Projektportfoliomanagement: Empirische Analyse, Clusterung und Ableitung stochastischer Kostenverläufe
Zusammenfassung
Die vorliegende Arbeit hat das Ziel, das Projektportfoliomanagement am Beispiel einer mittelgroßen deutschen Bank zu untersuchen. Zunächst werden die allgemeinen Grundlagen des Projektportfoliomanagements, die verfolgten Ziele und relevante Phasen dargestellt. Dieser Abschnitt beinhaltet zudem eine kurze Darstellung zur Methoden- und Modellanwendung der betrachteten Bank. Das nächste Kapitel befasst sich mit der Stichprobenauswahl und Gruppierung für die nachfolgenden Analysen. Im 4. Kapitel werden die Kostenverläufe der Stichprobe untersucht. Neben der Darstellung absoluter Kostenverläufe findet außerdem eine Relativierung der Zeitreihen statt. Dieser Teil schließt ab mit der Bildung repräsentativer Mittelwerte. Danach werden die ursprünglichen Planwerte hinsichtlich Laufzeit und Kosten mit den tatsächlichen Istwerten verglichen und der Zusammenhang beider Merkmale näher untersucht. Anschließend wird das Ergebnis der Analyse im 6. Kapitel dargestellt. Eine thesenförmige Handlungsempfehlung für die untersuchte Bank sowie eine beispielhafte Darstellung zur Anwendung des entwickelten Modells schließen diese Arbeit im letzten Kapitel ab.
Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
2.3.2. Steuerungsphase
Innerhalb der Steuerungsphase wird die Durchführung der in das Portfolio aufgenommenen Projekte überwacht. Dabei steht im Vordergrund, den jeweils aktuellen Zustand der einzelnen Projekte hinsichtlich des geplanten strategischen Beitrages zu ermitteln, um wenn nötig Gegenmaßnahmen einleiten zu können. Die nachfolgende Abbildung verdeutlicht das Projektportfolio-Monitoring.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 2 : Projektportfolio-Monitoring und Strategie [1]
Innerhalb der Projektabwicklung liegt der Fokus auf dem Vergleich zwischen Plan- und Istwerten auf detaillierter Einzelprojektebene. Der Vergleich enthält wesentliche Daten zu Risiken und deren Auswirkungen auf den Projekterfolg, Laufzeit in Bezug auf die Erreichung von Meilensteinen, Leistung im Sinne von Erfüllungsgraden von Arbeitspaketen, Qualität der erreichten Teilkomponenten, Ressourcenverbrauch sowie Kosten und Projektabhängigkeiten[2]. Die Daten werden durch das Projekt bzw. das Programm Management zu festgelegten Zeitpunkten ermittelt und dem Projektportfoliomanagement in Form von Statusberichten bereitgestellt. Die Einzeldaten werden anschließend aggregiert und dienen der Projektportfolio-überwachung.
Anhand eines, wie in Abbildung 3 dargestellten, aggregierten Projektstatusberichtes wird ermöglicht, die Stati aller Projekte des Unternehmens zu beobachten und über notwendige Steuerungsmaßnahmen zu entscheiden. Darüber hinaus ist eine fortlaufende Prüfung der Ausrichtung des Projektportfolios an der aktuellen Strategie durchzuführen, sowie den strategischen Entscheidungsträgern des Unternehmens über den Status des Projektportfolios zu berichten[3].
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 3 : Status Projektportfolio [4]
Zur Beurteilung des Zustandes des Projektportfolios, sind neben dem Vergleich der Einzelfaktoren zur Steuerung des Projektportfolios bestimmte Analysen notwendig. Diese können anhand einzelner Kriterien erfolgen oder kriterienübergreifenden Charakter haben. Zum einen können z.B. terminliche Verzögerungen eines Projektes Verzögerungen in einem anderen Projekt nach sich ziehen, zum anderen können z.B. Mitarbeiterengpässe zu einer Erhöhung des Budgets führen. Ziel ist die Optimierung jedes Parameters im Einzelnen, sowie die Optimierung innerhalb des gesamten Projektportfolios[5].
Innerhalb der Steuerungsphase wird daher fortlaufend der Projektfortschritt, die Einhaltung der Meilensteine und der Kosten sowie Projektabhängigkeiten und weitere Parameter geprüft, um frühzeitig Anpassungen vornehmen zu können.
2.3.3. Bewertungsphase
Die Bewertungsphase beinhaltet die Analyse und Bewertung der Projekte des Projektportfolios nach Projektabschluss. Hierzu gehören die Projektabwicklung unter besonderer Betrachtung der Inhalte und projektübergreifende Prozesse sowie die Projektportfolioabwicklung. Ziel ist neben der reinen Erfolgsmessung die kontinuierliche Verbesserung für die zukünftige Abwicklung.
In der Praxis zeigt sich jedoch beispielsweise, dass ca. 59% aller Unternehmen regelmäßig den ROI errechnen, bevor eine Projektentscheidung erfolgt und nur 25% nach Projektabschluss den tatsächlich erzielten ROI ermitteln[6]. Die abschließende Erfolgsmessung und die Analyse der Ursache von Abweichungen werden in Folge vernachlässigt.
Für die Bewertung von Projekten definierte die International Project Management Association (IPMA) zudem das Modell „Project Excellence“, welches einzelne Projekt und seine Beteiligten betrachtet. Es dient der Identifikation von Verbesserungspotentialen zur Ableitung von Maßnahmen innerhalb der Planungs- und Steuerungsphase[7].
2.4. Methoden- und Modellanwendung in der Bank
Die innerhalb dieser Ausarbeitung untersuchte mittelgroße deutsche Bank steuert das Projektportfolio vorherrschend über die Allokation des verfügbaren Budgets auf Jahresbasis. Die Einhaltung der jährlichen Budgetvorgaben steht im Vordergrund der Portfoliosteuerung. Neben der eindimensionalen Bewertungsmethode werden weitere Kriterien, wie die Wirtschaftlichkeit und die regulatorische Notwendigkeit bei der Priorisierung des Projektportfolios berücksichtigt. Prognose- und Simulationsmodelle wurden bereits als Steuerungsinstrumente angedacht. Da die Potentiale der Planungs-, Steuerungs- und Bewertungsphase aktuell nicht vollständig ausgeschöpft werden, konzentriert sich diese Ausarbeitung in den weiteren Kapiteln auf eine empirische Analyse der Parameter Laufzeit und Kosten als Komponente der Bewertungsphase. Neben der Schaffung von Transparenz wird damit angestrebt, Steuerungsimpulse für die Planungs- und Steuerungsphase ableiten zu können.
2.5. Kostenverteilung in Projekten
Jedes Projekt weist innerhalb seiner Durchführung einen bestimmten Kostenverlauf auf. Dieser ist abhängig von der Laufzeit des Projektes. Unter Betrachtung des zu Beginn des Projektes kalkulierten Erlöses und dem benötigten Investitionsvolumen ergibt sich daraus der ROI wie in nachfolgender Darstellung exemplarisch dargestellt.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 4 : Beispiel Kostenverlauf eines Projektes [8]
Innerhalb der Durchführung eines Projektes führt eine Vielzahl von Umständen häufig dazu, dass die geplanten Kosten und die geplante Laufzeit von den ursprünglich geplanten Werten abweichen. Es stellt sich die Frage, wie stark diese Abweichungen in Projekte der betrachteten Bank ausgeprägt sind und ob die Kostenverläufe Gemeinsamkeiten ausweisen. Diese Aspekte werden im Folgenden näher untersucht.
3. Stichprobenauswahl und Gruppierung
Als relevante Stichprobe wurden die Historien aller Projekte ermittelt, die innerhalb der Jahre 2008 bis 2012 sowohl begonnen als auch abgeschlossen wurden. Die Stichprobe umfasste 227 Projekte und diente dem Zweck, Rückschlüsse auf alle Projekte der untersuchten Bank zu ziehen[9].
Das Ziel war es, erwartete Kostenverläufe, Budgetabweichungen und Laufzeitveränderungen für Projekte zu schätzen. Dafür wurden die Projekte im ersten Schritt gruppiert.
Es können grundsätzlich zwei Methoden zur Gruppenbildung unterschieden werden, die statistische Gruppenbildung durch Clusteranalyse und die Nutzung vordefinierter Gruppen anhand von projektspezifischen Merkmalen. Die Clusteranalyse verfolgt das Ziel, Gruppen derart zu bilden, dass die Elemente einer Gruppe möglichst homogen sind, die Gruppen selber sich aber möglichst deutlich voneinander unterscheiden. Die Clusteranalyse ermittelt die optimale Gruppenanzahl und die Eigenschaften, welche die Gruppenzugehörigkeit bestimmen[10].
In dieser Ausarbeitung wurden Gruppen von Zeitreihen bestimmt. Bei der praktischen Umsetzung stellt sich das Problem, dass die Kostenverläufe historischer Projekte zwar gruppiert werden können, der Projektportfolio-manager jedoch zukünftig neue Projekte den identifizierten Projektgruppen zuordnen können sollte. Deshalb müssen die Projekte durch objektive Merkmale gruppiert werden und nicht erst durch ex post bekannte statistische Eigenschaften. Es ist zweckmäßig, unternehmensinterne Merkmale, wie den Projekttyp, den Stakeholder, o.ä. für die Gruppierung zu verwenden. Die Motivation dafür liegt in der Vermutung, dass diese Gruppen ähnliche Kostencharakterisika aufweisen. Darüber hinaus sind dies auch Merkmale, die beim Start eines Projektes bekannt sind.
Aufgrund der stetigen organisatorischen Veränderungen innerhalb der untersuchten Bank wurde sich innerhalb dieser Ausarbeitung auf das Gruppierungsmerkmal des Projekttyps konzentriert.
Die Daten ließen sich in Projekte, die aufgrund von regulatorischen oder gesetzlichen Anforderungen initiiert wurden, Projekte mit dem Hintergrund, IT-Systeme einzuführen oder zu verändern und strategische Projekte unterteilen. Darüber hinaus waren Projekte zur Unterstützung des Vertriebs und zur Effizienzssteigerung interner Prozesse und Innovationsthemen enthalten. Die Verteilung innerhalb der Stichprobe stellte sich wie folgt dar.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 5 : Gruppierung nach Projekttyp
Über 36 % der Projekte waren den regulatorischen Themen zuzuordnen, 23% standen in Verbindung mit IT-Systemen. Weitere 17% der Projekte bezogen sich jeweils auf die Strategie oder den Vertrieb der Bank. Lediglich 6% entfielen auf Innovation und Effizienz.
Unter Berücksichtigung der nachfolgenden Kostenverteilung, ist insbesondere die Auswertung der Gruppen „Regulatorisch“, „IT-Systeme“ und „Strategie“ näher zu betrachten.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 6 : Anteil Projektkosten je Projekttyp
Es entfallen ca. 88% aller Projektkosten auf die Gruppen „Regulatorisch“, IT-System“ und „Strategie“. Aufgrund der anteiligen Anzahl sowie des Anteils an den Gesamtprojektkosten sind diese Projekttypen im Folgenden besonders berücksichtigt.
4. Analyse des Kostenverlaufes
Für die nachfolgenden Analysen wurden die unter- und überjährigen Zeitreihen aller Projekte der Stichprobe aus den IT-Systemen der betrachteten Bank extrahiert. Es handelt dich hierbei um Daten des monatlichen Berichtswesens, die zum jeweiligen Monatsultimo erstellt werden.
4.1. Absoluter Kostenverlauf
Für die weitere Gruppierung und Analyse der Kostenverläufe wurden zunächst die absoluten Kostenverläufe der einzelnen Projekte betrachtet. Im Vordergrund stand hierbei zunächst die Darstellung der absolut angefallenen Projektkosten der einzelnen Berichtsmonate und Vergleich der Verläufe bezogen auf den gesamten Betrachtungszeitraum.
Die kumulierten Kostenverläufe aller Projekte über den gesamten Zeitraum von 5 Jahren sind in folgender Abbildung zusammengefasst.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 7 : kumulierte Kostenverläufe aller 227 Projekte
Aus der Darstellung wird ersichtlich, dass nur wenige Projekte Daten über den gesamten Zeitraum liefen. Weiterhin ist erkennbar, dass einige Projekte vergleichsweise hohe Projektkosten auswiesen.
Um die Kostenverläufe der Projekte vergleichbar zu machen, war daher eine Relativierung der Laufzeit und der Kosten notwendig.
4.2. Relativierung von Laufzeit und Kosten
Da die betrachteten Projekte weitestgehend zu unterschiedlichen Zeitpunkten der Jahre 2008 bis 2012 gestartet sind, wurden die Startzeitpunkte im ersten Schritt vereinheitlicht. Die absoluten Kostenverläufe wurden hierzu auf der Zeitachse nach links verschoben, so dass jedes Projekt im Monat 1 beginnt[11].
Im nächsten Schritt wurde die Laufzeit aller Projekte relativiert. Hierbei bilden die absoluten Monate, in denen Kosten verbucht wurden so genannte Stützstellen[12]. Demzufolge hat ein Projekt mit einer Laufzeit von 4 Monaten insgesamt 4 Stützstellen, da nur für diese Monate Informationen über die angefallenen Kosten vorliegen. Bei einer Relativierung der Laufzeit auf 100% befinden sich in diesem Beispiel die Stützstellen auf der relativen Zeitachse bei 25%, 50%, 75% und 100% der Laufzeit. In einem weiteren Schritt wurden die an den jeweiligen Stützstellen angefallenen absoluten Kosten relativiert[13]. Die nachfolgende Darstellung der Relativierung am Bespiel des Projektes Nr.210 der Stichprobe verdeutlicht das Vorgehen.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 8 : Relativierung am Beispiel des Projekt Nr. 210
Die Laufzeit des beispielhaft dargestellten Projektes betrug 5 Monate. Die Gesamtkosten beliefen sich auf 66.168,86 EUR. Nach Relativierung wurden nach jeweils 20% der Laufzeit Stützstellen gebildet. Anhand der tatsächlich angefallenen kumulierten Kosten zum jeweiligen Zeitpunkt lässt sich der anteilige Kostenverbrauch ermitteln. Nach 60% der Laufzeit hat dieses Projekt demnach bereits über 80% der Gesamtkosten verbraucht. Diese beschriebene Methode zur Relativierung von Laufzeit und Kosten wurde auf die gesamte Stichprobe angewandt.
Der direkte Vergleich der Kostenverläufe von Projekten mit unterschiedlicher Laufzeit birgt jedoch ein Problem. Projekte mit kürzerer Laufzeit weisen vergleichsweise sprungartige Verläufe aus. Aufgrund der unterschiedlichen Laufzeit weicht die Zahl der zur Abbildung des Kostenverlaufes verwendeten Stützstellen stark voneinander ab. Es besteht das Problem der fehlenden Beobachtungsausschnitte.
Die innerhalb dieser Analyse betrachteten Kosten wurden zum Zeitpunkt der Stützstelle in Summe verbucht. Die Praxis zeigt allerdings, dass diese Kosten oft schon vor der betrachteten Stützstelle anfallen. Unter Annahme des linearen Aufbaus lässt sich daher das Problem der fehlenden Beobachtungsausschnitte durch lineare Interpolation überwinden[14]. Der nachfolgende Vergleich der Kostenverläufe zweier Projekte des Projekttyp „IT-Systeme“ verdeutlicht dies.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 9 : Vergleich zweier Kostenverläufe mit und ohne Interpolation
Projekt 162 hat eine Laufzeit von 7 Monaten, Projekt 11 hingegen eine Laufzeit von 52 Monaten. Demzufolge liegen die relativen Stützstellen bei 14% im Vergleich zu ca. 2%. Der Kostenverlauf des letzteren Projektes lässt sich wesentlich detaillierter bestimmen. Durch Anwendung der linearen Interpolation wird die angestrebte Glättung deutlich[15]. Nach Relativierung der Kostenverläufe aller Projekte sowie Interpolation der Stützstellen lässt sich bereits eine Konzentration erkennen.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 10 : Relativierte Kostenverläufe aller Projekte
[...]
[1] Jenny, 2010, S. 257
[2] Vgl. Jenny, 2010, S. 258f
[3] Vgl. Jenny, 2010, S. 261f
[4] Jenny, 2010, S. 265
[5] Vgl. Jenny, 2010, S. 262ff
[6] Vgl. Jeffery / Leliveld, 2004, S. 42
[7] Vgl. Jenny, 2010, S. 835f
[8] Jenny, 2010, S. 787
[9] Vgl. Bücker, 2003, S. 170
[10] Vgl. Backhaus /Erichson / Plinke / Weiber , 2003, S. 480
[11] Vgl. Thome, 2005, S. 15
[12] Vgl. Ronning, 2011, S. 117
[13] Vgl. Schlittgen, 2012, S. 49
[14] Vgl. Thome, 2005, S. 21
[15] Vgl. Schlittgen, 2012, S. 206
Details
- Seiten
- Erscheinungsform
- Erstausgabe
- Erscheinungsjahr
- 2013
- ISBN (PDF)
- 9783956847677
- ISBN (Paperback)
- 9783956842672
- Dateigröße
- 1.8 MB
- Sprache
- Deutsch
- Institution / Hochschule
- Wissenschaftliche Hochschule Lahr
- Erscheinungsdatum
- 2015 (Februar)
- Note
- 2,3
- Schlagworte
- Projektportfoliomanagement Projektmanagement Multiprojektmanagement Kostenmanagement Empirische Analyse