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Stadtgalerie "K in Lautern": Auswirkungen innerstädtischer Shoppingcenter auf den Einzelhandel am Beispiel Kaiserslautern

©2013 Bachelorarbeit 48 Seiten

Zusammenfassung

In den letzten Jahren rückten zunehmend die Innenstadtstandorte wieder in das Interesse der Betreiber und Investoren von Einkaufscentern. Durch die vorherige Ansiedlung von Einkaufscentern in der Peripherie entstand für den innerstädtischen Einzelhandel jedoch eine starke Konkurrenz, was negative Auswirkungen auf die Innenstadt zur Folge hatte. Ansiedlungen in der Innenstadt versprechen eine schnelle und effiziente Lösung des Problems zu sein. Doch die bisherigen Erfahrungen aus vielen Städten zeigten, dass das Hauptziel, die Innenstadt zu stärken, um damit die Qualität des städtischen Lebens zu verbessern, oft nicht erreicht wird. Dieses Fachbuch zeigt die zu erwartenden Auswirkungen des Einkaufscenters „K in Lautern“ auf den innerstädtischen Einzelhandel von Kaiserslautern auf. Darüber hinaus werden allgemeingültige Kriterien und Handlungsempfehlungen für eine erfolgreiche und verträgliche Integration von Shoppingcentern in der Innenstadt beschrieben.

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


3. Innerstädtische Einkaufscenter

2010 waren ca. 230 der 435, das heißt 53% der Einkaufscenter in Deutschland innerstädtisch. Allein 2010 wurden 60 neue Center mit einer Fläche von 1,8 Mio. m² und Innenstadtlage eröffnet. Nach den Passagen und Galerien aus dem 19. Jahrhundert und den Warenhäusern, die zu Beginn des 20. Jahrhunderts errichtet wurden, sind innerstädtische Einkaufscenter eine Art „dritte Innovation“ für den innerstädtischen Handel. Der „Shoppingcenter-Boom“ lässt sich dadurch begründen, dass sie, sofern richtig lokalisiert, strukturiert und gemanagt, erfolgreicher sind als der traditionelle Handel in der Innenstadt. Während der traditionelle Handel von 2000 bis 2006 mit Umsatzrückgängen zu kämpfen hatte, konnte beispielsweise die ECE-Gruppe (europäischer Marktführer auf dem Gebiet innerstädtischer Shopping-Center) größtenteils Umsatzsteigerungen verzeichnen (siehe Abbildung 2).[1]

Abb. 2: Umsatzentwicklung im gesamten Einzelhandel und in der ECE-Gruppe 2000-2006

(Veränderungen gegenüber dem Vorjahr in Prozent)

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Entwurf: Eigene Darstellung

Quelle: Junker/Kühn/Nitz/Pump-Uhlmann, 2008, S.20

3.1. ECE Projektmanagement GmbH. & Co. KG

Die ECE Projektmanagement GmbH. & Co. KG mit Sitz in Hamburg ist der europäische Marktführer auf dem Gebiet der innerstädtischen Einkaufscenter. Gegründet wurde die ECE 1965 von Versandhauspionier Professor Werner Otto zunächst unter dem Namen „Werner Otto Vermögensverwaltung“. Wegen der Spezialisierung auf Einkaufscenter erfolgte die Umbenennung zur „KG Einkaufs-Center Entwicklung mbH“. Da sich das Unternehmen im Laufe der Zeit jedoch auch wieder um weitere Gewerbeimmobilien kümmerte, erfolgte 1979 eine weitere Umbenennung zur „ECE Projektmanagement GmbH. & Co. KG“. Heute ist das Unternehmen noch immer in Familienbesitz und wird von Alexander Otto geführt. Neben den Einkaufscentern entwickelt und realisiert die ECE Verkehrsimmobilien, Logistikzentren, Firmenzentralen, Bürokomplexe, Industrie- sowie weitere Spezialimmobilien. Das Unternehmen hat ca. 3300 Mitarbeiter und ist derzeit in 17 Ländern aktiv. Das erste Einkaufscenter der ECE eröffnete 1969 in Nürnberg. Inzwischen managt ECE insgesamt 189 Center. Diese haben zusammengenommen eine Verkaufsfläche von 6 Mio. Quadratmetern, einen Einzelhandelsumsatz von 21 Milliarden Euro und ca. 4 Mio. Besucher pro Tag.[2] [3]

3.2. Typologie

Innerstädtische Einkaufscenter lassen sich hinsichtlich dreier Merkmale typisieren:

1. Größe des Centers. Sie bestimmt im Verhältnis zum Handelsangebot der Innenstadt sowie der Gesamtstadt dessen Marktbedeutung. Die Kaufkraftbindung und somit die Auswirkungen auf den bestehenden Handel werden durch sie beeinflusst. Die heutigen innerstädtischen Einkaufscenter haben eine Verkaufsfläche zwischen 10.000m² (definitorische Mindestgröße) und 50.000m². In der Regel streben neue Center eine Verkaufsfläche von 20.000 bis 25.000m² an. Center mit einer Verkaufsfläche über 15.000m² gelten als relativ autark und können ohne ihr Umfeld bestehen. Sie werden deshalb als kritisch angesehen. Vor diesem Hintergrund bietet sich folgende Gruppierung an:

- Kleine Center -> 10.000m² bis unter 15.000m² Verkaufsfläche
- Autarke Center -> 15.000m² bis unter 25.000m² Verkaufsfläche
- Große Center -> 25.000m² und mehr m² Verkaufsfläche

2. Standort des Centers. Durch ihn wird die Integrationsfähigkeit in die Innenstadt bedeutend mitbestimmt. Es lassen sich 3 Standorte unterscheiden:

- Standorte unmittelbar im bestehenden Hauptgeschäftsbereich
- Standorte am Rande des Hauptgeschäftsbereiches
- Standorte abgesetzt vom Hauptgeschäftsbereich

Je weiter der Standort vom Hauptgeschäftsbereich entfernt ist, desto größer ist die Schwerpunktverlagerung innerhalb der Innenstadt.

3. Bauliche Struktur des Centers. Sie bedingt die Offenheit bzw. Geschlossenheit zum räumlichen Umfeld. Es lassen sich 2 Typen unterscheiden.

- Das offene Einkaufscenter. Es ist in der Regel in die Blockstruktur der Innenstadt integriert. Die Gebäude sind nach außen ganz oder zumindest teilweise geöffnet.
- Das deutlich häufiger anzutreffende, geschlossene Einkaufscenter. Das Gebäude ist in sich geschlossen und hat einen von Läden gesäumten Weg im Inneren. An dessen Enden befinden sich in der Regel die Ankermieter. Innerhalb dieses Typs wird noch einmal zwischen langgestreckten und sternförmigen Konzepten unterschieden.[4]

Abb. 3: Bauliche Grundtypen innerstädtischer Einkaufscentren

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Entwurf: Aus Quelle entnommen

Quelle: Junker, 2007, S.218

3.3. Regionale Auswirkungen

Wegen der intensiven Ansiedlung von Shoppingcentern in den deutschen Innenstädten werden deren Auswirkungen derzeit heftig diskutiert. Letzten Endes steht immer die Frage im Raum „Wie viel Center verträgt die Stadt?“. Mit der Errichtung von Shoppingcentern sind viele Hoffnungen, aber auch Ängste verbunden. Die Befürworte bewerben die Center als Problemlösung für die Innenstädte bzw. den Einzelhandel. Die ECE-Gruppe formuliert es folgendermaßen: „Eine richtig konzipierte und gut gemanagte Einkaufsgalerie trägt … immer zur Belebung einer City bei und stärkt die Stadt im zunehmenden Wettbewerb der Metropolen untereinander.“[5] Folgende Punkte werden im Allgemeinen als positive Auswirkungen genannt:

- Erhöhung der Zentralität der Stadt durch die Vergrößerung des Einzugsgebietes und somit eine Verbesserung der Position im regionalen Wettbewerb
- Stärkung der Innenstadt gegenüber der Konkurrenz auf der „grünen Wiese“
- Anstieg der Kaufkraftzuflüsse bzw. deren Rückgewinnung
- Erzeugung von Synergieeffekten für den innerstädtischen Einzelhandel
- Generierung zusätzlicher Arbeitsplätze
- Gute Verwertung innerstädtischer Grundstücke

Diese Auswirkungen führen dazu, dass viele Handlungsträger der Städte sehr aufgeschlossen gegenüber dem Bau innerstädtischer Shoppingcenter sind. Sie bieten vielfältige Profilierungschancen für sich, ihre Partei oder aber auch für die Stadtverwaltung. Neue Einkaufscenter erwecken zunächst den Anschein, dass von ihnen alle Parteien profitieren. Grundstücksbesitzer erzielen eine gute Rendite, die Stadt hat bezüglich der Folgenutzung der Bebauungsfläche eine Sorge weniger und darf zusätzlich auf einen Kaufkraftzugewinn, neue Arbeitsplätze sowie auf Einnahmen über die Gewerbesteuer hoffen. Der Investor bekommt sein angestrebtes Einkaufscenter als Renditeobjekt, den Bürgern der Stadt bietet sich ein verbessertes Einzelhandelsangebot. Außerdem fällt es dem traditionellen Einzelhandel durchaus schwer sich auf neue Entwicklungen einzustellen weswegen der Kunde häufig das Angebot von Shoppingcentern sucht. Es lässt sich also leicht nachvollziehen, weshalb die Investoren von Shoppingcentern auf keine große Gegenwehr treffen.[6] [7]

Die Befürchtungen, die mit dem Bau eines innerstädtischen Einkaufscenters verbunden sind, sind in der Regel folgende:

- Das Center etabliert sich als Center in der Stadt ohne Synergieeffekte
- Kaufkraftverluste für den Einzelhandel außerhalb des Centers
- Verkleinerung der 1a und 1b-Lage außerhalb des Centers
- „Trading-Down-Effekte“[8] außerhalb des Centers
- Abnahme der Fußgängerfrequenz außerhalb des Centers
- Wertverlust für den Immobilienmarkt

Das Gefährdungspotential der innerstädtischen Einkaufscenter für die Innenstadt an sich wird häufig unterschätzt. So gibt es inzwischen schon genug Städte, die als Negativ-Beispiele dienen können. Zum Beispiel besteht der ernstzunehmende, innerstädtische Handel in Dessau nur noch innerhalb des Einkaufscenters.[9] [10]

Je nach Position und Vorstellung von der Zukunft der Stadt gibt es verschiedene Standpunkte über die tatsächliche Wirkung auf die Innenstadt. Im anschließenden Kapitel wird versucht, möglichst allgemeingültige Kriterien und Handlungsempfehlungen für eine erfolgreiche und verträgliche Integration aufzuzeigen.

3.4. Kriterien und Handlungsempfehlungen für eine erfolgreiche und verträgliche Integration von Shoppingcentern in der Innenstadt

Im Folgenden werden die Kriterien und Handlungsempfehlungen aufgezeigt, die nötigt sind, um möglichst viele der bereits genannten positiven und möglichst wenige der negativen Auswirkungen zu erzeugen. Bei deren Anwendung ist die spezifische Situation vor Ort, insbesondere die Stadtgröße, zu berücksichtigen. Im Speziellen wird auf die Größe, Lage und Bauform des Centers sowie auf die Nutzung, die Branchenvollständigkeit und Anzahl der PKW-Stellplätze eingegangen.

3.4.1. Größe

Der prognostizierte Shoppingcenter-Umsatz steht in einer starken Relation zu seiner Größe und somit auch mit der zu erwartenden Kaufkraftumverteilung. Die Größe lässt außerdem erste Rückschlüsse über die Autarkie des Centers zu. Neben der absoluten Verkaufsfläche muss auch die relative Verkaufsflächenerweiterung im Verhältnis zum bisherigen Einzelhandelsbestand herangezogen werden um die Verträglichkeit beurteilen zu können.[11]

Da die Betreiber und Investoren verständlicherweise nahezu autarke Einkaufscenter bevorzugen, überschreiten diese häufig eine für die Stadt verträgliche Größe. So sind Investitionen in Center unter 20.000m² Verkaufsfläche eher selten, unabhängig davon wie groß die Stadt ist. Diese großen Center gestatten einen, vom angrenzenden innerstädtischen Handel unabhängigen, ökonomischen Handel. Solche Dimensionen können jedoch nur von Großstädten mit einem starken innerstädtischen Einzelhandel vertragen werden, weshalb Größen jenseits von 15.000m² als kritisch anzusehen sind.[12]

Es ist jedoch wichtig, nicht nur eine verträgliche Obergrenze zu bestimmen. Darüber hinaus müssen Center auch eine bestimmte Mindestgröße erreichen. Während ein zu großes Center die Innenstadt zu stark dominiert, schaffen es zu kleine Center möglicherweise nicht die Attraktivität ausreichend zu steigern, um neue Kaufkraft zu generieren. Bei einem gleichbleibenden Kundenpotential würde die steigende Anzahl an Mitbewerbern zu einem Abfall der durchschnittlichen Umsätze führen. Dies gilt nicht, wenn mit dem Center lediglich eine Erweiterung des Innenstadtangebotes angestrebt wird und auf Kaufkraftzuflüsse verzichtet werden kann. Ein Beispiel für die Integration eines zu kleinen Einkaufscenters ohne Ausstrahlungskraft ist Bamberg. Eine Verkaufsfläche von 12.500m² war an dieser Stelle nicht ausreichend um den Einzugsbereich zu vergrößern. Dies führte zwangsläufig zu einem Konkurrenzkampf, den der Einzelhandel außerhalb des Centers nicht bestehen konnte.[13]

Für die Beurteilung der Einzelhandelsverträglichkeit muss neben der absoluten und relativen Verkaufsflächenerweiterung auch die Stadtgröße an sich miteinbezogen werden. Bei dem Ziel größere Veränderungen in der Struktur des bestehenden Geschäftsbereiches zu vermeiden, sind Verkaufsflächenerweiterungen in durchschnittlich ausgestatteten Innenstädten oberhalb von 15% bezogen auf die bisherige innerstädtische Verkaufsfläche zu vermeiden. Um eine Autarkie der Center vorzubeugen, sollten innerstädtische Einkaufscenter die Verkaufsfläche in Städten mit weniger als 200.000 Einwohnern um nicht mehr als 15.000m² erweitern. Falls die Innenstädte jedoch eine Unterausstattung und eklatante Angebotslücken aufweisen kann die Verkaufsflächenerweiterung auch höher ausfallen. Eine Verkaufsflächenerweiterung über 15% ist jedoch immer besonders kritisch zu prüfen.[14]

Durch ein neues Einkaufscenter vergrößert sich auch zwingend die Wegelänge in der Innenstadt. Je größer die Fläche des Centers, desto Größer in Allgemeinen auch die neu entstandenen Wege. Bei einem Center mit 20.000m² Fläche muss mit einer zusätzlichen Wegelänge von ca. 600 Metern gerechnet werden. Dies bedeutet eine Zunahme im Durchschnitt um 50%, im Extremfall sogar um 80%. Durch die hohe Qualität der Einkaufscenter mindert sich in der Regel die Bereitschaft und Notwendigkeit der Kunden, das „alte“ Hauptgeschäftszentrum aufzusuchen. Untersuchungen ergaben, dass Kunden die ein Einkaufscentrum besuchen eine kürzere Wegestrecke in der Innenstadt zurücklegen als Kunden die nur die Innenstadt aufsuchen. Folglich ändert sich die Lagequalität im innerstädtischen Geschäftsbereich oft deutlich. Die 1a- und 1b-Lage verringert sich in der Regel. Dies hat auch Auswirkungen auf die Immobilienwerte. In der Nähe des Centers steigen die Werte an. Je größer die Entfernung vom Center, desto eher kommt es zu einem Mietverfall. Schafft es das Center allerdings die Zentralität zu erhöhen und mehr Kaufkraft in die Stadt zu locken, so ist es auch durchaus möglich das sich die 1a und 1b-Lagen vergrößern, gleich bleiben oder sich zumindest nur geringfügig verkleinern. Diese Prozesse sollten jedoch nicht per se als negativ erachtet werden. Eine gewisse Umsatzumverteilung geht einher mit der Eröffnung neuer innerstädtischer Einkaufscenter und ist kaum zu vermeiden. Eine Wertung kann nur anhand eines Konzeptes für die Stadt erfolgen, das die Zukunftsfähigkeit von Lagen einschätzt.[15]

3.4.2. Lage

Der geeignetste Standort bei einem Ansiedlungsvorhaben spielt stets eine zentrale Rolle. Nicht immer ist der aus wirtschaftlicher Sicht attraktivste Standort dabei der, der auch für den in der Innenstadt angesiedelte Einzelhandel am günstigsten zu sein scheint. Die Standortwahl wird jedoch in der Regel durch eine geeignete Grundstücksgröße, einer leichte Grundstücksverfügbarkeit und durch die Verwertungsmöglichkeiten bestimmt. Zentral gelegene und damit meist schwierig zu entwickelnde Flächen gelangen nur in das Blickfeld der Entwickler, falls kein leicht entwicklungsfähiges Grundstück verfügbar ist oder die Stadt einen Bereich ausdrücklich vorgibt.[16] [17]

Die geringsten negativen Entwicklungen für die funktionale Struktur sind zu erwarten, wenn sich das Einkaufscenter inmitten des Hauptgeschäftsbereiches befindet. Zum einen kommt es dadurch kaum zu Schwerpunktverlagerungen, andererseits können in diesen Lagen aufgrund mangelnder geeigneter Grundstücke meist nur relativ kleine Center mit einer Verkaufsfläche von unter 15.000m² errichtet werden.[18]

Befindet sich das Einkaufscenter in einer Randlage zum Hauptgeschäftsbereich steigt, das Risiko für eine Schwerpunktverlagerung innerhalb des Hauptgeschäftsbereiches. Erhöht sich jedoch das Einzugsgebiet und die Kaufkraft durch das Center, sind sogar positive Entwicklungen möglich, d.h. es kommt zu einer Vergrößerung des Hauptgeschäftsbereiches.[19]

Komplett zu meiden sind vom Hauptgeschäftsbereich abgegrenzte Standorte. Sie führen immer zu Umsatzrückgängen und damit zu starken funktionalen Störungen im Hauptgeschäftsbereich.[20]

Hinter der Debatte um einen verträglichen Standort steht die Ansicht, dass zwischen Einkaufscenter und restlichem Geschäftsbereich ein reger Besucheraustausch stattfinden soll. Oder anders gesagt, dass beide Standorte zu einem Ganzen „verschmelzen“ sollen. Findet diese Verschmelzung statt, wird von einer „gelebten Integration“ gesprochen. Dieser Austausch lässt sich anhand von Kopplungsquoten klassifizieren. Zu deren Ermittlung werden Passantenbefragungen durchgeführt. Je höher die Quote, desto höher sind die Synergieeffekte zwischen Einkaufscenter und dem Rest der Innenstadt. Untersuchungen ergaben, dass bei geschlossenen Einkaufscentern in Randlage noch immer hohe Kopplungsquoten von bis zu 66% erreicht werden können.[21]

Es ist also nicht zwingend nötig Einkaufscenter zentral in der Innenstadt zu platzieren, auch Randlagen erreichen hohe Kopplungsquoten. Um größere Schwerpunktverlagerungen zu vermeiden, ist es wichtig, einen Gegenpol zum Einkaufscenter zu haben, beispielsweise einen Marktplatz oder einen größeren Einzelhandelsbetrieb.

3.4.3. Bauform

Für eine verträgliche Integration spielt die Bauform des Einkaufscenters ebenfalls eine wichtige Rolle. Wie in Kapitel 3.1. beschrieben, lässt sich grob zwischen geschlossenen und offenen Bauweisen unterscheiden. Bei offenen Konzepten orientieren sich die Eingänge der Geschäfte nicht ausschließlich nach Innen zur Mall, zahlreiche Geschäfte besitzen einen weiteren Eingang nach außen bzw. haben ausschließlich einen Eingang nach außen hin. Außerdem werden Mall und Fußgängerzone nicht zwangsläufig durch Türen getrennt. Diese Konzepte wecken die Hoffnung, einen regen Besucheraustausch zwischen Einkaufscenter und Innenstadt zu gewährleisten. Im Idealfall geht das Center nahtlos in die Innenstadt über und wird nicht als eigenständiger Ort wahrgenommen. Geschäfte in geschlossenen Centern besitzen nur Eingänge nach Innen zur Mall. Außerdem werden bei diesem Konzept Mall und Innenstadt immer durch Eingangstüren getrennt. Diese beiden Kriterien führen dazu, dass geschlossene Center schwächere Beziehungen zur Innenstadt aufbauen als offene Center. Weitere Kriterien für die Beurteilung der Integration sind die Aufnahme von Wegebeziehungen, Durchgangsmöglichkeiten auch außerhalb der Öffnungszeiten sowie die Anzahl an Eingängen.[22]

Auch weil geschlossene Center leichter und erfolgreicher zu managen sind und somit von den Betreibern favorisiert werden sind offene Center in Deutschland kaum anzutreffen. Die Clemens-Galerien in Solingen zählen zu den bekanntesten offenen Centern. Diese haben 4 Zugänge zur Innenstadt und verfügen neben den nach innen liegenden auch über nach außen liegende Geschäfte. Das Center mit 14.000m² Verkaufsfläche ist durchgehend geöffnet. 79% der Besucher wollten neben dem Besuch des Einkaufscenters auch die Innenstadt besuchen. Damit liegt die Kopplungsquote in der Regel deutlich über den Werten geschlossener Center. Zwei Drittel der Besucher haben jedoch nur eine Verweildauer im Center von unter einer halben Stunde, was als sehr gering einzustufen ist. Außerdem nutzen 23% der Passanten das Center nur als Durchgang zu ihrem eigentlichen Ziel. Diese Aspekte führen zu einer geringen Flächenproduktivität, weshalb offene Center von Betreibern eher gemieden werden.[23]

Für eine gelungene Integration ist das offene Center im Vergleich zum geschlossenen mit Sicherheit zuträglicher. Geeignete Flächen sind dabei allerdings schwerer zu finden. Bietet das Umfeld außerdem keine Anknüpfungspunkte oder eine zu geringe Passantenfrequenz um eine sinnvolle Integration sicherzustellen, ist der Standort für eine offene Mall nicht geeignet. Damit geschlossene Center möglichst verträglich für den vorhandenen Einzelhandel sind, sollten zahlreiche Zugänge geschaffen werden. Darüber hinaus sollte der Grundriss nicht primär zum Inneren des Centers ausgerichtet sein, sondern sich am umgebenden öffentlichen Raum, also an Straßen, Plätzen und Fußgängerwegen, orientieren um die vorhandenen Wegebeziehungen zu erhalten. Um diese Wegebeziehungen nicht zu beeinträchtigen, sind die Durchgangsmöglichkeiten rund um die Uhr offen zu halten. Förderlich ist es außerdem, wenn einzelne Geschäfte auch von außerhalb der Mall zugänglich sind.[24] [25]

Um das Attraktivitätsgefälle zwischen neuen, modernen Einkaufscentern und der restlichen Innenstadt zu verringern sind Investitionen für eine Aufwertung des umliegenden öffentlichen Raumes notwendig. Dies sollte Angelegenheit des Projektträgers sein, wobei die Gestaltung im Einvernehmen mit der Stadt zu treffen ist.[26]

Um eine gelungene Integration in das Stadtbild zu gewährleisten ist eine entsprechende Architektur notwendig. Da diese jedoch eine untergeordnete Rolle für die Verträglichkeit für den Einzelhandel spielt wird an dieser Stelle nicht näher darauf eingegangen. Bei Interesse an diesem Aspekt kann die Arbeitshilfe „Zum Umgang mit großen innerstädtischen Einkaufscentern“ des Ministeriums für Wirtschaft, Energie, Bauen, Wohnen und Verkehr des Landes Nordrhein-Westfalen herangezogen werden.

3.4.4. Branchenvollständigkeit und Nutzung

Oft wird damit argumentiert, ein unvollständiger Branchenmix innerhalb des Centers kann eine Autarkie verhindern und gleichzeitig die Kopplungsquote erhöhen, da nicht alles im Center zu bekommen ist. In der Fachliteratur werden häufig 15.000m² Verkaufsfläche genannt, die nötig sind, um eine Branchenvollständigkeit anbieten zu können. Die Studie „Forschungsbericht Innenstädte und Einkaufszentren“ der Obersten Baubehörde im Bayerischen Staatsministerium des Inneren zeigt jedoch, dass schon Center mit einer Verkaufsfläche von 10.000m² eine, durch die fehlende Sortimentstiefe allerdings nur bedingte, Branchenvollständigkeit erreichen können. Darüber hinaus zeigt die Studie, dass der Branchenmix nur sehr geringen Einfluss auf die Kopplungsquote hat.[27]

Trotz dieser Tatsache ist es natürlich verträglicher, nicht den Branchenmix der Innenstadt zu kopieren, sondern das bereits vorhandene Angebot um fehlende Branchen zu erweitern bzw. die Sortimentstiefe zu erhöhen. Andernfalls würde eine Konkurrenzsituation für den innerstädtischen Einzelhandel entstehen.[28]

Innerstädtische Einkaufscenter sind üblicherweise monofunktional ausgelegt. Ca. 90% der Fläche werden durch den Einzelhandel beansprucht, ca. 7% von der Gastronomie[29] und die restlichen 3% für Dienstleistungen und für das Centermanagement. Einige wenige Center beherbergen außerdem Büros und Wohnungen oberhalb der Einkaufsetagen.[30]

Um das Einkaufscenter, vor allem auch außerhalb der Geschäftszeiten, zu beleben, ist eine zu starke Monofunktionalität zu meiden. Empfohlen wird die Integration von Büroflächen, Freizeiteinrichtungen (Kinos, Theater, etc.) und Wohnungen.[31]

3.4.5. Stellplätze

Trotz meist guter ÖPNV-Angebote sind innerstädtische Einkaufscenter sehr autokundenorientiert. Ca. 40% der Besucher nutzen das Auto um zum Center zu gelangen. Die vielen Stellplätze, die vor allem bei Centern mit Innenstadtrandlage bzw. von der Innenstadt abgesetzten Standorten vorzufinden sind, verstärken die Autarkie dieser Einkaufscenter. Sie bieten dem Kunden ausreichend, (durch Subventionierung) kostengünstige Parkmöglichkeiten in unmittelbarer Nähe zum Center. Daher werden diese Stellplätze von der Kundschaft favorisiert und das Center wird zum bevorzugten Anlaufspunkt. Je größer die Anzahl der vorhandenen Stellplätze, desto autonomer ist das Center. Entsprechend sind die negativen Folgen für den traditionellen Einzelhandel sowie für die Innenstadt bezüglich der Besucherfrequenz und damit ihrer Lebendigkeit.[32]

Für eine verträgliche Integration des Centers in die Innenstadt ist die Zahl der Stellplätze hinsichtlich zweier Faktoren zu begrenzen. Zum einen darf das Stellplatzangebot nicht das größte der Innenstadt sein. Zum anderen darf sich das Stellplatzangebot nicht über den bisherigen Schlüssel Verkaufsfläche/Stellplatz der Innenstadt ausweiten. Zur Wertung des Stellplatzangebotes kann folgende Einteilung genutzt werden: Weniger als 20m² Verkaufsfläche pro Stellplatz deutet auf eine überdurchschnittliche Ausstattung hin. Eine durchschnittliche Ausstattung liegt bei 20 bis 29m² Verkaufsfläche pro Stellplatz vor. Ab 30m² ist die Ausstattung unterdurchschnittlich. Finden die beiden genannten Faktoren Anwendung, so wird die Einkaufscenterkundschaft teilweise dazu genötigt, außerhalb des Centers zu parken. Dadurch erhöhen sich die Besucherfrequenz in der Innenstadt sowie die Kopplungsquote.[33] [34]

3.5. Kriterien zur Ermittlung der Ansiedlungsfolgen

Zur Erfassung der Auswirkungen auf den Einzelhandel durch die Ansiedlung eines innerstädtischen Einkaufscentrums sind eine Reihe von Kriterien vor und nach der Ansiedlung zu beobachten. Einige der wichtigsten Kriterien werden in diesem Kapitel erläutert.

3.5.1. Lagestrukturveränderung

Die Lagestrukturveränderungen werden hinsichtlich zweier Aspekte betrachtet. Zum einen nach der Lagestruktur des Hauptgeschäftsbereiches. Sie beschreibt die Verteilung der verschiedenen Lagekategorien. Dabei wird zwischen 1a-, 1b- und Randlage unterschieden. Zum Andern werden die Strukturveränderungen in der 1a-Lage[35] erfasst. Die Veränderungen werden durch die Einzelhandelsmietpreise, den Filialisierunggrad und die Passantenfrequenz bewertet.[36]

3.5.2. Einzelhandelsmietpreis

Die Mietpreise sind ein Indikator für die Nachfrage nach und das Angebot an Einzelhandelsflächen. Eine große Nachfrage entsteht durch ein hohes Umsatzpotential und einen attraktiven Standort. Ansteigende Mietpreise lassen auf eine zunehmende Attraktivität des Standortes schließen. Ab einer Steigerung der Mietpreise um mehr als 15 % wird dies als positiv bewertet. Zwischen 15 % Wachstum bzw. Abnahme wird von einer Stagnation gesprochen. Mehr als 15 % Abnahme der Mietpreise wird als negativ beurteilt.[37]

3.5.3. Filialisierungsgrad

Der Filialisierungsgrad in der 1a-Lage stellt den prozentualen Anteil der überregional und regional agierenden Filialisten am Geschäftsbestand dar. Da Filialisten über eine große Anziehungs- und wirtschaftliche Leistungskraft verfügen wird ein Anstieg des Filialisierungsgrades positiv beurteilt. Zuwächse von über 5% werden als positiv definiert. Negativ bewertet werden Abnahmen von mehr als 5%. Der Bereich dazwischen wird als Stagnation bezeichnet. Eine zu große Filialisierung wird jedoch auch oft als negativ erachtet, da sie zu monotonen Innenstädten führt und Individualität verloren geht.[38]

3.5.4. Passantenfrequenz

Ein Indikator für die Anziehungskraft eines Standortes ist die Passantenfrequenz. Ein Anstieg weist somit auf eine gesteigerte Beliebtheit bei den Kunden hin, und umgekehrt. Steigt die Frequenz in den 1a-Lagen mit der Eröffnung des Einkaufcenters, so wird dies entsprechend positiv bewertet. Dabei sollte auch die mögliche Beeinflussung durch Wetter, Wochentag und Uhrzeit berücksichtigt werden.[39]

3.5.5. Umsatzkennziffer

Die regionale Verteilung der Einzelhandelsumsätze wird durch die Umsatzkennziffer beschrieben. Als Berechnungsgrundlage dient die regional bereinigte Umsatzsteuerstatistik. Die Umsatzkennziffer pro Kopf legt die prozentuale Abweichung des Pro-Kopf-Umsatzes vom Durchschnitt der Bundesrepublik (Indexwert=100) dar. Werte über 100 weisen auf einen umsatzstärkeren Einzelhandel im bundesweiten Vergleich hin, Werte unter 100 auf einen vergleichsweise niedrigeren Umsatz. Die Kennziffer ist somit auch ein Indikator für die Einzelhandelsattraktivität und für das Kaufkraftniveau.[40]

3.5.6. Zentralitätskennziffer

Die Zentralitätskennziffer stellt das Verhältnis zwischen dem Einzelhandelsumsatz eines Gebietes bzw. einer Stadt und dem dortigen Kaufkraftpotential dar. Wird der Indexwert 100 überschritten, deutet dies auf einen Kaufkraftzufluss von außen hin. Bei einer Unterschreitung fließt Kaufkraft in andere Räume ab. Die Zentralitätskennziffer ist ebenfalls ein Indikator für die Einzelhandelsattraktivität. Eine ansteigende bzw. abnehmende Zentralitätskennziffer indiziert eine Attraktivitätszunahme bzw. -abnahme des Einzelhandelsangebotes gegenüber konkurrierenden Standorten in der Umgebung.[41]

[...]


[1] Vgl. Kühn, 2006, S. 21-22

[2] Vgl. o.V.: Wer ist ECE?, in: Stadtbild. Kaiserslautern im Wandel (Ausgabe 1), 2011, S. 3

[3] Vgl. URL: http://www.ece.de/de/wirueberuns/ (abgerufen am 25.09.2013)

[4] Vgl. Junker/Kühn/Nitz/Pump-Uhlmann, 2008, S.20-22

[5] Franke, 2002, S.41

[6] Vgl. Junker, 2009, S.5-9

[7] Vgl. Junker, 2006, S.107-110

[8] Bezeichnet die Wandlung von Geschäften mit einem hochwertigen Sortimentangebot hin zu Billiganbietern. Grund hierfür ist hauptsächlich das Ausbleiben von Kundschaft. Diese „Trading-Down“-Prozesse führen zu einem Imageverlust der Städte und verlaufen in einem Teufelskreis, da die Prozesse durch den Imageverlust weiter verstärkt werden.

[9] Vgl. Junker, 2009, S.8-9

[10] Vgl. Junker, 2006, S.110-111

[11] Vgl. Junker/Hühn/Pump-Uhlmann, 2011, S.15

[12] Vgl. Junker, 2006, S.111

[13] Vgl. Popp, 2009, S.27-29

[14] Vgl. Junker/Kühn/Nitz/Pump-Uhlmann, 2008, S.220

[15] Vgl. Junker, 2009, S.9

[16] Vgl. Popp, 2009, S.19

[17] Vgl. Junker/Hühn/Pump-Uhlmann, 2011, S.19

[18] Vgl. Ebenda, S.20

[19] Vgl. Ebenda

[20] Vgl. Ebenda, S.21

[21] Vgl. Popp, 2009, S.22-23

[22] Vgl. Popp, 2009, S.23-26

[23] Vgl. Ebenda, S. 26-27

[24] Vgl. Popp, 2009, S.27

[25] Vgl. Junker/Hühn/Pump-Uhlmann, 2011, S.27

[26] Vgl. Ebenda

[27] Vgl. Popp, 2009, S. 29-30

[28] Vgl. Junker/Hühn/Pump-Uhlmann, 2011, S.17

[29] Innerhalb von Einkaufscentern haben Gastronomiebetriebe die Aufgabe, die Verweildauer in den Centern zu erhöhen

[30] Vgl. Junker/Hühn/Pump-Uhlmann, 2011, S.31

[31] Vgl. Ebenda, S.32

[32] Vgl. Ebenda, S.35-36

[33] Vgl. Junker/Kühn/Nitz/Pump-Uhlmann, 2008, S.31-32

[34] Vgl. Ebenda, S.221

[35] Bezeichnet eine nicht duplizierbare Lage die der höchsten Standortqualität entspricht

[36] Vgl. Vgl. Junker/Kühn/Nitz/Pump-Uhlmann, 2008, S.34

[37] Vgl. Ebenda, S.33

[38] Vgl. Ebenda, S.32

[39] Vgl. Vgl. Junker/Kühn/Nitz/Pump-Uhlmann, 2008, S.33

[40] Vgl. Ebenda, S.34-35

[41] Vgl. Ebenda, S.34

Details

Seiten
Erscheinungsform
Erstausgabe
Jahr
2013
ISBN (PDF)
9783956847028
ISBN (Paperback)
9783956842023
Dateigröße
3.4 MB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Rheinland-Pfälzische Technische Universität Kaiserslautern-Landau
Erscheinungsdatum
2015 (Februar)
Note
1,7
Schlagworte
Grüne Wiese Trading-Down Shopping Center Wertschöpfung ECE Projektmanagement GmbH. & Co. KG

Autor

Johannes Jester, B.Ed., wurde 1987 in Kaiserslautern geboren. Sein Lehramtsstudium (Gymnasium) mit den Fächern Geographie und Sportwissenschaft an der Technischen Universität Kaiserslautern schloss der Autor 2013 mit dem akademischen Grad „Bachelor of Education“ erfolgreich ab. Derzeit befindet er sich im anschließenden Master-Studium. Darüber hinaus ist der Autor bereits als Lehrkraft an einem Gymnasium tätig.
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