Das ressourcenorientierte Gespräch: Ein kleines Handbuch für Beruf und Alltag
©2012
Studienarbeit
27 Seiten
Zusammenfassung
Das Vorgehen in helfenden Berufen (wie z.B. Beratung, Coaching, Psychotherapie) ist zu Beginn des jeweiligen Prozesses häufig zwangsläufig defizitorientiert. Jemand kommt mit einem Problem, das gelöst werden soll, oder hat ein Defizit, das behoben werden soll. Dieser Ausgangssituation trägt die hier dargestellte Form ressourcenorientierter Gesprächsführung dadurch Rechnung, dass sie wie ein allgemeines Problemlöseschema aufgebaut ist. Der Klient kommt mit seinem Problem zum Berater, Coach oder Therapeuten bzw. zum Gesprächsleiter und bringt dabei die inhaltlichen Themen mit, die er besprechen will (wie z.B. Beziehungsprobleme, Stress bei der Arbeit, Sorgen um sein Kind). Der Gesprächsleiter widmet sich dem Ablauf oder Prozess der Gespräche. Er mischt sich gewissermaßen mit seinen Prozess-Themen in die inhaltlichen (Problem-)Themen des Klienten ein. Die Prozess-Themen des Gesprächsleiters bilden dabei zusammengenommen ein allgemeines Problemlöseschema mit sieben Schritten. Innerhalb der einzelnen Schritte dieses Problemlöseschemas arbeitet der Gesprächsleiter in dieser Form der Gesprächsführung überwiegend mit ressourcenaktivierenden Fragen. Diese Fragen werden in einzelnen Kapiteln zu den jeweiligen Prozess-Themen des Gesprächsleiters dargestellt. Zu jedem Thema erfolgt eine kurze Erläuterung. Auf mögliche Risiken des Einsatzes der in dem jeweiligen Thema enthaltenen Fragen wird ebenfalls hingewiesen.
Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
kommt mit einem Problem, das gelöst werden soll oder hat ein Defizit, das behoben
werden soll.
Dieser Ausgangssituation trägt die Ressourcenorientierte Gesprächsführung dadurch
Rechnung, dass sie wie ein allgemeines Problemlöseschema aufgebaut ist. Der Klient
kommt mit seinem Problem zum Berater, Coach oder Therapeuten bzw. zum Ge-
sprächsleiter. Dabei bringt der Klient die inhaltlichen Themen mit, die er besprechen
will (wie z.B. Beziehungsprobleme, Stress bei der Arbeit, Sorgen um sein Kind). Der
Gesprächsleiter widmet sich dem Ablauf oder Prozess der Gespräche. Er mischt sich ge-
wissermaßen mit seinen Prozess-Themen in die inhaltlichen (Problem-)Themen des Kli-
enten ein. Die Prozess-Themen des Gesprächsleiters bilden dabei in der Ressourcenori-
entierten Gesprächsführung zusammengenommen ein allgemeines Problemlöseschema
mit folgenden Schritten:
1. Feststellung des Problems und Untersuchung bisheriger Bewältigungsstrategien
2. Untersuchung problemfreier oder zumindest weniger problembehafteter Zeiten
(die bereits real oder bisher nur in der Vorstellung existieren können)
3. Festlegung eines Zieles und Hinterfragung des Sinns dieses Zieles
4. Erkundung der Hoffnung, das Ziel zu erreichen
5. Erkundung der Realisierbarkeit des Zieles und der Bereitschaft des Klienten,
etwas zur Erreichung des Zieles zu tun
6. Festlegung der Schritte und Verantwortlichkeiten zur Erreichung des Zieles
(Erstellung eines Handlungsplanes)
7. Bewertung der Ergebnisse
Innerhalb der einzelnen Schritte dieses Problemlöseschemas arbeitet der Anwender
der Ressourcenorientierten Gesprächsführung überwiegend mit ressourcenaktivierenden
Fragen. Diese Fragen werden weiter unten in den Kapiteln zu den einzelnen Pro-
zess-Themen des Gesprächsleiters dargestellt (s.u.: Thema 1 bis Thema 7). Zu jedem
Thema erfolgt eine kurze Erläuterung. Auf mögliche Risiken des Einsatzes der in dem
jeweiligen Thema enthaltenen Fragen wird ebenfalls hingewiesen.
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Für die hier dargestellte Form der Ressourcenorientierten Gesprächsführung gilt: Die
Themen 1 und 2 haben ihren Ursprung hauptsächlich im lösungsfokussierten Ansatz
nach DeSHAZER und BERG
2
, die Themen 3, 4, 5 und 6 gründen sich überwiegend auf
die Motivierende Gesprächsführung (Motivational Interviewing) nach MILLER und
ROLLNICK
3
und Thema 7 stammt aus dem Projekt-
4
und dem Qualitätsmanagement
(QM)
5
.
Zu dem bis hierhin beschriebenen Vorgehen kommt ein Prinzip hinzu, das sich durch
alle o.g. Themen zieht. Es ist das Feedback-Prinzip, das im nun folgenden Kapitel be-
schrieben ist.
2 Zur Behandlung der Themen "Bewältigungsstrategien" und "Ausnahmen vom Problem" in
der lösungsfokussierten Kurztherapie siehe De Jong, Peter; Berg, Insoo Kim: Lösungen
(er-)finden. Das Werkstattbuch der lösungsorientierten Kurztherapie. 4. Auflage. verlag
modernes lernen, Borgmann KG, Dortmund 2002, ISBN 3-8080-0398-7, S. 125-127, S. 149-
152 und S. 255-264
3 Zu wichtigen Motivationsfaktoren in der Motivierenden Gesprächsführung siehe Miller,
William R.; Rollnick, Stephen: Motivierende Gesprächsführung. Lambertus-Verlag,
Freiburg im Breisgau 2004, ISBN 3-7841-1566-7, S. 25-30 und S. 183-190
4 Zur Projektüberwachung, Projektsteuerung und zum Projektabschluss siehe Cronenbroeck,
Wolfgang: Projektmanagement. Zweisprachig: deutsch-englisch. Herausgeber: Kießling-
Sonntag, Dr. Jochem. 1. Auflage. Cornelsen Verlag Scriptor GmbH & Co. KG, Berlin 2008,
ISBN 978-3-589-23944-3, S. 102-145
5 Zur Messung, Analyse und Verbesserung im Qualitätsmanagement siehe Brauer, Jörg-Peter:
DIN EN ISO 9000:2000 ff. umsetzen. Gestaltungshilfen zum Aufbau Ihres
Qualitätsmanagementsystems. Herausgeber: Kamiske, Prof. Dr. Ing. Gerd. 3. Auflage. Unter
Mitarbeit von Horn, Thomas. Carl Hanser Verlag GmbH & Co. KG, München 2002, ISBN
3-446-21865-3, S. 104-121
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Das Feedback-Prinzip
Im Verlauf der Beratung, des Coachings oder der Therapie ist es von zentraler Bedeu-
tung, regelmäßig zusammen mit dem Klienten zu überprüfen, ob man noch gemeinsam
auf dem richtigen Weg ist und die Arbeit vorankommt. Hierzu sollte der Klient folgen-
de Fragen beantworten:
1. Inwiefern kommen wir Ihren Zielen näher?
2. Wie gut ist unsere Vorgehensweise?
3. Wie gut ist unsere Arbeitsbeziehung?
4. Was müsste passieren, damit unsere Zielerreichung, Vorgehensweise und
Arbeitsbeziehung besser wären?
Je nach den Antworten des Klienten sollte der Gesprächs- oder Hilfeprozess dann so
angepasst werden, dass die Bedürfnisse des Klienten in bezug auf ein aus seiner Sicht
sinnvolles Vorgehen berücksichtigt sind.
Dies kann auf manche Klienten zuerst etwas irritierend wirken, da sie es nicht ge-
wohnt sind, bewusst Anteil am Prozess und den Rahmenbedingungen der Beratung, des
Coachings oder der Therapie zu haben. Das in der beschriebenen Form regelmäßig er-
hobene Feedback des Klienten ist jedoch wichtig, um auf einem für ihn richtigen Kurs
zu bleiben.
"Feedback" kommt aus dem Englischen von "feed" (füttern) und "back" (zurück), be-
deutet also "zurück füttern". Der Klient "füttert" durch seine Rückmeldungen den Bera-
tungs-, Coaching- oder Therapieprozess mit wichtigen Informationen zur Steuerung des
weiteren Vorgehens.
Um im Bild zu bleiben: Ohne dieses Feedback des Klienten könnten die Beratung,
das Coaching und die Psychotherapie gewissermaßen "verhungern". Dies würde sich
dann z.B. ganz konkret daran zeigen, dass der Klient die Therapie abbricht, weil das
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Vorgehen des Therapeuten zu weit von den Vorstellungen und Wünschen des Klienten
abweicht.
Das Feedback-Prinzip nützt also sowohl dem Klienten, als auch dem Gesprächsleiter.
Der Klient hat dabei größere Chancen auf eine für ihn erfolgreiche Beratung, Therapie
oder ein erfolgreiches Coaching. Der Gesprächsleiter (Berater, Psychotherapeut oder
Coach) erfährt weniger Abbrüche durch seine Klienten und hat dadurch die Möglich-
keit, eine größere Anzahl seiner Fälle mit einem guten Ergebnis abzuschließen.
Das Feedback-Prinzip gründet sich vor allem auf die Client-Directed, Outcome-In-
formed Therapy nach DUNCAN, MILLER und SPARKS.
6
6 Wie man client-directed, also im positiven Sinne klientengelenkt wird, ist beschrieben in
Duncan, Barry L.; Miller, Scott D.; Sparks, Jacqueline A.: The Heroic Client. A
Revolutionary Way to Improve Effectiveness through Client-Directed, Outcome-Informed
Therapy. Revised Paperback Edition. Published by Jossey-Bass, A Wiley Imprint, San
Francisco 2004, ISBN 0-7879-7240-1, S. 49-80
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Thema 1: Das Problem und seine bisherige
Bewältigung
Die Fragen
Der Klient sollte zum Thema "Das Problem und seine bisherige Bewältigung" folgende
Fragen beantworten:
1. Welches Problem führt Sie hierher (in die Beratung / ins Coaching / in die
Therapie)?
2. Was genau ist an dem Problem so problematisch; inwiefern genau ist das
Problem ein Problem?
3. Wie haben Sie es bisher geschafft, das Problem auszuhalten, ohne vollkommen
zu verzweifeln?
4. Wie schaffen Sie es, angesichts des Problems, tagtäglich über die Runden zu
kommen?
5. Was hat Ihnen bisher dabei geholfen, mit dem Problem zumindest einigermaßen
klarzukommen?
6. Wer hat Ihnen bisher dabei geholfen, mit dem Problem zumindest einigermaßen
klarzukommen?
7. Was genau war bisher am hilfreichsten, um mit dem Problem zumindest
eingermaßen klarzukommen?
Erläuterung
Bei der Erforschung des Problems geht es zuerst darum, herauszufinden, inwiefern ge-
nau das Problem überhaupt ein Problem ist. "Was genau ist an dem Problem so proble-
matisch?" lautet dabei die Kernfrage. Hiermit wird sichergestellt, dass auf die richtigen
Aspekte des Problems fokussiert wird.
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Im nächsten Schritt sollen dann bereits bestehende Bewältigungsstrategien des Klien-
ten im Umgang mit seinem Problem herausgefunden, gewürdigt und im Bewusstsein
des Klienten stärker verankert werden. Dies kann das Coping des Klienten in bezug auf
sein Problem verbessern.
Dieses Vorgehen bietet die Chance, gleich zu Beginn des Gesprächsprozesses dem
Klienten implizit Anerkennung zu zollen für seine Widerstandsfähigkeit (Resilienz) ge-
genüber dem Problem und damit die Gesprächsathmosphäre und die Arbeitsbeziehung
zwischen Klient und Gesprächsleiter positiv zu gestalten.
Dabei kann es für den Klienten auch zu einer Umdeutung (Reframing) seiner bisheri-
gen Schwierigkeiten kommen: Das Problem verwandelt sich im subjektiven Erleben des
Klienten von einer Katastrophe in eine äußerst schwierige Aufgabe, die aber zumindest
ansatzweise bereits ein kleines Stück weit gelöst wurde, auch wenn die bisherigen Be-
wältigungsstrategien jetzt vielleicht keine ausreichende Lösung mehr zustande kommen
lassen.
Risiken
Durch zu starke Fokussierung auf bereits bestehende Coping-Strategien kann es passie-
ren, dass sich der Klient nicht ausreichend ernst genommen fühlt. Er kann dann leicht
den Eindruck bekommen, dass sein Problem bagatellisiert werden soll. Daraus kann
beim Klienten das Gefühl entstehen, zurückgewiesen zu werden, weil der Gesprächslei-
ter aus Sicht des Klienten die Ernsthaftigkeit und Schwere des Problems nicht anerken-
nen will.
Eine zu starke Bewältigungsfokussierung kann auch dazu führen, zu wenig Raum für
eine ausreichende Schilderung des Problems zu haben und zu wenig Zeit für ein ausrei-
chendes "Warming-Up".
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Thema 2: Ausnahmen von dem Problem
Die Fragen
Der Klient sollte zum Thema "Ausnahmen von dem Problem" folgende Fragen beant-
worten:
1. Was genau passiert in den Zeiten, in denen das Problem nicht da ist?
2. Was genau passiert in den Zeiten, in denen das Problem weniger schwerwiegend
ist?
3. Wer tut in diesen Ausnahmezeiten was ganz konkret?
4. Welche Teile der Lösung sind bereits da?
5. Was soll anstelle des Problems passieren?
6. Wie wäre die Situation im Einzelnen, wenn Sie besser als in den Problemzeiten
wäre?
7. Wenn das Problem plötzlich verschwunden wäre: Wer würde es woran ganz
konkret merken?
Erläuterung
Bei den Ausnahmen von dem Problem geht es sowohl um bereits real existierende, als
auch um bisher lediglich vorstellbare (also hypothetische) Ausnahmen.
Problemfreie oder zumindest weniger problembehaftete Zeiten bergen in sich oftmals
viele Ressourcen (Stärken, Fähigkeiten und positive Eigenschaften) des Klienten und
seines Umfeldes. Von diesen Ressourcen sollten im Gespräch so viele wie möglich be-
wusst gemacht und genau exploriert werden. Bezüglich dieser Ausnahmezeiten geht es
also darum, genau herauszufinden:
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Wer genau
tut was genau,
wann genau,
wo genau,
mit wem genau,
auf welche Art und Weise genau,
in welchem konkreten Zusammenhang?
7
Fragen nach Ausnahmen von dem Problem können daher sehr vielschichtig sein. Sie
bilden eine eigene Gesprächsdisziplin und werden besonders im Rahmen lösungsfokus-
sierter Ansätze intensiv gepflegt.
Risiken
Die Risiken zum Thema 2, "Ausnahmen von dem Problem", sind in etwa die gleichen
wie bei Thema 1, "Das Problem und seine bisherige Bewältigung". Sich nicht ernst ge-
nug genommen fühlen und den Eindruck bekommen, das Problem solle kleingeredet
werden, sind dabei mögliche Reaktionen des Klienten.
Hinzu kommt, dass eine zu starke Fokussierung auf Ausnahmen von dem Problem zu
Lasten einer unter Umständen dringend notwendigen Ursachenforschung gehen kann.
Kommt z.B. ein Klient mit häufig auftretenden Magenschmerzen zum Berater, sollte er
erst einmal zur Abklärung möglicher körperlicher Ursachen zum Arzt geschickt werden.
Ist eine körperliche Ursache gefunden und ausreichend therapiert, können Klient und
Berater dann die magenschmerz-freien Zeiten des Klienten und deren Rahmenbedin-
gungen ausgiebig erforschen - falls das dann aus Sicht des Klienten überhaupt noch not-
wendig erscheint.
7 Zu dieser Fragenkonstruktion vgl. Langosch, Andreas: Das Neurolinguistische
Programmieren (NLP) in der Drogenberatung mit Alkoholikern. Möglichkeiten, Grenzen
und Risiken. Diplomarbeit aus dem Jahr 1997. GRIN Verlag GmbH, München 2011, ISBN
978-3-656-02066-0, S. 54
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Details
- Seiten
- Erscheinungsform
- Erstausgabe
- Erscheinungsjahr
- 2012
- ISBN (PDF)
- 9783956847202
- ISBN (Paperback)
- 9783956842207
- Dateigröße
- 5.4 MB
- Sprache
- Deutsch
- Institution / Hochschule
- Fachhochschule Kiel
- Erscheinungsdatum
- 2015 (Februar)
- Schlagworte
- Coaching Beratung Psychotherapie Case Management Soziale Arbeit
- Produktsicherheit
- BACHELOR + MASTER Publishing