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Hybrid-Fernsehen: Ein Vergleich der internationalen Entwicklungen anhand von Deutschland, USA, Großbritannien und Australien

©2012 Bachelorarbeit 64 Seiten

Zusammenfassung

Fernsehen und Internet sind heutzutage nicht mehr aus dem privaten und dem geschäftlichen Alltag der Menschen wegzudenken. Dabei schreiten die technischen Grundlagen in den Bereichen der Datenübertragung und der Gerätetechnologie stets voran. Jährlich werden international die neuesten Techniken und Produkte auf den verschiedensten Ausstellungen der Länder vorgestellt. Vor allem der internationale Prozess der Digitalisierung sowie die schnelle Verbreitung des World Wide Web bilden dabei wichtige Grundlagen für bisherige und zukünftige Entwicklungen neuer technischer Standards. Mit der fortschreitenden, weltweiten Entwicklung geht ebenfalls eine Tendenz zur Medienkonvergenz, das bedeutet das Zusammenwachsen zweier Medienangebote zu einem Endgerät beziehungsweise einer technologischen Plattform, einher. Beispielhaft hierfür stehen die so genannten Smartphones – Mobiltelefone, die zahlreiche Anwendungen wie Telefonie, Fotografie und Internet in sich vereinen. Das Fernsehen und das Internet unterliegen ebenfalls zunehmend diesem Konvergenztrend. Waren Fernsehinhalte bisher über den Computer im Internet konsumierbar, lässt sich nun eine neue Entwicklung erkennen. Die daraus folgende Konvergenz nennt sich „Hybrid-Fernsehen“ oder „Connected TV“ und beschreibt ebenfalls die Verschmelzung von Internet und Fernsehen in einem Endgerät. In diesem Fall ist dieses Endgerät jedoch nicht der Computer sondern der Fernsehbildschirm.
Hybrid-Fernsehen bezeichnet dabei einen Trend, der international zu beobachten ist. Auf Basis neuer technischer Entwicklungen des letzten Jahrzehnts, können verschiedene Internetinhalte nunmehr über das Fernsehgerät konsumiert werden. Dabei ist die Entwicklung dieses Trends nicht in jedem Land gleich. Inhalteanbieter und hybride Fernsehangebote müssen sowohl im jeweiligen nationalen als auch im internationalen Rahmen betrachtet werden, um die Entwicklung von Hybrid-Fernsehen adäquat analysieren zu können.
Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich mit dieser Genese. Dabei werden die Entwicklung von Hybrid-Fernsehen in Deutschland, den USA, Großbritannien und Australien näher betrachtet und anschließend auf Grundlage dieser Entwicklungsbeschreibungen miteinander verglichen. Dadurch soll herausgefunden werden, inwiefern Unterschiede, aber auch Gemeinsamkeiten zwischen den einzelnen nationalen Entwicklungen von Hybrid-Fernsehen bestehen. Innerhalb dieses Vergleichs spielen neben den Entwicklungen auch die Erlösmodelle eine wesentliche Rolle. […]

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


3.2 Digitalisierung als Wegbereiter für Hybrid-Fernsehen

Der Prozess der Digitalisierung fand und findet im gesamten Rundfunkbereich statt. Im Rahmen dieser Arbeit ist jedoch nur die Ebene der Fernsehdigitalisierung im Hinblick auf Hybrid-Fernsehen von Bedeutung: „Digitales Fernsehen ist ein Musterbeispiel für die Medienkonvergenz, d.h. das Zusammenwachsen ehemals getrennter Technologien und Nutzungsweisen zu einem universellen Medium.“[1]Die Digitalisierung kann zudem als wichtige Basis für die Entwicklung von Hybrid-Fernsehen angesehen werden. Durch diesen Prozess ist es erst möglich, Inhalte wie das Internet, die ursprünglich nur für den Computer konzipiert waren, auch auf dem Fernsehbildschirm darzustellen.[2]Der Prozess der Digitalisierung, auch als „digital switchover“ bezeichnet, lief in den einzelnen Vergleichsländern zeitlich versetzt ab. In Deutschland wurde die analoge Satellitenübertragung am 30. April 2012 eingestellt. Zum Vergleich: In den USA fand diese Umstellung bereits im Juni 2009 statt.[3]In Australien ist der Prozess der Digitalisierung ebenfalls noch in vollem Gang. Ziel ist es, bis zum Jahr 2013 alle Gebiete auf den digitalen Fernsehempfang umzustellen.[4]In Großbritannien ist der Prozess ebenfalls noch nicht vollends durchgeführt. In den meisten Gebieten, wie beispielsweise London, fand der digital switchover jedoch bereits statt.[5]Im Folgenden sollen daher wichtige Begriffe und Grundlagen zur Digitalisierung des Fernsehens vermittelt werden. Jedoch stehen dabei weniger die detaillierten technischen Aspekte der digitalen Datenübertragung, sondern mehr die Ausarbeitung einer theoretischen Fundierung für die bessere Verständlichkeit des darauffolgenden Teils dieser Arbeit im Vordergrund.

In der Übertragungstechnik unterscheidet man zunächst zwischen zwei relevanten Übertragungssignalen: Dem analogen und dem digitalen Signal. Der ehemalige Technische Direktor des ZDF, Albrecht Ziemer, definiert die beiden Begriffe wie folgt:

„Dasanaloge Signalstellt eine Information durch kontinuierliche Größen im Zeit- und Wertebereich dar […]. Dasdigitale Signalstellt die Information im Zeit- und Wertebereich in einer geordneten Folge von diskreten Werten oder Symbolen dar. Der Zeichenvorrat kann beliebig sein. In der heutigen Digitaltechnik handelt es sich in der Regel um einen binären, d.h. zweiwertigen Zeichenvorrat mit den Elementen 0 und 1, den so genannten Bits.“[6]

Dabei ist es möglich, sowohl digitale Signale in Analoge als auch analoge Signale in Digitale umzuwandeln. Diese Übertragungssignale werden auch als „Mischformen“ oder „Simul­cast“[7]bezeichnet. Für die Übertragung analoger Signale spielt die Frequenz eine wesentliche Rolle, wogegen für das digitale Signal die Bits unerlässlich sind.[8]Freyer beschreibt den Begriff des analogen Signals sowie die Nachteile dieser Signalart wie folgt:

„Bei den analogen Signalen handelt es sich um vielwertige Signale, da im Bereich zwischen den kleinsten und einem größten Wert jeder beliebige Wert auftreten kann. Daraus resultieren auch die […] Linearitätsprobleme. Außerdem ist die Nutzung der Frequenzen bzw. Bandbreiten nicht optimal, weil die Nutzung nur für jeweils eine Anwendung möglich ist. Um diese Nachteile zu beheben, bietet sich der Übergang auf digitale Signale an, […].“[9]

Bei der analogen Signalübertragung werden die „Bild- und Tondaten über elektromagnetische Wellen auf terrestrische Frequenzen übertragen und mit einer Haus-, Zimmer- oder Geräteantenne empfangen.“[10]Die digitale Signalübertragung ist jedoch ohne analoge Verläufe nicht möglich, da der Mensch digitale Signale nicht verarbeiten kann. Aus diesem Grund sind auf der Senderseite ein so genannter Analog-Digital-Umsetzer (ADU) und auf Empfängerseite ein Digital-Analog-Umsetzer (DAU) erforderlich. Die Digitalisierung erfolgt dadurch, den kontinuierlichen Verlauf analoger Signale in eine „definierte Folge zweiwertiger Signale umzusetzen“[11]. Anders ausgedrückt: Die digitalen Signale werden zum Zweck der Übertragung in elektromagnetische Frequenzen übertragen und beim Empfänger durch ein entsprechendes Gerät erneut umgewandelt.[12]Diese Zustände werden durch Null (0) und Eins (1) definiert. Diese Elementarbezeichnungen werden „Bit“ genannt, wobei die Angabe der Bitmenge durch die Einheit bit erfolgt.[13]Der Begriff „Bit“ steht sinngemäß übersetzt also für ein Datenzeichen.[14]Nach König bedeutet der Begriff „digital“ zusammenfassend:

„Digital bedeutet einen gemeinsamen Standard, der es ermöglicht, Daten und verschiedene Datentypen, wie Texte, Töne oder bewegte Bilder zu verbinden und in unbegrenzten Variationen darzustellen.“[15]

Hinsichtlich der Digitalisierung des Fernsehens spielt der Begriff der Digitalen Kompressionstechnik eine wesentliche Rolle. Diese Technologie und ihre stete Weiterentwicklung ermöglicht eine weitgehend verlustfreie Datenkompression, wodurch die Information des Originals auf einen möglichst kleinen Raum gespeichert wird.[16]Dies ermöglicht wiederum eine Übertragung vieler Daten ohne Datenverlust. Diese Daten können über verschiedene Wege zum Empfänger übertragen werden. Zunächst unterscheidet man zwischen drei grundlegenden Übertragungswegen, über die sowohl digitale aus auch analoge Daten zum Empfänger gelangen können: Die Terrestrik, die Satellitenübertragung und das Fernsehkabelnetz.[17]Der Diplom Ingenieur Ulrich Freyer zählt das Internet bereits als vierten Übertragungsweg hinzu.[18]Der grundlegende Unterschied zwischen der analogen und der digitalen Signalübertragung besteht nicht im Übertragungsweg, sondern nur in der Unterschiedlichkeit der übertragenen Daten.[19]

Die Digitalisierung spielt für diese Arbeit dahingehend eine relevante Rolle, als dass sie verschiedenartige Veränderungen für das Medium Fernsehen mit sich bringt. Durch die Datenkompression ist es mit dem digitalen Signal nun möglich, viel mehr Fernsehkanäle anzubieten. Zudem ermöglichte die Digitalisierung des Fernsehens ein breites Angebot neuer Fernsehdienste, sei es Richtung interaktivem oder eben Richtung Hybrid-Fernsehen:

„Mit der digitalen Kompressions- und Übertragungstechnik können dem Zuschauer eine Vielzahl von Fernseh- und Hörfunkprogrammen sowie gänzlich neue Dienste (elektronische Programmzeitschriften, Teleshopping usw.) angeboten werden.“[20]

Ein weiterer wichtiger Punkt besteht darin, dass sich durch die digitale Übertragung sowohl Bild- als auch Tonqualität entsprechend verbesserten, was wiederum die Einführung des „HDTV“ (High Definition Television) ermöglichte und sicherlich ein Wegbereiter weiterer Entwicklungen in diese Richtung darstellt.[21]Schließlich wird auch für Hybrid-Fernsehen eine Optimierung der Auflösung der Inhalte aus dem Internet benötigt, um diese entsprechend leserlich auf dem – im Vergleich zum Computerbildschirm – großen und vom Rezipienten weiter entfernten Fernsehbildschirm zu übertragen. Letztlich müssen neben der Vergrößerung von Schrift und Bildern auch die Inhalte der einzelnen Websites im Übertragungsprozess reduziert werden, was mit einer analogen Übertragung nur schwer möglich wäre.[22]Hybrid-Fernsehen fußt also auf den Entwicklungen der Digitalisierung und der technischen Ausreifung der Fernsehgeräte:

„Basis für die hybriden Medienangebote ist die Digitalisierung von Inhalten und Übertragungstechniken, die eine Kombination unterschiedlicher Standards aus dem Rundfunk und der Computerwelt, sowie neue konvergente Technologien ermöglicht.“[23]

Damit digitale Fernsehsignale auch mit einem analogen Fernsehgerät empfangen werden können, ist ein entsprechendes Empfangsgerät notwendig. Hierfür gibt es mehrere Lösungen: Die so genannten Set-Top-Boxen (STB) sind hinsichtlich der Übertragung und dem Empfang digitaler Signale bei analogen Fernsehgeräten eine Möglichkeit. Set-Top-Boxen sind eine Art „Digital Receiver“[24]oder „Beistelldecoder“[25]. Der Begriff wird jedoch klar von der einfachen Bezeichnung „Receiver“ getrennt. Set-Top-Boxen sind vielmehr separate Geräte, die beispielsweise nicht in einem Fernsehgerät oder Videorecorder eingebaut sind. Set-Top-Boxen sind dahingehend relevant, dass sie auch bei analogen Fernsehapparaten einen Empfang digitaler Signale ermöglichen.[26]Die Verbindung zwischen dem analogem Fernsehgerät und der STB wird durch ein „SCART–Kabel“ hergestellt. Ein SCART-Kabel bezeichnet dabei nur ein standardisiertes Verbindungskabel mit entsprechenden Anschlüssen.[27]So sind die Konsumenten nicht gezwungen, ihre Geräte für viel Geld neu zu kaufen und auszutauschen. Auf Anbieterseite haben Set-Top-Boxen den Vorteil, dass Konkurrenzanbieter aus dem Empfang ausgesperrt werden können. Erst bei einem Anbieterwechsel und einem damit verbundenen Austausch des Empfangsgeräts wird der neue Anbieter freigeschaltet. Eine weitere Lösung besteht in einem Multimedia Personal Computer, der als Empfangsmodul eine speziell für DVB–S (Digital Video Broadcasting – Satellite), DVB–C (Digital Video Broadcasting – Cable) oder DVB–T (Digital Video Broadcasting – Terrestrial) konzipierte Steckkarte verwendet. Die dritte und modernste Lösung ist ein „integriertes digitales Fernsehgerät“ (iDTV). Hierbei ist das Empfangsgerät bereits im Fernsehgerät eingebaut, sodass keine zusätzlichen Empfangsgeräte notwendig sind.[28]Im Laufe der Zeit werden sich die digitalen Fernsehgeräte zunehmend durchsetzen und die analogen Fernsehgeräte in den Haushalten ersetzen. Das bedeutet dann gleichzeitig die Festigung eines digitalen Standards, der zudem die Basis neuer Technologien und Medienkonvergenzen, wie beispielsweise Hybrid-Fernsehen, darstellt. Die Digitalisierung bildet demnach eine wichtige Grundlage für die erfolgreiche Verbreitung hybrider Endgeräte. An dieser Stelle lässt sich zugleich die erste Hypothese aufstellen. Diese postuliert, dass sich mit den unterschiedlichen Digitalisierungszeiträumen in den einzelnen Vergleichsländern auch unterschiedlich große Fortschritte hinsichtlich Hybrid-Fernsehen erkennen lassen. Das bedeutet, wenn Hybrid-Fernsehen erfolgreich in das jeweilige Land eingeführt und verbreitet werden soll, dann muss dies vermutlich auf Grundlage moderner Technologien geschehen, die sich wiederum auf den Prozess der Digitalisierung stützten. Beispielsweise wird erst durch die Digitalisierung eine schnellere und größere Datenübertragung möglich, die zugleich die Voraussetzungen für hochauflösendes Fernsehen (HD-TV) und somit auch für Hybrid-Fernsehen schafft. Da die USA den „digital switchover“ bereits im Jahr 2009 vollzogen haben, Deutschland, Australien und UK sich noch inmitten des Prozesses befinden, lässt sich vermuten, dass Hybrid-Fernsehen in den USA weiter entwickelt ist, als in den anderen Vergleichsländern. Es kann angenommen werden, dass sich die Entwicklung von Hybrid-Fernsehen in den USA im Vergleich zu Deutschland, UK und Australien in einer Art technischen Vorreiterposition befindet, die durch eine stärkere Nutzung und Verbreitung gekennzeichnet sein könnte. Zusammenfassend spielt die Digitalisierung eine wesentliche Rolle, denn sie ist als Wegbereiter für technische Innovationen zu bezeichnen.

3.3 Begriffsklärung IPTV und Web-TV

Der Begriff „Internet Protocol Television“ (IPTV) und die Bezeichnung „Web-Television“ (Web-TV) sind ganz klar vom Begriff des „Hybrid-Fernsehens“ abzugrenzen. Zwar haben alle drei Formen die Verbindung von Internet und Fernsehen gemeinsam, doch diese Verbindung wird auf unterschiedlichen Endgeräten ermöglicht. Aufgrund der oftmals synonymen Verwendung der Begriffe IPTV, Web-TV und Hybrid-Fernsehen werden die Begriffe an dieser Stelle kurz definiert.

IPTV beschreibt die Übertragung von Rundfunksignalen über eine Breitbandverbindung. Ein im Internet Protokoll (IP) codiertes Signal wird dabei mit digitalen Rundfunksignalen über einen speziellen Bereich der Breitbandverbindung an den Fernsehhaushalt gesendet. Damit diese Signale (beziehungsweise Sender und Programme) auf dem Fernsehgerät dargestellt werden können, bedarf es einer IPTV-Box oder einem Abonnement, welche von den jeweiligen Anbietern bereit gestellt werden. IPTV gilt bereits als vierter Empfangsweg (neben Terrestrik, Satellit, Kabel) für lineares Fernsehen.[29]Lineares Fernsehen bedeutet in diesem Fall, dass Zuschauer an den vorgegeben Sendeplan und den entsprechenden Fernsehsender gebunden sind und keinerlei Gestaltungsmöglichkeiten zur individuellen Nutzung des Fernsehens besteht.[30]

Web-TV bezeichnet die frei empfangbaren Inhalte, die über das Internet verbreitet werden. Diese Inhalte sind üblicherweise nur auf dem Computerbildschirm darstellbar und konsumierbar.[31]

3.4 Definition Hybrid-Fernsehen

Hybrid Fernseher, auch als „Smart TV“ oder „Connected TV“ bezeichnet, verbinden Internet und Fernsehen in einem Endgerät, welches DVB und IP zu einer Größe zusammenfügt.[32]„Bei hybriden TV-Empfangsgeräten handelt es sich um TV-Geräte mit integriertem Onlineanschluss, die Angebote aus den Welten von TV und Internet verknüpfen können.“[33]Die Bezeichnung hybrid kommt dabei aus dem Lateinischen und steht für etwas „Gebündeltes, Gekreuztes oder Gemischtes“[34]. In der Gesamtbezeichnung „Hybrid-Fernsehen“ beschreibt dies die Möglichkeit, digitale Inhalte aus dem Internet mithilfe eines Hybrid-Fernsehers, einer Set-Top-Box, eines Blu-Ray-Players oder einer Spielkonsole über einen kabellosen oder kabelgebundenen Internetanschluss auf dem Fernsehbildschirm abzubilden. Hybride Fernsehgeräte sind gleichzeitig iDTV Geräte. Dies bedeutet, dass das Empfangsgerät für digitale Inhalte bereits im Fernsehgerät integriert ist.[35]Hybrid-Fernsehen bezeichnet zusammengefasst also die Medienkonvergenz von Fernsehen und Internet, bei der das Hybrid-Fernsehen das traditionelle Fernsehen sowie Fernsehen im Internet in Form vom Web-TV und IPTV um zusätzliche Unterhaltungs- und Informationsangebote aus dem Internet ergänzt.[36]Für den Nutzer bedeutet dies die Möglichkeit, Internet- und Fernsehinhalte auf nur noch einem Endgerät – in diesem Fall dem Fernsehgerät – nutzen zu können. Zwar ließen sich bisher Fernsehinhalte auf dem Computer darstellen, doch Internetinhalte waren nicht für den Fernsehbildschirm ausgerichtet und somit nicht auf diesem nutzbar. Hybrid-Fernsehen gehört somit zum Bereich des nicht-linearen Fernsehens. Im Allgemeinen bedeutet dies, dass die Fernsehrezipienten die Möglichkeit haben, sich vom linearen Fernsehen zu entfernen und Fernsehangebote nach individuellen Wünschen und Interessen nutzen können. Auf vielen Fachmessen und Kongressen findet sich auch der Begriff „Over-the-Top-TV“ (OTT), der sinngemäß ebenfalls die direkte Nutzung von Internetinhalten auf dem Fernsehgerät beschreibt.[37]Der Medienberater und Leiter der deutschen „Arbeitsgruppe Smart TV“ Jürgen Sewczyk beschreibt die Medienkonvergenz des Hybrid-Fernsehens treffend:

„Das Besondere bei dieser aktuellen Entwicklung ist, dass es nicht mehr um einen Wettkampf PC kontra TV-Gerät oder umgekehrt geht, sondern dass die Internet- und Fernsehwelt parallel oder sogar synchron auf dem Bildschirm im Wohnzimmer abgebildet werden können.“[38]

Zusammenfassend beschreibt der Begriff Hybrid-Fernsehen innerhalb dieser Arbeit somit die Konvergenz von Internet und Fernsehen und damit einhergehend die Möglichkeit, Internetinhalte auf dem Fernsehgerät abbilden zu können.

3.5 Internet auf dem Fernsehbildschirm – Technologie und Bereitstellung der Inhalte

Der Empfang der Internetinhalte auf dem Fernsehgerät wird zunächst durch einen gewöhnlichen Internetanschluss realisiert, den der Nutzer durch ein Local Area Network (LAN) oder ein Wireless Local Area Network (WLAN) erhält. Um die Internetinhalte optimal zu empfangen wird ein Internetanschluss mit genügend Bandbreite benötigt.[39]Der Begriff Bandbreite beschreibt dabei den verfügbaren Frequenzbereich eines Systems. Je höher die Bandbreite ist, desto größer ist dieser Bereich und desto mehr Daten können übertragen werden.[40]Zudem ist ein HD-Fernseher oftmals eine wichtige Zusatzvoraussetzung. Nur so lassen sich Text- und Bildinhalte in hoher Qualität darstellen.[41]Ein LAN-Anschluss wird dabei durch ein Kabel möglich, welches an die Buchse des Fernsehgeräts angeschlossen wird und somit die Verbindung zum Internet herstellt. Der WLAN-Anschluss ist ohne Kabel möglich, jedoch wird zur Herstellung ein WLAN-Empfänger benötigt, der entweder direkt am Fernsehgerät oder an einem entsprechenden Verbindungsgerät (zum Beispiel Set-Top-Box) integriert ist.[42]Die Signale und Daten werden dabei über einen der gängigen Übertragungswege (Satellit, Terrestrik, Kabel) an den Empfänger weitergeleitet.[43]

Welche Technologie im hybriden Fernsehgerät eingebaut ist, entscheidet in der Regel der Hersteller. Neben der Programmiersprache Java/ Javascript existiert eine weitere Lösung, die auf der Programmiersprache für WWW-Content, Hypertext Markup Language (HTML) basiert. Dieser für den Computer entwickelte Standard wurde von den Herstellern der Unterhaltungselektronik (Consumer Electronics) für die Nutzung von Fernsehflachbildschirmen zu CE-HTML weiterentwickelt. Seit dem Jahr 2009 wurde für Hybrid-Fernsehen an einem Standard gearbeitet, der auf CE-HTML basiert. CE-HTML umfasst als Standard jedoch nur einige Prozesse der Darstellung von Internetinhalten auf dem Fernsehgerät, weswegen er als alleinige Norm nicht ausreicht. Der darauf basierende Standard wird als Hybrid Broadcast Broadband Television (HbbTV) bezeichnet. HbbTV wurde im Juni 2010 als Norm vom Europäischen Institut für Telekommunikationsnormen (ETSI) bestätigt. Bereits im Jahr 2010 unterstützten weltweit schon circa 70 Unternehmen der CE-Branche die Entwicklung und Durchsetzung von HbbTV, weshalb dem paneuropäischen Standard ein entsprechend großes Potential hinsichtlich einer weltweiten Nutzung zugesprochen wird.[44]HbbTV zeichnet sich zudem durch die Besonderheit der so genannten „Red-Button-Funktion“ aus, die es dem Nutzer ermöglicht, eine interaktive Anwendung innerhalb des laufenden Fernsehprogrammes zu starten und somit durch einen Knopfdruck auf der Fernbedienung zu bestimmten Internetinhalten – den so genannten gebundenen Anwendungen – zu wechseln. HbbTV ist als Norm zudem dahingehend relevant, dass die Anbieter hybrider Fernsehangebote ihre Inhalte dadurch nicht an viele verschiedene Standards von Grund auf immer wieder technisch anpassen müssen.[45]Des Weiteren ist es Anbietern von ungebundenen Anwendungen – das bedeutet programmunabhängigen Internetinhalten – durch HbbTV möglich, ihre Inhalte auf dem Fernsehgerät darzustellen. Hierzu muss der Nutzer keine URL eingeben, was wiederum für eine unkomplizierte Nutzung und eine damit einhergehende Usability spricht.[46]Trotzdem ist zu betonen, dass HbbTV nicht als eine Art Gatekeeper, das heißt Einflussfaktor bei der Bereitstellung von Applikationen oder anderen Inhalten fungiert, sondern nur als allgemeiner Standard zu betrachten ist.[47]

Mit zunehmender Verbreitung des HbbTV-Standards lässt sich zugleich die Hypothese ableiten, dass sich Hybrid-Fernsehen und internationale hybride Fernsehangebote aufgrund der fortschreitenden technischen Entwicklung im Laufe der Zeit unter Ausarbeitung eines gemeinsamen Standards – vermutlich HbbTV – durchsetzen werden. Weltweit agierende Anbieter hybrider Fernsehangebote hätten durch gemeinsamen Standard schließlich die Möglichkeit, ihre Inhalte mit vergleichbar geringem Aufwand für eine breite Masse zugänglich zu machen. Ohne einen gemeinsamen internationalen Standard müssten die Inhalte an die jeweils nationalen Lösungen angepasst werden, was wiederum höheren Aufwand und steigende Kosten mit sich bringen kann. Es lässt sich also ableiten, dass die zunehmende Verbreitung hybrider Geräte und Anwendungen vermutlich mit der Ausarbeitung eines gemeinsamen technischen Standards einhergeht. Einige Faktoren, wie beispielsweise die breite Unterstützung zahlreicher Unternehmen, sprechen dafür, dass HbbTV dabei als internationaler Standard in Zukunft auch über die Grenzen Europas hinaus als Norm akzeptiert werden könnte.

Hinsichtlich der Übertragung von Internetinhalten auf das Fernsehgerät besteht neben der Diskussion um einen gemeinsamen Standard jedoch ein weiteres Problem: Das Layout der jeweiligen Seiten muss für die verschiedenen Größen der Fernsehbildschirme und die unterschiedlichen Abstände zwischen den Rezipienten und ihren Fernsehgeräten optimiert werden. Der anerkannte Durchschnittsabstand zwischen Zuschauer und Fernsehbildschirm liegt bei circa drei Metern. Trotzdem müssen die Bilder und Texte der Internetseiten für die Abbildung auf dem Fernsehgerät durch dieses optimiert werden. Anbieter dieser Inhalte erstellen dafür einen Layoutentwurf. Vorlagen dieses Entwurfs, auch Templates genannt, können schließlich an gesonderte Agenturen mit Spezialisierung auf hybride Endgeräte übermittelt werden. Diese optimieren das Layout für hybride Endgeräte, sodass die Onlineinhalte über bestimmte Schnittstellen auf dem Online Content Management System ohne weitere Bearbeitung durch die Anbieter für den Fernseher abgeholt werden können.[48]Obwohl die Anbieter dieser Inhalte mit dem Hybrid-Fernsehen einen weiteren Verbreitungskanal erschließen können, erhöht sich der Aufwand für die Aufbereitung dieser Inhalte kaum. Der Rezipient kann die Inhalte beispielsweise durch die „Red-Button-Funktion“ auf seinem Fernsehgerät abrufen. Mit einem Knopfdruck ist es ihm möglich, hybride Anwendungen und Inhalte während des laufenden Fernsehprogrammes aufzurufen.[49]Ein grundlegendes Beispiel für eine interaktive Fernsehanwendung, die mit dem Hybrid-Fernsehen möglich wird, ist der Electronic Program Guide (EPG). Er stellt eine Art Online-Programmzeitschrift dar, die direkt über das Fernsehgerät aufrufbar ist und das aktuelle und folgende Fernsehprogramm der nächsten Tage anzeigt.[50]Trotzdem sind noch nicht alle Onlineinhalte auf einem hybriden Fernsehgerät darstellbar, da Bewegtbilder im Internet oftmals mit Hilfe der Software Flash dargestellt werden, diese für Fernsehgeräte jedoch ungeeignet ist. Zum einen sind die Lizenzen sehr teuer, zum anderen basiert die Darstellung mit Flash auf enormen Rechenleistungen, die für ein Fernsehgerät im Vergleich zu einem Computer nur mit überdurchschnittlich teuren Hardware-Einrichtungen umzusetzen wäre.[51]

Das Vorhaben, Internetinhalte auf dem Fernsehgerät darstellbar zu machen ist rückblickend nicht gänzlich neu. Aufgrund unzureichender technischer Möglichkeiten hinsichtlich der Fernsehgeräte und Übertragungsart ließ sich die Idee jedoch nie wirklich erfolgreich umsetzen. Doch die zunehmende Nutzung moderner Flachbildschirme in Verbindung mit der High-Definition Technik stellt mittlerweile eine geeignete Basis für weitere Entwicklungen und die Verbreitung von Hybrid-Fernsehen dar.[52]Damit einhergehend lässt sich zugleich eine dritte wichtige Vermutung aufstellen: Hybrid-Fernsehen kann sich demnach nur etablieren, wenn in dem jeweiligen Land auch die entsprechenden technischen Voraussetzungen gegeben sind. Erst wenn eine technische Grundlage geschaffen ist, besteht für Hybrid-Fernsehen die Möglichkeit, sich erfolgreich auf dem Fernseh- und Technologiemarkt zu etablieren.

3.6. Zusammenfassung der Hypothesen

Im Folgenden werden die drei Hypothesen, die sich aus dem bisherigen Kontext ableiten ließen, zusammengefasst dargestellt. Dabei wird kurz erläutert, auf welche Fakten sich die jeweilige Hypothese stützt. Die Hypothesen werden dabei im weiteren Verlauf der Arbeit auf ihre Gültigkeit untersucht:

H1: Es ist anzunehmen, dass sich die Entwicklung von Hybrid-Fernsehen in den USA im Vergleich zu den Entwicklungen in den Ländern Deutschland, Großbritannien und Australien in einer Vorreiterposition befindet. Die Entwicklung in den anderen drei Vergleichsländern befindet sich im Vergleich zu den USA in einer Anfangsphase, dich sich durch eine geringere Verbreitung und Nutzungsakzeptanz von Hybrid-Fernsehen und hybriden Fernsehangeboten kennzeichnet.

Diese Hypothese ergibt sich aus den verschiedenen Digitalisierungszeiträumen der Beispielländer. Da die Digitalisierung eine essentielle Grundlage für die Entwicklung und Verbreitung von Hybrid-Fernsehen ist, kann gleichzeitig vermutet werden, dass sich die Zeiträume der Entwicklung hybrider Geräte an die jeweils nationalen Digitalisierungszeiträume anpassen. Demnach wäre die USA in der beschriebenen Vorreiterposition und die Entwicklungen in den anderen drei Beispielländern befänden sich in vergleichsweise früheren Entwicklungsstadien, die sich durch eine geringe Nutzung und einem noch eng gefassten Angebotsspektrum kennzeichnen.

H2: Es ist anzunehmen, dass sich auf Basis der Digitalisierung und der fortlaufenden Verbreitung von Hybrid-Fernsehen diese Art der Medienkonvergenz im Laufe der Zeit in den einzelnen Vergleichsländern unter Ausarbeitung eines gemeinsamen Standards – vermutlich HbbTV – durchsetzen wird.

Dies ergibt sich aus der Annahme, dass die jeweiligen Anbieter hybrider Fernsehangebote ihre Inhalte an jeden nationalen Standard technisch anpassen und die Inhalte entsprechend aufbereiten müssen. Damit eine zunehmend internationale Reichweite unter Aufwendung minimaler Aufbereitungskosten erlangt werden kann, ist ein gemeinsamer internationaler Standard notwendig. Aufgrund der großen Unterstützung des HbbTV-Standards liegt die Vermutung nahe, dass sich die HbbTV-Norm als internationaler Standard etablieren wird.

H3: Es ist anzunehmen, dass das Aufkommen und die Entwicklung von Hybrid-Fernsehen in den USA, Deutschland, Großbritannien und Australien eng mit einer Reifephase der einzelnen technischen Voraussetzungen verknüpft ist und ohne diese Reifephase nur schwer umzusetzen wäre. Technische Reifephase bedeutet in diesem Zusammenhang, dass erst bestimmte technische Voraussetzungen gegeben sein müssen, damit Hybrid-Fernsehen erfolgreich in den Fernsehmarkt des jeweiligen Landes eingebracht werden kann.

Diese Hypothese stützt sich auf die Tatsache, dass verschiedene technische Voraussetzungen für die Entwicklung neuer Technologien, wie beispielsweise Hybrid-Fernsehen, gegeben sein müssen. In diesem Fall spielen die Entwicklung von Digitalisierung, Breitbandübertragung und HD-Technik eine wesentliche Rolle. Aufgrund der Entwicklung im Bereich der Fernsehtechnik der letzten Jahre kann also vermutet werden, dass die Genese von Hybrid-Fernsehen mit dieser technischen Reifephase zusammenhängt.

4. Internationale Entwicklungen des Hybrid-Fernsehens

In diesem Kapitel sollen – in Abhängigkeit vom aktuellen Forschungsstand – die Entwicklungen von Hybrid-Fernsehen in Deutschland, den USA, Großbritannien und Australien dargestellt werden. Dabei spielen sowohl bisherige als auch momentane Entwicklungsverläufe eine wichtige Rolle. Darüber hinaus werden die Finanzierungs- und Erlösmodelle hybrider Fernsehangebote in den einzelnen Ländern näher betrachtet. Zugleich wird versucht, einige Prognosen zu den jeweiligen nationalen Entwicklungen aufzuzeigen und zusammenzufassen. Im Hinblick auf Deutschland wird zugleich auf die Regulierung hybrider Fernsehangebote eingegangen. Aufgrund fehlender detaillierter Daten wird der Aspekt der Regulierung in den anderen drei Vergleichsländern nicht betrachtet.

4.1 Hybrid-Fernsehen in Deutschland

Die Entwicklung und Verbreitung hybrider Fernseh- und Endgeräte ist in Deutschland in vollem Gang. Dabei sind sowohl die Verkaufszahlen als auch die Prognosen, die in Fachzeitschriften und Studienpublikationen aufgezeigt werden, sehr optimistisch. Im Folgenden wird die Entwicklung von Hybrid-Fernsehen in Deutschland näher untersucht und bisherige wichtige Eckpunkte in der Entwicklung hybrider Endgeräte – auch unter Beachtung der Erlösmodelle und Regulierung – dargestellt.

4.1.1 Bisherige Entwicklung

Bereits in den 90er Jahren gab es einige, jedoch erfolglose Versuche, Internet und Fernsehen auf dem Fernsehgerät zu verknüpfen. Die Projekte „Multimedia-Home-Plattform“ (MHP) oder „Betty“ stehen stellvertretend für diesen Versuch.[53]Doch Technik und Übertragungsart waren damals noch nicht entsprechend ausgereift: Die geringe Bandbreite sowie fehlende Techniken zur Optimierung der Internetinhalte für das Fernsehgerät ließen etwaige Projekte wie MHP scheitern. Laut einer Studie der „BITKOM“ aus dem Jahr 2009 gibt es mehrere Gründe, warum Hybrid-Fernsehen über ein Jahrzehnt später nun doch erfolgreich in den Massenmarkt integriert werden kann. Zum einen sind die heutigen (Flach-) Bildschirme wesentlich hochauflösender und verfügen zum größten Teil über die HD-Technik, zum anderen ist die Bandbreite der Übertragungsnetze deutlich gestiegen, sodass immer mehr Daten auf einmal übertragen werden können. Die benötigte Technik ist insgesamt fortgeschrittener: Digitale Empfangsgeräte wie Set-Top-Boxen sind ausgereifter, zudem sind in neuen Fernsehgeräten oftmals bereits entsprechende Empfangsgeräte integriert, sodass separate Set-Top-Boxen oder Blu-Ray-Player in vielen Fällen gar nicht mehr notwendig sind, um eine Internetverbindung auf dem Fernsehgerät herzustellen. Durch den technischen Fortschritt wird im Vergleich zu den 90ern nicht nur eine schnellere und störungsresistentere Übertragung gewährleistet, sondern auch die Bedienung für den Nutzer vereinfacht. Im Laufe der Zeit konnte sich den Ergebnissen einer „BITKOM-Studie“ (2009) zufolge also eine an den Massenmarkt angepasste „Usability“ für hybride Endgeräte entwickeln, was wiederum für eine potentiell erfolgreiche Entwicklung und Verbreitung von Hybrid-Fernsehen spricht.[54]

Im Jahr 2008 wurden laut „BITKOM“ Hybrid-Fernseher erstmals wieder ausgeliefert.[55]„Die Deutsche TV-Plattform“ – ein Zusammenschluss von zahlreichen medienrelevanten Institutionen[56]– datiert die Einführung erster hybrider Fernsehgeräte auf Frühjahr 2009. Vorwiegend wurden zunächst digitale TV-Flachbildschirme verkauft. Nunmehr sehen auch Anbieter von Digital-Receivern oder Blu-Ray-Geräten ihre Chance im Hybrid-Gerät.[57]In der zweiten Hälfte der 2000er wurde der Konvergenz von Internet und Fernsehen somit auf Basis der technischen Weiterentwicklungen in Form von HbbTV eine weitere Chance erteilt, sich zu etablieren. Diese Chance wurde – im Vergleich zu den genannten Vorgängermodellen – erfolgreich genutzt, denn Hybrid-Fernsehen erfreut sich einer stetig wachsenden Nutzungsakzeptanz, wie ein Kommentar vom Medienexperten Stefan Goedecke aus dem Jahr 2011 zeigt:

„Zuletzt sollte MHP, die Multimedia-Home Plattform“, das Internet mit dem Fernseher verbinden. Weil das damals so gut klappte, hat wohl jeder von uns insgeheim keinen Pfifferling auf HbbTV gesetzt. Doch sie mal einer an: Es funktioniert wirklich. Es funktioniert sogar so gut, dass wir – typisch deutsch – schon wieder darüber nachdenken, wie wir den Kunden vor einem Wildwuchs der Angebote schützen können.“[58]

Die Entwicklung von Hybrid-Fernsehen wird von Experten der Technologiebranche optimistisch betrachtet. Ende des Jahres 2009, das bedeutet nur einige Monate nach der erstmaligen Auslieferung hybrider Fernsehgeräte, besaßen 600.000 deutsche TV-Haushalte einen HybridFernseher. Die Zahl stieg im Laufe des nächsten Jahres enorm, sodass 2010 bereits in 3,5 Millionen TV-Haushalten ein hybrides Endgerät zu finden war. Zu diesem Zeitpunkt schätzten Experten die Zahl der TV-Haushalte mit hybriden Endgeräten für das Jahr 2011 auf sieben Millionen.[59]

In Deutschland wird dabei von fast allen Mitgliedern der „Deutschen TV-Plattform“ der Standard HbbTV unterstützt. Seit Mai 2009 wird die Entwicklung von Hybrid-Fernsehen in Deutschland vor allem von der Arbeitsgruppe „Hybride Endgeräte zur Integration von Broadband und Broadcast“, die von der „Deutschen TV-Plattform“ getragen wird, beobachtet und gefördert. Die Arbeitsgruppe setzt sich aus Vertretern der Geräteindustrie, Fernsehsendern, Universitäten und anderen medienrelevanten Institutionen der Branche zusammen.[60]

Die Entwicklung des Hybrid-Fernsehens wurde in Deutschland zudem vor allem vom europäischen „Konsortium HbbTV“ gefördert, zu dessen führenden Mitgliedern das „Institut für Rundfunktechnik“ gehört.[61]Der HbbTV-Standard und dessen Technologie werden von zahlreichen medienrelevanten Unternehmen wie beispielsweise „Philips“, „Eutelsat“ oder „Sony“ unterstützt und verwendet.[62]In Deutschland gibt es auf dem Markt neben dem HbbTV-Verfahren auch andere zulässige Vorgehensweisen, Internetinhalte auf dem Fernsehgerät darzustellen. So werden beispielsweise auch Hersteller- und anbieterspezifische Varianten des CE-HTML, eine Variante des HTML für Unterhaltungselektronik (CE) verwendet, sodass auf der Grundlage herstellerspezifischer Formate bestimmte Services angeboten werden. Jedoch müssen die Hersteller und Anbieter dieser Formate die Inhalte – anders als bei HbbTV (siehe 3.5) – selber technisch anpassen. (QUELLE)

Die Angebote der Internetinhalte waren schon im Jahr 2011 vielfältig und umfassten neben den klassischen Fernsehprogrammen und Informationsseiten (z.B. Electronic Program Guide) auch Videoangebote in Form von Mediatheken oder On-Demand-Angeboten. Diese On-Demand Angebote umfassen für den Rezipienten die Möglichkeit, gegen Bezahlung beispielsweise Filme, Serien und TV-Shows innerhalb eines festgelegten Zeitraums unbegrenzt konsumieren zu können. Die Inhalte werden dabei von verschiedenen On-Demand-Plattformen und Online-Videotheken, wie beispielsweise dem deutschen Unternehmen „Maxdome“, bereitgestellt.[63]Des Weiteren sind nunmehr soziale Netzwerke, Verkaufsplattformen und Videoportale auf dem Fernsehgerät nutzbar.[64]Geräteherstellern und Inhalteanbieter verwenden dabei vor allem spezielle Applikationen (Apps), um Internetinhalte über das Fernsehgerät anzubieten. Die Eingabe einer beliebigen URL ist nicht immer möglich und lies sich bisher nur bei wenigen Herstellern, zum Beispiel „Philips“, realisieren. Vordergründig ist dies vermutlich Kostengründen geschuldet, denn die Bereitstellung von Apps ist insgesamt kostengünstiger. Gerätehersteller haben durch die Einbindung von Applikationen auf dem Fernsehgerät die Möglichkeit, Apps – auch von externen App-Anbietern – sehr preiswert oder sogar kostenlos bereitzustellen, sodass sich schnell ein breites Angebot entwickeln kann. Die Hersteller haben durch die Vergabe niedriger Lizenzgebühren somit die Möglichkeit, einen weit gefassten Interessentenkreis aufzubauen und die gesamte Entwicklung des Hybrid-Fernsehens zu fördern.[65]Dies ist vor allem in der Anlaufphase der Verbreitung hybrider Fernsehgeräte von Bedeutung. Darüber hinaus erschwert die derzeit fehlende Tastatur eine einfache Handhabung bei der Eingabe einer URL und dem damit einhergehenden Aufruf beliebiger Inhalte.

Eine Studie im Auftrag der „BITKOM“ im Jahr 2010 ergab, dass knapp jeder Zweite der 14-29 Jährigen einen Hybrid-Fernseher nutzen möchte. Die Hälfte (53 Prozent) der älteren Befragten äußerte zu diesem Zeitpunkt ein eher geringes Interesse an internetfähigen Fernsehgeräten. Trotzdem plante ein Viertel der befragten Deutschen zwischen 14 und 29 Jahren, ein hybrides Fernsehgerät zu erwerben.[66]Die Zahlen aus dem Jahr 2010 repräsentieren – trotz der teilweise noch eingeschränkten Interessenbekundung – den wachsenden Erfolgskurs in der Entwicklung und Verbreitung von Hybrid-Fernsehen in Deutschland. Dies lässt sich auch in branchenspezifischen Zeitschriften nachlesen:

„In nur 16 Monaten haben Fernseher mit integriertem Internet-Anschluss einen Marktanteil von 36 Prozent erreicht.“[67]

Während der Umsatz bei Einführung hybrider Fernsehgeräte im Frühjahr 2009 bei etwa 0,4 Prozent lag, konnten bis September 2010 circa 1,3 Millionen Hybrid Fernseher verkauft werden.[68]Vor allem das Abrufen von E-Mails und die Kontaktpflege mit Freunden und Bekannten sowie die Möglichkeit der Online-Spiele standen laut „BITKOM“-Umfrage an den ersten drei Stellen der Nutzungsliste von Hybrid-Fernsehen.[69]Daten der britischen Regulierungsbehörde „The Office of Communications“ (Ofcom) aus Oktober 2011 besagen zudem, dass sechs Prozent der 1014 befragten Deutschen angeben, einen Hybrid-Fernseher zu besitzen. Jedoch ist damit nicht gleichzeitig geklärt, ob auch alle sechs Prozent aktuell Internetinhalte über den Fernseher konsumieren.[70]Trotzdem zeigt sich, dass der Verkauf hybrider Fernsehgeräte in Deutschland weiter voran schreitet: Laut dem „Hybrid-TV-White-Book“ der „Deutschen TV-Plattform“ beträgt die Anzahl der Internet-kompatiblen Fernseher im deutschen Markt seit 2009 bis zum März Jahres 2011 circa 2,9 Millionen. Im ersten Quartal des Jahres 2011 belief sich die Anzahl hybrider Fernsehgeräte auf 29 Prozent aller verkauften TV-Geräte. Bis Juni 2011 betrug die Verkaufszahl bereits 3,4 Millionen, wodurch der Anteil auf 35 Prozent stieg. Die „Deutsche TV-Plattform“ bezieht sich dabei auf Daten der „GfK Retail and Technology GmbH“.[71]Anhand der zahlreichen Studienergebnisse, die sowohl das Jahr 2010 als auch 2011 umfassen, lässt sich insgesamt erkennen, dass Hybrid-Fernsehen in Deutschland bisher eine erfolgreiche Entwicklung zu verzeichnen hat.

4.1.2 Regulierung und Finanzierung von Hybrid-Fernsehen

Aus regulatorischer Sicht ist Hybrid-Fernsehen nicht von speziellen Richtlinien abhängig, sondern unterliegt ebenso den Vorschriften für Rundfunk und Telemedien, die im Rundfunkstaatsvertrag festgehalten sind. Die zunehmende Verschmelzung von Rundfunk- und Internetregulierung kann jedoch zu Schwierigkeiten führen, da viele Elemente, vor allem Werberichtlinien, in der Rundfunkregulierung härter gehandhabt werden.[72]Zudem sind noch nicht alle Prognosen hinsichtlich der regulatorischen Fragestellungen zwischen Inhalteanbietern und Endgeräte-Herstellern klar definiert. Damit alle Fragen, zum Beispiel bezüglich Urheberrecht und Signalüberblendungen durch TV-Anbieter geklärt werden können, bedarf es einer ausreichenden Beobachtung und Analyse der Endgeräte und Netzstrukturen.[73]Das bedeutet, dass die aufkommenden Regulierungs- und Rechtsproblematiken, vor allem zwischen TV-Anbietern und Inhalteanbietern, erst im Laufe der weiteren Entwicklung von Hybrid-Fernsehen schrittweise gelöst werden können:

„Der Rechtsrahmen besteht und weiterer Regelungsbedarf kann erst dann geklärt werden, wenn ein konkreter Fall vorliegt. Wir müssen uns jede einzelne Plattform und deren Geschäftsbeziehungen anschauen, um analysieren zu können, ob das bestehende Rechtsinstrumentarium Lücken aufweist oder nicht.“[74]

Mit dem fortschreitenden Entwicklungsprozess von Hybrid-Fernsehen geht auch gleichzeitig die Frage nach der Refinanzierung und neuen Erlösmodellen für hybride Fernsehangebote einher. Zusammengefasst gibt es zwei große Finanzierungsmöglichkeiten: Die Werbefinanzierung, die vor allem private Fernsehsender verfolgen oder alternativ hierzu das Bezahl-Modell der Pay-TV oder On-Demand-Anbieter. Doch zur Realisierung des letzten Modells bedarf es erst mal einer grundlegenden Zahlungsbereitschaft seitens der Nutzer. Zudem ist eine Ausdifferenzierung des Bezahl-Modells erforderlich. So kann der Anbieter die Bezahlung auf Grundlage einer Einzelabrechnung oder auf Tarifbasis oder aber auf Basis eines Abonnements anbieten.[75]

Hybrid-Fernsehen bewirkt nunmehr die Personalisierung der Werbung, das bedeutet das Aufblenden spezifischer Werbeanzeigen auf Grundlage eines vorher zusammengestellten Nutzerprofils.[76]Durch die so genannte „Click-To-Buy“-Option können Nutzer durch einen Knopfdruck auf ihrer Fernbedienung zum gewünschten Produkt – passend zur Werbeeinblendung des linearen Fernsehprogrammes – gelangen und dieses direkt über das Fernsehgerät erwerben. Die Studie „Smart-TV Geschäftsmodelle“ von der „Deloitte Consulting“ aus dem Jahr 2011 besagt, dass 14 Prozent der befragten Deutschen das im Fernsehen vorgestellte Produkt auch gerne sofort über das Smart TV erwerben möchten. Dies liegt zwar unter dem internationalen Durchschnitt von 18 Prozent,[77]zeigt aber gleichzeitig das große Potential, welches Smart TV hinsichtlich Vermarktung und Werbung noch bereithält.

[...]


[1]Karstens (2006), S. 93.

[2]Kolling (2007), S. 28.

[3]Vgl. National Association of Broadcasters (2012).

[4]Vgl. Australian Gouvernment (2012).

[5]Vgl. Digital UK (2012).

[6]Ziemer (2003) , S. 21.

[7]Freyer (2004a), S. 11.

[8]Vgl. Freyer (2004a), S. 11.

[9]Freyer (2004a), S. 10.

[10]Weber (2009), S. 7.

[11]Freyer (2004a), S. 10.

[12]Weber (2009), S. 10.

[13]Vgl. Freyer (2004a), S. 10.

[14]Vgl. Ziemer (2003), S. 21.

[15]König (1997), S. 27.

[16]Vgl. Karstens (2006), S. 14.

[17]Vgl. Kolling (2007), S. 28.

[18]Vgl. Freyer (2004a), S. 9.

[19]Weber (2009), S. 10.

[20]Ziemer (2003), S. 245.

[21]Vgl. König (1997), S. 30–34.

[22]Vgl. Sewczyk (2011a), In: tv diskurs 56, Nr. 2/ 2011, S. 33.

[23]Deutsche TV-Plattform (2011), S. 6.

[24]Kolling (2007), S. 19.

[25]Ziemer (2003), S. 246.

[26]Vgl. Karstens (2006), S. 98–99.

[27]Vgl. Freyer (2004b), S. 9.

[28]Vgl. Kolling (2007), S. 19–20.

[29]Vgl. Sewczyk/ Wenk (2012), in: Media Perspektiven Nr. 4/2012, S. 178.

[30]Vgl. Hans Bredow Institut für Medienforschung an der Universität Hamburg (2012).

[31]Vgl. Deutsche TV-Plattform (2011), S. 8.

[32]Vgl. BITKOM/ Deloitte (2010), S. 34.

[33]Sewczyk (2011a), In: tv diskurs Heft 56, Nr. 2/ 2011, S. 32.

[34]Sewczyk (2011a), In: tv diskurs Heft 56, Nr. 2/ 2011, S. 33.

[35]Vgl. Sewczyk (2011a), In: tv diskurs 56, Nr. 2/ 2011, S. 33.

[36]Vgl. BITKOM/ Deloitte (2010), S. 34.

[37]Vgl. Landesanstalt für Medien Nordrhein-Westfalen (Lfm) (2011), S. 10.

[38]Sewczyk (2011a), In: tv diskurs Heft 56, Nr. 2/ 2011, S. 32.

[39]Vgl. Sewczyk (2011a), In: tv diskurs Heft 56, Nr. 2/ 2011, S. 33.

[40]Vgl. o.V. (o. J.).

[41]Vgl. o.V. (2011).

[42]Vgl. Sewczyk (2011a), In: tv diskurs Heft 56, Nr. 2/ 2011, S. 33.

[43]Vgl. BITKOM/ Deloitte (2010), S. 34.

[44]Vgl. Prahl, in: Themen + Frequenzen Nr. 02/ 2011, S. 5.

[45]Vgl. Sweczyk (2011c), In: Medienbulletin, Nr. 04/2011, S. 31.

[46]Vgl. Deutsche TV-Plattform (2011), S. 11.

[47]Vgl. Dr. K. Illgner-Fehns (25.04.2012), S. 5.

[48]Vgl. Sewczyk (2011a), In: tv diskurs Heft 56, Nr. 2/ 2011, S. 34–35.

[49]Vgl. Friedrichs, in: Themen + Frequenzen Nr. 02/ 2011, S. 15.

[50]Vgl. ARD (17.02.2011).

[51]Vgl. Sewczyk (2011a), In: tv diskurs Heft 56, Nr. 2/ 2011, S. 35.

[52]Vgl. o. V. (2011).

[53]Vgl. Goedecke, in: Themen + Frequenzen Nr. 02/ 2011, S. 5.

[54]Vgl. BITKOM/ Mediarise GmbH (2009), S. 5.

[55]Vgl. BITKOM (2010), S. 4.

[56]Vgl. Die Deutsche TV.Plattform (2012).

[57]Vgl. Die Deutsche TV-Plattform (2011), S.9.

[58]Goedecke, Stefan, In: Themen + Frequenzen Nr. 2/2011, S. 5.

[59]Vgl. Sewczyk (2011a), In: tv diskurs Heft 56, Nr. 2/ 2011, S. 33.

[60]Vgl. Sewczyk, In: Die Deutsche TV-Plattform informiert. Hybrid-TV (August 2011), S. 5.

[61]Vgl. Die Deutsche TV-Plattform (2011), S. 14.

[62]Vgl. Die Deutsche TV-Plattform (2011), S. 10.

[63]Vgl. Maxdome GmbH & Co. KG (2012).

[64]Vgl. Die Deutsche TV-Plattform (2011), S. 12–13.

[65]Vgl. Strzebkowski, In: tv diskurs Heft 56, Nr. 2/ 2011, S. 40.

[66]Vgl. BITKOM (2010b), S. 11–16.

[67]Werben und Verkaufen (09.09.2010), Nr. 35/2010, S. 40.

[68]Vgl. Werben und Verkaufen (09.09.2010), Nr. 35/2010, S. 40.

[69]Vgl. BITKOM (2010b), S. 17.

[70]Vgl. Ofcom (2011b),

[71]Vgl. Hybrid-TV White-Book (2011), S. 32.

[72]Vgl. Grewenig, In: tv diskurs Heft 56, Nr. 2/ 2011, S. 44.

[73]Vgl.. Holznagel/ Eschenbach (Interview), in: Medienbulletin Nr. 04.2011, S. 34–35.

[74]Holznagel/ Eschenbach (Interview), in: Medienbulletin Nr. 04.2011, S. 35.

[75]Vgl. Chardon, In: tv diskurs Heft 56, Nr. 2/ 2011, S. 58–59.

[76]Vgl. Hamburg@work e.V. (2010), S. 22.

[77]Vgl. Deloitte Consulting (09.11.2011), S. 6.

Details

Seiten
Erscheinungsform
Erstausgabe
Jahr
2012
ISBN (PDF)
9783956846656
ISBN (Paperback)
9783956841651
Dateigröße
834 KB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Universität Leipzig
Erscheinungsdatum
2015 (Februar)
Note
1,7
Schlagworte
IPTV Hybrid TV Web-TV Fernsehen TV
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Titel: Hybrid-Fernsehen: Ein Vergleich der internationalen Entwicklungen anhand von Deutschland, USA, Großbritannien und Australien
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