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Demografischer Wandel und Nahversorgung: Herausforderungen und Lösungsansätze für das Marketing im deutschen Lebensmitteleinzelhandel

©2013 Bachelorarbeit 64 Seiten

Zusammenfassung

Die Tatsache, dass sich der demografische Wandel unaufhaltsam fortsetzt, lässt sich nicht leugnen. Die Menschen werden immer älter, die Bevölkerung im Allgemeinen aber auch immer kleiner, da nicht genug Kinder geboren werden.
Diese Entwicklung hat Auswirkungen auf nahezu alle Bereiche: Auf die deutsche Wirtschaft und im Besonderen auf den Lebensmitteleinzelhandel (LEH) werden ältere Konsumenten einen erheblichen Einfluss ausüben. Da sie zahlenmäßig in Zukunft den größten Teil der Bevölkerung darstellen und über eine bedeutende Kaufkraft verfügen, wird eine Veränderung der Zielgruppe von der heute hauptsächlich umworbenen Gruppe der 14- bis 49-Jährigen hin zur Generation 50plus stattfinden. Die demografische Entwicklung sowie die daraus resultierenden Auswirkungen auf die verschiedenen Bereiche werden in dieser Arbeit im ersten Teil behandelt.
Um nun aus Sicht des LEH speziell auf diese Kundengruppe eingehen und reagieren zu können, ist es außerordentlich wichtig, die Veränderungen zu kennen und zu verstehen, die ältere Menschen durchleben. Die biologischen, psychologischen und soziologischen Veränderungen dieser Generationen werden in dieser Arbeit nacheinander beleuchtet und mögliche Reaktionen des LEH in Form von strategischen und operativen Maßnahmen dargestellt. Aufgrund der derzeit zu beobachtenden Problematik, dass gerade den Senioren zunehmend die Möglichkeit genommen wird, in der Nähe ihrer Wohnung Lebensmittel einzukaufen, soll sich der letzte Teil der Arbeit eben diesem Problem widmen, indem die fehlende Nahversorgung in Deutschland näher beschrieben wird und mögliche Maßnahmen für die verschiedenen Seniorentypen dargelegt werden.

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


3.1 Kaufkraft

Die Kaufkraft von Konsumenten „(…) bezeichnet die finanziellen Mittel der privaten Haushalte, die übrigbleiben, nachdem regelmäßige Zahlungsverpflichtungen (Miete, Kredite, Versicherungen) bedient wurden. Kaufkraft ist also das Einkommen, das direkt für den Konsum zur Verfügung steht.“[1]

Im Jahr 2008 ergab sich für Alleinlebende und Paare, je nach Alter des Haupteinkommensbeziehers (HEB), folgendes Bild bezüglich ihrer ausgabefähigen Einkommen und Einnahmen in Euro:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Tab. 1: Ausgabefähige Einkommen und Einnahmen privater HH 2008 nach Alter des HEB und Haushaltstyp je HH und Monat in EUR

Quelle: Eigene Darstellung, in Anlehnung an Statistisches Bundesamt (2010a), S. 182ff

Tabelle 1 zeigt, dass Alleinlebende bezüglich ihres ausgabefähigen Einkommens unter dem von Paaren liegen, unabhängig vom Alter des HEB. Zwischen 35 und 45 Jahren liegt bei jedem Haushaltstyp das höchste ausgabefähige Einkommen vor. Da jedoch der Anteil der Generation 50plus in Zukunft weiter wachsen wird und deren ausgabefähiges Einkommen über dem Bundesdurchschnitt von 2965 EUR pro Monat[2] liegt, birgt diese Zielgruppe sehr großes Potenzial für Unternehmen.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 2: Konsumanteile der unter und über 50-Jährigen in 2005 und 2035 ohne politische Reformen bzgl. Erwerbsbeteiligung, Abgaben und Haushaltspolitik

Quelle: Roland Berger Strategy Consultants, BMFSFJ, Wirtschaftsmotor Alter (2007), S. 116

Abbildung 2 zeigt die Beteiligungen zweier Altersgruppen an den gesamten Konsumausgaben in Deutschland (in Prozent) im Jahre 2005 und die prognostizierten Ausgaben 30 Jahre später im Vergleich. Es wird zwischen Konsumenten der Generation 50plus sowie Konsumenten, die jünger als 50 Jahre sind, unterschieden. Hierbei ist erkennbar, dass bereits 2005 gut jeder zweite Euro des Konsums aus den Taschen der 50 Jahre und älteren kam. Sie machen also die Hälfte der Konsumausgaben aus. In Zukunft wird sich dieser Trend fortsetzen, wobei der Konsumanteil der unter 50 jährigen sinken wird.

Speziell der Lebensmitteleinzelhandel (LEH) kann von diesen Entwicklungen profitieren, da Konsumenten in Deutschland, gleich welcher Altersgruppe, den größten Teil ihrer Konsumausgaben für Nahrungsmittel und Getränken aufwenden. Die Grafik (siehe Anhang auf S. 48) zeigt detailliert die Verteilung der Konsumausgaben nach zwei Hauptaltersgruppen im Jahr 2008.

Neben der Kaufkraft der Senioren ist es weiterhin interessant das Vermögen dieser Generation zu betrachten. Bereits 2006 verfügten die über 50-Jährigen über die Hälfte des gesamten Geldvermögens.[3] Mehr als 50 % der Personen, die 60 Jahre und älter sind, leben im eigenen, meist abbezahlten Haus oder verfügen über eine Eigentumswohnung.

Diese Fakten belegen, dass die heute oft noch vorherrschende Assoziation von Alter mit Krankheit und Armut so nicht mehr für die Mehrheit der Senioren zutrifft. Auch solche Vertreter der Seniorengeneration gibt es natürlich, allerdings lässt sich ein großer Teil als junggeblieben und durch Einkommen solide gestellt einstufen.[4]

Letztendlich geht es um die „(…) Einsicht, dass ältere Kunden keine Nische
sind, sondern ein gewaltiger Geldschrank, der in der Betrachtung des Marketings nicht außen vor bleiben darf.“[5]

Zukünftig wird allerdings innerhalb der älteren Generation die Schere bezüglich der Einkommen und der sonstigen Vermögen, vor allen Dingen Erbschaften, stark auseinandergehen. Eine zumindest stabil bleibende, eventuell sogar noch wachsende Anzahl von wirtschaftlich sehr gut gestellten Senioren in substanzieller Größenordnung wird es aber weiterhin geben.[6] Daher ist es von Seiten der Unternehmen wichtig, das Angebot flexibel zu gestalten und auf die individuelle finanzielle Situation der Zielgruppe abzustimmen.

Um nun möglichst viele Kunden des „goldenen Segments“ zu gewinnen und bestenfalls auch zu binden, ist es zunächst einmal notwendig zu wissen, welche Einflüsse das Konsumverhalten dieser Generation bestimmen. Anschließend können die daraus resultierenden Anforderungen an den LEH und das Marketing identifiziert werden.

3.2 Einflussfaktoren auf das Konsumverhalten von Senioren

Nach Schmitz und Kölzer gibt es verschiedene Größen, die das Einkaufsverhalten im Allgemeinen beeinflussen. Diese lassen sich nach beobachtbaren sowie nach psychischen Einflüssen differenzieren.

- Beobachtbare Einflussgrößen, wie Geschlecht, Alter, Familienlebenszyklus, Beruf bzw. Ausbildung und Einkommen
- Psychische Einflussgrößen, wie Einstellungen, Bedürfnisse, Wertorientierungen, Involvement („Grad der subjektiv empfundenen Wichtigkeit eines Verhaltens“[7] ) und kognitive Prozesse der Informationsverarbeitung[8]

Das Einkommen bzw. die Rente und das verfügbare Vermögen als beobachtbare Einflussgröße wurden bereits dargestellt und erläutert. Eine weitere, sehr wichtige Einflussgröße stellt das Alter der Konsumenten dar. Bevor man Aussagen über das Konsumverhalten von Senioren und daraus abgeleitet über die Herausforderung an das Marketing treffen kann, ist es sinnvoll, sich einmal näher mit Veränderungen im Alter aus der Perspektive diverser Bereiche des Lebens zu beschäftigen. Diese Entwicklungen werden nachfolgend aus dem Blickwinkel der Biologie, der Psychologie und der Soziologie aufgezeigt.

3.2.1 Altern aus biologischer Sicht

Nachstehend werden nun typische physische Erscheinungen[9] des fortschreitenden Alters aufgeführt und kurz erläutert, wobei in Kapitel 4 ausführlicher auf das daraus resultierende Einkaufsverhalten bzw. die Anforderungen an das Marketing eingegangen wird.

Zunächst einmal sind Veränderungen des äußeren Erscheinungsbildes, wie Haarausfall, Ergrauen der Haare, Bildung von Falten und Pigmentflecken auf der Haut offensichtlich. Es gibt aber auch einige, die nicht sofort ersichtlich sind.

Hierzu zählen zum Beispiel alle Sinnesorgane, die sich individuell mit zunehmendem Alter verschlechtern.

Bezüglich des Sehens ist festzuhalten, dass die Sehschärfe um bis zu 80 % nachlässt. Auch die Pupille selbst unterliegt Veränderungen. Sie ist bei 80-Jährigen nur noch halb so groß wie bei 60 Jahre jüngeren Menschen. Das Erkennen von Farben lässt im Laufe der Zeit nach, die Linse wird gelblich und trüb. Ab ca. 55 Jahren verengt sich das Blickfeld, man sieht nur noch einen kleineren Winkel. Des Weiteren nimmt die Anpassung der Augen von hell auf dunkel, und umgekehrt, stark ab.

Eine weitere altersbedingte Veränderung lässt sich hinsichtlich des Hörens feststellen. Das Hörvermögen im Allgemeinen, als auch das hoher Töne nimmt ab, d. h. Töne müssen lauter und dürfen nicht zu hoch sein, um von den betreffenden Personen wahrgenommen und verstanden werden zu können. Außerdem lässt die Geschwindigkeit, das Gehörte zu verarbeiten, nach.

Auch die Intensität des Schmeckens und Riechens wandelt sich. Die Zahl der Geschmacksknospen nimmt ab.

Betrachtet man Motorik und Kraft von älteren Personen, so ist festzuhalten, dass unter anderem die Skelettmuskulatur sowie die Gelenkbeweglichkeit abnehmen. Dies hat zunehmende Versteifung und insgesamt geringere Beweglichkeit und Kraft zur Folge.

3.2.2 Altern aus psychologischer Sicht

In der Psychologie wird der Alterungsprozess, im Gegensatz zur Biologie, anhand des Umgangs von Individuen mit soeben erläuterten Veränderungen definiert. Mit Altern wird nicht zwangsläufig Defizit und Verfall verbunden, sondern auch die positive Seite, im Sinne von „Reife erlangen“.

Es finden allerdings auch wichtige Veränderungen im Gehirn statt. Die kognitive Leistungsfähigkeit nimmt ab. Tatsache ist, dass die Geschwindigkeit, mit der man Informationen verarbeiten kann, im Laufe der Zeit nachlässt. Von großer Bedeutung ist zudem, dass die sog. fluide Intelligenz abnimmt, während die kristalline Intelligenz sogar bis zum 60. Lebensjahr steigt und danach nur gering abfällt. Fluide Intelligenz impliziert das schnelle und effiziente Lösen von Problemen bzw. Aufgaben. Sie bezieht sich also auf die Orientierung in ungewohnten Situationen, das Erkennen von Zusammenhängen und stellt letztendlich die angeborene Leistungsfähigkeit dar. Die kristalline Intelligenz hingegen stellt auf bisher erworbenes Wissen und Erfahrungen ab. Vertraute Aufgaben werden anhand von Fähigkeiten und Fertigkeiten, die im Laufe des Lebens erlernt wurden, gelöst.[10]

Interessant für das Marketing im Einzelhandel ist zudem, dass sich die meisten Älteren jünger fühlen, als sie sind. Das gefühlte Alter stimmt also nicht mit dem biologischen Alter überein. Abbildung 3 zeigt das Ergebnis einer Umfrage über Altersbilder der Gesellschaft des Instituts für Demoskopie Allensbach im Auftrag der Robert Bosch Stiftung aus dem Jahr 2012.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 3: Ergebnis der Allensbach-Umfrage zu Altersbildern der Gesellschaft

Quelle: Institut für Demoskopie Allensbach (2012), S.4

Die Befragten gaben durch alle Altersschichten hinweg an, dass sie sich jünger fühlen, als sie sind. Besonders im Alter von 45 bis 74 Jahren ist dieses Phänomen sehr ausgeprägt. Diese Generation fühlt sich durchschnittlich acht Jahre jünger, als sie ist, das entspricht dem Empfinden der Gesamtbevölkerung. Befragte ab 75 Jahren fühlen sich im Schnitt sogar 10 Jahre jünger. Die Bevölkerung in Deutschland wird zwar immer älter, jedoch bleiben die Senioren im Alter auch immer gesünder und sind vor allen Dingen unternehmungslustig. Sie wollen aktiv bleiben und sich weiterhin in die Gesellschaft einbringen und mitbestimmen.[11]

3.2.3 Altern aus soziologischer Sicht

Im Folgenden sollen beispielhaft die Veränderungen der Freizeitgestaltung, der Werte, der Stellenwert des Konsums, der sozialen Integration sowie die Markentreue und die Kohärenz von Qualität und Preisbewusstsein der Generation 50plus dargestellt werden. Weitere Veränderungen in anderen soziologischen Bereichen, wie beispielsweise der Strukturwandel oder die Veränderung sozialer Rollen, sollen hier nicht näher behandelt werden.

Freizeitgestaltung: Wie bereits angesprochen, ist die Seniorengeneration von heute und von morgen eine sehr aktive und unternehmungslustige Generation. Betrachtet man die Freizeitgestaltung von älteren Personen heutzutage, so wird deutlich, dass sich die Interessen stark verändert haben. Die Zeit nach dem Berufsleben wird eben nicht mehr als das Ende des Lebens gesehen, in der man Zuhause sitzt. Vielmehr wird dieser Lebensabschnitt dazu genutzt, um sich Aktivitäten zu widmen, für die man während der Erwerbsphase keine oder nur wenig Zeit hatte. Viele Vertreter der Senioren-Generation möchten sich etwas Gutes tun und Zeit für sich haben.

Laut der Generali Altersstudie 2013, die das Institut für Demoskopie Allensbach durchgeführt hat, sind beispielsweise 45 % der 65- bis 85-Jährigen in mindestens einem von elf gesellschaftlichen Bereichen ehrenamtlich tätig. Diese Bereiche umfassen unter anderem kirchlich-religiöse Aktivitäten sowie Engagement in Freizeit (z. B. Seniorenclub), Sport, Kultur, Musik, Gesundheit und Umwelt- bzw. Naturschutz. Fast ein Drittel geht täglich aus dem Haus. Durchschnittlich verlassen die Befragten fünf Mal pro Woche ihre vier Wände. Auch die Mobilität hat in den vergangenen Jahren deutlich zugenommen. Während 1985 nur jeder zehnte der Befragten 75- bis 79-Jährigen über einen eigenen PKW verfügte und diesen auch aktiv nutzte, sind es mittlerweile 50 %.[12]

Speziell für diese Gruppe angebotene Sportkurse, wie Senioren-Yoga, Aquafitness oder Nordic-Walking für Senioren liegen ebenso im Trend, wie Sprach- oder Computerkurse. Noch vor ein paar Jahrzenten hingegen lag die Hautbeschäftigung der Senioren im Fernsehen, Spazieren gehen oder Handarbeiten erledigen.[13]

Wertewandel: Wertewandel bezeichnet die „auf den Veränderungen der Lebensverhältnisse, der Ausweitung des Wissens, dem Wandel von Weltanschauungen, Ideologien o. Ä. beruhende Veränderung der Vorstellung von Werten, Wertsystemen, Wertorientierungen“.[14] Es existieren in der Literatur verschiedene Ansätze dazu, wie sich Werte im Alter wandeln. Grundsätzlich ist aber festzuhalten, dass jüngere Generationen eher Werte, wie Eigentum, Geld, Fleiß oder Gehorsam schätzen, während im Alter zum Beispiel Lebensqualität, freie Meinungsäußerung oder eine freundliche und weniger unpersönliche Gesellschaft wichtig sind.[15]

Stellenwert des Konsums: Welchen Stellenwert der Konsum für Senioren hat, hängt von verschiedenen Faktoren ab. Zunächst einmal bilden nach Foscht und Swoboda sowohl die im Kontext des SOR-Modells zu erwähnenden psychischen und sozialen Determinanten, als auch verschiedene Kaufentscheidungstypen die Grundlage zur Erklärung von Kaufverhalten im Allgemeinen.[16]

Im sog. SOR-Modell (Stimulus – Organismus – Reaktion) bildet ein Stimulus (Reiz) den Ausgangspunkt einer Kaufentscheidung. Auf diesen Reiz folgt dann eine Reaktion (response). Aktivierende und kognitive Prozesse stellen Vorgänge im Organismus dar, die sich im Innern abspielen von außen nicht zu beobachten sind.[17]

Obwohl die Generation 50plus, wie bereits erwähnt, eine sehr heterogene Generation ist, hat beispielsweise A.GE (Agentur für Generationenmarketing Nürnberg) auf einer Untersuchung basierend, vier deutlich unterscheidbare Lebensstiltypen[18] eruiert, wobei zudem Mischtypen aus den Extremausprägungen existieren. Nachfolgend sollen diese Typologien kurz aufgezeigt und erläutert werden.

- Die Trendorientierten: Eine typische Aussage dieses Typs ist zum Beispiel „Wenn ich in einer anderen Epoche leben könnte, würde ich die Zukunft wählen.“ Oder „Genieße das Leben beständig, bist länger tot als lebendig.“ Werte, die die Trendorientierten gerne an die Jugend weitergeben möchten sind unter anderem Mut, Offenheit und Lebensfreude. Diese Werte spiegeln sich auch in ihren eigenen Aktivitäten wider. Sie sind Vorreiter und probieren viele Trends aus.
- Die Individuellen: Von sehr großer Bedeutung sind die Individualität und Unabhängigkeit von Anderen. Aussagen wie „Sich nicht mehr leiten lassen, selbstbewusst steuern“ und „Wenn ich in einer anderen Epoche leben würde, dann in den 60er Jahren, alles easy, uns gehört die Welt“ sind kennzeichnend. Eigene Meinung, Humor und Charakterstärke sind Eigenschaften, die sie als wichtig erachten und weitergeben wollen.
- Die Bewahrer: Ihr Lebensmotto ist „Ohne Fleiß kein Preis“. Typische Sätze sind „Ich kaufe am liebsten im Tante-Emma-Laden ein“, „Ich lebe seit über 40 Jahren an diesem Ort“ oder „Wenn ich in einer anderen Epoche leben könnte, dann so wie wir zwischen 1945 und 1980 gelebt haben, danach wurde alles schlechter.“ Diese Typen halten an vergangenen Zeiten fest bzw. möchten diese bewahren. An erster Stelle steht die Arbeit / die Familie, danach kann man sich eventuell entspannen und den Ruhestand genießen.
- Die Praktischen: Die Redewendung „Quadratisch, praktisch, gut“ drückt sehr gut die Einstellung des praktischen Typs aus. Gesundes Leben und Klarheit der Gedanken sind Werte, die sie der jungen Generation mitgeben möchten. Sie präferieren keine Lebensmittelmarke und als Lebensmotto dient ihnen der Satz „Es gibt nichts Gutes außer man tut es“ oder „Nur das Einfache ist gut genug.“

Hierbei wird ersichtlich, dass diese unterschiedlichen Typologien auch divergierende Wertvorstellungen haben und sich anders verhalten. Dies hat unter anderem Einfluss auf das Konsumverhalten bzw. auf den Stellenwert des Konsums. Für einen trendorientierten Senior beispielsweise, der Wert darauf legt, im Trend zu liegen und sofort die neuesten Produkte ausprobieren möchte, hat der Konsum einen wesentlich höheren Stellenwert, als bei einem „Bewahrer“.

Weitere Faktoren, die den Stellenwert des Konsums beeinflussen, sind die finanzielle Situation der Konsumenten sowie die unterschiedlichen Lebenseinstellungen[19], die sich aus den Lebensstiltypen heraus ableiten lassen.

Soziale Integration: Zur sozialen Integration sei angemerkt, dass gerade im Hinblick auf die Integration in der Familie, die Senioren, die derzeit ca. 60 Jahre alt sind, aus Marketing-Sicht eine sehr interessante Zielgruppe darstellen. Ein durchschnittlich 60-Jähriger Konsument hat im Durchschnitt 14 Personen im engsten Familienkreis. Ca. 25 % der 55- bis 69-jährigen leben in einer Vier-Generationen-Familie. Die Hälfte dieser Generation immerhin in einer Drei-Generationen-Familie.[20] Der Wirtschaftsfaktor eines 60. Geburtstags beispielsweise ist zig-Millionen Euro schwer. Aufgrund der vielen Verbindungen zu durchschnittlich 14 Personen im Familienkreis entsteht ein enormes Kaufpotenzial - nicht nur zu Geburtstagen.[21] Gerade die Verbindung von Oma bzw. Opa zu Enkelkind ist eine sehr interessante, da sie nicht die Hauptverantwortung zur Erziehung tragen und sich somit gewisse Freiräume für gemeinsame Erlebnisse bilden. Großeltern fühlen sich gerne gebraucht, auch in finanzieller Hinsicht. Beispiele hierfür sind die Finanzierung des Führerscheins oder des Studiums.[22]

Markentreue bezeichnet die Häufigkeit des Kaufs einer bestimmten Marke in einer Produktart durch einen Käufer in einer vorgegebenen Zeitperiode.[23] Diese Markentreue lässt sich besonders bei der älteren Generation beobachten. Laut einer Umfrage der Commerz Finanz in Zusammenarbeit mit dem Marktforschungsinstitut BIPE im Jahr 2010, haben deutsche Senioren folgendes Verhältnis zu Marken im Vergleich zur jüngeren Bevölkerung. In Abbildung 4 sind die Ergebnisse bezüglich der Markenwahrnehmung im Vergleich dargestellt.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 4: Ergebnisse der Umfrage Europa Konsumbarometer 2011 zur Markenwahrnehmung

Quelle: Eigene Darstellung, in Anlehnung an Commerz Finanz, Europa Konsumbarometer 2011 (2011), S. 11ff

Hierbei ist ersichtlich, dass die Gruppe der über 50-Jährigen eine größere Markentreue aufweisen, als die unter 30-Jährigen Konsumenten. Bei persönlichen Gegenständen, wie z. B. Kleidung, legen 35 % der älteren Befragten Wert auf Marken bzw. glauben, dass es relevante Unterschiede zwischen den Marken gibt. Nur 6 % der unter 30 Jahre alten Konsumenten kaufen stets die gleiche Marke, bei den über 50-Jährigen sind es immerhin 9 %.[24]

Qualität und Preisbewusstsein: Qualität ist für die Generation 50plus das wichtigste Kriterium beim Kauf von Produkten.[25] Daraus lässt sich allerdings keine Aussage über deren Preisbewusstsein treffen, da der Zusammenhang von Qualität und Preisbewusstsein in der Literatur umstritten ist. Einerseits muss man meist für qualitativ-hochwertige Produkte mehr zahlen, was den positiven Zusammenhang zwischen Qualität und Preisbewusstsein, d. h. hohes Qualitätsbewusstsein bei geringem Preisbewusstsein, rechtfertigen würde. Nach Landschulze sprechen weiterhin die gute finanzielle Situation, die gestiegenen persönlichen Ansprüche sowie die erhöhte Markenloyalität für hohes Qualitätsbewusstsein und gleichzeitig geringes Preisbewusstsein.

Andererseits sprechen aber auch einige Gründe gegen ein geringes Preisbewusstsein älterer Konsumenten. Exemplarisch dafür ist die Tatsache, dass Senioren nach der Berufszeit in der Regel mehr Zeit zur Verfügung haben und somit Preise intensiver vergleichen können. Auch die nach wie vor teilweise vorherrschenden traditionellen Werte, wie Sparsamkeit aus Zeiten des Krieges, sprechen gegen ein geringes Preisbewusstsein, also für eine höhere Sensibilität gegenüber Preisen. Abschließend lässt sich sagen, dass nach mehrheitlicher Meinung bei dem Großteil der Senioren ein positiver Zusammenhang besteht, sie also mehr Wert auf Qualität als auf den Preis legen.[26] Bei Produkten des täglichen Bedarfs, im Besonderen bei Lebensmitteln, wird jedoch stark auf den Preis geachtet und nach Sonderangeboten Ausschau gehalten.[27]

Bei all diesen Veränderungen, ob im biologischer, psychologischer oder soziologischer Hinsicht, ist letztlich jedoch festzuhalten, dass „(…) (ä)ltere Menschen heute und morgen (…) gesundheitlich und im Durchschnitt gesehen auch im Hinblick auf ihre kognitive Leistungsfähigkeit so gut aufgestellt (sind) wie noch nie. Sie besitzen damit die besten Voraussetzungen für eine aktive, zielgerichtete, investitions- und kauffreudige, aber auch kritische Konsumentenrolle (…).“[28]

Zu dem Wissen um die diversen Faktoren, die das Konsumverhalten beeinflussen können, ist weiterhin die Kenntnis über seniorenspezifische Determinanten des Informationsverhaltens und darin enthalten, genutzte Informationsquellen, von hoher Wichtigkeit.

3.3 Informationsverhalten

Betrachtet man das Informationsverhalten der Generation 50plus, so sind mehrere Aspekte interessant, auf die das Alter Einfluss nehmen kann. Hierzu zählen die Menge sowie die Art von aufgenommenen und verarbeiteten Informationen, die zur Informationsauswahl benötigte Zeit und die genutzten Informationsquellen. Nachfolgend soll allerdings nur auf die Menge der benötigten Informationen und die von der älteren Generation genutzten Informationsquellen eingegangen werden.

Zur benötigten Informationsmenge ist anzumerken, dass gemäß der Allensbacher Markt- und Werbeträgeranalyse von 2010 vor allem die 50- bis 69-Jährigen einen sehr hohen Informationsbedarf haben. Diese Gruppe ist kritischer als die 70-Jährigen und älter. 45 % der Generation 70plus haben der Aussage „Ich lege großen Wert darauf, gründlich informiert zu werden, um Hintergründe und Zusammenhänge besser zu verstehen“, zugestimmt. Bei den 50- bis 69-Jährigen waren es mehr als die Hälfte.[29]

Mögliche Informationsquellen werden in Abbildung5 systematisch dargestellt.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 5: Systematisierung von Informationsquellen

Quelle: Eigene Darstellung, in Anlehnung an Landschulze (2010), S. 78

Gerade der Zugang zu externen Quellen, wie Medien (z. B. Internet) und das soziale Umfeld, sind sehr unterschiedlich ausgestaltet und stark altersabhängig. Die meisten Senioren verbringen viel Zeit mit Gleichaltrigen.[30] Als wichtigste Informationsquelle wird der Familienkreis angesehen, wobei die Bedeutung der Informationsangebote durch Massenmedien im Vergleich zu persönlichen Informationsquellen im Alter zunimmt. Dies ist auf die zunehmende soziale Isolierung durch das Eintreten in den Ruhestand, den Auszug der Kinder und den Tod von Personen aus dem Freundeskreis oder der Familie, zurückzuführen. Allerdings lässt sich keine Veränderung des Informationsbeschaffungsverhaltens aufgrund des chronologischen Alters feststellen, sondern es sind vielmehr physische, psychische sowie soziale Einflussfaktoren als Erklärung heranzuziehen. Je weniger Beziehungen zu Familienmitgliedern der Senioren bestehen, desto mehr Bedeutung gewinnen unpersönliche Informationsquellen, wie beispielsweise Werbung.[31]

Die wichtigste Informationsquelle für Senioren ist nach einer Studie zur Nutzung elektronischer Medien und Tageszeitungen im Jahr 1998 das Fernsehen, gefolgt von der Tageszeitung.[32] Laut der GfK-Studie 50plus 2002 antworteten 86 % auf die Frage „Sehen bzw. hören Sie sich in den folgenden Medien zumindest gelegentlich Werbung an?“ mit „im Fernsehen“. Darauf folgen „in speziellen Beilagen/Wurfsendungen“, „in der Zeitung“ und „in Zeitschriften“.[33] Aus Tabelle 2 ist ersichtlich, über welche Gebrauchsgüter deutsche Haushalte nach Alter der Haupteinkommensperson und gesamt gesehen verfügen.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Tab. 2: Ausstattungsgrad privater Haushalte mit Gebrauchsgütern am 01.01.2008 in %

Quelle: Eigene Darstellung, in Anlehnung an Statistisches Bundesamt (2011), S. 25

Da nahezu alle Haushalte über die Altersgruppen hinweg über ein Fernsehgerät verfügen[34], ist gerade aus Marketing-Sicht das Fernsehen ein sehr interessantes Medium, um die Zielgruppe der Senioren spezifisch ansprechen zu können. Das Internet hingegen hat derzeit noch die geringste Bedeutung in der Ansprache.

4 Mögliche Reaktionen des Lebensmitteleinzelhandels

Aufgrund vorgehend beschriebener Einflüsse des Alterns aus diversen Perspektiven, ergeben sich spezielle Anforderungen der Generation 50plus an Einzelhandelsgeschäfte und deren Angebotsgestaltung. Wirft man einen Blick ins Ausland, beispielsweise in die USA, so fällt auf, dass dort bereits in vielen Handelsunternehmen sowohl die Vielfalt der Produkte, als auch die Dienstleistungen an die Anforderungen der älteren Generation angepasst sind. Kundenbindung durch Rabattgewährung steht dabei an erster Stelle.[35] Aber auch in Deutschland haben die Lebensmitteleinzelhändler reagiert. EDEKA hat beispielsweise mit dem Supermarkt der Generationen eine Einkaufsstätte geschaffen, in der die Bedürfnisse von Senioren genauso selbstverständlich integriert sind, wie die jüngerer Konsumenten. Im Folgenden sollen nun verschiedene Optionen, speziell für den Lebensmitteleinzelhandel, zur Reaktion auf diese Bedürfnisse dargestellt und kurz erläutert werden. Mögliche Maßnahmen können sowohl aus strategischer, als auch aus operativer Sicht eingeleitet werden. Als strategische Ausrichtung wird zwischen Integrationsmarketing und Direktmarketing unterschieden. Operative Anpassungen können über den Marketing-Mix vollzogen werden.

[...]


[1] statista.com (keine Datumsangabe)

[2] Vgl. Statistisches Bundesamt (2010b) S. 19

[3] Vgl. O.V., Lebensmittel Zeitung (2006) S. 66

[4] Vgl. Meyer-Hentschel/Meyer-Hentschel (2004) S. 7

[5] Reidl (2012) S. 69 V01

[6] Vgl. Kruse/Wahl (2010) S. 430

[7] Kirchgeorg (keine Datumsangabe)

[8] Vgl. Schmitz/Kölzer, zitiert in Eitner (2008) S. 73

[9] Vgl. Reidl (2012) S. 19ff V02

[10] Vgl. Eitner (2008) S. 183

[11] Vgl. Robert Bosch Stiftung (2012)

[12] Vgl. Generali Altersstudie 2013 (2012) S. 12

[13] Vgl. Fedorow (2010) S. 18

[14] duden.de (keine Datumsangabe)

[15] Vgl. Eitner (2008) S. 208f

[16] Vgl. Foscht/Swoboda (2007) S. 32

[17] Vgl. Hermanns/Kiendl/van Overloop (2007) S. 33

[18] Vgl. Reidl (2012) S. 72ff V02

[19] Vgl. Fedorow (2010) S. 19

[20] Vgl. Reidl (2012) S. 72 V06

[21] Vgl. Reidl (2012) S. 65ff V01

[22] Vgl. Reidl (2012) S. 73 V06

[23] Vgl. Wübbenhorst (keine Datumsangabe)

[24] Vgl. Commerz Finanz GmbH (2011) S. 11ff

[25] Vgl. Fedorow (2010) S. 20

[26] Vgl. Landschulze (2010) S. 69

[27] Vgl. Fedorow (2010) S. 20

[28] Kruse/Wahl (2010) S. 430

[29] Vgl. AWA 2010, zitiert in Reidl (2012) S. 96 V06

[30] Vgl. Landschulze (2010) S. 77

[31] Vgl. Phillips/Sternthal, zitiert in Hupp (1999) S. 144

[32] Vgl. Grajczyk/Klingler (1999) S. 202ff

[33] Vgl. Reidl (2012) S. 92 V06

[34] Vgl. Statistisches Bundesamt (2011) S. 25

[35] Vgl. Biehl (2002) S. 41

Details

Seiten
Erscheinungsform
Erstausgabe
Erscheinungsjahr
2013
ISBN (PDF)
9783956847943
ISBN (Paperback)
9783956842948
Dateigröße
1.1 MB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Georg-Simon-Ohm-Hochschule Nürnberg
Erscheinungsdatum
2015 (Februar)
Note
1,3
Schlagworte
Seniorenmarketing Kaufkraft Konsumforschung Internethandel Supermarkt Tante-Emma-Laden Franchising
Produktsicherheit
BACHELOR + MASTER Publishing

Autor

Julia Lugert, B.A., wurde 1990 in Fürth geboren. Ihr Studium der Betriebswirtschaftslehre an der Georg-Simon-Ohm Hochschule in Nürnberg schloss sie 2013 mit den Schwerpunkten Marketing, Personalwesen und Logistik erfolgreich ab.
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