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Migration und Bildungsbenachteiligung: Kinder ausländischer Familien im deutschen Bildungssystem

©2010 Examensarbeit 68 Seiten

Zusammenfassung

Die Wanderungsbewegung von Menschen auf der ganzen Welt hat in den letzten 20 Jahren zugenommen und somit an Bedeutung für Politik, Wirtschaft und das Sozialwesen gewonnen. Allein zwischen 1990 und 2000 ist die Migration um etwa 46 Prozent angestiegen. Dieser Anstieg resultiert aus unterschiedlichen Gründen. Mit den Einwanderern kommen auch deren Kinder mit, die es in das deutsche Bildungssystem zu integrieren gilt. Anhand von Studien lässt sich feststellen, dass sich Kinder von Migranten häufig auf Haupt- oder gar Förderschulen befinden. Es stellt sich somit die Frage, ob Kinder aus ausländischen Familien an Schulen benachteiligt sind und wenn ja, warum. Hauptanliegen des Buches soll sein, zu erörtern, ob Schüler mit Migrationshintergrund ausschließlich durch gesellschaftliche oder politische Bedingungen im Bildungssystem benachteiligt sind, oder ob auch persönliche Faktoren zur Benachteiligung beitragen.

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


III.3.2 Aussiedler und Spätaussiedler

Die Zuwanderung von Aussiedlern bzw. Spätaussiedlern begann in der Phase nach dem II. Weltkrieg und setzt sich noch bis in die heutige Zeit hinein fort. Diese Personengruppe zählt gemäß Artikel 116 des Deutschen Grundgesetzes nicht zu den Ausländern.[1] 1993 kam es zum Erlass des Kriegsfolgenreinigungsgesetzes, was zu einem sprunghaften Anstieg des Zuzuges von der nun als Spätaussiedler bezeichneten Gruppe führte. Gleichzeitig war auch die Auflösung der Warschauer-Pakt-Staaten mit verantwortlich für den Ansturm seitens der Spätaussiedler.[2] Problematisch ist für empirische Untersuchungen zur Bildungsbeteiligung von Schülern mit Migrationshintergrund, dass diese Personengruppe erst seit 1990 durch die Integrationspolitik erfasst wird. Bis dahin verlief die Integration eher stillschweigend neben der von Gastarbeitern und Asylsuchenden. Durch die Veränderungen in den Gesetzen zur Zuwanderung von Aussiedlern wurden die sozialen Zustände der Aussiedler drastisch verschlimmert.

III.3.3 Gastarbeiter

Aufgrund der Nachkriegssituation in Deutschland, sowie dem damit resultierenden Problem des Arbeitskräftemangels während der Expansion der Weltwirtschaft, kam es zu Verträgen zwischen Deutschland und verschiedenen südeuropäischen, aber auch außereuropäischen Staaten. Ziel hierbei war es, Arbeitskräfte für die Bundesrepublik zu gewinnen, ihnen spezifische Qualifikationen zukommen zu lassen, damit sie später der Industrie in ihren Heimatländern dienlich werden konnten.[3] Ursprünglich war dabei eine Aufenthaltsdauer von einem Jahr vorgesehen. Da diese Aufenthaltsspanne jedoch verlängert wurde, holten die Gastarbeiter ihre Familien nach Deutschland nach, die von der Politik gewollten „Billigarbeiter“ entwickelten sich langsam aber stetig zu Einwanderungsfamilien, denen es fern lag Deutschland wieder zu verlassen. Aus diesem Grund erhöhte sich der Familiennachzug stetig. Vor allem ein Nachzug von Kindern war durch die Bundesregierung nicht geplant.[4] Durch die Ölkrise 1973 kündigte man seitens der Bundesregierung die Anwerbeverträge. In der Zwischenzeit waren aber auch die wirtschaftlichen Verhältnisse in den Ländern der Gastarbeiter desolat und Deutschland konnte es sich ebenso nicht erlauben, einen Großteil von ihnen auszuweisen, da viele Wirtschaftszweige, vor allem im Niedriglohnsektor, mit ausländischen Arbeitskräften überrepräsentiert waren.

Man könnte an dieser Stelle weitere Ausführungen zur Kategorisierung von Migrationshintergründen machen, bzw. die einzelnen Gruppen mit ihren Wanderungshintergründen näher betrachten, da dazu aber schon zahlreiche Werke erschienen sind, soll an dieser Stelle auf eine tiefgründige Aufarbeitung verzichtet werden.[5]

IV Die Bildungsbenachteiligung von Schülern mit Migrationshintergrund

IV.1 Das Problem mit der Heimatkultur

Ein wichtiger Punkt, der bei Migrationskindern beachtet werden muss, ist die verschiedene Kultur, die innerhalb des schulischen und des heimischen Umfeldes vorherrscht. Kinder türkischer Eltern verlaufen eine andere Sozialisation als ihr deutsches Pendant. Viele Eltern sind aus verschiedensten Motivationen heraus nach Deutschland gekommen, vor allem aber, um ihre Lebenssituation zu verbessern. Dies führt allerdings nicht zwangsläufig zur Anpassung an die traditionelle deutsche Kultur. Häufig leben die Einwanderer in ihrer Häuslichkeit die eigene Kultur weiter, wodurch die Kinder vor ein großes Problem gestellt werden, sie leben in zwei verschiedenen Welten, morgens in Deutschland, abends in der Türkei.[6] Das Aufziehen der Kinder erfolgt in völlig anderer Weise als bei uns in Deutschland. Vorrangig bis zum sechsten Lebensjahr sind sie ausschließlich dem Umfeld der Mutter zugeordnet und genießen hohe gefühlsmäßige Aufmerksamkeit. Unterschiede findet man auch hier bei dem Aufwachsen von Kindern aus städtischer bzw. dörflicher Gegend. Ab dem sechsten Lebensalter beginnt die eigentliche geschlechtsspezifische Erziehung der Kinder, bei der die Jungen dem Vater zugeordnet werden und die Mädchen bei der Mutter verbleiben. Auch die Ausbildung nach islamischen Verhaltensregeln ist ein Pflichtprogramm bei der Erziehung der Kinder.[7] Behr schreibt in ihrem Aufsatz, dass türkische Kinder durchaus mehr Freiraum genießen, als deutsche Kinder, und vielmehr am Erwachsenenleben teilnehmen und somit auch eher eigenverantwortlich Tätigkeiten ausüben dürfen. Diese unterschiedlichen Erziehungsausrichtungen und Wertevorstellung können nach einer Einwanderung nach Deutschland zu inneren Konflikten bei den Kindern und Jugendlichen führen, bis dahin, dass sowohl das Wertesystem der türkischen, aber auch das der deutschen Kultur abgelehnt werden können. Wichtig ist hier dann darauf zu achten, dass man versucht die Kinder zu unterstützen, sich in beiden Wertesystemen zurechtzufinden.[8]

Weiterhin gibt es in verschiedenen Städten Deutschlands, besonders in Ballungszentren, in denen sich Migranten vermehrt angesiedelt haben, für Kinder aus türkischen oder arabischen Familien mit besonderer religiöser Verbindung die Pflicht, eine Koranschule zu besuchen. Bereits im Grundschulalter können bei Schülern Auffälligkeiten im Lernverhalten beobachtet werden. Koranschulen sind gemäß geltendem Schulrecht nicht dem deutschen Schulsystem zuzuordnen, die einzige Aufgabe die jene Schulen erfüllen, ist die Unterweisung muslimischer Kinder in der Glaubenslehre des Islams. Auch wenn verschiedene Unterrichte angeboten werden, zum Beispiel das Erlernen der arabischen Sprache oder Religionsgeschichte, so ist doch stets alles auf den Koran und seine Lehre bezogen. Koranschulen unterliegen nicht der Schulaufsicht, daher sind keine gesicherten Daten zur Anzahl der Schulen, Lehrkräfte und Schüler machbar. Anzunehmen ist jedoch, dass in Koranschulen versucht wird, die Integration muslimischer Schüler in das deutsche System zu verringern oder gar zu vermeiden. Der Unterricht in diesen Schulen verläuft letztlich widersprüchlich zum Unterricht in deutschen Schulen.[9] Gomolla und Radtke haben in Interviews mit Lehrern und Schulleitern festgestellt, dass diese in Gesprächen mit Schülern, dabei insbesondere mit Grundschülern, Fakten über die Erziehungsmethoden in Koranschulen erfahren haben. Dabei sind besonders die gewalttätigen Erziehungsmethoden des islamischen Religionslehrers (Hodscha) zur Sprache gekommen. Die Kinder durchleben durch den Besuch beider Schulen kulturelle Konflikte und müssen dadurch psychosomatische Belastungen durchstehen. Auf der einen Seite steht der aggressive, zuschlagende Hodscha und auf der anderen Seite der deutsche Lehrer, der fehlende Aufgaben allerhöchstens mit einer Ermahnung oder einer schlechten Zensur honoriert. Die Koranschule hat somit, durch den Hodscha und dessen aggressive Sanktionsmittel, in dieser Konkurrenzsituation einen Vorteil gegenüber der deutschen Schule. Das in diesem Fall mit einem Abfall schulischer Leistungen in der Regelschule zu rechnen ist, versteht sich von selbst.[10]

Familien in Deutschland werden aufgrund ihrer kulturellen Herkunft und ethnischen Zusammensetzung in ihrer sozialen Zusammensetzung immer vielfältiger. Inzwischen haben etwa ein Viertel der Familien in Deutschland einen Migrationshintergrund. Dass diese Familien im Verlauf der Jahre auch Zuwachs in Form von Neugeborenen erhielten, ist logische Konsequenz. Problematisch ist für diese Familien, dass sie häufig von Erwerbslosigkeit betroffen sind und dadurch oftmals am Rand des Existenzminimums leben und aus diesem Grund die Lebenschancen der Kinder beeinträchtigt sind. Diese Arbeitslosigkeit, die in Migrantenfamilien durchaus häufiger beide Ehepartner treffen kann, führt zu einem Bruch des Lebensrhythmus der Familie und hat oft negative Auswirkungen auf die Kinder, so dass deren Möglichkeit zu einer sozialen Integration gehemmt wird. Dieser Effekt wiederum wirkt sich nachhaltig auf die Integration in das Bildungswesen aus. Durch dieser Situation entstehen für die Migranten meist ungünstige Lebenssituationen, wie ungünstige Wohnbedingungen und soziale bzw. kulturelle Isolation.[11]

Schwer ist es für Kinder aus Familien mit Migrationshintergrund eine Identität zu entwickeln, die sowohl den Maßstäben des Heimats-, aber auch des Gastlandes entspricht. Natürlich wollen sie in ihrem Auftreten der Peergroup entsprechen, aber müssen im gleichen Moment auch den Vorstellungen der Eltern gerecht werden, die von ihrem Nachwuchs erwarten, den Traditionen ihres Herkunftslandes zu entsprechen. Aufgrund dieser Umstände kann es zu Akkulturationsproblemen bei den Kindern und Jugendlichen, dabei besonders beim weiblichen Geschlecht, kommen. Die häufigsten Kontakte zwischen ausländischen und deutschen Kindern ergeben sich in der Schule, innerhalb der Freizeitmöglichkeiten verbringen die Gruppierungen die meiste Zeit jedoch unter Ihresgleichen, wodurch es zum Aufbau negativer Fremd- und unter Umständen negativer Selbstbilder auf Seiten der ausländischen Jugendlichen kommen kann.[12]

IV.2 Deutsche Sprache und Spracherwerb

Die deutsche Sprache ist bei Kindern mit Migrationshintergrund in Ansätzen oder gar nicht ausgebildet. Bei Schülern der Kategorie „Spätaussiedler“ ist die deutsche Sprache möglicherweise häufiger vorhanden, als bei Kindern aus anderen Herkunftskategorien. Diese Sprache wurde jedoch nicht durch die schulische Ausbildung erworben. Insofern noch Kenntnisse vorhanden sind, gehen diese oftmals auf den familiären und somit ausschließlich mündlichen Gebrauch zurück und umfassen dabei ein häufig evidentes und umgangssprachliches Wortgut. Aufgrund der Umsiedlung in polnische und russische Gebiete änderte sich die Familiensprache von deutsch zu Russisch bzw. Polnisch, die eigentliche Herkunftssprache wurde lediglich innerhalb der Familie noch teilweise verwendet.[13] Bei vielen Spätaussiedlerkindern ist heute festzustellen, dass innerhalb der Familie überwiegend russisch, ukrainisch, polnisch etc. gesprochen wurde. Ein Grund dafür ist sicher auch in der „Vermischung“ der Ehen zu finden, da viele der Spätaussiedler im Verlauf der Jahre ihren Lebenspartner in der Heimatbevölkerung fanden und sich somit auch die Kultur innerhalb der Familien änderte.

Festzuhalten ist definitiv, dass zu geringe Kenntnisse der deutschen Sprache die Leistungsrückstände der Schüler mit Migrationshintergrund erklären. Gogolin schreibt, dass die Kommunikation in der Schule anders verläuft, als im außerschulischen Leben. Sie prägte hierfür den Begriff der „Sprache der Schule“, welcher Merkmale einer geplanten Schriftlichkeit aufweist, und somit „situationsgebunden [ist] [und] häufiger mit symbolischen und kohärenzbildenden Redemitteln (…) [arbeitet].“[14] Besonders schwierig erachtet sie für ausländische Schüler, dass mit zunehmender Klassenstufe die Grammatik in ihren Strukturen schwieriger, sowie Texte deutlich abstrakter werden und zunehmend ein fachbezogener Sprachwortschatz verwendet wird.[15] Diese Schwierigkeiten machen sich besonders bei Schülern der ersten Generation sichtbar, die ihre ersten Schuljahre durchaus noch in ihren Heimatländern verbracht haben. Durch diesen Umstand hatten sie keine Möglichkeit, sich einen spezifischen Wortschatz anzueignen, um komplexe und schwierige Aufgabenstellungen zu bewältigen. Solche Beobachtungen wurden ebenfalls im Rahmen des Mercator-Projektes, auf das später noch eingegangen wird, offensichtlich und spiegeln sich auch im Rahmen der Reflexionsberichte verschiedener Studenten wieder.

Eine schwierige Situation stellt sich bereits dadurch dar, dass der Anteil an Schülern mit Migrationshintergrund gerade in Großstädten durchaus an manchen Schulen überdurchschnittlich hoch ist. Da Sprache nicht durch den Unterricht erworben werden soll, sondern in der Familie oder im Umgang mit anderen Kindern, ist anzunehmen, dass dieser Teil der Migranten besonders hohe Defizite im Umgang mit der deutschen Sprache aufweist. Insofern Kinder in Stadtvierteln mit überwiegender Zahl an Migranten leben, die aus der gleichen Heimatregion stammen, ist davon auszugehen, dass in hohem Grade die einheimische Sprache zur Kommunikation genutzt wird.[16]

Der Spracherwerb ist die wichtigste Voraussetzung, um dem Unterricht vernünftig folgen zu können, um Wissen und Kompetenzen zu erwerben. Besonders wichtig ist dabei nicht nur auf die Aneignung einer allgemeinen Sprachkenntnis zu achten, sondern ebenso auf den Erwerb eines spezifischen Fachwortschatzes. Schülern, die bereits in Deutschland geboren wurden und die Schullaufbahn von Beginn an durchlaufen haben, sollte der Spracherwerb theoretisch weniger schwer fallen, als Kindern, die während ihrer Schullaufbahn nach Deutschland übersiedelten. Dabei muss selbstverständlich von der Annahme ausgegangen werden, dass die Kinder in ihrer Familie die deutsche Sprache sprechen. Oftmals ist dies jedoch nicht der Fall und somit fällt es den Schülern bereits in der Grundschule schwer, sich eine vernünftige Verkehrssprache anzueignen. Ebenfalls liegt die Annahme vor, dass Lehrer der Grundschule einen falschen Eindruck von Schülern mit Migrationshintergrund haben, indem sie ihnen gute alltagsbezogene Kommunikationsfähigkeiten unterstellen.[17] In den Grundschuljahren und zu Beginn der Sekundarstufe II können Schüler die Schwierigkeit mit dem Fachwortschatz noch durch Abschauen beim Banknachbarn kompensieren. Mit zunehmender Klassenstufe und den damit verbundenen steigenden Schwierigkeit der Aufgabenanforderungen, können die Kinder auf jene Lösungsstrategien jedoch nicht mehr zurückgreifen.[18] Ähnliche Beobachtungen macht auch Demidow, die fachbezogene Wortschatzkompetenzen in den naturwissenschaftlichen Fächern Physik und Chemie von Schülern untersuchte, die erst im Laufe ihrer Schullaufbahn auf eine deutsche Schule wechselten. In einer der vier Hypothesen geht sie davon aus, dass Schüler, die in bilingualen Familien aufwachsen, gelesene Aufgaben zuerst in die russische Sprache übersetzen und daran versuchen den Textinhalt zu erschließen. Nach abschließenden Untersuchungen konnte die Hypothese insoweit belegt werden, dass aufgrund des unterschiedlichen Syntax und der semantischen Struktur es den Schülern große Schwierigkeiten bereitet, Texte zu übersetzen. Dabei können auch die von den Schülern benutzten Wörterbücher nicht maßgeblich zum Textverständnis beitragen, da Begriffe häufig nur allgemeinsprachlich übersetzt werden, die eigentliche naturwissenschaftliche Bedeutung sich dadurch jedoch nicht erschließt. Demidow stellte abschließend in ihrer Untersuchung fest, dass wenn Schüler nur unzureichend deutsche Sprachkenntnisse erwerben, es ihnen auch nicht möglich ist, einen fachspezifischen Sprachwortschatz zu erwerben, der es ihnen letztlich ermöglichen soll, dem Fachunterricht adäquat zu folgen.[19] Selbstverständlich ist das Prozedere des Übersetzens nicht nur bei Kindern von Spätaussiedlern eine gängige Methode, sondern auch bei Schülern aus Familien anderer Herkunft. Wodurch genau die Probleme beim Spracherwerb entstehen, soll in der hier vorliegenden Arbeit jedoch nicht näher erläutert werden.[20]

Damit die deutsche Sprache von Schülern mit Migrationshintergrund besser erlernt werden kann, wird beispielsweise in Sachsen Deutsch als Zweitsprache (DaZ) für die Kinder angeboten. Insofern die Schüler noch nicht in der Lage sind, dem Unterrichtsgeschehen zu folgen, da ihnen die sprachlichen Vorrausetzungen fehlen, gelten sie als nicht integriert und werden aus dem Regelunterricht herausgelöst, um am Fachunterricht DaZ teilzunehmen. Erst wenn die Kinder die nötigen Sprachkenntnisse aufweisen, werden sie teilintegriert, d.h. sie nehmen zum überwiegenden Teil am Unterricht teil und besuchen seltener den DaZ-Unterricht. Erst bei genügend Spracherfahrung werden sie in die Schulklasse voll integriert. Ein großes Problem, dass sich meines Erachtens für die Schüler mit Migrationshintergrund ergibt, ist die fehlende Teilnahme an relevanten Unterrichtsfächern, wie den Naturwissenschaften oder den Sprachen. Häufig werden die Schüler auch aus diesen Gebieten aus dem Unterricht herausgenommen, um die deutsche Sprache zu erlernen. Dies wirkt sich ungünstig für die Schüler für den weiteren Fortlauf der Schullaufbahn aus, da gerade im Bereich der Mathematik viele neue Themen auf ältere, bereits behandelte Komplexe aufbauen. Somit fehlt den Kindern nötiges Vorwissen, um später erfolgreich in die neuen Themengebiete einsteigen zu können. Sicherlich wäre es an dieser Stelle zu überdenken, ob die Kinder nicht aus „Nebenfächern“, wie zum Beispiel Kunst, Musik oder Sport herauszunehmen seien. Ich möchte an dieser Stelle den eben erwähnten Fächern keinesfalls ihre Notwendigkeit absprechen, aber Naturwissenschaften und Sprache sind für die Schüler wichtig, um im späteren Leben zu bestehen

IV.3 Bildungsbenachteiligung aufgrund sozialer Faktoren

IV.3.1 Die Kapitaltheorie nach Pierre Bourdieu

Gemäß Bourdieu sind die Gesellschaften der Industriestaaten Klassengesellschaften. Laut seiner Theorie definieren sich die Klassen, welche er als sozialen Raum beschreibt, über drei verschiedene Formen von Kapital und durch die Unterschiede in Geschmack und Lebensstil. Demzufolge sind nicht, wie bei Karl Marx, ausschließlich die ökonomische Lage und die Stellung im Beruf ausschlaggebende Faktoren für die Stellung innerhalb einer Klasse. Die Position des Einzelnen wird als Habitus bezeichnet. Auch distanziert er sich von der Annahme, dass sich die verschiedenen Klassen in einem dauerhaften Konflikt befinden. Stattdessen gibt es seiner Theorie zufolge sehr wohl auch Divergenzen innerhalb der verschiedenen sozialen Räume, jedoch ebenfalls das Bestreben aus einer unteren in einen höhere Position aufzusteigen, dabei allerdings ohne die Absicht einer Revolution. Ebenfalls unterscheidet Bourdieu in Klasse und Stand und greift dabei auf Max Weber zurück. Gemäß dem französischen Soziologen ist nicht der ökonomische Hintergrund allein ausschlaggebend für die Klassenzugehörigkeit, sondern auch die individuellen Lebenshaltungen.[21] Bourdieu bewegt sich demzufolge weg von den bis dahin existierenden Klassen- bzw. Schichtentheorien und erweitert sie um die Ebenen Kultur und Bildung. Marx´ Kapitalbegriff, der das Eigentum an Produktionsmitteln bezeichnet, wird durch Bourdieu wesentlich erweitert. Er bezeichnet es als ökonomisches Kapital und zieht gleichzeitig das kulturelle Kapital, sowie das soziale, bzw. das symbolische Kapital hinzu.[22] Ökonomisches Kapital ist dabei selbstverständlich, jedoch hängt gesellschaftliche und politische Macht in „spät-kapitalistischen“ Gesellschaften nicht mehr ausschließlich von Geld und Eigentum ab. Stattdessen kann nur jemand Macht besitzen, insofern er ökonomisches, kulturelles und soziales Kapital aufweist. Das wichtigste Kapital für Bourdieu ist dabei das kulturelle, welches mit einem bestimmten Habitus einhergeht, dem auch Sprache oder Kleidung angehören. Dieses Kapital definiert er über die schulische Ausbildung des Besitzers und somit als Bildungskapital. Es ist je höher, desto besser der Bildungsabschluss des jeweiligen Eigentümers ist. Eine Besonderheit an dieser Kapitalform ist die, dass es an die nächste Generation vererbbar ist und auch erhöht werden kann. Wenn innerhalb einer Familie und über mehrere Generationen hinweg ausschließlich höhere Schulen und Universitäten besucht wurden, umso natürlicher ist der Umgang mit Kultur- und Bildungseinrichtungen. Die Reproduktion des kulturellen Kapitals geschieht, wie bereits erwähnt, durch die Schule mit ihrem Unterricht und das familiäre Erbe. Damit das kulturelle Kapital erworben werden kann, ist ökonomisches Kapital nötig, demzufolge kann nur derjenige, der ökonomisches Kapital besitzt sein kulturelles Kapital erhöhen. Weiterhin unterscheidet Bourdieu zwischen verschiedenen Ausprägungen des kulturellen Kapitals. Dazu zählt die Verinnerlichung, die für die Aneignung kulturellen Kapitals wichtig ist, die Objektivierung, die den Erwerb von Gütern und somit der Darbietung kulturellen Kapitals entspricht, sowie letztlich die Institutionalisierung, die durch den Erwerb von schulischen Zertifikaten geschieht.[23]

Unter dem sozialen Kapital versteht Bourdieu die sozialen Bindungen, die Individuen durch Beziehungsnetzwerke haben. Innerhalb dieser Netzwerke hat soziales Kapital symbolische Signifikanz. Solches Kapital besitzt jedes Individuum durch Familie, Verwandte, Nachbarn und Kollegen. Jedoch muss jeder einzelne Investitionen treffen, damit weitere Beziehungen geschaffen werden können, bzw. die bereits existierenden erhalten bleiben. Das kulturelle, ökonomische und auch das soziale Kapital bestimmen letztlich die Position des einzelnen Menschen innerhalb der Gesellschaft. Die Gesellschaft ist dabei in Klassen unterteilt, denen die Individuen, je nach Ausstattung an den drei Kapitalarten, angehören.[24]

Innerhalb der Klassen zeichnet sich ein spezifischer Habitus ab, der als Vermittlungskomponente zwischen der klassenspezifischen Position des Individuums und den damit verbundenen Praktiken etc. wirkt.[25] Dieser Habitus ist generativ und zugleich die Basis für schöpferische und innovative Lösungen für auftretende praktische Probleme. Somit erzeugt er letztlich Wahrnehmungen, Handlungen, sowie Beurteilungen und gleichzeitig ein Milieu, an das er sich anpasst, um vor Infragestellungen und Krisen geschützt zu sein.[26] In diesem Habitus zeigt sich dann dass, was einen Menschen zum Mitglied der Gesellschaft macht, also seine Zugehörigkeit zu einer bestimmten Klasse und die Disposition, die er durch die Mitgliedschaft innerhalb der Klasse erfahren hat. Demzufolge hat ein Kind aus einer einfachen ländlichen Familie einen anderen Habitus, als ein Kind aus einer Familie mit höheren sozialen Status, die aus einer Metropole stammt. Daraus kann man letztlich ableiten, dass der Habitus durchaus als Klassenhabitus definiert werden kann. Auch wenn bisher von der Einteilung in Klassen gesprochen wird, so muss hinzugefügt werden, dass sich Bourdieu stark vom Klassenbegriff distanziert, er verwendet stattdessen bevorzugt den Begriff des sozialen Raumes.[27]

IV.3.2 Reproduktion sozialer Ungleichheit und schulische Integration

Wie bereits angeführt bestimmt der Anteil an ökonomischen, kulturellen und sozialen Kapital die Stellung innerhalb der Gesellschaft. Im Herkunftsmilieu „erlernen“ die Kinder ihren primären Habitus, der durch die Schule zum sekundären Habitus verfestigt oder verändert wird. Der Unterrichtsstoff, der in der Schule vermittelt wird, erfordert spezifische Fähigkeiten, die jedoch aufgrund der verschiedenen Habitusformen bei den Schülern, unterschiedlich stark ausgeprägt sind. Demzufolge sind nicht bei allen Schülern die notwendigen Anlagen vorhanden die dargebotenen symbolischen Güter zu dechiffrieren, was dazu führt, dass häufig nur die Kinder mit spezifischem Habitus sich das dargebotene Wissen aneignen können. Die Schule orientiert sich dabei an den Habitusformen der Mittelschicht. Ein Nachteil ergibt sich für Kinder durch das Erlernen von negativen Einstellungen gegenüber der Schule, die ebenfalls in der Phase der Habitusaneignung erworben werden, die letztlich bei Kindern unterer Klassen zur „Selbsteliminierung“ führt.[28]

Lener bezieht sich in ihren Ausführungen auf die Situation von Sonderschülern, die aber ebenfalls auf die Situation von Migrantenfamilien anwendbar ist, da diese unter ähnlichen Umständen leben, sprich, in einfacheren Verhältnissen. Häufig findet man die Eltern in niedrigen beruflichen Stellungen oder in der Arbeitslosigkeit wieder. Sie wohnen meist in Gegenden, in den überwiegend Menschen der gleichen sozialen Stellung anzutreffen sind, haben ungünstige Wohnbedingungen und verfügen über eine geringe Schulbildung. Die Erziehung der Kinder ist dürftig und oft entsteht bei Kindern, wie auch Erwachsenen eine Perspektivlosigkeit. Des Weiteren wird von dem Nachwuchs auch kein sozialer Aufstieg erwartet. Aus diesen Gründen scheuen Kinder aus diesen Familien Aktivitäten und der schulische Erfolg bleibt somit auf der Strecke, da sich die Schüler nicht mit Unterrichtsinhalten auseinandersetzen können oder wollen. Lernen ist die Veränderung von Verhalten und Denken, durch den sich der Gegenstandsaufschluss erweitert und verändert. Aus dieser Veränderung ergibt sich die Relation zwischen Habitus und Schulversagen, den Lener als Schulversagerhabitus bezeichnet. Der Nachwuchs von Familien aus niederen Klassen wird nicht auf die Perspektiven von Schule und Bildungsabschlüssen vorbereitet, sondern akzeptiert seinen Stand innerhalb des sozialen Raumes und gibt sich somit der Selbsteliminierung bei der Ausbildung des sekundären Habitus hin. Das Resultat dieser Leistungsverweigerung und den daraus resultierenden niedrigen Bildungsabschlüssen schlägt sich in niedrigen Chancen auf dem Arbeitsmarkt im Anschluss an die Schule nieder.[29]

Martina Weber hat in Interviews mit Gymnasiallehrern festgestellt, dass die Zugehörigkeit zu einer sozialen Klasse den Maßstab für Bewertungen der Lehrkräfte für kulturelle Ressourcen beeinflusst. Demzufolge können Kinder in der Schule dann erfolgreich sein, wenn sie die deutsche Sprache gut beherrschen (kulturelles Kapital), wenn sie durch andere Familienmitglieder Unterstützung bei Lernleistungen erfahren (soziales Kapital) und genügend ökonomisches Kapital vorhanden ist, um beispielsweise Nachhilfestunden für sein Kind zu finanzieren. Mit diesem Habitus ist es den Schülern dann ohne weiteres möglich, sich dem System der gymnasialen Oberstufe anzupassen. Aus diesen Kapitalformen muss jedoch symbolisches Kapital hervorgehen, sprich es muss den Vorteil, welcher aus dem jeweiligen Kapital gezogen wird, steigern. Bei ausländischen Schülern kann an dieser Stelle gesagt werden, dass bereits vorhandenes und auch zwischenzeitlich neu erworbenes Kapital aufgrund ihres Migrationshintergrundes als nicht legitimiert betrachtet wird und dadurch für sie allgemein schlechtere Bedingungen gelten.[30]

IV.4 Bildungsbenachteiligung durch institutionelle Diskriminierung

IV.4.1 Institutioneller Rassismus

Der Begriff der institutionellen Diskriminierung leitet sich aus dem in den 60er Jahren verwendeten Begriffs des institutionellen Rassismus ab, welcher vorerst in den USA verwendet wurde und ab den 70er Jahren auch in Großbritannien. Institutioneller Rassismus zeichnet sich dadurch aus, dass Verwaltungshandeln durch Gesetze und Verordnungen legitimiert ist und wird somit einer gesetzlich legitimen Diskriminierungspraxis gleichgesetzt, welche durch Institutionen umgesetzt wird. Das Konzept des institutionellen Rassismus bezieht sich auf die Arbeitsweise und die Funktion von Organisationen, wie beispielsweise der Schule oder allgemein des Bildungssystems. Hormel schreibt in ihrer Arbeit, unter Bezug auf Troyna und Williams, dass institutioneller Rassismus nicht ausschließlich aus den Effekten von Diskriminierung abzulesen sei, sondern stattdessen gleichwohl andere Prozesse zu beobachten seien, die benachteiligend wirken. Damit wäre unter Bezug auf die Bildungsbenachteiligung von Schülern mit Migrationshintergrund nicht nur auf die Ausprägung und Form zu achten, sondern auch darauf, wie die Schule als Institution Diskriminierung produziert und reproduziert.[31]

Unterschieden wurde in den 60ern zwischen offenem und individuellen Rassismus, bei dem Individuen durch Handlungen in den Vordergrund treten, und dem verdeckten und institutionellen Rassismus, bei dem es durch gesellschaftlich angepasste Kräfteverhältnisse zur Benachteiligung von Minderheiten kommt. Ausschlaggebend waren dabei die Handlungen bzw. die Unterlassungen der Institutionen. In den folgenden Jahren wurde die Theorie des institutionellen Rassismus weiterentwickelt und wurde auf unterschiedliche Bereiche, dabei auch auf das Gebiet der Bildung, bezogen. Die Weiterentwicklung der Theorie führte letztlich zu einer neuen Klassifikation des Begriffes Rassismus, der jetzt nicht mehr nur als Ideologiebegriff zutraf, sondern nun gleichzeitig auf die Frage eingehen sollte, wie in der Gesellschaft über Rassismus gesprochen und gehandelt wird.[32]

Im England der 70er Jahre wurden bereits Missstände im Bildungswesen bezüglich von Minderheitengruppen festgestellt. Während in den Schulen die kulturelle Vielfalt der Einwanderer in den Mittelpunkt gestellt wurde, um Toleranz und Akzeptanz zu schaffen, wurde auf Seiten der Institutionen Rassismus weiterhin ausgeübt. Diese Erkenntnisse führten zu zahlreichen Untersuchungen auf der Ebene der Schule als Institution. Dabei wurden unter anderem auch Lehrpläne, Lehrbücher und beispielsweise auch die Verteilung der Kinder auf verschiedene Schulformen untersucht. Als Ergebnis kam es in den 80er Jahren zur Einführung einer antirassistischen Erziehung, die vor allem Veränderungen in den Schulen, aber auch im gesamten Bildungssystem anstrebten. Untersuchungen zeigten später jedoch, dass die beabsichtigten Modifikationen nur teilweise umgesetzt werden konnten.[33]

IV.4.2 Institutionelle Diskriminierung

Häufig geschieht Diskriminierung von Ausländern durch angepasste Strukturen und Wertvorstellungen, durch Gewohnheiten oder Handlungsmaxime, welche in Organisationen institutionalisiert sind. Diese Organisationen arbeiten nach individuellen Prinzipien und entscheiden meist auf ihre eigenen Ziele bedacht, nach aparten Richtlinien. Betrachtet man jene Kriterien von außen her, können in Bezug auf Gleichheit und Gerechtigkeit durchaus moralische Missstände, sprich Diskriminierungseffekte, offensichtlich werden.[34] Des Weiteren wird unter dem Begriff „institutionelle Diskriminierung“ Rassismus als Ergebnis sozialer Prozesse verstanden. Hauptakteur sind, wie bereits erwähnt, die gesellschaftlichen Einrichtungen, wie beispielsweise der Bildungssektor. Die Mechanismen, durch welche die institutionelle Diskriminierung wirkt, wurden erst in Arbeiten der letzten Jahre in die nähere Betrachtung genommen. Gleichzeitig wurde institutionelle Diskriminierung zu einem Model weiterentwickelt, dass die verschiedenen Benachteiligungsfaktoren wie Geschlecht, Herkunft, soziale Schicht etc. zu implizieren versucht.[35]

Institutionelle Diskriminierung kann in direkter oder indirekter Art und Weise auftreten. Diese Einteilung erfolgt gemäß Feagin und Clairece, direkte institutionelle Diskriminierung resultiert demzufolge aus ständigen, sowie absichtlichen Handlungen in Organisationen. Diese können einerseits gesetzlich geregelt sein oder andererseits informelle Verfahren, die routinemäßig durchgeführt werden. Indirekte institutionelle Diskriminierung bezieht sich dagegen auf jegliche Form von Maßnahmen, welche negative Auswirkungen für bestimmte Gruppen, wie eben Familien mit Migrationshintergrund, haben. Häufig resultiert diese Form von Diskriminierung aus dem Gebrauch einheitlicher Grundsätze, die allerdings generell zu verschiedenen Ergebnissen bei unterschiedlichen Gruppierungen führen. So ist zum Beispiel eine Rückstellung von Kindern mit Migrationshintergrund in der Einschulungsphase durchaus eine Form indirekter institutioneller Diskriminierung, da hierbei die Kinder in der Grundschulzeit durchaus zu einem Risikofaktor werden können, da sie durch weitere Auswahlprozesse, wie Rückstellung um eine Klasse oder Überweisung auf eine Sonderschule, „überaltern“ können.[36]

IV.4.3 Institutionelle Diskriminierung durch die Institution Schule

Direkte institutionalisierte Diskriminierung gibt es an deutschen Schulen nicht mehr, mit Ausnahme von Konfessionsschulen, die nach Religionszugehörigkeit diskriminieren, und ein paar wenige Privatschulen mit lebensphilosophischer Prägung. Gomolla und Radtke gehen in ihrer Arbeit der Frage nach, inwiefern Schulen und Institutionen es bewerkstelligen, von außen beobachtbare und statistisch dokumentierte Diskriminierungen nicht wahrzunehmen.[37]

Internationale Schulleistungstests haben, genauso wie Nationale, erwiesen, dass in Deutschland Schüler aus Familien mit Migrationshintergrund deutlich schlechtere schulische Leistungen aufweisen, als ihre deutschen Mitschüler. Trotz der eigentlichen Objektivität des Schulwesens kommt es doch vor, dass Schüler aus bestimmten sozialen Verhältnissen oder aber eben mit Migrationshintergrund marginalisiert werden. Gomolla und Radtke untersuchten in diesem Zusammenhang, inwieweit institutionelle Diskriminierung in Zusammenhang mit ungünstigen Schülerbeurteilungen steht, wenngleich Auernheimer gegen eine solche Form der Diskriminierung argumentiert, und das schlechte Abschneiden der Schüler mit Migrationshintergrund durch die geringen Kompetenzen erklärt.[38] Weber argumentiert, dass in Schulen Auswahlprozesse oftmals auch am Migrationshintergrund festgemacht werden. Um dies zu belegen, führte sie Interviews mit Lehrkräften einer Schule durch, um zu zeigen, dass auch soziale Kriterien zur Beurteilung eines Schülers herangezogen werden. Festgestellt wurde, dass häufig lediglich der familiäre Hintergrund eines Kindes beleuchtet wird, anstatt auf die Schulleistungen des Kindes zu schauen. Des Weiteren, so Weber, wird über Schulerfolg und Migrationshintergrund auch auf Schulkonferenzen diskutiert, ebenso werden Eltern zu einem Schulwechsel ihres Kindes angehalten.[39] Damit wird versucht, den Grund für das Scheitern von ausländischen Kindern an Schulen, auf die Schüler selbst verlagert. Diese Fakten können im Sinne einer institutionellen Diskriminierung angesehen werden.[40]

[...]


[1] Art.116, Grundgesetz (2001), S.59

[2] Sachverständigenrat für Zuwanderung und Integration (2004), S.99ff

[3] Seitz (2006), S.10

[4] Emmerich, Michaela (1987): Die soziale Situation ausländischer Kinder in der Bundesrepublik Deutschland. in Buchkremer, Hansjosef & Emmerich, Michaela (Hrsg.)(1987): Ausländerkinder. Sonderpädagogische Fragestellungen. Hamburg: EB-Verlag, S.54f

[5] Literatur zum Thema Migration u.a. Angenendt, Steffen (1997): Migration und Fluch.: Aufgaben

und Strategien für Deutschland, Europa und die internationale Gemeinschaft. Bonn: Bundeszentrale für Polit. Bildung. (Schriftenreihe / Bundeszentrale für Politische Bildung, 342)

[6] Behr, Vera (1986): Türkische Kinder und Jugendliche in deutschen Schulen. Kulturelle Hintergründe. In: Tumat, Alfred J. (1986): Interkulturelle Erziehung in Praxis und Theorie. Band 3. Migration und Integration. Ein Reader. Sulzberg/Allgäu : Pädagogischer Verlag Burgbücherei Schneider, S.153

[7] zum genauen Verlauf der Erziehung der Kinder und zu islamischen Verhaltensregeln Behr (1986), S.153ff

[8] Behr (1986), S.164f

[9] Langenfeld, Christine (2001): Integration und kulturelle Identität zugewanderter Minderheiten. Eine

Untersuchung am Beispiel des allgemeinbildenden Schulwesens in der Bundesrepublik Deutschland. Tübingen: Mohr-Siebeck. (Jus publicum, 80), S.562f

[10] Gomolla (2007), S.213ff; Langenfeld (2001), S.563

[11] Hurrelmann, Klaus (2006): Einführung in die Sozialisationstheorie. 9.Auflage, Weinheim: Beltz, S.152f

[12] Hurrelmann, Klaus & Bründel, Heidrun (2003): Einführung in die Kindheitsforschung. 2.Auflage, Weinheim: Beltz, S.108

[13] Weiss, Hans Peter (1986): Interkulturelle Erziehung. Spätaussiedler und Flüchtlinge in der Bundesrepublik Deutschland. In: Tumat, Alfred J. (1986): Interkulturelle Erziehung in Praxis und

Theorie. Band 3. Migration und Integration. Ein Reader, Sulzberg/Allgäu : Pädagogischer Verlag

Burgbücherei Schneider, S.301

[14] Eckhardt, Andrea G. (2008): Sprache als Barriere für den schulischen Erfolg. Potentielle Schwierigkeiten

beim Erwerb schulbezogener Sprache für Kinder mit Migrationshintergrund, Münster : Waxmann, S.49

[15] Ebenda, S.73

[16] Gill (2005), S.165

[17] Eckhardt, 2008, S.16

[18] Ebenda, S.80

[19] Demidow, Irene (1999): Fachlernen in der Zweitsprache Deutsch. Wie zweisprachige Schüler(innen) Physik verstehen. In: Zeitschrift für Didaktik der Naturwissenschaften, 5(2), Seite 15-32 URL: ftp://ftp.ipn.uni-kiel.de/pub/zfdn/1999/Heft2/S.15-32_Demidow_99_H2.pdf [Zugriff am 6.01.2010]

[20] zur genaueren Untersuchung für Probleme beim Sprach- und Fachspracherwerb Eckhardt (2008)

[21] Abels, Heinz (2007): Einführung in die Soziologie. Band 1: Der Blick auf die Gesellschaft. 3. Auflage. Wiesbaden : Verlag für Sozialwissenschaften, S.309f

[22] Joas, Hans (2007): Lehrbuch der Soziologie. 3.Auflage, Frankfurt/Main: Campus-Verlag, S.247, ebenso Abels (2007), S.310f, dieser führt allerdings das symbolische Kapital nicht mit auf

[23] Treibel, Annette 2006 . Einführung in soziologische Theorien der Gegenwart. 7.Auflage. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften, S.229f

[24] Abels (2007), S.311

[25] Abels (2007), S.312

[26] Bohn, Cornelia & Hahn, Alois (1999): Pierre Bourdieu. in: Kaesler, Dirk (Hrsg.)(1999): Klassiker der

Soziologie. Band II. Von Talcott Parsons bis Pierre Bourdieu. München: C.H.Beck, S.257ff

[27] Treibel (2006), S.226ff

[28] Lener, Gabriele (1999): Schulische Integration und Reproduktion sozialer Ungleichheit. [URL: http://bidok.uibk.ac.at/library/lener-ungleichheit.html Zugriff am 30.01.2010]

[29] Lener (1999), o.S.

[30] Weber, Martina (2005): „ Ali Gymnasium": Soziale Differenzen von SchülerInnen aus der Perspektive von Lehrkräften. in: Hamburger, Franz et al. (2005): Migration und Bildung: Über das Verhältnis von Anerkennung und Zumutung in der Einwanderungsgesellschaft, Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften, S.77f

[31] Hormel, Ulrike (2007): Diskriminierung in der Einwanderungsgesellschaft. Begründungsprobleme

pädagogischer Strategien und Konzepte. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften, S.75ff

[32] Gomolla (2007), S.51f, zu den Theorien der institutionellen Diskriminierung Hormel (2007), S.65ff

[33] Gomolla (2007), S.52f

[34] Gomolla (2007), S.18

[35] Gomolla, Mechthild (ohne Jahr): Institutionelle Diskriminierung im Bildungs- und Erziehungssystem. URL: http://egora.uni-muenster.de/ew/personen/medien/gomolla.pdf [Zugriff am 26.01.2010], S.2

[36] Gomolla (ohne Jahr), S.2f

[37] auf eine ausführliche Schilderung soll an dieser Stelle verzichtet werden. dazu Gomolla (2007), S.85ff

[38] Gomolla (2007), S.69

[39] Es ergibt sich jedoch aus den Interviewanalysen nicht, ob dies in Abhängigkeit von schulischer Leistung geschieht, oder nicht

[40] ebenda, S.71ff

Details

Seiten
Erscheinungsform
Erstausgabe
Erscheinungsjahr
2010
ISBN (PDF)
9783956847448
ISBN (Paperback)
9783956842443
Dateigröße
5.1 MB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Universität Leipzig
Erscheinungsdatum
2015 (Februar)
Note
1,5
Schlagworte
Kapitaltheorie Schulleistungsstudie Institutionelle Diskriminierung Bildungsbarriere Bordieu

Autor

Peter Wesner, I. + II. Staatsexamen, wurde 1980 in Oschatz geboren. Nach mehrjähriger Tätigkeit als Zeitsoldat entschied er sich zum Studium für das Lehramt an Mittelschulen mit der Fachkombination Geschichte und Gemeinschaftskunde. Dieses schloss er an der Universität Leipzig im Jahre 2010 erfolgreich ab. Bereits während des Studiums sammelte der Autor als Förderlehrer umfassende praktische Erfahrungen im Umgang mit Schülern mit Migrationshintergrund an staatlichen Schulen. Nach seinem Referendariat an einer Mittelschule, an der viele Schüler ausländischer Familien unterrichtet werden, arbeitet er inzwischen als Lehrer für Deutsch, Musik, Geschichte und Gemeinschaftskunde an einer Schule für Erziehungshilfe in freier Trägerschaft.
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Titel: Migration und Bildungsbenachteiligung: Kinder ausländischer Familien im deutschen Bildungssystem
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