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Anwendung des Wertstromdesigns in einem metallverarbeitenden Unternehmen: Eine Fallstudie

©2010 Bachelorarbeit 75 Seiten

Zusammenfassung

Kunden verlangen von Unternehmen immer mehr Flexibilität und kürzere Lieferzeiten. Gleichzeitig sollen die Produkte bzw. Leistungen nicht teurer werden - ganz im Gegenteil. Da Unternehmen auch stets darauf bedacht sind Kosten zu minimieren, wird die Produktion mit großen Losen und möglichst voller Maschinenauslastung bestritten, was in der Regel zu hohen Lagerbeständen führt. Dies widerspricht allerdings der Methode des Wertstromdesigns, welche in dieser Arbeit vorgestellt wird.
Dazu wird zunächst die Wertstromanalyse beschrieben und aufgezeigt, wie ein Wertstrom mit den Lieferanten, der Produktion und den Kunden zusammenhängt. Dabei liegt besonderer Fokus auf der Identifikation und Eliminierung von Verschwendungen. Weiterhin wird aufgezeigt, wie man sinnvoll bei der Erfassung des Ist-Zustandes mit der Wertstromanalyse vorgeht und wie Verbesserungspotentiale herausgearbeitet werden können.
Letztendlich wird das Wertstromdesign anhand einer Fallstudie beispielhaft angewendet. Die Fallstudie behandelt ein metallverarbeitendes Unternehmen, das verschiedene Produkte für den Automotive Sektor produziert.

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


2.2 Verschwendung

In einer Produktion tragen viele Tätigkeiten nicht zur Steigerung des Wertes eines herzustellenden Produktes bei und sind somit nicht wertschöpfend. Für nicht wertschöpfende Tätigkeiten sind Kunden allerdings nicht bereit zu zahlen. Würde ein Unternehmen nur Tätigkeiten ausführen, die der direkten Befriedigung der Kundenbedürfnisse dienen, so würde es rein wertschöpfend handeln. Gelingt es einem Unternehmen, das gleiche Produkt allerdings mit weniger Aufwand zu produzieren, so hat es dadurch einen Wettbewerbsvorteil.[1] „Verschwendung dagegen ist der Verzehr von Ressourcen gleich welche Art, durch den keine Wertsteigerung erzielt wird und keine Befriedigung von Kundenwünschen stattfindet.“[2] Diese verschwendeten Ressourcen können z.B. Maschinen, Material, Personal, Flächen, Energie, Zeit und Geld sein. Meist werden auch mehrere dieser Ressourcen in Kombination verschwendet.[3]

Es lassen sich drei Arten von Tätigkeiten differenzieren. Dabei unterscheidet man zwischen wertschöpfenden Tätigkeiten, unterstützenden Tätigkeiten und Verschwendung.[4]

Zu wertschöpfenden Tätigkeiten werden in einem Industriebetrieb unter anderem durch das Konstruieren und das Be- und Verarbeiten erreicht. Dazu gehört z.B. das Gießen, Fräsen, Stanzen und Montieren.[5]

Unterstützende Tätigkeiten werden auch als wertermöglichende Tätigkeiten bezeichnet. Diese sind zwar selbst nicht wertschöpfend, aber für den Wertschöpfungsprozess unterstützend nötig. Unterstützende Tätigkeiten können z.B. das Teile einlegen, das Bereitstellen von Rohmaterial, der Werkzeugwechsel oder Absprachen sein.[6]

Alle Aktivitäten, die nicht zur Wertschöpfung beitragen und Ressourcen verschlingen, sind Verschwendung.[7] Beispiele dafür werden im Folgenden detaillierter beschrieben.

Das Finden und Eliminieren von Verschwendung ist ein wichtiger Bestandteil im TPS und spielt auch in der Wertstromanalyse eine wichtige Rolle.[8] Tätigkeiten, die nicht zur Wertschöpfung beitragen, werden im TPS „ muda “ bezeichnet. Muda ist japanisch und bedeutet Verschwendung.[9] Verschwendung ist eine Ursache für Probleme in der Gestaltung und Abwicklung der Prozesse. Die Gründe, die Verschwendungen verursachen, gilt es zu finden und zu eliminieren. Toyota hat in diesem Zusammenhang die Gründe für Verschwendungen in ihrem Toyota-Produktionsmodell in sieben verschiedene Arten aufgeteilt, wie in Abbildung 2 zu sehen ist.[10]

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 2: Die sieben Arten der Verschwendung nach Toyota[11]

1. Überproduktion

Die Überproduktion tritt auf, wenn Produkte hergestellt werden, für die noch kein Auftrag vorhanden ist. Daraus resultieren die Verschwendungen von Arbeitskräften, Lagerplätzen und überflüssige Transportkosten aufgrund von überfüllten Warenlagern.[12]

2. Wartezeit

Wartezeiten oder Leerlauf zwischen Arbeitsschritten können z.B. durch fehlendes Material, Umrüsten von Werkzeugen, fehlende Arbeitskraft oder fehlende Informationen auftreten. Ebenso ist es möglich, dass vorherige Fertigungsschritte ins Stocken geraten sind und somit der Nachschub zur Weiterverarbeitung fehlt. Dies führt zu Verzögerungen im Produktionsprozess und einer schlechten Auslastung der Maschinen.[13]

3. Lager und Bestand

Unnötig hohe Lagerbestände an Rohmaterial, Halbfertigprodukten und Fertigprodukten verlängern die Durchlaufzeit (DLZ), führen zu veralteten Produkten und verursachen unnötig Transport- und Lagerkosten.[14]

4. Überflüssiger Transport

Überflüssige Transporte, die ein Mitarbeiter während seiner Arbeit machen muss, sind Verschwendung. Dazu gehören auch Transporte von Rohmaterial, Halbfertigerzeugnisse und Fertigerzeugnisse über kurze Entfernungen und zwischen verschiedenen Lagern oder Prozessen.[15] Diese erhöhen außerdem das Risiko, dass das Material beschädigt oder falsch verteilt wird.[16]

5. Ungenügende Prozessgestaltung

Schlechte Organisation der Prozesse kann z.B. in Form von falsch getakteten Prozessen,[17] Einsatz von nicht geeigneten Werkzeugen oder durch Produktion mit zu hoher Qualität auftreten. Daraus resultieren Verschwendungen durch unnötige Bewegungen und nicht ausgenutzten Maschinenkapazitäten. Es kann sogar soweit gehen, dass teilweise zum Füllen von Leerläufen unnötige Arbeiten verrichtet werden.[18]

6. Unnötige Bewegungen

Dazu gehören alle unnötigen Bewegungen, die zur Durchführung der Arbeit von einem Mitarbeiter getätigt werden müssen, wie z.B. das Beschaffen von Teilen oder das Auffüllen von Arbeitsmaterialien. Verschwendung ist ebenfalls das Holen und Suchen von Werkzeugen, wenn diese nicht griffbereit angeordnet sind.[19] Selbst das Bewegen von einem Platz zum anderen am Arbeitsplatz ist Verschwendung.[20]

7. Herstellung fehlerhafter Produkte

Die Herstellung fehlerhafter Produkte zieht nicht-wertschöpfende Tätigkeiten wie Nachbesserungen, Reparaturen, Neuproduktion und Abfall oder Verschrottung nach sich. Dabei wird auch Zeit und Energie verschwendet.[21] Neben der Behinderung des Arbeitsflusses kann dies auch zu Verärgerung von Kunden führen, wenn diese fehlerhafte Produkte geliefert bekommen.[22]

Zusätzlich zu den sieben Arten der Verschwendung können noch drei weitere Arten der Verschwendung genannt werden.[23]

a. Qualifikation der Mitarbeiter

Die Fähigkeiten und das Wissen der Mitarbeiter wird nicht ausreichend genutzt.[24]

b. Sicherheitsbedingungen

Arbeitsbedingungen, die gesundheitsgefährdend oder unsicher sind, führen zu häufigen Fehlzeiten der Mitarbeiter.[25]

c. Demotivierendes Arbeitsklima

Ein schlechtes oder demotivierendes Arbeitsklima führt oft dazu, dass die Mitarbeiter nur noch das Nötigste an Arbeit machen.[26]

Taichii Ohno, bekannt als der „heftigste Feind der Verschwendung“[27], erachtet die Überproduktion als die am meisten Ausschlag gebende Art der Verschwendung. Denn durch Überproduktion werden die meisten anderen Arten der Verschwendung ausgelöst. Wird an einer Stelle des Produktionsprozesses zu früh oder mehr produziert, als zu dem Zeitpunkt von Kunden nachgefragt wird, führt dies bei den nachfolgenden Prozessschritten zu einem Lagerstau. Die Folge daraus sind meist Zwischenlager.[28] Doch da­durch entstehen überflüssige Transporte und Bewegungen, welche auch auf eine ungenügende Prozessgestaltung deuten.[29] Der Aufbau von Zwischenlagern verschleiert somit die Probleme in dem Produktionsprozess und vermindert das eigenständige Mitdenken der Mitarbeiter. Das Wissen und die Fähigkeiten der Mitarbeiter werden also nicht ausreichend genutzt. Werden jedoch die Verschwendungen reduziert und vermieden, können Probleme sichtbar gemacht werden. Dadurch werden Mitarbeiter gezwungen, ihr Wissen und ihre Kreativität zur Problemlösung zu nutzen.[30]

In Abbildung 3 werden beispielhaft Quellen der Verschwendung im Herstellungsprozess gezeigt. Es wird zwischen wertschöpfenden Arbeiten und nicht-wertschöpfenden Arbeiten unterschieden. Dabei fällt auf, dass der Anteil an wertschöpfenden Tätigkeiten sehr gering ist. Der Zeitaufwand für unterstützende Tätigkeiten und Verschwendung ist hingegen wesentlich größer. Dies sind die Probleme bzw. Potentiale, die zur Optimierung der Prozessgestaltung genauer untersucht werden müssen.[31]

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 3: Verschwendung in einem Wertesystem[32]

Zusätzlich zur Verschwendung muda gibt es zwei weitere Arten von nicht-wertschöpfenden Tätigkeiten: Mura und muri. Wie auch bei muda ist es das Ziel, diese beiden Arten von Verschwendung zu eliminieren.[33]

Mura ist japanisch und steht für Ungleichgewicht. Dieses tritt auf, wenn starke Schwankungen in der Produktion, Lieferung, Kosten oder Qualität auftreten. Mura wird z.B. verursacht, wenn mehr Aufträge vorliegen, als Maschinen und Mitarbeiter abarbeiten können. Weitere Gründe dafür sind Nachkontrollen, Nachbesserungen, Retouren oder Überstunden.[34]

Muri ist ebenfalls japanisch und bedeutet soviel wie Überlastung, unangemessen oder unmöglich. Dieses entsteht, wenn Mitarbeiter, Maschinen und das Equipment übermäßig belastet werden.[35] Maschinen können durch übermäßige Belastung Schäden nehmen und bei den Mitarbeitern können dadurch Konflikte und Stress ausgelöst werden. Sowohl bei den Mitarbeitern als auch bei den Maschinen kann dies zu Qualitätseinbußen führen.[36]

Durch gegenseitige Beeinflussung der drei nicht-wertschöpfenden Tätigkeiten ist es nicht immer möglich, diese ganz klar voneinander zu differenzieren. Dies wird durch Abbildung 4 verdeutlicht.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 4: Die drei “Ms”[37]

2.3 Symbole zur Beschreibung des Wertstroms

Zur Visualisierung des Wertstroms werden einfache Symbole verwendet. Diese lassen sich in drei Bereiche unterteilen:[38]

1. Symbole des Prozess- und Materialflusses
2. Symbole des Informationsflusses
3. Allgemeine Symbole.[39]

Die Symbole werden in den folgenden drei Abbildungen veranschaulicht.

Symbole des Prozess- und Materialflusses:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 5: Symbole des Prozess- und Materialflusses[40]

Symbole des Informationsflusses:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 6: Symbole des Informationsflusses[41]

Allgemeine Symbole:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 7: Allgemeine Symbole[42]

Mit Hilfe der drei Abbildungen sollte es nun fast schon möglich sein ein Wertstrom-Diagramm deuten zu können. Das Wertstrom-Diagramm lässt sich grob in fünf Bereiche aufteilen (Vgl. Abbildung 8[43] ). Im rechten Bereich des Diagramms befindet sich der Kunde, in der Mitte der Materialfluss und Produktionsprozess und links wird der Lieferant dargestellt. Im oberen Bereich wird das Produktionsplanungssystem mit den dazugehörigen Informationsflüssen gezeigt. Unten im Wertstrom-Diagramm befindet sich die Zeitlinie.[44] Die Bereiche und deren Inhalte werden in Kapitel 2.4.2 näher beschrieben.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 8: Die Aufteilung eines Mappings in verschiedene Bereiche[45]

2.4 Aufnahme und Darstellung des Ist-Zustandes

Durch das Skizzieren der Material- und Informationsflüsse des Ist-Zustandes wird der Zweck verfolgt, ein Verständnis der aktuellen Funktionsweise der Produktion zu erlangen. Darüber hinaus dient der Ist-Zustand als Grundlage zur Erarbeitung des Soll-Zustandes.[46] Die Wertstromanalyse geschieht als Momentaufnahme und soll einen typischen Zustand der Produktion darstellen. Der Wertstrom wird direkt vor Ort aufgenommen. In der Regel werden die Daten per Hand mit einem Bleistift auf einem DIN-A-3-Blatt skizziert.[47]

2.4.1 Produktfamilienbildung

Da es zu umfangreich ist, den Wertstrom aller Produkte einer Fertigung zu erfassen, wird sich nur auf eine Produktfamilie konzentriert. Da verschiedene Produkte auch verschiedene Wege durch die Fertigung, und verschiedene Anforderungen an die gleichen Produktionsprozesse haben, generieren sie somit jeweils eigene Wertströme. Dies würde die Darstellung zu komplex und unübersichtlich machen.[48] Es wird also nicht alles dargestellt, was produziert wird, sondern nur das, was die Produktfamilie betrifft, es sei denn, es handelt sich um eine Fertigung mit nur einer Produktfamilie.[49] „Eine Produktfamilie ist eine Gruppe von Produkten, die ähnliche Verarbeitungsschritte und Maschinenausrüstung im flussabwärtigen Ende des Wertstroms durchlaufen.“[50] Innerhalb der Produktfamilie gibt es Varianten. Diese werden bei der Wertstromanalyse alle gleich behandelt. Dazu wird ein Produkt repräsentativ für die Produktfamilie ausgewählt. Anhand dieser werden dann die Produktionsprozesse mit den entsprechenden Zeiten und weiteren Kennwerten dargestellt. Es empfiehlt sich ein Produkt auszuwählen, das die typischen Eigenschaften der Produktfamilie aufweist, sowie in bedeutender Stückzahl gefertigt wird. Die von dem repräsentativen Produkt erlangten Erkenntnisse werden dann auf die anderen Produkte der Produktfamilie übertragen.[51]

Für die Auswahl der Produktfamilie empfiehlt sich die Methode der Produktfamilien-Matrix. In der Matrix werden alle Produkte und die entsprechenden Prozessschritte zur Produktion dieser erfasst, um daraus Produktfamilien abzuleiten. Dazu werden alle Produkte mit ihren entsprechenden Artikelnummern in die Zeilen der Matrix eingetragen. Danach trägt man die einzelnen Produktionsschritte, die zur Herstellung der gesamten Produkte benötigt werden, nebeneinander in die Spalten ein. Dann werden alle Produktionsschritte, die bei der Herstellung des jeweiligen Produktes durchlaufen werden, mit einem Kreuz gekennzeichnet. Nachdem dies für alle Produkte geschehen ist, können Produktfamilien gebildet werden. Anhand der Markierungen durch die Kreuze lässt sich erkennen, welche Produkte die gleichen Produktionsschritte benötigen. Diese Produkte gehören dann zu einer Produktfamilie. Basierend auf dem Prinzip der Ähnlichkeit lassen sich ebenfalls Produkte mit ähnlichen Prozessabfolgen zu einer Produktfamilie bündeln.[52] Zur Veranschaulichung einer solchen Produktfamilien-Matrix dient Tabelle 1.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Tabelle 1: Beispiel einer Produktfamilien-Matrix[53]

2.4.2 Erfassung des Ist-Zustandes

[54] Wertstromdesign verfolgt das Ziel, eine am Kundenbedarf orientierte Produktion zu realisieren. Deshalb wird schon in der Wertstromanalyse die Kundenperspektive eingenommen. Daher ist, nachdem die Produktfamilie festgelegt wurde, der Kunde das erste Element, welches in das Wertstrom-Diagramm eingezeichnet wird. Der Kunde wird mit einem Fabriksymbol dargestellt. In das Fabriksymbol wird die Bezeichnung der Produktfamilie bzw. die Produktbezeichnung eingefügt.[55] Unter das Fabriksymbol wird ein Datenkasten hinzugefügt, welcher die wichtigsten Informationen über die Kundennachfrage enthält. Zusätzlich können auch typische Kenngrößen wie z.B. der durchschnittliche Bedarf, die Standardbehältergröße und Informationen zur Arbeitszeit ergänzt werden.[56]

Produktionsprozesse

Um Materialflüsse darstellen zu können, müssen zunächst die grundlegenden Produktionsprozesse in das Wertstrom-Diagramm eingezeichnet werden.[57] Diese werden im Mittelbereich des Diagramms angesiedelt. Die Produktionsprozesse werden durch das Prozesskästchen dargestellt.[58] Damit die Zeichnung des Ist-Zustandes nicht unübersichtlich wird, indem jeder einzelne Prozessschritt eine eigene Box bekommt, kann der Prozesskasten genutzt werden, um ganze Bereiche des Materialflusses zu beschreiben. Dies sollte im Idealfall ein zusammenhängender Fluss aus Prozessschritten sein.[59] „Der Prozesskasten hört dort auf, wo Prozesse voneinander abgeschlossen sind und der Materialfluss zum Stehen kommt.“[60] Das Prozesskästchen beinhaltet Informationen zur Prozessbezeichnung, der Anzahl der benötigten Mitarbeiter, der Losgröße und der verfügbare Arbeitszeit pro Schicht.[61] Ergänzend [62] können folgende Angaben gemacht werden:

- Zykluszeit (ZZ): gibt an, welcher Zeitintervall zum Fertigstellen eines Produktes in dem entsprechenden Produktionsprozess benötigt wird.[63]
- Bearbeitungszeit (BZ): gibt die Zeit an, die zum kompletten Durchlaufen des Prozesses benötigt wird, exklusive Liegezeiten.[64]
- Wertschöpfungszeit (WZ): ist die Bearbeitungszeit, die tatsächlich wertschöpfend gearbeitet wird.[65]
- Durchlaufzeit (DZ): ist die benötigte Zeit zum Durchlauf der gesamten Prozesskette, inklusive Liegezeiten.[66]
- Rüstzeit (RZ): ist die Zeit, die eine Maschine z.B. wegen eines Werkzeugwechsels nicht zur Verarbeitung genutzt werden kann.[67]
- Maschinenverfügbarkeit (MV): gibt den Anteil an, den eine Maschine zur Durchführung des Prozesses zur Verfügung steht und genutzt werden kann.[68]
- Losgröße/ bzw. EPEI-Wert[69]

Die Prozesskästchen werden in der Reihenfolge gezeichnet, wie sie auch im Produktionsablauf abgearbeitet werden.[70] Es ist auch möglich, dass mehrere Prozesse parallel laufen. Dann werden die Prozesskästen übereinander gezeichnet. Es sollte jedoch nicht jede kleinste Verzweigung eingezeichnet werden, da das Wertstrom-Diagramm sonst unübersichtlich wird. Empfehlenswert ist es erstmal, die wichtigsten Komponenten auszuwählen und dann später die restlichen zu ergänzen.[71] Dies wird in der folgenden Abbildung veranschaulicht.

Materialfluss

Der Materialfluss setzt sich aus den drei Elementen Transportieren, Handhaben und Lagern zusammen. Durch diese Elemente werden die Produktionsprozesse logistisch miteinander verknüpft. Der innerbetriebliche Transport wird durch einen schwarzen Pfeil und der außerbetriebliche Transport durch einen weißen Pfeil dargestellt.[72] Zusätzlich gibt es noch einen schwarz-weiß gestreiften Pfeil. Dieser kommt zum Einsatz, wenn das Material nach dem Push-Prinzip verarbeitet wird. Dies bedeutet, dass das entsprechende Material ohne Zwischenlagern, also von einem Prozess zum nächsten gebracht wird. Dabei kann sich die Reihenfolge, in der das Material weiterverarbeitet wird, verändern.[73] Möglich ist dies, wenn beispielsweise nach einem festgelegten Produktionsplan gefertigt wird.[74] Bei dem Push-Prinzip lässt sich noch eine weitere Varianten unterscheiden. Bei der zweiten Variante sind zwei Prozesse durch einen Zwangsfluss verknüpft. Dabei liegt die Reihenfolge der weiteren Bearbeitung fest und tritt z.B. bei Verbindung zweier Prozesse durch ein Fließband auf. In dem Fall wird ein mit FIFO (First In – First Out) gekennzeichneter Pfeil zur Darstellung genutzt.[75]

Analog zum Push-Prinzip gibt es auch das Pull-Prinzip. Im Rahmen dessen bedient sich der nachfolgende Prozess an Teilen aus dem Lager, die durch den vorherigen Prozess dort hingebracht worden sind. Die Entnahme wird durch einen geöffneten Kreis visualisiert und in der folgenden Abbildung dargestellt.[76]

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 9: Darstellung eines Pull-Materialflusses.[77]

Lagern und Bestände

Wie bereits in Kapitel 2.2 beschrieben, gelten Bestände als Verschwendung. Im Wertstrom-Diagramm werden Bestände sichtbar gemacht. Eine Möglichkeit ist es, diese durch das Symbol eines Warndreiecks darzustellen.[78] Die Bestandsmenge und Reichweite in Tagen wird entsprechend unter das Warndreieck eingetragen.[79] Das Warndreieck stellt Bestände zwischen zwei Prozessen dar, also die Summe aus den Beständen, die sich nach dem ersten Prozess und vor dem nächsten Prozess angesammelt haben.[80] Das „I“ in dem Warndreieck steht für das englische Wort „inventory“, was auf Deutsch „Bestand“ bedeutet.[81]

Des Weiteren können Bestände auch in organisierten Lagern auftreten. Dies können neben den klassischen Lagern wie Regallagern, Hochregallager oder Bodenlager auch Kanban [82] -Lager sein. Diese Lager werden in der Regel zum Ausgleich eines nicht gleichmäßigen Flusses eingesetzt. Für die klassischen Lager kommt als Symbol ein geschlossenes Regal zum Einsatz. Das Kanban-Lager wird durch ein offenes Regal dargestellt.[83]

Die Bestände in einem Kanban-Lager werden durch die Entnahme, einem sogenannten „Material-Pull“, von dem nachfolgenden Prozess gesteuert. Der Produktions-Kanban arbeitet meist mit einer Karte oder einem bestimmten Signal, wodurch dem vorherigen Prozess die Erlaubnis erteilt wird, eine bestimmte Menge oder Losgröße wieder herzustellen. Die Losgröße, die wieder produziert wird, ist so groß wie die entnommene Menge, um das Kanban-Lager wieder zu bestücken.[84]

Transport und Lieferanten

Die Materialflusspfeile können durch Symbole für das entsprechende Transportmittel ergänzt werden. Das gängigste Symbol für den werksexternen Transport, also zum Kunden bzw. vom Lieferanten, ist das LKW-Symbol. Dieses Symbol kann durch Informationen über Lieferintervalle, Mindestliefermengen und Speditionsnamen ergänzt werden.[85] Innerbetriebliche Transporte werden z.B. durch die Symbole eines Gabelstaplers, Krans oder Förderbandes gekennzeichnet.[86]

Lieferanten werden auch durch das Fabriksymbol dargestellt. Das Fabriksymbol kann durch Angaben über Lieferadresse, Materialbezeichnung und Artikelnummer ergänzt werden. Unter das Fabriksymbol wird wieder ein Datenkasten eingezeichnet und mit Daten zur Liefermenge (LM) und Wiederbeschaffungszeit (WBZ) versehen. Da es sehr viele Lieferanten für verschiedene Rohmaterialien oder Kaufteile geben kann, sollte darauf geachtet werden, dass nur die Lieferanten eingezeichnet werden, die für den Wertstrom von elementarer Bedeutung sind. Eine Konzentration auf Lieferanten, welche die Hauptkomponenten liefern, ist möglich. Weiterhin könnte man durch eine ABC-Analyse die Materialien mit den höchsten Einkaufspreisen ermitteln und sich auf diese erstmal fokussieren.[87]

Informationsfluss und Steuerung

Im oberen Bereich des Wertstrom-Diagramms befindet sich ein Computer gesteuertes Produktionsplanungssystem (PPS). Dieses wird zum Steuern der Fertigungsprozesse genutzt. In der Produktionsplanung werden Daten aus der Produktion und vom Kunden zusammengeführt und verarbeitet. Daraus werden die Wochenpläne für die Fertigungsprozesse erarbeitet und weitergegeben. In den Wochenplänen ist festgehalten, was wann produziert werden soll. Darüber hinaus sendet das PPS täglich den Lieferplan an die Versandabteilung. Das PPS wird als Prozesskasten mit der Zusatzinformation PPS dargestellt. Informationsflüsse werden durch einen schmalen Pfeil visualisiert. Werden die Informationen auf elektronischem Wege übertragen, wird der schmale Pfeil als Blitz dargestellt. Durch eine kleine Box an den jeweiligen Informationsflüssen werden diese beschrieben.[88]

Werden Informationen manuell erfasst und weitergegeben, nennt sich das „Go-see“-Planung[89]. Diese wird durch das Brillensymbol dargestellt. Auftreten kann diese Art der Planung beispielsweise, wenn Flüsse nicht so einfach zu ermitteln sind und der Produktionsleiter deshalb Bestände selbst zählt und dann dementsprechend Termine ändern.[90]

Zeitlinie

Im unteren Bereich des Wertstrom-Diagramms werden nun zum Zusammenfassen des Ist-Wertstroms die Bearbeitungs- und Wartezeiten visualisiert. Dazu zeichnet man eine Zeitlinie unter den Prozesskästchen und Beständen. Als Symbol für die Zeitlinie (Vgl. Abbildung 10) wird eine oszillierende Linie verwendet. Dabei ist darauf zu achten, dass der untere Teil der Zeitlinie unter den Prozessen gezeichnet wird. Der obere Teil der Zeitlinie wird dann entsprechend unter den Beständen eingezeichnet. In den unteren Teil der Zeitlinie werden die Bearbeitungszeiten der entsprechenden Prozesse eingetragen. Analog dazu wird im oberen Teil der Zeitlinie die Reichweite bzw. Durchlaufzeit der Bestände zwischen den Prozessen eingetragen. Die Bearbeitungszeiten der Prozesse können aus den jeweiligen Datenfeldern übernommen werden. Die Reichweite der Bestände lässt sich ermitteln, indem man den Kundenbedarf durch die jeweilige Bestandsgröße dividiert.[91]

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 10: Zeitlinie und ihre Kennwerte im Mapping[92]

Am rechten Ende der Zeitlinie werden jeweils die oberen und unteren Werte summiert. Dadurch erhält man die gesamte Durchlaufzeit und die gesamte Bearbeitungszeit.

Wertstromquotient

Durch die Kennzahl des Wertstromquotienten (WQ) lässt sich die Qualität des Wertstroms messen. Der Wertstromquotient ist das Verhältnis zwischen der Auftragsdurchlaufzeit und der Gesamtbearbeitungszeit: WQ = DLZ : BZ. Durch den Wertstromquotienten wird gezeigt, wie weit bzw. wie gut das Fließprinzip umgesetzt ist. Verändert sich der WQ und steigt an, so hat sich der Wertstrom verschlechtert. Sinkt der WQ, dann wurde der Wertstrom verbessert.[93]

[...]


[1] Vgl. Lindner / Becker (2010), S. 26.

[2] Klevers (2007), S. 15

[3] Vgl. Klevers (2007), S. 15 – 16.

[4] Vgl. Lindner / Becker (2010), S. 26.

[5] Vgl. Lindner / Becker (2010), S. 26 – 27.

[6] Vgl. Klevers (2007), S. 20-21.

[7] Vgl. Lindner / Becker (2010), S. 26 – 27.

[8] Vgl. Liker / Meier (2007), S. 96.

[9] Vgl. Liker / Meier (2007), S. 64.

[10] Vgl. Klevers (2007), S. 19.

[11] Vgl. Klevers (2007), S. 20.

[12] Vgl. Liker / Braun (2007), S. 66.

[13] Vgl. Liker / Meier (2007), S. 67.

[14] Vgl. Liker / Meier (2007), S. 67.

[15] Vgl. Liker / Meier (2007), S. 67.

[16] Vgl. Lindner / Becker (2010), S. 29

[17] Vgl. Lindner / Becker (2010), S. 29

[18] Vgl. Liker / Meier (2007), S. 67.

[19] Vgl. Lindner / Becker, (2010), S. 29.

[20] Vgl. Liker / Meier (2007), S. 67.

[21] Vgl. Liker / Meier (2007), S. 67.

[22] Vgl. Lindner / Becker, (2010), S. 29.

[23] Vgl. Lindner / Becker (2010), S. 29.

[24] Vgl. Lindner / Becker (2010), S. 29.

[25] Vgl. Lindner / Becker (2010), S. 29.

[26] Vgl. Lindner / Becker (2010), S. 29.

[27] Taichii Ohno (1912 – 1990) ist eine ehemalige Führungskraft bei Toyota und Erfinder des TPS. Vgl. Womack / Jones / Roos (1990)

[28] Vgl. Liker / Meier (2007), S. 67.- 68.

[29] Vgl. Lindner / Becker (2010) S. 29.

[30] Vgl. Liker / Meier (2007), S. 67 – 68.

[31] Vgl. Lindner / Becker (2010), S. 26 - 28

[32] Vgl. Liker / Braun (2008), S. 61.

[33] Vgl. Sayer / Williams, (2007), S. 45.

[34] Vgl. Sayer / Williams, (2007), S. 45.

[35] Vgl. Sayer / Williams, (2007), S. 46.

[36] Vgl. Liker / Braun (2008), S. 171.

[37] Vgl. Liker / Braun (2008), S. 171.

[38] Vgl. Rother / Shook (2000), Anhang A: Zeichnungssymbole.

[39] Vgl. Rother / Shook (2000), Anhang A: Zeichnungssymbole.

[40] Vgl. Rother / Shook (2000), Anhang A: Zeichnungssymbole.

[41] Vgl. Rother / Shook (2000), Anhang A: Zeichnungssymbole.

[42] Vgl. Rother / Shook (2000), Anhang A: Zeichnungssymbole.

[43] Diese Abbildung dient nur der Veranschaulichung der fünf Bereiche eines Wertstrom-Diagramms.

[44] Vgl. Klevers (2007), S. 39 – 41.

[45] Klevers (2007), S. 40.

[46] Vgl. Rother / Shook (2000), S. 12.

[47] Vgl. Erlach (2007), S. 34 – 37.

[48] Vgl. Erlach (2007), S. 38.

[49] Vgl. Rother / Shook (2000), S. 6.

[50] Rother / Shook (2000), S. 6.

[51] Vgl. Erlach (2007), S. 44 – 45.

[52] Vgl. Erlach (2007), S. 39 – 40.

[53] Vgl. Erlach (2007), S. 40.

[54] Die im folgenden Kapitel genannten Symbole werden in der Symbol-Übersicht in Kapitel 2.3 aufgeführt.

[55] Vgl. Erlach (2007), S. 45 – 46.

[56] Vgl. Arnold / Furmans (2005), S. 252.

[57] Vgl. Arnold / Furmans (2005), S. 252.

[58] Vgl. Klevers (2007), S. 41.

[59] Vgl. Rother / Shook (2000), S. 18.

[60] Rother / Shook (2000), S. 18.

[61] Vgl. Klevers (2007), S. 41.

[62] Hier werden nur die häufigsten Ergänzungen genannt. Es sind natürlich ganz individuell entsprechend dem Prozess weitere Ergänzungen möglich.

[63] Vgl. Erlach (2007), S. 60.

[64] Vgl. Lindner / Becker (2010), S. 33.

[65] Vgl. Lindner / Becker (2010), S. 33.

[66] Vgl. Lindner / Becker (2010), S. 33.

[67] Vgl. Erlach (2007), S. 59.

[68] Vgl. Klevers (2007), S. 49 – 50.

[69] Der EPEI-Wert wird in Kapitel 3.1 in der Leitlinie 7 näher erläutert.

[70] Vgl. Lindner / Becker (2010), S. 33 – 34.

[71] Vgl. Rother / Shook (2000), S. 19.

[72] Vgl. Erlach (2007), S. 71 – 72.

[73] Vgl. Klevers (2007), S. 51 – 52.

[74] Vgl. Rother / Shook (2000), S. 27.

[75] Vgl. Klevers (2007), S. 51 – 52.

[76] Vgl. Klevers (2007), S. 52.

[77] Vgl. Klevers (2007), S. 52.

[78] Vgl. Klevers (2007), S. 52.

[79] Vgl. Arnold / Furmans (2005), S. 254.

[80] Vgl. Klevers (2007), S. 53 – 54.

[81] Vgl. Lindner / Becker (2010), S. 34.

[82] Kanban = japanisch für Karte.

[83] Vgl. Klevers (2007), S. 54 – 55.

[84] Vgl. Lindner / Becker (2010), S. 35 – 36.

[85] Vgl. Arnold / Furmans (2005), S. 254.

[86] Vgl. Lindner / Becker (2010), S. 36 – 39.

[87] Vgl. Erlach (2007), S. 76 – 77.

[88] Vgl. Rother / Shook (2000), S. 26.

[89] Vgl. Lindner / Becker (2010), S. 39 – 40.

[90] Vgl. Rother / Shook (2000), S. 26.

[91] Vgl. Klevers (2007), S. 59.

[92] Vgl. Klevers (2007), S. 59.

[93] Vgl. Lindner / Becker (2010), S. 42 – 43.

Details

Seiten
Erscheinungsform
Erstausgabe
Jahr
2010
ISBN (PDF)
9783956848421
ISBN (Paperback)
9783956843426
Dateigröße
16.5 MB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Westfälische Hochschule Gelsenkirchen, Bocholt, Recklinghausen
Erscheinungsdatum
2015 (Februar)
Note
1,3
Schlagworte
Wertstromdesign Wertstrommanagement Lean Management Toyota Produktionssystem metallverarbeitendes Unternehmen
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Titel: Anwendung des Wertstromdesigns in einem metallverarbeitenden Unternehmen: Eine Fallstudie
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