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Der Einfluss von Basel III auf das Liquiditätsrisikomanagement von Kreditinstituten: Eine vergleichende Analyse ausgewählter Banken im Zeitablauf

©2013 Bachelorarbeit 55 Seiten

Zusammenfassung

Das Ziel der vorliegenden Arbeit ist eine kritische Prüfung, ob das neue Reformpaket Basel III mit seinen Liquiditätskennzahlen LCR und NSFR einen Einfluss auf das Liquiditätsrisikomanagement von Banken haben wird.
Neben grundlegenden Begriffen werden die besondere Bedeutung von Liquiditätsrisiken in Kreditinstituten und die Funktion eines effektiven Liquiditätsrisikomanagements beschrieben. Gesetzliche und aufsichtsrechtliche Anforderungen, die bereits umgesetzt worden sind und den Status quo ausmachen werden ebenso dargestellt wie die Berechnung der neuen Liquiditätskennzahlen und die zugrunde liegende Bedeutung der Bilanzpositionen. Eine Analyse ausgewählter Banken vom Jahr 2006 bis 2012 stellt den Wandel des Liquiditätsrisikomanagements dar. Durch die Rückschau wird untersucht, wie die Reformen vor Basel III umgesetzt wurden und wie der aktuelle Status quo ist. Als Banken wurden für die Analyse die Deutsche Bank, HSBC Trinkaus, DZ Bank und die Stadtsparkasse Düsseldorf klassifiziert. Die gewonnenen Erkenntnisse aus dieser Arbeit werden zusammenfassend dargestellt und mit einem Ausblick auf künftige Auswirkungen und Anforderungen an das Liquiditätsrisikomanagement gewürdigt.

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


2.1. Risiko und Liquidität

Den Begriff „Risiko“ einheitlich zu definieren gestaltet sich sowohl in der Praxis wie auch in der Literatur nicht einfach. Aufgrund vielfältiger Begriffsdefinitionen wird hier das Risiko ausschließlich im bankbetrieblichen Kontext betrachtet.

Grundsätzlich ist eine Risikosituation dadurch gekennzeichnet, dass zukünftige Eintrittswahrscheinlichkeiten bekannt sind. Dabei differenziert sich der Risikobegriff in formale und materielle Risiken.[1] Das formale Risiko stellt den Informationszustand des Wirtschaftssubjekts in den Vordergrund und berücksichtigt dabei die Ursache des Risikos. Oft wird auch vom „ursachenbezogenen Risikobegriff“ gesprochen. Beim materiellen Risiko liegt der Fokus auf der Verlustgefahr. Diese wird wiederum in eine Quantitätsdimension und eine Intensitätsdimension differenziert. Die Quantität bezieht sich auf die Höhe des Schadens, wohingegen sich die Intensität auf die Eintritts-wahrscheinlichkeit bezieht. So definiert sich das materielle Risiko auch als „wirkungsbezogenes Risiko“. Übertragen auf das Liquiditätsrisiko lässt sich festhalten: Ein normaler Zahlungsabfluss stellt kein Risiko dar, wohingegen eine Abweichung vom erwarteten Niveau als Risiko definiert werden kann.[2]

Auch beim Begriff der „Liquidität“ ist es nicht einfach, sich auf eine einheitliche Definition festzulegen. In der Regel wird der zahlungsstromorientierte Begriff der „Liquidität von Wirtschaftssubjekten“ aufgeführt. Diese ist dann gegeben, wenn jederzeit und in voller Höhe Zahlungsverpflichtungen bedient werden können. Dabei werden auch Kreditlinien bei anderen Banken mitberücksichtigt. Dahingegen beschreibt die „Liquidität von Wirtschaftsobjekten“ die Liquidierbarkeit von Vermögensgegenständen wie z.B. Aktiva. Dieses wird bei der Anrechnung von Bilanzpositionen hinsichtlich der neuen Liquiditätskennzahlen eine wichtige Rolle spielen.

Die Liquidität im Bankensektor hat eine sehr wichtige Bedeutung und lässt sich von der Liquidität anderer Unternehmen abgrenzen. Beispielsweise beeinflussen Verfügungs- und Wahlrechte der Kunden bei Bankprodukten die Liquidität in großem Maße. Durch die Fremdbestimmtheit der Zahlungsflüsse bleiben Zahlungsverpflichtungen weitgehend unbekannt. Der Kunde wirkt somit exogen auf Liquiditätsbewegungen ein und muss in der Liquiditätssteuerung berücksichtigt werden.[3] Die Autonomie der Kunden führt dazu, dass die Zahlungsbereitschaft einer Bank nur auf einem bestimmten Wahrscheinlichkeitsniveau einzuhalten ist.[4] Ein weiterer Ansatz bankspezifischer Liquidität beruht auf den betrachteten zeitlichen Dimensionen. Hier wird zwischen der kurzfristigen und mittel- bis langfristigen Liquidität unterschieden. Die kurzfristige Liquidität wird oft auch als operative oder dispositive Liquidität bezeichnet und versteht die jederzeit ausreichende Fähigkeit, Verbindlichkeiten bedienen zu können. Auch hier wird die Sonderstellung von Kreditinstituten deutlich. Im Gegensatz zu anderen Unternehmen dürfen Banken ihre Zahlungstermine nicht geringfügig verschieben. Hieraus könnte ein Vertrauensverlust der Kunden und somit ein verstärkter Abzug liquider Mittel resultieren.[5] Der mittel- bis langfristige Bereich beginnt häufig bei zwölf Monaten und definiert sich als strukturelle Liquidität. Ziel der Bank ist es, im strukturellen Bereich genügend langfristige Refinanzierungsmittel auf der Passivseite zur Verfügung zu haben, um die gewünschte Entwicklung auf der Aktivseite erzielen zu können.

2.2. Liquiditätsrisiken in Kreditinstituten

Im Gegensatz zum oben definierten Risiko- und Liquiditätsbegriff werden Liquiditätsrisiken in Banken in der Fachliteratur relativ einheitlich definiert. Unter dem „Liquiditätsrisiko im engeren Sinne“ wird die Gefahr bezeichnet, dass eine Bank ihre Zahlungsverpflichtungen zum Zeitpunkt der Fälligkeit nicht uneingeschränkt erfüllen kann.[6] In der Praxis wird oftmals von einem „Zahlungsunfähigkeitsrisiko“ gesprochen. Dahingegen gilt eine Bank als liquide, wenn ein finanzielles Gleichgewicht herrscht.[7] Dies lässt sich an folgender Gleichung nachvollziehen:

Zahlungsmittel + Liquidationserlöse + Refinanzierungszuflüsse ≥ Zahlungsmittelbedarf

Die Summe aus vorhandenen Zahlungsmitteln, Liquidationserlösen und Refinanzierungszuflüssen muss zu jedem Zeitpunkt mindestens dem Zahlungsmittel-bedarf entsprechen. Ansonsten besteht ein Zahlungsunfähigkeitsrisiko.

Das „Liquiditätsrisiko im weiteren Sinne“ unterteilt sich in originäre und derivative Liquiditätsrisiken. Die folgende Abbildung zeigt die Einteilung der Liquiditätsrisiken:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 1: Übersicht der Liquiditätsrisiken

Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Schöning (2004), S. 387

Die originären Liquiditätsrisiken werden in die drei Einzelaspekte, Refinanzierungs-risiko, Terminrisiko und Abrufrisiko, aufgeschlüsselt. Das Refinanzierungsrisiko beschreibt die Gefahr, dass Refinanzierungsmittel (Passiva) im Falle einer Liquiditätskrise nicht oder nur zu erhöhten Kosten beschafft werden können.[8] Das Terminrisiko resultiert aus der Gefahr, dass sich die Kapitalbindungsdauer bei Aktivgeschäften verlängert. Dies kann durch Markthemmnisse oder durch nicht bzw. nicht fristgerechte Zins- und Tilgungszahlungen der Gegenpartei geschuldet sein.[9] Das Abrufrisiko ist in der Möglichkeit begründet, dass Kreditlinien vertragskonform aber unerwartet in Anspruch genommen werden (aktivisches Abrufrisiko) bzw. Einlagen unvorhersehbar hoch abgerufen werden (passivisches Abrufrisiko).[10] Das Terminrisiko und das Abrufrisiko sind Gegenparteirisiken, da diese durch das Verhalten der Kunden beeinflusst werden. Das derivative Liquiditätsrisiko ist separat zu betrachten. Es kann ein Resultat aus einem originären Risiko sein, muss aber zwangsläufig nicht eintreten.[11] Ein derivatives Risiko wäre z.B. in Wechselkurs- oder Zinsänderungen zu finden. Diese können sich erfolgswirksam auf die Zahlungsströme und damit auch auf die Liquidität einer Bank auswirken.

Liquiditätsrisiken können also aus Entscheidungen der Bank selbst, aber auch aus Besonderheiten von Bankdienstleistungen resultieren. Da das Liquiditätsrisiko andere Risikoarten determiniert, sollte es im Kontext der Gesamtbanksteuerung besonders berücksichtigt werden.[12]

2.3. Liquiditätsrisikomanagement im Kontext der Gesamtbanksteuerung

Trotz einer guten Ertragslage kann eine Bank in die Insolvenz geraten, wenn nur unzureichend Liquidität vorhanden ist. Somit ist es unerlässlich, ein funktionierendes Liquiditätsrisikomanagement in die Gesamtbanksteuerung zu integrieren. Das Hauptziel eines gewinnorientierten Liquiditätsrisikomanagements sollte die Minimierung der Liquiditätskosten sein. Unverzichtbare Nebenbedingung ist hierbei die Sicherstellung der jederzeitigen Zahlungsfähigkeit der Bank.[13] Dies setzt voraus, dass Liquiditätsrisiken aktiv gesteuert werden. Als zweckmäßig erweist sich die Beachtung eines 4-stufigen Risikomanagement-Regelkreises:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Das Liquiditätsrisikomanagement durchläuft diesen Kreislauf nach den im Kapitel 2.1. beschriebenen Zeithorizonten. Auf struktureller Ebene wird eine gezielte Refinanzierungs- und Anlagepolitik durchgeführt. Der Fokus liegt auf der Diversifikation und Limitierung von Aktiva und Passiva sowie auf der Dotierung einer ausreichenden Liquiditätsreserve zur Deckung der Nettomittelabflüsse. Die strukturelle Liquiditätssteuerung formuliert die Bedingungen für ein langfristiges, finanzielles Gleichgewicht und schafft damit die Voraussetzungen für das dispositive Liquiditätsrisikomanagement.[14] Das dispositive Liquiditätsrisikomanagement stellt hingegen auf konkrete Zahlungsmittelbewegungen ab. Durch Finanzpläne soll gewährleistet werden, dass die kumulierten Zahlungsmittelabgänge durch den Zahlungsmittelanfangsbestand und die kumulierten Zahlungsmittelzugänge jederzeit gedeckt sind.[15]

Ferner ist zu beachten, dass das Liquiditätsrisiko immer in Verbindung mit anderen Risikoarten gesehen werden muss. Zum Beispiel werden externe Refinanzierungs-quellen und der Wert liquidierbarer Aktiva von bestimmten Marktgegebenheiten beeinflusst. Folglich erscheint es sinnvoll, dass Liquiditätsrisikomanagement mit anderen Organisationseinheiten wie etwa dem Marktrisikomanagement zu verzahnen. Dies kann dadurch erreicht werden, dass Risikoeinheiten in einer übergeordneten Einheit wie z.B. dem Risikocontrolling integriert werden. Eine andere Möglichkeit ist das Bilden von Risikoausschüssen, in denen Vertreter aus dem Liquiditäts-, Markt- und Kreditrisikomanagement vertreten sind.

Vor einigen Jahren wurden den Banken unterstellt, identifizierte Risiken vollständig zu ignorieren. Heutzutage werden finanzwirtschaftliche Risiken übernommen und transformiert. Hierzu gehören auch die Liquiditätsrisiken, die folgerichtig aktiv gesteuert werden müssen. Dies kann jedoch nur durch ein funktionierendes Liquiditätsrisikomanagement erfolgen, welches in der Gesamtbanksteuerung eingebunden ist.

3. Aufsichtsrechtliche Anforderungen an das Liquiditätsrisikomanagement von Kreditinstituten

Während das Liquiditätsrisikomanagement der Banken neben der Solvenz auch ertragsorientierte Aspekte anstrebt, ist das primäre Ziel bankenaufsichtsrechtlicher Liquiditätsnormen der Gläubiger- und Systemschutz. Diese Normen differenzieren sich in quantitative – und qualitative Normen. Quantitative Vorschriften zeigen sich in Kennzahlen, die vorgegebene Schwellenwerte nicht überschreiten sollen. Qualitative Regelungen berücksichtigen die individuellen Verhältnisse der Banken (Größe, Umfang und Risikogehalt der Geschäfte), indem sie einen Rahmen für Methoden und Prozesse setzen, der von jedem Institut auszugestalten ist.[16]

3.1. Anforderungen des KWG und der Liquiditätsverordnung

Das Kreditwesengesetz ist ein Bundesgesetz, welches sich speziell auf Kreditinstitute bezieht. Die Ziele des KWG orientieren sich am Schutz der Gläubiger und in der Sicherung einer funktionsfähigen Kreditwirtschaft. Hervorzuheben sei hier der §11 KWG, der als klassische quantitative Liquiditätsnorm fungiert. Gemäß §11 Abs. 1, S.1 KWG haben Kreditinstitute ihre Mittel so anzulegen, dass die Zahlungsbereitschaft (Liquidität) jederzeit ausreichend gewährleistet ist.[17] Zur Beurteilung gelten dabei die von der Deutschen Bundesbank aufgestellten Grundsätze. Eine letztmalige Änderung des §11 KWG erfolgte am 01. August 2009, indem der Absatz 2 durch das „Gesetz zur Stärkung der Finanzmarkt- und Versicherungsaufsicht“ neu gefasst wurde. Die BaFin ist nun befugt, über die Liquiditätsverordnung hinausgehende Maßnahmen zu fordern, wenn die Liquidität eines Kreditinstituts nicht gesichert ist. Eingriffsmöglichkeiten formuliert der §45 KWG i.V.m. §12 KWG: Die BaFin kann Entnahmen durch die Inhaber, Gewinnausschüttung und Kreditgewährung beschränken sowie die Anlage verfügbarer Mittel in Grundstücken, Gebäuden, Betriebs- und Geschäftsausstattung, Anteilen an Kreditinstituten und an sonstigen Unternehmen untersagen.

Somit liefert das KWG die Rechtsgrundlage, anhand derer die BaFin effektiv und frühzeitig eingreifen kann.

Konkretisiert wird der §11 KWG durch die Liquiditätsverordnung, die am 01. Januar 2007 in Kraft getreten ist. Diese wurde von der BaFin beschlossen und löst den bis dahin gültigen Grundsatz II ab.[18] Das Ziel der LiqV ist den Kreditinstituten gewisse Vorschriften aufzuerlegen, die gewährleisten, dass die verfügbaren Zahlungsmittel die fällig werdenden Zahlungsverpflichtungen überschreiten. Dabei teilt sich die Verordnung in einen Standardansatz und in sogenannte Öffnungsklauseln. Der Standardansatz besitzt quantitativen Charakter. Er ist im Wesentlichen mit dem Grundsatz II identisch und fordert die Berechnung einer Liquiditätskennzahl und weiterer Beobachtungskennzahlen. Die Liquiditätskennzahl bezieht sich auf das erste Laufzeitband und ist monatlich der Deutschen Bundesbank zu melden (§11 Abs. 1 LiqV). Die Beobachtungskennzahlen beziehen sich auf das zweite bis vierte Laufzeit-band; diese haben jedoch nur nachrichtlichen Charakter und werden hier nicht weiter berücksichtigt. Der Fokus liegt aber auf den neuen Öffnungsklauseln nach §10 LiqV. Diese Neuerung räumt den Banken die Option ein, unter bestimmten Voraussetzungen statt des Standardansatzes institutsinterne Liquiditätsrisiko-mess- und -steuerungs-verfahren für aufsichtsrechtliche Zwecke zu nutzen. Die internen Verfahren werden in der späteren Analyse als „Liquiditätsmodelle“ bezeichnet. Die Eignung eines Liquiditätsmodells wird gem. §10 Abs. 2 LiqV i.V.m §44 Abs. 1, S.2 LiqV von der BaFin und der Deutschen Bundesbank beurteilt und durch Nachschauprüfungen kontrolliert. Durch diese qualitative Regelung hat die deutsche Bankenaufsicht international eine Vorreiterrolle eingenommen. Die Liquiditätsmodelle geben den Kreditinstituten erstmalig die Möglichkeit, individuelle und risikosensitivere Verfahren einzusetzen, um das Liquiditätsrisiko aktiv zu steuern.

Auf die Berechnung der Liquiditätskennzahl unter Berücksichtigung der Bewertung betroffener Bilanzpositionen wird im Kapitel 4.1.1. eingegangen. Zudem wird die Kennzahl anhand ausgewählter Banken analysiert. Ebenso werden Voraussetzungen zur Anwendung von Liquiditätsmodellen genannt.

3.2. Mindestanforderungen an das Risikomanagement (MaRisk)

In der Einzelbetrachtung sagt das bloße Einhalten von Kennziffern sehr wenig über die Qualität des Risikomanagements aus. Moderne Konzepte sollen daher nicht aus-schließlich quantitativ ausgerichtet sein, sondern müssen ihr Instrumentarium um Regeln erweitern, die die Qualität des Risikomanagements berücksichtigen.[19] Die BaFin trug dieser Notwendigkeit Rechnung, indem sie am 20. Dezember 2005 die Mindestanforderungen an das Risikomanagement veröffentlichte. Das Regelwerk wurde seitdem mehrfach überarbeitet und fand seine endgültige Fassung am 14. Dezember 2012.[20] Die MaRisk sind Verwaltungsvorschriften, die den §25a Abs. 1 KWG im Sinne einer „Best-Practice-Betrachtung“ konkretisieren.[21] Die Mindestanforderungen gelten für alle Kreditinstitute im Sinne des KWG und sind modular aufgebaut. Auf der ersten Stufe wird zwischen einen allgemeinen Teil (AT) und einen besonderen Teil (BT) unterschieden. Im allgemeinen Teil finden sich Definitionen und grundlegende Anforderungen an das Risikomanagement. Zu erwähnen sei hier der AT 2.2 Tz. 1, der die Liquiditätsrisiken zu den „wesentlichen Risikoarten“ zählt. Eine wichtige Norm bezüglich Liquiditätsrisiken formuliert zudem AT 4.1 Tz. 4. Hiernach sind Liquiditätsrisiken nicht zwingend in das Risikotragfähigkeitskonzept einzubeziehen, d.h. eine Unterlegung des Liquiditätsrisikos mit ökonomischen Kapital ist nicht notwendig. Dies reflektiert die vorherrschende Meinung, dass Kapital grundsätzlich eine Zahlungsunfähigkeit nicht verhindern kann.

Der besondere Teil BTR 3 legt die speziellen Anforderungen für das Liquiditätsrisiko-management fest. Diese lassen sich wie folgt zusammenfassen:

- Diversifikation der Vermögens- und Kapitalstruktur
- Erstellen einer Liquiditätsablaufbilanz
- Überprüfung der Refinanzierungsquellen / Vorhalten einer Liquiditätsreserve
- Durchführung von Stresstests
- Existenz von Notfallplänen
- Regelmäßige Berichterstattung an die Geschäftsleitung

Zu beachten ist, dass zwischen den einzelnen Regelungen zahlreiche Wechselwirkungen bestehen. Die MaRisk lassen sich als ein umfassendes, qualitativ gestaltetes Regelwerk interpretieren, dass auf Basis wesentlicher Risiken einen ganzheitlichen Rahmen für das Risikomanagement setzt.

3.3. Die Liquiditätsreform nach Basel III

Aufbauend auf den Erfahrungen der vorherigen Reformpakete Basel I und Basel II sowie als Reaktion auf die Finanzkrise im Jahr 2007 veröffentlichte der Basler Ausschuss für Bankenaufsicht (BCBS) im Dezember 2010 die vorläufige Endfassung von Basel III.[22] Die neue Rahmenvereinbarung fokussiert im Gegensatz zu Basel I und II erstmalig das Liquiditätsrisiko, indem es die Implementierung von zwei international verbindlichen Kennzahlen fordert. Es handelt sich dabei um die Mindestliquiditätsquote „Liquidity Coverage Ratio“ (LCR; Zeithorizont: ein Monat) und um die strukturelle Liquiditätsquote „Net Stable Funding Ratio“ (NSFR; Zeithorizont: ein Jahr). Die neuen Kennzahlen werden unter der Annahme bestimmter Stresssituationen errechnet und lösen die bisher in Deutschland geltende Liquiditätsverordnung ab. Das hat zur Folge, dass interne Modelle nach §10 LiqV ab sofort nicht mehr anerkennungsfähig sind.

Am 06. Januar 2013 beschloss der BCBS aufgrund vielseitiger Kritik aus der Wirtschaft diverse Änderungen bezüglich der Mindestliquiditätsquote LCR.[23] Dazu gehören:

- eine breitere Definition der hochliquiden Aktiva
- die Bestätigung den Liquiditätspuffer in Stresszeiten zu verwenden
- eine Lockerung des Krisenszenarios
- die Streckung des Umsetzungszeitplans bis 2019

Die Berechnung der beiden Kennzahlen unter Berücksichtigung der o.g. Änderungen wird im Folgenden erklärt. (Stand: März 2013)

3.3.1. Mindestliquiditätsquote (LCR)

Die Liquidity Coverage Ratio (LCR) soll die ausreichende kurzfristige Liquidität der Bank in einem 30-Tage-Stressszenario sicherstellen und als Limit für die kumulierte Liquiditätsunterdeckung dienen. Die Nettoabflüsse unter Stressbedingungen sollen durch einen Liquiditätspuffer in Form von erstklassigen und hochliquiden Aktiva gedeckt sein. Die LCR berechnet sich wie folgt:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Die LCR errechnet sich aus dem Quotienten der hochliquiden Aktiva (Liquiditätspuffer) und den Nettoabflüssen der nächsten 30 Tage. Als Basis der Berechnung dient dabei ein durch Basel III vorgegebenes Stressszenario. Es wird davon ausgegangen, dass eine Bank auf sich allein gestellt einen Monat lang ihre Zahlungsverpflichtungen nachkommen kann, wenn die LCR einen relativen Wert X ≥ 100% annimmt.

Zum Zähler des Quotienten:

Die hochliquiden Aktiva (Assets) müssen zentralbankfähig, einwandfrei bewertbar und in Stresszeiten marktfähig sein sowie eine niedrige Korrelation mit anderen Risikoaktiva aufweisen.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 2: Bestand an hochliquiden Aktiva (Liquiditätspuffer)

Quelle: Eigene Darstellung

Die liquiden Aktiva werden nach ihrem Liquiditätsgrad in zwei Klassen (Level 1 und Level 2) unterteilt (siehe obige Tabelle). Level 1 Assets sind neben Barmitteln und Zentralbankguthaben öffentliche Schuldtitel mit dem Risikogewicht von 0% gem. Kreditrisikostandardansatz (KSA). Diese Assets dürfen nach ihrem Marktwert voll angerechnet werden. Die Level 1 Assets müssen hierbei mindestens 60% des Gesamtbestands am Liquiditätspuffer ausmachen. Durch die nachträgliche Änderung vom BCBS unterteilt sich die zweite Klasse in Level 2A (keine Änderung) und in Level 2B (neu hinzugekommen). Die Marktwerte der Level 2 Assets werden zunächst mit einem Mindestabschlag (Haircut) reduziert. Zudem dürfen diese Aktiva nur maximal 40% des Gesamtbestands am Liquiditätspuffer ausmachen (CAP-Regel). Der Anteil der Level 2B Assets ist auf 15% des Liquiditätspuffers beschränkt. Die beiden Grenzen sind nicht additiv zu verstehen. Zum Nenner des Quotienten:

Die Nettoabflüsse der nächsten 30 Tage errechnen sich aus der Differenz der Zahlungsmittelabflüsse und dem kleineren Wert {Zahlungsmittelzuflüsse; 75% Zahlungsmittelabflüsse}. Es wird abgeschätzt, wie sich der Nettoabfluss in einem einmonatigen Stressszenario ergeben könnte. Dazu werden bestimmte Abrufraten (runoff factor) für die Einlagen verschiedener Kundengruppen festgelegt. Je geringer der Faktor ist, als desto stabiler wird die Einlage angenommen. Die Multiplikation des Saldos mit dem Faktor erzeugt einen hypothetischen Liquiditätsabfluss. In der Tabelle werden die Positionen mit ihrem entsprechenden Faktor dargestellt. Die roten Faktoren wurden durch die nachträglichen Änderungen des BCBS am 06. Januar 2013 angepasst.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 3: Gewichtung der Zahlungsmittelabflüsse und -zuflüsse

Quelle: Eigene Darstellung

Um die LCR Quote zu steigern, gibt es verschiedene Möglichkeiten:

Liquiditätspuffer (Zähler): Eine Steigerung der liquiden Akiva durch gezielte Umschichtung der Assets in ein höheres Level.

Nettoabflüsse (Nenner): Senkung der Nettoabflüsse. Dies wird eine Bank dadurch erreichen, indem entweder die Zahlungsmittelabflüsse reduziert oder die Zahlungsmittelzuflüsse gesteigert werden. Die erste Möglichkeit (Reduktion) ist jedoch effektiver, da bei den Zahlungsmittelzuflüssen die 75%-Regel (CAP) gilt.

Auffallend bei der LCR Kennzahl ist eine Privilegierung von Staatsanleihen, da diese Assets im Level 1 als hochliquide eingestuft und mit 100% angerechnet werden.

Bezüglich des Umsetzungszeitplans wurde beschlossen, dass die LCR zum 01. Januar 2015 lediglich 60% betragen muss. Die bisherige Forderung von 100% soll dabei in jährlichen 10% Schritten bis 01. Januar 2019 umgesetzt werden.

Das Ziel der Liquidity Coverage Ratio formuliert der britische Notenbankgouverneur Mervyn King wie folgt: „Die LCR soll es weniger wahrscheinlich machen, dass Banken auf die Notenbanken bauen müssen, um an Liquidität zu kommen.“[24]

3.3.2. Strukturelle Liquiditätsquote (NSFR)

Die Net Stable Funding Ratio (NSFR) dient zur Optimierung der strukturellen Liquidität und fordert, dass die Vermögenswerte in Relation zu deren Liquidierbarkeit durch stabile, d.h. zumindest anteilig mit langfristig zur Verfügung stehenden Mitteln refinanziert werden. Die strukturelle Liquiditätsquote bezieht sich auf einen Ein-Jahres­zeitraum. Mit der NSFR soll zugleich verhindert werden, den Bestand der erforderlichen liquiden Aktiva (nach dem LCR Standard) mit kurzfristigen Mitteln zu refinanzieren, die gerade außerhalb des 30-Tage Zeithorizonts liegen. Ein wesentliches Ziel dieser Kennzahl ist es also, Fristeninkongruenzen zwischen Aktiv- und Passiv-posten zu reduzieren, indem stabile Mittel wie z.B. Einlagen von Privatkunden für eine fristenkongruente Finanzierung der Ausleihungsaktivitäten genutzt werden.

Ähnlich zur LCR wird auch bei der Berechnung der NSFR ein erhebliches Stressszenario als Grundlage angenommen. Das NSFR Stressszenario ist jedoch komplementär zum LCR Szenario, weil es „nur“ vom bankspezifischen und nicht vom systemweiten Stress ausgeht und der Modellhorizont auf ein Jahr ausgelegt ist.

Die NSFR berechnet sich wie folgt:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Der Quotient aus dem verfügbaren stabil refinanzierten Betrag und dem Betrag, für den eine stabile Refinanzierung erforderlich ist, muss einen relativen Wert Y ≥ 100% annehmen. Die nachfolgende Abbildung illustriert, wie die einzelnen Positionen dabei gewichtet werden.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 4: Gewichtung der Bilanzpositionen nach dem ASF- und RSF-Faktor

Quelle: Präsentation der ifb Ag (2011), (Internetverzeichnis)

Zum Zähler des Quotienten:

Der Betrag der verfügbaren stabilen Refinanzierung wird ermittelt, indem die Buch-werte der Refinanzierungsquellen mit einem ASF-Faktor („Available Stable Funding“) gewichtet werden. Dieser Faktor richtet sich nach dem Stabilitätsgrad der Passiva (0%: nicht stabil / 100%: sehr stabil). Mit 100% werden neben dem Eigenkapital auch Verbindlichkeiten angerechnet, die eine Restlaufzeit von mindestens einem Jahr aufweisen und dem Gläubiger keine Option einräumen, die Laufzeit auf weniger als einem Jahr zu verkürzen. Unbesicherte Verbindlichkeiten gegenüber Banken mit einer Restlaufzeit von < 1 Jahr werden aufgrund der Erfahrungen aus der Finanzkrise mit 0% als nicht stabil angesehen. Zum Nenner des Quotienten:

Um den Betrag der benötigten stabilen Refinanzierung zu ermitteln, werden die Aktivposten mit ihrem entsprechenden RSF-Faktor („Required Stable Funding“) multipliziert. Dieser Faktor richtet sich nach der Liquidität der Assets (0%: völlig liquide / 100%: illiquide) und kann als Prozentsatz interpretiert werden, der in Stress-situationen nicht liquidiert oder beliehen werden kann.

Um die NSFR Quote zu steigern, gibt es verschiedene Möglichkeiten:

Verfügbare Refinanzierung (Zähler): Steigerung der verfügbaren Finanzierung, indem die Banken ein höheres Maß an Eigenkapital oder an Verbindlichkeiten ≥ 1 Jahr Restlaufzeit vorhalten.

Benötigte Refinanzierung (Nenner): Die zweite Möglichkeit wäre eine Senkung der benötigten Refinanzierung. Dies wird durch ein Umschichten in liquide Aktiva wie Barreserven oder Level 1 Assets erreicht.

Auch bei der strukturellen Liquiditätsquote fällt auf, dass Staatsanleihen durch die Gewichtung der Faktoren privilegiert werden. Insgesamt wird das Interbankengeschäft deutlich eingeschränkt: Einlagen anderer Banken gelten als nicht stabil; Wertpapiere anderer Banken werden zudem als illiquide angesehen. Dies ist sicherlich ein gewollter Effekt der Regulierer, um zu vermeiden, dass eine Bank wie Lehman Brothers kollabiert, weil sie vom Interbankenmarkt abgeschnitten ist.

Im Gegensatz zur LCR werden bei der Berechnung der NSFR keine Caps berücksichtigt, was die Struktur der Kennzahl weniger komplex erscheinen lässt. Bislang hat der BCBS keine Änderungen vorgenommen, sodass die Kennzahl ab dem 01. Januar 2018 planmäßig der BaFin berichtet werden muss. Aber auch bei der NSFR ist davon auszugehen, je näher der Zeitpunkt der verbindlichen Einhaltung der Liquiditätsquote kommt, desto wahrscheinlicher werden Nachbesserungen seitens des BCBS sein.

[...]


[1] Vgl. Pohl (2008), S. 6

[2] Vgl. Pohl (2008), S. 7

[3] Vgl. Büschgen (1999), S. 185

[4] Vgl. Zeranski (2007a), S. 66

[5] Vgl. Zeranski (2007a), S. 64f.

[6] Vgl. Schulte / Horsch (2002), S. 53

[7] Vgl. Büschgen (1998), S. 895f.

[8] Vgl. Bartetzky (2008), S.12

[9] Vgl. Schierenbeck (2003), S. 6

[10] Vgl. Schierenbeck (2003), S. 6

[11] Vgl. Pohl (2008), S. 13f.

[12] Vgl. Pohl (2008), S. 13f.

[13] Vgl. Zeranski (2010), S. 234

[14] Vgl. Zeranski (2010), S. 215

[15] Vgl. Höhler / Schneider (2010), S. 424

[16] Vgl. Albert (2010), S. 94

[17] Vgl. Deutsche Bundesbank (2013), (Internetverzeichnis)

[18] Vgl. Deutsche Bundesbank (2011), (Internetverzeichnis)

[19] Vgl. Sanio, Jochen (2006), S. 3

[20] Vgl. BaFin (2012), (Internetverzeichnis)

[21] Vgl. Althoff, Frank; Theileis, Ulrich (2008), S. 5

[22] Vgl. BCBS (2010), (Internetverzeichnis)

[23] Vgl. BCBS (2013), (Internetverzeichnis)

[24] Vgl. Handelsblatt (2013)

Details

Seiten
Erscheinungsform
Erstausgabe
Erscheinungsjahr
2013
ISBN (PDF)
9783956846571
ISBN (Paperback)
9783956841576
Dateigröße
1 MB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf
Erscheinungsdatum
2015 (Februar)
Note
1,3
Schlagworte
Risikomanagement Liquiditätsrisiko Liquiditätskennzahl NSFR LCR

Autor

Matthias Frerix wurde 1985 in Oberhausen geboren. Sein Studium der Betriebswirtschaftslehre an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf schloss der Autor im Jahre 2013 mit dem akademischen Grad „Bachelor of Science“ erfolgreich ab. Zwei erhaltene Stipendien belegen die Qualität seiner Arbeitsweise. Als gelernter Bankkaufmann sammelte der Autor bereits vor dem Studium umfassende praktische Erfahrungen im Bankengeschäft. Weitere Kenntnisse in Hinblick auf die Risikoabsicherung von Banken konnte der Autor bei der Deutschen Bank in Frankfurt erlangen. Die Leidenschaft für Finanzprozesse und das große Interesse für die Risikoabsicherung im Bereich Liquidität, unterlegt durch die Studieninhalte und die beruflichen Erfahrungen, motivierten ihn, sich der Thematik des vorliegenden Buches zu widmen.
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