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Bildung als Managementaufgabe: Chancen und Grenzen eines kompetenzorientierten Talentmanagements

©2013 Masterarbeit 70 Seiten

Zusammenfassung

Die Arbeitsmarktsituation bei Ingenieurberufen beziffert 2,4 offene Stellen je Arbeitslosen. Für 2020 ist einen Fachkräftemangel von 2 Mio. Personen prognostiziert. Durch Rückgang des Erwerbspersonenpotentials wird sich diese Situation noch verschärfen.
Die Zahlen zeigen, dass die verfügbaren Fachkräfte schon heute in einigen Berufsgruppen nicht mehr den Bedarf der Unternehmen decken können und sich diese Situation durch alle Berufsgruppen hinweg erstrecken wird. Der Bedarf an „Talenten“ wird steigen und die Unternehmen werden in einem starken Wettbewerb um diese Talente stehen.
Die Verknappung von Personalressourcen ist nur eine Seite der Medaille, die andere Seite ist die Entwicklung unserer Gesellschaft hin zur Wissensgesellschaft, die eine steigende Nachfrage an „Wissensarbeitern“ zur Folge hat.
In dieser Studie wird die Rolle des Talentmanagements mit Blick auf die Problemstellung definiert und als Managementaufgabe ausgestaltet. Ziel ist, den Nutzen und die strategische Erfordernis herauszustellen und aufzuzeigen, wie ein den Anforderungen aus Fachkräftemangel und Wissensgesellschaft gerecht werdendes Talent-Management-System im 21. Jahrhundert ausgestaltet sein sollte.

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


2.1.2. Funktionen der Personalentwicklung

Betrachten wir abschließend kurz die Funktionen, dargestellt in einer Matrix, mit denen sich die Personalentwicklung beschäftigt:[1]

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 3: 18 Funktionen und Berufsrollen der Personalentwicklung, eigene Darstellung, angelehnt an Arnold[2]

Neben Bröckermann und vielen anderen Autoren hat auch Arnold in seiner oben gezeigten Matrix die „Kompetenzentwicklung“ auf der Handlungsebene herausgebildet, so dass der Begriff „Kompetenz“, um den es sich in dieser Arbeit maßgeblich drehen wird, nachfolgend erläutert und definiert werden muss.

2.1.3. Definition „Kompetenz“

Zunächst kann man auch hier feststellen, dass es einen einheitlichen Kompetenzbegriff in der Literatur (noch) nicht gibt, was zunächst verwundern mag, denn die Kompetenzforschung in Deutschland ist die in Europa führende. Erpenbeck et al ist einer der führenden Wissenschaftler, die sich mit dem Kompetenzbegriff auseinandergesetzt haben und insbesondere festgestellt hat, dass Fertigkeiten, Wissen und Qualifikationen, um die es sich in früheren Zeiten der Personalentwicklung doch maßgeblich drehte, heute eben gerade keine Kompetenzen darstellen, es aber ohne diese Fertigkeiten, Wissen und Qualifikationen keine Kompetenzen geben kann.[3]Man könnte somit sagen, dass Fertigkeiten, Wissen und Qualifikationen der Nährboden für Kompetenzen sind, diese beim Individuum aber unterschiedlich stark wachsen bzw. sich ausprägen.

Die nachfolgende Skizze verdeutlicht dies:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 4: Kompetenzen[4]

Erpenbeck spricht im Zusammenhang mit dem Kompetenzbegriff auch von einem „zuweilen abenteuerlichen Gebrauch des Terminus Kompetenz“ und verweist in diesem Zusammenhang auch auf McClelland[5], der in einem Interview 1997 die Bemerkung prägte „A lot of people have jumped on the bandwagon. The danger is that they may not identify competencies properly.”[6]

Der Literatur folgend, haben sich schon die Römer mit dem Begriff „Kompetenz“ beschäftigt und beschrieben den lateinischen Begriff „competentia“ als „zusammentreffen“, während römische Rechtsgelehrte den Begriff im Sinne von zuständig, befugt u.a. verstanden. In der Folgezeit beschäftigten sich die Kommunikationswissenschaft durch Chomsky (1962) mit dem Kompetenzbegriff und er verstand diesen dahingehend, dass Sprecher mit einem begrenzten Inventar von Kombinationsregeln und Grundelementen potenziell unendlich viele neue, noch nie gehörte Sätzeselbstorganisiertbilden und verstehen können. Die Motivationspsychologen, wie beispielsweise White (1959), führten den Kompetenzbegriff in die Psychologie konzeptionell als „Ergebnisse von Entwicklungen grundlegender Fähigkeiten, die weder genetisch angeboren, noch das Produkt von Reifungsprozessen sind, sondern vom Individuumselbstorganisierthervorgebracht“ ein.[7]

Es lässt sich somit feststellen, dass schon in den 1960er Jahren die Kommunikationwissenschaftler wie auch die Psychologie die „Selbstorganisation“ als Kern des Kompetenzbegriffes sahen.

Heute kann man zusammenfassend sagen, dass Kompetenzen „Dispositionen selbstorganisierten Handeln“ bzw. Selbstorganisationsdispositionen sind.[8]

Etwas umfassender formuliert, hat Erpenbeck folgende Definition für den Kompetenzbegriff aufgestellt:

„Kompetenzen sind die Fähigkeiten, in unerwarteten, zukunftsoffenen, zuweilen chaotischen Situationen kreativ und selbstorganisiert zu handeln. Kompetenzen sind Selbstorganisationsdispositionen“.[9]

In dem OECD-Projekt „DeSeCo“[10]werden Kompetenzen wie folgt definiert:

„Eine Kompetenz ist die Fähigkeit zur erfolgreichen Bewältigung komplexer Anforderungen in spezifischen Situationen. Kompetentes Handeln schließt den Einsatz von Wissen, von kognitiven und praktischen Fähigkeiten genauso ein wie soziale und Verhaltenskomponenten (Haltungen, Gefühle, Werte und Motivationen).“[11]

„Eine Kompetenz ist also zum Beispiel nicht reduzierbar auf ihre kognitiven Dimensionen, so beinhaltet sie mehr (vgl. OECD 2003, S. 2, ausführlich: Rychen/Saganik, S. 41 ff).“[12]

Kompetenzen lassen sich hierbei in die folgenden Kompetenzbereiche differenzieren:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 5: Kompetenzbereiche[13]

2.1.4. Wissen, Können und Qualifikation und Kompetenz im Vergleich

Noch einmal zurückkommend auf die Erkenntnis, dass es keine Kompetenzen ohne Fertigkeiten, Wissen und Qualifikationen gibt, aber Fertigkeiten, Wissen, Qualifikationen keine Kompetenzen sondern nur „Grundbestandteile“ davon sind, soll an dieser Stelle noch einmal herausgestellt werden, dass nur Kompetenzen es uns ermöglichen, auch dann zu handeln, wenn wir nur unvollkommenes oder gar kein Wissen haben.[14]

Definition von „Wissen“: „Die Summe aller Kenntnisse eines Menschen bezeichnet man als sein Wissen“. Es handelt sich also um das gesamte theoretische und praktische Know-How.[15]

Definition von „Können“: „Die Summe aller Fertigkeiten eines Menschen bezeichnet man als sein Können“. Es handelt sich also um das bei einer geistigen oder motorischen Tätigkeit erworbene Wissen. Motorische Tätigkeiten dienen dazu, mit Werkzeugen, Maschinen und Materialien richtig umzugehen.[16]

Eine Qualifikation ist die Gesamtheit seiner aus Wissen (Kenntnissen), Können (Fertigkeiten) und Verhaltensweisen (Benehmen), die der Mensch für die Ausübung einer beruflichen Tätigkeit verfügt oder verfügen muss und wie folgt grafisch abgegrenzt werden kann:[17]

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 6: Qualifikation[18]

Die Unterscheidungen zwischen Qualifikationen und Kompetenz lässt sich wie folgt vornehmen:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 7: Qualifikationen und Kompetenz im Vergleich[19]

2.1.5. Definition „Talent“

Zu klären gilt es im Weiteren, was wir heute überhaupt unter Talent Management verstehen. In der Welt der Personaler spricht man vermehrt hierüber, doch meinen wir auch das Gleiche?

Beginnen wir aber mit dem Begriff „Talent“. Was ist eigentlich ein Talent?

Abgeleitet vom griechischen „tálanton“ bedeutet Talent „Waage“ oder „das Gewogene“ und stand für ein Gewicht und eine dem Gewicht entsprechende Geldsumme. Interessanterweise spricht man in der Bibel vom „anvertrautem Gut“, woraus sich eine übertragene Bedeutung, hier die „geistige Anlage“ entwickelte und umfassend betrachtet mit „Ausgleich und Begabung“ gleichsetzen lässt.[20]

Die moderne Literatur definiert weder den Begriff Talent einheitlich, noch verwendet sie ihn einheitlich und so finden sich nach dem konventionellen Ansatz des Talent Management Begriffe wie „A-Performer“, „High-Potentials“ oder auch „High-Performer“ wieder. Diese machen etwa 3-10% der Belegschaft aus. Neben dem konventionellen Ansatz wird auch vom integrierten Ansatz gesprochen, der Talent vergleichbar auch der bereits biblischen Auffassung als Begabung versteht, die in geistigen oder physischen Handlungen beobachtbar wird.[21]Man könnte an dieser Stelle dazu neigen, diese Begabung mit Kompetenz gleich zu setzen, doch die Kompetenz im Sinne von Fähigkeiten ist hier zu differenzieren und die Summe von Kompetenzen sind nicht Talente. Talente verfügen insbesondere auch über strategisch relevante Kompetenzen und sind am Arbeitsmarkt nur begrenzt verfügbar. In Abgrenzung zum „guten Mitarbeiter“ kommt beim Talent auch eine motivationale Dimension hinzu, sprich Talente verfügen über eine hohe intrinsische Motivation.[22]

Betrachtet man also die Motivation oder Leistung mit dem Potenzial eines Mitarbeiters, lässt sich nach dem konventionellen Ansatz[23]ein zweidimensionales Bild darstellen:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 8: Talent als Statusbezeichnung in der Mitarbeiterbeurteilung, generiert durch hohe Leistung und hohes Potenzial[24]

Bei der Begriffsbestimmung zum Talent Management ist neben dem bereits angerissenen konventionellen Ansatz für Unternehmen, die nicht nur die 3-10% der Talente im Fokus ihres Talent Managements haben, nach dem integrierten Ansatz des Talent Managements jeder Mitarbeiter des Unternehmens zu verstehen.[25]

„Talent bezeichnet die Begabungen, die in künftigen – meist positiv bewerteten – geistigen und physischen Handlungen zum Tragen kommen können. Talente stellen Ansprechbarkeiten[26]für Handlungsfähigkeiten dar.[27]

Ritz et al stellen zu all den verschiedenen Definitionen auch noch einmal klar, dass trotz der Verwendung unterschiedlicher Definitionen des Begriffs Talent, diese gemeinsam haben, dass sie in eine ähnliche Richtung gehen und so betonte insbesondere Stamm, dass auch unter den Nicht-Akademikern überdurchschnittlich Begabte zu finden sind[28], so dass man schlussfolgern muss, dass Talent mit Qualifikation und Intellekt wohl eher nicht in direktem Zusammenhang stehen muss.

Die Organisation ist also selbst gefragt, um für sich eine Definition für den Begriff Talent zu finden und zu entscheiden, ob Sie eher dem konventionellen oder dem integrierten Ansatz des Talent Managements folgen möchte.

Die nachfolgende Tabelle wird helfen, die Begriffe Talent, Talent Management und HR Management besser abzugrenzen:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 9: Talent Management: Begriffserklärung[29]

2.2. Talent Management als Instrument und Verfahren im Unternehmen

2.2.1. Anforderungen und Kompetenzen – die Managementaufgabe

2.2.1.1. Die Anforderungen

Am Anfang der Frage nach der richtigen Entwicklung und dem richtigen Einsatz der Talente steht die Klärung der Anforderungen, denn die Kenntnis der Anforderungen des jeweiligen Arbeitsplatzes ist eine notwendige Voraussetzung für eine optimale Stellenbesetzung.[30]Der Begriff Stellenbesetzung soll hier aber nicht nur aus Sicht der Gewinnung von Talenten verstanden werden, denn ein Praxisproblem in vielen Unternehmen ist, so die Erfahrungen des Verfassers, die Tatsache, dass in das Erstellen von Anforderungsprofilen und der Abgleich der Anforderungen mit den Qualifikationen in der Personalbeschaffung viel Zeit investiert wird und das der wesentliche Kern der Einstellungsentscheidung ist. Doch nach der Besetzung der Stelle durch den neu eingestellten Mitarbeiter findet ein solcher Abgleich zwischen den sich im Laufe der Beschäftigungsdauer verändernden Anforderungen an den Arbeitsplatz in den meisten Fällen nicht mehr statt und ist es doch für die Erfüllung der heutigen sowie der zukünftigen Anforderungen nicht minder wichtig, die Anforderungen mit dem Ist-Profil eines jeden Mitarbeiters abzugleichen und die Entwicklungsfelder zu identifizieren und durch Personalentwicklungsmaßnahmen bestmöglich wieder zu schließen.

Entscheidend im Talent Management ist somit zunächst festzulegen, welche Anforderungen an die jeweilige Stelle geknüpft sind. Ausgangsbasis hierfür sind sog. Anforderungsprofile, die nach Domsch et al wie folgt definiert werden können:

„Anforderungsprofile enthalten Informationen über die Ausprägung derjenigen Kenntnisse und Fähigkeiten, die für die Erfüllung der Aufgaben einer Stelle/eines Arbeitsplatzes notwendig sind. Sie bauen zumeist auf Arbeitsplatzanalysen, Stellenbeschreibungen, Stellenbewertungen sowie Zeitstudien auf (…). In den Anforderungsprofilen sollten vor allem objektivierbare Anforderungen (z. B. Studium/Ausbildung, Berufserfahrung, aber auch die sog. „weichen“ Faktoren (…) enthalten sein.“[31]

Hierbei stehen die fachlich Vorgesetzten ebenfalls vor Anforderungen, mit denen manch ein fachlich Vorgesetzter an seine Grenzen stoßen kann, denn er steht nun vor der Aufgabe, das Anforderungsprofil für die Stelle in seinem Unterstellungsbereich zu definieren und bei sich verändernden Anforderungen entsprechend anzupassen. Es wird den fachlich Vorgesetzten in der Regel wohl eher leicht fallen, Anforderungen die sich in den Kategorien, Wissen und Können befinden, also die Qualifikationen umfasst, zu bestimmen.

Für fachlich Vorgesetzte lassen sich also Qualifikationen i.d.R. sehr leicht greifen, sprich über sein Vorhandensein überprüfen und somit fällt es fachlich Vorgesetzen i.d.R. auch leicht, Qualifikationen als Anforderungen für eine bestimmte Funktion zu definieren. Qualifikationen lassen sich nämlich dem sog. „Formalen Lernen“ zuordnen, was bedeutet, dass hiermit Lernprozesse zu verstehen sind, die zu einem anerkannten Abschluss führen. Es handelt sich um Lernprozesse, die organisiert, gesteuert, bewertet und zertifiziert sind und durch die Vergabe von Zertifikaten, Zeugnissen, Diplomen etc. charakterisiert werden kann.[32]Dies lässt sich an dem nachfolgenden Beispiel einer Stelle für einen Personalentwickler verdeutlichen.

Die nachfolgende Grafik zeigt, dass für diese Stelle u.a. ein „wirtschafts- und sozialwissenschaftliches Hochschulstudium“ oder die „Ausbildereignung“ i. S. d. § 2 der Ausbildereignungsverordnung als Anforderung definiert wurde. Da es sich bei diesen Qualifikationen um formales Lernen handelt, lässt sich die Erfüllung der Anforderungen durch eine einfache Ja/Nein-Abfrage klären, liegt also ein „formaler“ Nachweis über diese Qualifikation vor oder nicht.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 10: Anforderungsprofil[33]

Beim Entwickeln und Einsetzen von Talenten ist die Qualifikation aber, wie wir schon aus den v.g. Begriffsdefinitionen entnommen konnten, nur eine Seite der Medaille. Die Managementaufgabe geht über die Dimension der Qualifikation weit hinaus und so ist es unter dem Aspekt der Personalentwicklung und dem zielgerichteten Einsatz von Talenten wichtiger denn je, die Kompetenzen in die heutigen und zukünftigen Anforderungsprofile der jeweiligen Funktionen bewusster mit einzubeziehen, als dies in einer Vielzahl von Unternehmen bisher der Fall war.

Schon in der Personalbeschaffung werden von vielen Unternehmen Anforderungsprofile kreiert, die nach den Qualifikationen auch sog. Soft-Skills oder Soft-Facts[34]fordern und so liest man in vielen Stellenanzeigen erwartete Soft-Skills wie z. B. Teamfähigkeit, Kommunikationsfähigkeit, Präsentationsfähigkeit u.v.m. ohne vermutlich diese Soft-Skills, diese Kompetenzen für das Unternehmen einheitlich zu definieren und zu operationalisieren. Auch das in Abbildung 10 gezeigte Beispiel weist zahlreiche, in Summe sogar deutlich mehr Kompetenzen als Qualifikationen auf.

Betrachten wir an dieser Stelle noch einmal eine Definition des Begriffs Kompetenz im Sinne von

„Kompetenzen sind die Fähigkeiten, in unerwarteten, zukunftsoffenen, zuweilen chaotischen Situationen kreativ und selbstorganisiert zu handeln. Kompetenzen sind Selbstorganisationsdispositionen“.[35]

und betrachten hierbei die Problematik, dass es sich bei Kompetenzen gerade nicht um formales Lernen handelt und somit eine Zertifizierung bzw. ein formaler Abgleich des Vorhandenseins der gewünschten Kompetenzen nicht möglich ist, so stellen wir fest, dass diese Kompetenzen auch in keinem Curriculum einheitlich geregelt oder definiert.

Arnold und Schüßler[36]sprechen in diesem Zusammenhang auch von den „Grenzen der Curricularisierbarkeit“ und meinen damit, dass der Weg in die Wissensgesellschaft mit einem Gestaltungswandel verbunden ist und Bildungsmaterie bisher „fachdidaktisch-curricular“ aufbereitet und vom Lernenden „behalten“ werden musste, während heute solche materiellen Wissensbestände mittel- und langfristig kaum noch verbindlich definiert werden können, was sich nicht nur im Schulwissen sondern auch in der Personalentwicklung nicht mehr als „Leitmotiv“ eignet. Arnold und Schüßler sagen an dieser Stelle klar, dass das Konzept der „Behaltensschulung“ durch das Konzept einer „Kräfteschulung“ bzw. eines „der Förderung der Methoden- und Sozialkompetenzentwicklung“ abgelöst werden muss.

Der Weg von der Behaltensschulung zur Kräfteschulung ist aus Sicht des Verfassers vor dem in der Problemstellung und Zielsetzung geschilderten Situation, insbesondere dem Weg in die Wissensgesellschaft keine Aufgabe, die die Mitarbeiter als Bringschuld mitbringen müssen, sondern eine Managementaufgabe, die nachfolgend näher beschrieben wird.

2.2.1.2. Von der Behaltensschulung zur Kräfteschulung - die Managementaufgabe

Die Managementaufgabe in Bezug auf die Personalentwicklung und den Personaleinsatz von Talenten lässt sich bereits aus rein ökonomischen Zielen an das Management eines Unternehmens ableiten.

In der Literatur wird ein direkter Zusammenhang zwischen Profitabilität und Talent-Management-Systemen hergestellt. Kahl bezieht sich dabei auf internationale Studien, hier u.a. durchgeführt von der Managementberatung Hewitt im Jahre 2008. Diese befragte Mitarbeiter und Manager aus 600 Unternehmen in europäischen Ländern zur den Themen Arbeitsplatzqualität, Wertschätzung, Führungsstil und Entwicklungsmöglichkeiten im Sinne eines Talent-Management-Systems. Die Hewitt-Studie „Attraktive Arbeitgeber in Zentral- und Osteuropa“ ergab hierbei, dass die bewerteten Unternehmen eine durchschnittlich um 24% höhere Rendite erzielten.[37]

Aber auch eine von der Boston Consulting Group und der European Association for Personnel Management im Jahre 2007 erstellte Studie zeigte zu den „strategischen Herausforderungen der Personalarbeit“, das Talent-Management dort als eines der wichtigsten Themen auf der HR-Agenda stand.[38]

Ökonomische Ziele lassen sich aber nur dann erreichen, wenn die Zielrichtung auch für das Talent-Management vorgegeben ist und so ist klar, dass für Unternehmen hierbei die „Brücke zwischen strategischem und operativen Denken und Handeln“ wesentlich ist. Während die Geschäftsstrategie die Richtung der Unternehmenstätigkeiten vorgibt, so leiten sich die Ziele für ein Talent-Management-System unmittelbar aus den Unternehmenszielen und der Geschäftsstrategie ab.[39]

Unternehmen können z. B. durch den Einsatz einer SWOT-Analyse[40]auch personalpolitische Fragestellungen, wie z. B. die Arbeitsmarktlage, die Bildungsstruktur, gesetzliche Bestimmungen und regionale Gegebenheiten gleichermaßen wie interne Faktoren, wie z. B. die Unternehmenskultur und die Budgetrestriktionen beantworten und erkennen, ob sie als Unternehmen nach außen als attraktiver Arbeitgeber richtig positioniert sind.[41]

„Mit der Strategie liegt das Unternehmen fest, wie es auf die Herausforderungen der Geschäftslandschaft reagieren wird. Die strategischen Zielsetzungen sind es, die bestimmen, welche und wieviele Talente das Unternehmen gegenwärtig und zukünftig benötigt“.[42]

Steinweg charakterisiert das Talentmanagement als für den Geschäftserfolg relevant und stellt das in der nachfolgenden Grafik wie folgt dar:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 11: „Das Talentmanagement unterstützt den Geschäftserfolg des Unternehmens“[43]

Die Frage „welche Talente“ im Sinne eines integrierten Ansatzes Talente sind, gehört aus diesem abgeleiteten qualitativen Ansatz heraus definiert bzw. welche Anforderungen an die Talente gestellt werden? Exemplarisch soll hierbei auf das Graduierungssystem der NUKEM Technologies GmbH (nachfolgend NUKEM genannt) verwiesen werden, die für sämtliche Funktionen in ihrer Aufbauorganisation, welche aus sieben Graduierungen – hier Grades genannt - allgemeingültige, hierarchie- und funktionsbezogene Anforderungsprofile erstellt hat.

Für jede Funktion wurde durch das Management der NUKEM, konkret durch die Geschäftsführung gemeinsam mit den Bereichsleitern als 2. Führungsebene bearbeitet und hier die „allgemeinen fachlichen Anforderungen“, die mit den v.g. hard facts vergleichbar sind und den „allgemeinen persönlichen Anforderungen und Kompetenzen“, welche mit den soft facts vergleichbar sind, aufgestellt. Die nachfolgende Grafik stellt von den sieben Grades auszugsweise die Anforderungen an die Bereichsleiter (Grade 1) und die Abteilungsleiter (Grade 2) dar:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 12: Anforderungsprofil Führungskräfte[44]

Bei den soft facts bzw. v.g. „allg. persönliche Anforderungen/Kompetenzen“ ist anzumerken, dass zu jeder der Funktionen, also in jedem Grade, soft facts benannt sein müssen, diese aber auf maximal fünf beschränkt sein sollen. Die Aufgaben an das Personalmanagement bestand in Folge der Erstellung der Anforderungsprofile insbesondere darin, die soft facts für ein gemeinsames Verständnis innerhalb des Unternehmens einheitlich zu definieren um sie hiernach auch einheitlich verwenden zu können.

Diese Aufgabenstellung löste das Unternehmen durch die Aufstellung eines „Kompetenzkataloges mit Verhaltensankern“, der in Anlage 1 zu finden ist. Nehmen wir die Anforderung bzw. Definition „Strategisches Geschick/unternehmerisches Denken“ eines Bereichsleiters als eine in dem o.g. Anforderungsprofil definierte erforderliche Kompetenz exemplarisch heraus und verdeutlichen dies anhand eines Auszuges aus dem Komptenzkatalog:

[...]


[1]Arnold 2011:10.

[2]Vgl. Arnold 2011:10.

[3]Vgl. Erpenbeck/Rosentiel 2007:XI.

[4]Erpenbeck/Rosentiel 2007:XII.

[5]David Clarence McClelland (* 20. Mai 1917; † 27. März 1998) war ein US-amerikanischer Verhaltens- und Sozialpsychologe und ein Vertreter der quantitiven Geschichtsschreibung

[6]Vgl. Erpenbeck/Rosentiel 2007:XII.

[7]Vgl. Erpenbeck/Rosentiel 2007:XVIII.

[8]Vgl. Erpenbeck, Foliensatz:6.

[9]Vgl. Erpenbeck/Rosentiel 2007:XIX.

[10]Defining and Selecting Key Competencies

[11]Gnahs 2010:21.

[12]Gnahs 2010:21.

[13]Erpenbeck/Sauter 2013:34.

[14]Vgl. Erpenbeck/Sauter 2013:32, 33.

[15]Vgl. Bröckermann 2012:38.

[16]Vgl. Bröckermann 2012:38.

[17]Vgl. Bröckermann 2012:38.

[18]Bröckermann 2012:38.

[19]Erpenbeck/Sauter 2013:34.

[20]Vgl. Kahl 2011:4.

[21]Vgl. Kahl 2011:5.

[22]Vgl. Kahl 2011:5.

[23]„Der konventionelle „Besten-Ansatz“ geht davon aus, dass nur wenige Prozent der Belegschaft zu den Talenten gehören, es sind häufig 3-10 Prozent der Mitarbeiter, auch häufig A-Performer genannt. Sie generieren doppelt so viel Umsatz und Produktivität wie durchschnittliche Mitarbeiter und werden gleichgesetzt mit High-Potentials, High-Performer oder schlicht mit „den Besten“, Steinweg 2009:5.

[24]Eigene Darstellung, nach Steinweg 2009:4.

[25]Vgl. Steinweg 2009:5.

[26]Mit Ansprechbarkeiten sind Dispositionen gemeint; diese sind hier nicht als angeborene zu verstehen, sie können auch durch Erfahrungen erworben werden; Steinweg 2009:5.

[27]Steinweg 2009:5.

[28]Ritz/Thom (Hrsg.) 2011:8.

[29]Kahl 2011:101, nach Schierz, H. 2010:3.

[30]Vgl. Bröckermann 2012:42.

[31]Domsch et al 2008:13.

[32]Vgl. Gnahs 2010:34.

[33]Bröckermann 2012:44.

[34]Begriff:In der Unternehmensführung wird zwischen harten und weichen Faktoren unterschieden, die den Erfolg eines Unternehmens bestimmen. Harte Faktoren (hard facts) lassen sich in betriebswirtschaftlichen Kennzahlen wie Kosten, Kapitalumschlag oder Durchlaufzeiten ausdrücken. Man spricht von ökonomischer Objektivierung durch Kennziffern. Zu den weichen Faktoren (soft facts) zählen Images, Stimmungen, aber auch Wissen und daraus resultierendes Verhalten (De-/Motivation) sowie Handlungsweisen (Unterstützung/Widerstand). Solche Faktoren heißen weich, weil sie gar nicht oder nur mit Hilfsindikatoren als Kennzahlen darstellbar sind. Ihre ökonomische Handlungsrelevanz ergibt sich aus der Kraft gruppendynamischer Prozesse. Quelle: Gabler Wirtschaftslexikon online, http://wirtschaftslexikon.gabler.de/Definition/harte-und-weiche-faktoren.html [zugegriffen am 17.09.2013]

[35]Vgl. Erpenbeck/Rosentiel 2007:XIX.

[36]Vgl. Arnold/Schüßler 2011:84,85.

[37]Vgl. Kahl 2011:16.

[38]Vgl. Kahl 2011:17.

[39]Vgl. Kahl 2011:19.

[40]Begriff:Analysis of strengths, weakness, opportunities and threats; die Stärken-Schwächen-Chancen-Risiken-Analyse stellt eine Positionierungsanalyse der eigenen Aktivitäten gegenüber dem Wettbewerb dar. In dem ihr zugrunde liegenden Arbeitsverfahren, werden die Ergebnisse der externen Unternehmens-Umfeld-Analyse in Form eines Chancen-Risiken-Katalogs zunächst zusammengestellt und dem Stärken-Schwächen-Profil der internen Unternehmensanalyse gegenübergestellt. Quelle: Gabler Wirtschaftslexikon online, http://wirtschaftslexikon.gabler.de/Definition/swot-analyse.html [zugegriffen am 17.09.2013].

[41]Vgl. Kahl 2011:21.

[42]Kahl 2011:21.

[43]Steinweg, 2009:10.

[44]Auszug aus dem Grading System der NUKEM Technologies GmbH, Alzenau, erstellt vom Verfasser.

Details

Seiten
Erscheinungsform
Erstausgabe
Jahr
2013
ISBN (PDF)
9783956846564
ISBN (Paperback)
9783956841569
Dateigröße
9.6 MB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Rheinland-Pfälzische Technische Universität Kaiserslautern-Landau
Erscheinungsdatum
2015 (Februar)
Note
2
Schlagworte
Personalentwicklung Qualifikation Kompetenz Kasseler Bambeck

Autor

Dr. Holger Schwarz wurde 1972 in Dieburg geboren. Nach einer Berufsausbildung zum Rechtsanwalts- und Notarfachangestellten und Fortbildung zum Personalfachkaufmann studierte der Autor Wirtschaftsrecht in Mannheim. Es schloss sich die nebenberufliche Promotion und das nebenberufliche Masterstudium im Bereich Personalentwicklung an der TU Kaiserslautern an. Der Autor ist seit 1992 im Personalwesen tätig und seit mehr als 10 Jahren in Leitungsfunktion für ein modernes Human Resources Management in verschiedenen Branchen verantwortlich.
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