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Naturerfahrung in der Umweltpädagogik: Die Bedeutung unmittelbarer, sinnlicher Erfahrung von Natur für umweltgerechtes Verhalten - Mit einem Nachwort zur Naturbeziehung

©2004 Studienarbeit 42 Seiten

Zusammenfassung

Die vorliegende Arbeit untersucht ausgewählte Texte der Umweltpädagogik auf die dort ausgearbeitete Bedeutung der Naturerfahrung für umweltgerechtes Verhalten. Hierbei werden zunächst auf Naturerfahrung zentrierende Texte untersucht. In einem zweiten Schritt wird das Thema Naturerfahrung in das größere Gefüge der Umweltpädagogik eingeordnet und dies wiederum in bestimmten Positionen verortnet. In den ersten Texten wird eine wie vielleicht zu erwarten eher direktere Beziehung zum umweltgerechten Verhalten angesetzt. Dies trifft auf die differenzierten und einordnenden Betrachtungen aber nicht zu. Hier werden auch kritische Anmerkungen zur 'positiven' Naturerfahrung gehört. Mitsamt einer kurzen Beleuchtung zweier empirischer Studien wird ein Fazit gezogen. Notwendig wenn auch nicht hinreichend ordnet sich Naturerfahrung als Baustein pädagogischer Maßnahmen zur Objektivierung und Subjektivierung des Mensch-Natur-Verhältnisses in das Gefüge Umweltpädagogik ein. Diese Arbeit begleitet den Leser in eine erste Differenzierung. Ein kurzes und zehn Jahre nach der Anfertigung der Arbeit ergänztes Nachwort wird dem Leser abschließend eine der vielen Möglichkeiten zur Weiterarbeit aufzeigen.

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


tung, Koordination und Verarbeitung dieser Reize im Gehirn. In diesen Prozess
gehen individuelle Erfahrungen, Erlebnisse und subjektive Bewertungen ein. In
der Regel folgen der Aufnahme und Verarbeitung von Information Reaktionen in
der Motorik oder im Verhalten eines Menschen, die wiederum zu neuen Wahr-
nehmungen führen..." (Zimmer 1995, S. 32)
Naturerfahrung, Umwelterfahrung; die unmittelbare, also nicht über ein künstli-
ches, vom Menschen geschaffenes Medium wie Bücher oder Fernsehen, über-
tragene, sinnliche Erfahrung, die in und an der Umwelt, bzw. Natur, speziell an
Flora, Fauna und an deren Standorten sowie an der leblosen Umwelt gemacht
wird und die gedankliche Auseinandersetzung mit dieser und dem Erfahrenen
Umweltpädagogik, Naturpädagogik; erstens die Bildung
5
im wissenschaftlichen
Sinne aus dem Themenbereich der Naturwissenschaften, zweitens die Erzie-
hung
6
im wissenschaftlichen Sinne zu einem die Natur bewahrenden, ökolo-
gisch vertretbaren Verhalten, drittens die Befähigung zur Umsetzung des Ge-
lernten und dem durch Umweltpädagogen vermittelten Wert die Umwelt als
Lebensgrundlage des Menschen nicht zu vergiften und damit zu zerstören
Umwelthandeln; Verhalten bezüglich des Umgangs mit Umwelt beziehungsweise
Natur
7
4) Leitfrage und Hypothesen
Welche Bedeutung hat unmittelbare, sinnliche Erfahrung der Natur, für Um-
weltpädagogik?
Die in diesem Sinn aufgestellte und zu überprüfende zentrale Hypothese lautet:
Sinnliche Erfahrung der Natur, also Naturerfahrung, wird in der Umweltpäd-
agogik deshalb angewandt, weil sie zu einem die Umwelt bewahrenden, das
heißt ökologisch vertretbaren, Umgang mit der Umwelt beim Individuum führt.
Ausgehend von dieser These können weiterführende Hypothesen formuliert werden:
a) Sinnliche Erfahrung der Natur, also Naturerfahrung, wird in der Umweltpäd-
agogik deshalb angewandt, weil sie die Vermittlung des Wertes der Umwelt,
notwendige Lebensgrundlage des Menschen zu sein, effizienter macht und
über diese ökologisch vertretbares Verhalten erzeugt.
5
Vgl. Speck u. Wehle (Hg.) (1970), S.156f und vgl. Häcker u. Stapf (Hg.) (1998), S.130
6
Vgl. Schiefele u. Krapp (Hg.) (1981), S.108f und vgl. Häcker u. Stapf (Hg.) (1998), S.245
7
Die Leitfrage enthält "umweltgerechtes Verhalten" nicht explizit. Vielleicht gerade weil sie als Ziel der
Umweltpädagogik selbstverständliches vorausgesetzt wurde, wurde nur wenig differenziert. (2014)
9

b) Naturerfahrung wird in der Umweltpädagogik eingesetzt, um Menschen die
Umwelt sinnlich bekannt zu machen, und um sie damit in die Lage zu verset-
zen, ökologisch vertretbare Entscheidungen zu treffen und umweltgerecht zu
handeln.
5) Methodisches Vorgehen
Die verwendeten Hauptquellen werden in drei Kategorien
8
aufgeteilt und sollen mit-
tels vergleichender Inhaltsanalyse unter bestimmten Kriterien
9
bearbeitet werden.
Im ersten Kapitel der Arbeit soll Literatur untersucht werden, die primär Natur-
erfahrung in ihrer theoretisch direkten Wirkung behandelt. Dazu gehören Winkel
(1995), Cornell (1989), Knauer u. Brandt (1995) und Göpfert (1987) in Bolscho u.
Seybold (1996). Dadurch soll der Stellenwert von Naturerfahrung in der Umweltpäd-
agogik, so wie ihn diese Literatur festlegt, und die dem Stellenwert entsprechende,
theoretisch geplante, direkte Wirkung von Naturerfahrung auf das Umwelthandeln
selbst untersucht werden. Konkret soll erstens die Art und Weise untersucht werden,
wie Naturerfahrung angewendet wird, zweitens die Reichweite dieser Anwendung
von Naturerfahrung und drittens die theoretisch geplante, direkte Wirkung von Natur-
erfahrung auf das Umwelthandeln.
Im zweiten Kapitel der Arbeit wird Literatur untersucht, die Naturerfahrung in
komplexere Gefüge der Umweltpädagogik bezüglich der Beeinflussung von Umwelt-
handeln einordnet. Dazu gehören Bolscho u. Seybold (1996), Becker (2000) und Be-
cker (2001) sowie Schaar (1995) und Scholz (1997) als Kritiker der im ersten Kapitel
dargestellten Konzepte. Die Bedeutung, die sie Naturerfahrung für das Umwelthan-
deln zuschreiben, wird mit der Bedeutung von Naturerfahrung für das Umwelthan-
deln, wie sie die im ersten Kapitel der Arbeit betrachteten Quellen angeben, in der
Zusammenfassung (Kapitel 4) verglichen.
Im dritten Kapitel der Arbeit wird eine empirische Untersuchungen zur Wirkung
von Naturerfahrung auf das Umwelthandeln kurz auf ihre Ergebnisse hin betrachtet.
Bögeholz (1999) und Bittner (2002), welcher sich vielfach auf Bögeholz (1999) be-
8
Die erste Kategorie bilden die Naturerfahrungskonzepte (Winkel (1995), Cornell (1989), Knauer u.
Brandt (1995) und Göpfert (1987)), die zweite Kategorie bilden die komplexeren Umweltbildungskon-
zepte (Bolscho u. Seybold (1996), Becker (2000) und Becker (2001) und Kritiker (Schaar (1995) und
Scholz (1997)), die dritte Kategorie bilden die empirischen Untersuchungen zur Naturerfahrung (Böge-
holz (1999), Bittner (2002)).
9
Diese werden im entsprechenden Kapitel ausführlich dargestellt.
10

zieht, sollen verwendet werden. Sie soll Hinweise auf die Richtigkeit der bis dahin be-
schriebenen Thesen und Konzepte zur Wirkung von Naturerfahrung auf das Umwelt-
handeln geben.
Im vierten Kapitel der Arbeit werden die gewonnenen Ergebnisse der Literatur-
analyse aus Kapitel eins, zwei und drei, bezüglich der Bedeutung, der Naturerfah-
rung in der Umweltpädagogik zugeschrieben wird, miteinander verglichen werden
und die aufgestellte Fragestellung thesenhaft beantwortet werden.
6) Hauptquellen
1. Literatur, welche primär Naturerfahrung in ihrer theoretischen Wirkung be-
handelt:
Winkel (1995): In diesem Konzept hat die sensorische Erfahrung der Umwelt eine
zentrale Bedeutung und das sogenannte pflegerisches Verhalten ist das höchstes
Erziehungsziel.
Cornell (1989): Die sinnliche Erfahrung im Freiland steht im Mittelpunkt dieses Kon-
zepts, um ein Umweltbewusstsein zu entwickeln und Umwelthandeln zu beeinflus-
sen.
Knauer u. Brandt (1995): Der Nutzen von vielfältigen Naturerfahrungen mit allen Sin-
nen im Gegensatz zur theoretischen Wissensvermittlung für das Umwelthandeln
wird vorgestellt.
Göpfert (1987): Ein theoretisches Konzept zur naturnahen Erziehung und Bildung.
11

2. Literatur, welche die Bedeutung von Naturerfahrung komplexer einzuordnen
versucht:
2.1 Literatur, welche die direkte Wirkung von Naturerfahrung auf Umwelthan-
deln bezweifelt:
Schaar (1995): Das Problem von negativen Erfahrungen im Rahmen von Naturerfah-
rung bezüglich der Entwicklung einer positiven, emotionalen Bindung zur Natur wird
beschrieben.
Scholz (1997): Das Problem aus Umweltliebe ein naturschützendes Verhalten zu ent-
wickeln wird bezüglich der selektiven Wahrnehmung des Menschen erläutert.
2.2 Literatur, welche Naturerfahrung in komplexere Gefüge der Umweltpädago-
gik einordnet:
Bolscho u. Seybold (1996): Stattfindende schulische und außerschulische Umweltbil-
dung sowie geschichtliche, theoretische Grundlage von Umweltbildung wird be-
schrieben.
Becker (2001): Die Geschichte der Umweltbildung seit den 70er Jahren wird be-
schrieben und es wird ein auf urbane Landschaften gerichtetes Umweltbildungskon-
zept entwickelt.
Becker (2000): Dies ist eine Sammlung seiner Aufsätze zum Thema Nachhaltigkeit.
3. Empirische Untersuchungen zur Wirkung von Naturerfahrung:
Bögeholz (1999): Die Zusammenhänge zwischen Naturerfahrung, Umweltwissen und
Umwelthandeln werden auf einer empirischen Grundlage beleuchtet.
Bittner (2002): Es ist eine empirische Studie zur außerschulischen Umweltbildung.
Sie bezieht sich oft auf die Ergebnisse von Bögeholz (1999).
12

1. Naturerfahrung in der Umweltpädagogik
In diesem Kapitel der Arbeit soll die Bedeutung von Naturerfahrung bezüglich der
Wirkung auf das Umwelthandeln untersucht werden, wie sie einfachere, direktere
Konzepte in der Umweltpädagogik beschreiben.
Für die im zweiten Kapitel geführte Untersuchung der Wirkung und Zielset-
zung von Naturerfahrung in komplexeren Gefügen der Umweltpädagogik bezüglich
der Einflussnahme auf das Umwelthandeln, ist es unerlässlich, die Bedeutung der
Begriffe Wahrnehmung und Natur, so wie sie in den einfacheren Konzepten zur di-
rekten Wirkung von Naturerfahrung auf das Umwelthandeln verwendet werden, zu
untersuchen. Dies soll in diesem ersten Kapitel der Arbeit geschehen. Dazu sollen
entsprechend ausgesuchte Quellen der Umweltpädagogik auf ihre Verwendung des
Begriffs Umwelt- beziehungsweise Naturerfahrung untersucht werden. Es gehören
dazu Winkel (1995), Cornell (1989), Knauer u. Brandt (1995) und Göpfert (1987) in
Bolscho u. Seybold (1996).
Der Inhalt des ersten Abschnitts dieser Untersuchung des Begriffs Naturerfah-
rung ist der im wissenschaftlichen Diskurs umstrittene Umfang von Sinnen, mit dem
Naturerfahrung stattfinden soll und die Art und Weise, wie sie genau geschehen soll.
Dieser Aspekt von Naturerfahrung wird durch das Verständnis des Begriffs Erfahrung
festgelegt. Des weiteren soll die ebenfalls umstrittene Reichweite von Naturerfah-
rung, welche durch das Verständnis der Begriffe Natur und Umwelt festgelegt wird,
untersucht werden.
10
Es soll also untersucht werden, was unter den Begriffen Umwelt
beziehungsweise Natur und dem Begriff Erfahrung im Zusammenhang mit dem Be-
griff der Umwelt- beziehungsweise Naturerfahrung zu verstehen ist, so sie er in der
ausgesuchten Literatur der Umweltpädagogik verwendet werden.
11
Das Verständnis
dieser Begriffe fällt, wie sich im Verlauf der Literaturrecherche gezeigt hat, außeror-
dentlich unterschiedlich aus.
Der dritte Abschnitt dieses Teils der Arbeit wird die Quellen auf Äußerungen
zur theoretischen Wirkung von Naturerfahrung hin untersuchen, im Besonderen auf
die Wirkung für das Umwelthandeln.
10
Die Kriterien für diese Untersuchung sind also die Bedeutung der Begriffe in der untersuchten Lite-
ratur, unabhängig von der getroffenen Definition von Naturerfahrung.
11
Becker beschreibt dieses Problem. Vgl. Becker (2000), S. 131.
13

1.1 Das Verständnis des Begriffs ,,Erfahrung"
So wie sinnliche Wahrnehmung in der Einleitung definiert wurde, ist darunter der Ge-
brauch von fünf Sinnen
12
der Umweltwahrnehmung als auch der Gebrauch von vier
weiteren Sinnen
13
der Körperwahrnehmung zu verstehen. Der Begriff Erfahrung im
Begriff Naturerfahrung beschreibt weitestgehend einen Akt unterschiedlich stattfin-
dender Wahrnehmungen und die gedankliche Auseinandersetzung mit dem Wahrge-
nommenen.
Unterschiedliche Autoren haben sich mit dem Begriff der Naturerfahrung aus-
einandergesetzt und ihn mit unterschiedlichen Zielsetzungen für sich definiert. Denn
wie man etwas wahrnimmt, also mit welchen Sinnen
14
, und ob dies über ein Medium
geschieht ist schließlich nicht zwingend festgelegt.
15
Winkel beschreibt unter der Überschrift ,,Die Sinnesausstattung des Menschen
und ihre Beziehung zur Natur und Umwelterziehung" jene fünf klassischen Sinne in
ihrer Funktion und ihrer Bedeutung für das bewusste Wahrnehmen.
16
Da die sinnli-
che Wahrnehmung mit der Erfahrung der Natur für ihn in unmittelbarem Zusammen-
hang steht und die Voraussetzung für Naturerfahrung ist,
17
stellt er ausführlich mögli-
che Trainingsmöglichkeiten dieser Sinne dar.
18
Winkel erweitert seinen Katalog von
Sinnen, welche für die Naturwahrnehmung notwendig sind um drei weitere physisch
geprägte Sinne, welche sich als Körpersinne bezeichnen lassen.
19
Diese sind der
Gleichgewichts- und Orientierungssinn, der Eigenbewegungssinn und der Wärme-
sinn.
20
Hinzu kommen weitere sogenannte ,,Sinne ohne Rezeptoren" (Winkel 1995,
S.203). Sie sind psychisch geprägt und stellen sich aus dem Laut-, Sprach und Wort-
sinn, dem Gedanken-, Begriffs- und Vorstellungssinn und dem Ich-Sinn zusammen.
In dieser Zusammenstellung von zwölf Sinnen bezieht er sich dabei weitgehend auf
12
Die klassischen Sinne Sehen, Hören, Tasten, Riechen, Schmecken sind gemeint. Vgl. Winkel
(1995), S.161.
13
Winkel beschreibt neben den fünf Sinnen weitere vier physisch geprägte Sinne, Winkel trennt ähn-
lich wie Zimmer Umweltwahrnehmung und Körperwahrnehmung. Diese Sinne werden bei der Unter-
suchung von Winkels Konzept aufgezählt. Vgl. Winkel (1995), S.161 u. Zimmer (1995), S. 32.
14
Mit Sinnen sind die fünf klassischen Sinne und auch weitere denkbare Sinne gemeint. Winkel be-
schreibt vier weitere physisch und drei weitere psychisch geprägte Sinne. Vgl. Winkel (1995) S.203.
15
Eigene und medial vermittelte Erfahrung wird differenziert; Vgl. Knauer (1995), S.38.
16
Vgl. Winkel (1995), S. 159.
17
Vgl. Winkel (1995), S. 165.
18
Winkel bezieht sich bei der Entwicklung dieser Trainingsmöglichkeiten immer wieder auf andere Au-
toren, welche sich mit der Sinneswahrnehmung beschäftigt haben, so z. B. Kükelhaus (1982) aber
auch Cornell (1989).
19
Vgl. Zimmer (1995), S. 32.
20
Vgl. Winkel (1995), S.169 , S.178 und S.196.
14

Aeppli.
21
Die Unmittelbarkeit von Naturerfahrung wird dabei ausführlich mit dem Be-
zug auf Kükelhaus betont.
22
Cornell beschreibt, eingegliedert in eine Systematik zum Erlangen eines Na-
turbewußtseins,
23
unmittelbare Erfahrung der Natur als einen Vorgang, in dem ,,meh-
rere Sinneseindrücke des Naturerlebnisses verstärkt werden..." (Cornell 1989, S.38).
Dabei versteht er unter Sinneseindruck den Gebrauch der fünf klassischen Sinne.
24
Er betont dabei: ,,Aber sich nur der Natur auszusetzen, genügt nicht immer..." (Cor-
nell 1989, S.14). Vielmehr widmet er sich diesem Problem besonders, indem er ein
Konzept entwickelt, welches sicherstellt, dass die Wahrnehmung bewußt geschieht
und die Möglichkeit besteht, sich darüber mit anderen auseinanderzusetzen.
25
Unmit-
telbarkeit spielt bei Cornell eine große Rolle, dies macht er deutlich, indem er die Dif-
ferenz zwischen medialer und unmittelbarer Wahrnehmung betont.
26
Knauer u. Brandt betonen die Ganzheitlichkeit der anzustrebenden Wahrneh-
mung. Ganzheitlichkeit wird als Wahrnehmung, die alle Sinne gleichmäßig bean-
sprucht,
27
verstanden.
28
Dies wird als Notwendigkeit zur gegenwärtigen Situation be-
schrieben, in der ,,(...) sinnliche Auseinandersetzung mit Natur und Umwelt (...) sehr
einseitig (...)" (Knauer u. Brandt 1995, S.37) ist. Auch Knauer und Brandt beziehen
sich in ihrem Verständnis der Sinne auf die klassischen fünf Sinne.
29
Sie betonen wie
Cornell die bewusste Wahrnehmung und die gedankliche Auseinandersetzung mit
diesen Eindrücken.
30
Wie bei Winkel
31
fließt in die Betrachtungen von Knauer u.
Brandt der Aspekt der sprachlichen Auseinandersetzung mit der Natur ein. Sie ver-
weisen auf die unzureichende, sprachliche Auseinandersetzung mit der Natur und
fordern speziell in der Naturwahrnehmung eine verstärkt kognitiv-sprachliche Ausein-
andersetzung in Form von Gesprächen mit der Natur.
32
Grundsätzlich ordnen sie
21
Aeppli, W.: Sinnesorganismus, Sinnesverlust, Sinnespflege; Freies Geistesleben, Stuttgart 1967.
22
Vgl. Winkel (1996), S.160f.
23
Vgl. Cornell (1989), S.17f.
24
Vgl. Cornell (1989), S.18.
25
Cornell entwickelt in diesem Zusammenhang die sog. ,,Flow Learning" Methode. Vgl. Cornell (1989),
S.18.
26
Cornell bedient sich eines Gedichts von J. Muir, um seine Aussage zu untermauern. Vgl. Cornell
(1989), S.36.
27
Dies ist prinzipiell nicht möglich. Jedoch kann darauf hingestrebt werden um sich einer gleichmäßi-
gen Beanspruchung anzunähern. Vgl. Schiefele u. Krapp (Hg.) (1981), S.412f.
28
Vgl. Knauer u. Brandt (1995), S.37.
29
Vgl. Knauer u. Brandt (1995), S.37.
30
Naturerfahrung wird als emotionell-sinnlich verstanden. Unter diesem Gesichtspunkt soll sich mit
Gefühlen wie Ängsten und Ekel auseinandergesetzt werden. Vgl. Knauer u. Brandt (1995), S.39.
31
Winkel nennt als zu trainierende Sinne den Laut-, Sprach und Wortsinn, dem Gedanken-, Begriffs-
und Vorstellungssinn. Vgl. Winkel (1995), S.203 u. S.207.
32
Vgl. Knauer u. Brandt (1995), S.38.
15

medial vermittelter Naturerfahrung, wie sie zum Beispiel über das Fernsehen statt-
finden kann, eine sekundäre Bedeutung zu, indem sie jene als Ergänzung zu unmit-
telbar gemachter Erfahrung betrachten, welche sich eben auf diese unmittelbar ge-
machte Erfahrung beziehen muss.
33
,,Wenn Kinder Frösche in der Natur erlebt haben,
kann ein Film über Frösche wichtige zusätzliche Informationen bieten." (Knauer u.
Brandt (1995), S.39)
Göpfert beschreibt Naturerfahrung als sinnhaft und ganzheitlich.
34
Bolscho u.
Seybold beziehen sich in ihren Ausführungen auf ihn. Eine genaue Stellungnahme,
wie unmittelbare, sinnliche Erfahrung darin eingeordnet sind, also wie das Adjektiv
sinnhaft zu verstehen ist, wird nicht gegeben. Jedoch wird auf das Ziel hingewiesen,
dass Kinder und Jugendliche sich in ihrer Erfahrungswelt erholen und stets Neues
beobachten sollen. Erleben mit den Sinnen deutet sich im Begriff Beobachten an,
welcher den Gebrauch des Sinns Sehen beschreibt
.
35
Die Betonung auf Ganzheit-
lichkeit ist wesentlich stärker ausgeprägt und meint, dass Natur und auch Teile der
Natur, wie beispielsweise einzelne Tiere, in ihrer Gänze zu betrachten sind,
36
um Na-
turerfahrung wertvoll zu machen, und nicht in ihre Komponenten zerlegt werden dür-
fen, wie es beispielsweise geschieht, wenn ein Tier betrachtet wird und es dazu in
seine einzelnen Organe zerlegt wird.
37
Die Möglichkeit, Natur medial zu erfahren,
wird nicht erwähnt, dementsprechend aber auch nicht explizit ausgeschlossen.
Winkel, Cornell, Knauer u. Brandt sowie Göpfert sind Autoren, die Naturerfah-
rung vornehmlich unter dem Zweck betrachten, Umweltverhalten direkt zu beeinflus-
sen. Und zwar durch eine entsprechende Menge von Naturerfahrung, mit einer be-
stimmten Qualität.
38
Für ihre Konzepte hat Naturerfahrung die zentrale Bedeutung.
Entsprechend ausführlich äußern sie sich über die Art und Weise des Wahrnehmens
und die dazu notwendigen Sinne. Es lässt sich folgendes zusammenfassen:
Über die Relevanz der fünf klassischen Sinne für die Naturerfahrung ist man
sich weitestgehend einig; lediglich Göpfert spezifiziert den Gebrauch der Sinne nicht.
Winkel hingegen erweitert den Katalog der Sinne. Alle Autoren beschreiben auf un-
33
Auf den Umstand Natur zuerst medial und dann unmittelbar zu erleben und die daraus entstehen-
den Konsequenzen wird nicht eingegangen. Vgl. Knauer u. Brandt (1995), S.39.
34
Bolscho u. Seybold äußern sich über Göpfert (1987). Vgl. Bolscho u. Seybold (1996), S.85.
35
Vgl. Göpfert (1987), S.8f in Bolscho u. Seybold (1996), S.85.
36
Dies ist prinzipiell nicht möglich. Es kann jedoch versucht werden sich diesem Anspruch dadurch zu
nähern, dass möglichst viele Aspekte betrachtet werden. Vgl. Schiefele u. Krapp (Hg.) (1981), S.413f
37
Bolscho u. Seybold äußern sich über Göpfert (1987), Vgl. Bolscho u. Seybold (1996), S.86
38
Zu den unterschiedlichen Ansätzen, zu welchem Zweck Naturerfahrung angewendet werden soll
und in welche Gefüge sie eingeordnet werden soll, wird in Kapitel 2 eingegangen.
16

terschiedliche Art und Weise die Differenz zwischen unbewusster und bewusster
Wahrnehmung. Sie erörtern alle, dass ein Bewusstsein über das eigene Wahrneh-
men vorhanden sein muss, damit die Wahrnehmung auch in ihrer Vollständigkeit
39
beim Wahrnehmenden zur Geltung kommt. Dies ist für Cornell neben der Sinnlichkeit
der wichtigste Aspekt seines Konzepts, nämlich dass sich systematisch ein Bewusst-
sein für das Wahrgenommene entwickeln soll. Ihrem Konzept von Naturerfahrung
ordnen Winkel und Cornell medial vermittelten Eindrücken keine Bedeutung zu,
Knauer und Brandt eine sekundäre, beziehungsweise ergänzende, Bedeutung. Göp-
fert hingegen geht nicht auf diese Möglichkeit ein, was aber angesichts seiner übri-
gen Ausführungen eher dahingehend zu interpretieren ist, dass sie bei ihm ebenfalls
keine Bedeutung haben. Des weiteren fordern Knauer u. Brandt eine Rückkehr zu
naturspezifischem Vokabular
40
, welches für sie Teil der sinnlichen Naturerfahrung ist
und Göpfert fordert, Natur als Ganzes und nicht in Komponenten zerlegt zu betrach-
ten.
41
Dies ist eine seiner Kernforderungen für die Naturerfahrung, da sie in seinem
Konzept nur so wertvoll sei.
42
Naturerfahrung spielt sich in den Konzeptionen der untersuchten Literatur also
primär mit den klassischen fünf Sinnen ab, ist unmittelbar und muss, um wirksam zu
sein, bewusst erlebt werden.
39
Wahrnehmung kann Objekte nie vollständig erfassen und Wahrnehmung ist immer selektiven Pro-
zessen unterworfen. Vgl. Schiefele u. Krapp (Hg.) (1981), S.413f
40
Also Vokabular welches Zustände, Vorgänge und Objekte der Natur bezeichnet.
41
Es kann versucht werden möglichst viele Komponenten eines Objekts zu betrachten, um sich einem
Zustand anzunähern, in dem man das Objekt in seiner Gänze betrachtet hat. Dies ist jedoch durch die
Natur der menschlichen Wahrnehmung prinzipiell nicht möglich. Vgl. Schiefele u. Krapp (Hg.) (1981),
S.411f
42
Das Adjektiv wertvoll bedeutet in diesem Zusammenhang wirksam für die Verwirklichung von Göp-
ferts Zielsetzung von Naturerfahrung. Vgl. Kapitel 1.3 der vorliegenden Arbeit.
17

Details

Seiten
Erscheinungsform
Erstausgabe
Jahr
2004
ISBN (PDF)
9783956848032
ISBN (Paperback)
9783956843037
Dateigröße
4.9 MB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Georg-August-Universität Göttingen
Erscheinungsdatum
2015 (Februar)
Note
1,3
Schlagworte
Umweltbildung Umwelterziehung Naturpädagogik Umwelterfahrung

Autor

Robert Gandert (M.A.) wurde 1981 in Kassel geboren. Das Studium der Pädagogik und Erziehungswissenschaft sowie der Biologie und Chemie an den Universitäten Göttingen und Hamburg schloss der Autor im Jahr 2010 mit dem akademischen Grad eines Magister Artium ab. Praktische Erfahrungen im Bereich der Umweltpädagogik und der Umweltbildung wurden bereits während des Studiums gesammelt. Sein Interesse an der Mensch-Natur-Beziehung im Kontext von Bildung und Gesellschaft und die vorliegende Zwischenprüfungsarbeit aus dem dritten Studiensemester wie dem Jahr 2004 mündeten zuletzt in der Mitarbeit an der Entwicklung, Organisation und Evaluation eines bundesweit neuartigen Studienfachs zur "Integrierten naturwissenschaftlichen Grundbildung" für Lehramtsstudierende im Bereich der sechsjährigen Berliner Grundschule an der Freien Universität Berlin in den Jahren 2010-2013.
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