich im pädagogischen Berufsfeld mit seinem Tier verwirklichen möchte. Zur Fachkraft für tiergestützte Therapie und Pädagogik wird man für 3850€[16], eine tierische Ausbildung zum Therapiehund gibt es ab 365€[17]. Handelt es sich hierbei um eine wirtschaftliche Investition?

Dafür spricht ein Präzedenzfall aus dem Jahr 2005. Ein 13 jähriges Mädchen wurde bei einem Autounfall schwer verletzt. Die Haftpflichtversicherung des Unfallverursachers unterbreitete der Familie des Mädchens, die Idee mit dem Therapiehund:

"Forscher stellten 1996 fest, dass sich die Zahl bezahlter Pflegestunden um bis zu 70 Prozent reduzieren kann, wenn Hunde helfen. In Deutschland fehlt [...] eine übergreifende Organisation. Unzählige Vereine und private Hundetrainer engagieren sich - wie, das bleibt ihnen überlassen. [...] 'Kein Wunder, dass es bislang keine Unterstützung durch die Krankenkassen gab.' 15.000 bis 20.000 Euro kostet ein gut ausgebildeter Hund. Unfall- und Haftpflichtversicherungen greifen zunehmend in den Behandlungsprozess von Unfallopfern ein.

'Wenn man frühzeitig Geld in die Hand nimmt, kann man den Leuten schneller auf die Beine helfen', sagt Bettina Zander, Sprecherin der Volksfürsorge. Im besten Fall könne das Invalidität verhindern - und die Zahlung lebenslanger Renten."[18]

In diesem Fall wurde deutlich, dass die Versicherung den wirtschaftlichen und gesundheitlichen Gewinn durch den Hund erkannt und honoriert hat. Einen ähnlichen Effekt errechneten US-amerikanische Statistiker: Ca. 3,89 Euro weniger Ausgaben für Medikamente pro Patient und pro Tag für Altenheime, in denen Tiere leben.[19] Der Gewinn liegt für beide Parteien klar auf der Hand. Menschen die mit einem Hund leben, sind seltener depressiv. Außerdem wirkt der Hund stress- und schmerzmildernd durch periodisches Nachlassen und Zunehmen der Aufmerksamkeit.[20]

Skeptiker würden die Ausgaben für eventuelle allergische Desensibilisierungen oder Antiallergika entgegen rechnen, doch sogar das Robert-Koch-Institut sprach sich in seiner Gesundheitsberichterstattung von 2003 dafür aus, "[...] im Einzelfall das Risiko einer Allergie gegen den Gewinn an Lebensqualität abzuwägen".[21]

Der nationale Stand in Deutschland zeigt auch auf, dass trotz solcher Erfolgsmeldungen, die Medizin weder ein Interesse an der Forschungsfinanzierung noch an den Forschungsergebnissen zu haben scheint. Tiergestützte Therapien oder Besuchsdienste werden eher an städtischen Krankenhäusern und weniger an Universitätskliniken angeboten und durchgeführt. Dieser Raum der Forschung entfällt daher bisher. Das schlägt sich auch in der Forschungsfinanzierung nieder - sie wird hauptsächlich von Futtermittelherstellern gesponsert. Universitäre Fortbildungen für tiergestützte Interaktionen werden an veterinärmedizinischen Hochschulen (z.B. Wien)[22] angeboten. Universitäre Fortbildungen an Hochschulen des Sozialwesens sind denkbar und werden z.B. in Freiburg im Breisgau angeboten. Auch eine Eingliederung in die Seminarplanung ist denkbar, da mittlerweile fachähnliche Professionen wie Musiktherapie oder Gebärdensprache einen anerkannten Gewinn für Studenten und Klientel der Sozialen Arbeit darstellen.

4.2 Aktueller Stand der tiergestützten Interventionen in Deutschland

In Deutschland wurde im Jahr 2004 der ESAAT, mit dem Ziel einer Etablierung eines anerkannten Berufsstandes der tiergestützten Arbeit, gegründet. Es gab unter den Gründungsmitgliedern jedoch Differenzen, und ein Teil von ihnen spaltete sich 2006 ab um den ISAAT zu gründen. Trotz beider Initiativen, scheint es in Deutschland im Vergleich zu anderen Ländern noch immer an einer Organisationsstruktur als auch in der Einführung von Qualitätsstandards zu mangeln:

"Die aktuelle Situation bietet hier leider ein recht konfuses Bild von zahlreichen Einzelkämpfern, immer wieder neuen Initiativen und einer allseits um sich greifenden Orientierungslosigkeit. Dieser Zustand hat zur Folge, dass sich unkontrolliert und in beliebiger Form sowohl die Ausbildungsformen und -inhalte gestalten können als auch das Einsatzniveau unter einem Qualifikationsmangel leidet.

Verantwortungslos nehmen manchmal ungeprüfte, sogenannte 'Therapiehunde-Teams' Kontakt auf zu ahnungslosen und gutgläubigen Klienten und Patienten - zum Ärgernis all derjenigen, die sich zum überwiegenden Teil über viele Monate bemüht haben, für sich und ihren Hund einen qualifizierten Ausbildungshintergrund zu erarbeiten, der nicht nur zeitlich sondern auch finanziell aufwendig ist."[23]

In Deutschland gibt es aber ungeachtet dessen eine besondere Problemlage - die Praxis ist der Theorie weit voraus. Dies scheint auf den ersten Blick seltsam anzumuten, da viele Pädagogen institutsbedingt nicht mit ihrem Hund arbeiten dürfen. Anders sieht es bei selbstständigen Psychotherapeuten, Eltern- und Erzieherinitiativen etc. aus. Diese binden oftmals ihre Hunde in den therapeutischen oder pädagogischen Kontext ein. Das Problem hierbei ist der fehlende Transfer des praxisunmittelbaren Erfahrungs- und Erkenntnisgewinns. Das stellte auch Hanne Tügel fest:

"Wesen mit Flossen, Fell und Flügeln können helfen, Krankheiten und Behinderungen zu heilen oder zu lindern, selbst dort, wo ärztliche Zuwendung und Gelehrsamkeit an Grenzen stößt. Warum und wie die geheimnisvollen Kräfte von Tieren wirken, ist allerdings im Zeitalter von Neuroprothetik und Gentherapie kaum Forschungsthema. Nicht-menschliches Personal zu erproben überlassen etablierte Mediziner in der Regel Außenseitern."[24]

Um diesem Problem zu begegnen wurde nun die IGTH[25] im südwestdeutschen Raum gegründet. Ihr Einfluss wird sich noch unter Beweis stellen müssen.

4.3 Internationale Entwicklung der Organisationsstrukturen

Besonders in den westlichen Ländern gibt es seit Jahrzehnten Bemühungen der Forschung, der Qualitätsentwicklung sowie Qualitätssicherung.

Die folgende Tabelle ist eine kurze Zusammenfassung der anerkannten Organisationen, ohne Anspruch auf Vollständigkeit.

Tabelle 4.1-Internationale Organisationen

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten[26] [27] [28] [29] [30] [31] [32]

[...]


[1] vgl. (Hobmair, 2006) S. 396

[2] (Greiffenhagen & Buck-Werner, 2012) S. 42

[3] Therapeutikum: Mittel mit Eigenschaften zur Heilung oder zur Verhütung menschlicher Krankheiten.

[4] (Saumweber, 2009)

[5] (Feddersen-Petersen D. D., 2004) S. 30 - 32.

[6] Die Bezugnahme auf den Wolf begründet sich in folgendem Verständnis: Wölfe und Hunde begehen zwar seit 15.000 Jahren eine getrennte Evolution, jedoch eignete sich der Hund kaum spezifizierte Verhaltensweisen an.

[7] Der Begriff "Kaniden" leitet sich vom lateinischen Canis-Lupus (Wolf) sowie Canis-Lupus forma familiaris (Hund) ab.

[8] (Bloch & Radinger, 2010) S. 12

[9] (Born, 2009)

[10] (Pet Partners®)

[11] (Bright, Rachel)

[12] vgl. (Schreiber, Zentralverband Zoologischer Fachbetriebe Deutschlands e.V. - Heimtierpopulation, 2011/2012) S.2

[13] vgl. (Prothmann, 2012)

[14] vgl. (Schreiber, Zentralverband Zoologischer Fachbetriebe Deutschlands e.V., 2013) S. 01

[15] vgl. (Niederste-Werbeck, 2012)

[16] (Wohlfarth, Freiburger Institut für tiergestützte Therapie)

[17] (Burdich, 2013)

[18] (Kluin, 2005)

[19] vgl. (Tügel, 2001)

[20] vgl. (Venz, 2010) S. 34

[21] (Güldner, 2011)

[22] vgl. (Veterinärmedizinische Universität Wien, 2013)

[23] (Röger-Lakenbrink, 2010) S. 20

[24] (Tügel, 2001)

[25] (Schmid)

[26] vgl. (Harms)

[27] vgl. (ADI)

[28] vgl. (Röger-Lakenbrink, 2010) S. 15

[29] vgl. (IEMT Schweiz)

[30] vgl. (Assistance Dogs International, 2013)

[31] vgl. (Wohlfarth, ESAAT)

[32] vgl. (Hair)

Details

Seiten
Erscheinungsform
Erstausgabe
Jahr
2013
ISBN (PDF)
9783956846519
ISBN (Paperback)
9783956841514
Dateigröße
1.1 MB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Katholische Hochschule für Sozialwesen Berlin
Erscheinungsdatum
2015 (Februar)
Note
2,3
Schlagworte
Therapiehund Maslow tiergestützte Intervention Delphie-Methode Therapie
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