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Wie erfolgreich waren die Hartz-Reformen? Die Auswirkungen der Hartz-Reformen auf Langzeitarbeitslosigkeit in Deutschland

©2013 Bachelorarbeit 46 Seiten

Zusammenfassung

Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich zunächst mit der Frage, ob die Hartz-Reformen einen positiven Einfluss auf den Abbau der Langzeitarbeitslosigkeit in Deutschland bewirkt haben. Der zweite Abschnitt befasst sich mit der Thematik der Langzeitarbeitslosigkeit und gibt einen Überblick darüber, wie Arbeitslosigkeit und insbesondere Langzeitarbeitslosigkeit definiert werden. Darüber hinaus werden die Ursachen erläutert. Die Arbeit beschäftigt sich zudem mit den Hartz-Reformen und zeigt deren Inhalte und Zielsetzungen. Es werden weiterhin die Maßnahmen der Hartz-Gesetze hinsichtlich der Reduzierung von Langzeitarbeitslosigkeit anhand von empirischen Entwicklungen dargestellt und analysiert. Es wird der Frage nachgegangen, ob die Hartz-Reformen für diese Entwicklung verantwortlich waren oder ob andere Einflüsse eine Rolle spielten. Diese möglichen anderen Einflussfaktoren werden näher betrachtet und abschließend wird die Eingangsfrage anhand empirischer Untersuchungen und verschiedener Theorien näher beleuchtet und beantwortet sowie ein Ausblick über zukünftige Entwicklungen gegeben.

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


2.2 Definition Langzeitarbeitslosigkeit

Von struktureller Arbeitslosigkeit oder auch Langzeitarbeitslosigkeit sind Arbeitslose betroffen, die mindestens ein Jahr durchgehend arbeitslos sind (Vgl. § 18 Absatz 1 SGB III). Sollte Arbeitslosigkeit beispielsweise durch eine Weiterbildungsmaßnahme oder arbeitsmarktpolitische Gelegenheit unterbrochen werden, dann sind diese Personen, gemäß der Bundesagentur für Arbeit, nicht mehr als Langzeitarbeitslose erfasst. Häufig wird Langzeitarbeitslosigkeit anders wahrgenommen als sie in dem Gesetz definiert ist. Daher ist der Anteil der Langzeitarbeitslosen nach dem ILO-Konzept abweichend von der Zahl der registrierten Arbeitslosen (Vgl. Zirra, 2011, S. 17). Dieses von der International Labour Organisation, kurz ILO, eingeführte Konzept wurde entwickelt, um die Arbeitslosenquoten international vergleichbar zu machen. Dabei werden die Arbeitslosenquoten durch stichprobenartige telefonische Bevölkerungsbefragungen und monatliche Angaben durch das statistische Bundesamt berechnet (Vgl. Bäcker, 2010, S. 484 f.).

Abbildung 2: Unterscheidung Definition der Arbeitslosenquote

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle 2: Oschmiansky, 2010b

In der zweiten Abbildung wird die Entwicklung der Arbeitslosenquote in Deutschland von 1992 bis 2010 durch unterschiedlichen Berechnungsmethoden dargestellt. Oft werden arbeitsmarktpolitische Maßnahmen oder kurze Beschäftigungen der Erwerbslosigkeit nicht zugeordnet. Dennoch ist der Trend, unabhängig der Berechnungsmethoden, gleich und es wird sichtbar, dass die Arbeitslosenquote seit circa 2005 gesunken ist. Diese und andere empirischen Ergebnisse werden in Kapitel 4 näher erläutert und analysiert (Vgl. Zirra, 2011, S. 17).

2.3 Ursachen für Langzeitarbeitslosigkeit

Neben der Definition von Arbeitslosigkeit ist die Ursachenermittlung von ebenso großer Bedeutung, insbesondere im Hinblick darauf, ob auch anderen mögliche Einflussfaktoren, welche nicht zu den Hartz-Reformen gehören, Auswirkungen auf die Veränderung der Langzeitarbeitslosigkeit hatten. Darauf wird auch in Kapitel 5 noch einmal näher eingegangen. Arbeitslosigkeit kann gemäß verschiedener Faktoren eingeteilt werden. Erstens gibt es die niveaubedingte Arbeitslosigkeit, welche durch saisonale Schwankungen und konjunkturelle Zyklen, bedingt durch Wachstum, Lohn, Technologie oder Effizienz hervorgerufen wird. Zweitens gibt es die Mismatch-bedingte Arbeitslosigkeit, die in friktionelle und strukturelle Arbeitslosigkeit unterteilt wird. Die dritte und letzte Unterteilung ist die in eine durch arbeitskräftepotentialbedingte Arbeitslosigkeit, welche von Faktoren wie Demografie und Immigration beeinflusst wird (Vgl. Alisch, 2004, S. 166 ff.). In dieser Arbeit wird hauptsächlich auf die Mismatch-bedingte Beschäftigungslosigkeit und speziell auf die strukturelle Arbeitslosigkeit genauer eingegangen.

Eine der Ursachen der strukturellen Arbeitslosigkeit ist die Diskrepanz zwischen dem Arbeitskräfteangebot und der Arbeitskräftenachfrage auf bestimmten Märkten bei nicht ausreichender Mobilität der Beschäftigten. Aber auch unterschiedliche Entwicklungen in den Branchen durch Strukturwandel und Standortkonkurrenten einerseits und qualifikatorisch durch technologischen Wandel oder Defizite im Bildungssystem andererseits können Auslöser für Langzeitarbeitslosigkeit sein. In diesem Fall existieren zwar freie Arbeitsplätze, aber die Qualifikationen der Arbeitslosen entsprechen nicht den Anforderungen der Firmen (Vgl. Neumann/Schaper, 2008, S. 129).

Früher lag der Schwerpunkt von der Arbeit zunächst im primären Wirtschaftssektor, zum Beispiel in der Rohstoffgewinnung, der allmählich in den sekundären Bereich, unter anderem in die Rohstoffverarbeitung, übergegangen ist und sich schlussendlich auf den tertiären Sektor, wie zum Beispiel Dienstleistungen, verlagert hat. Arbeitnehmer, welche in dem primären oder sekundären Sektor tätig waren, haben aufgrund ihrer mangelnden Qualifikation und angesichts des technischen Wandels große Schwierigkeiten, Arbeit aufzunehmen. Erst durch berufliche Weiterbildungsmaßnahmen kann einer strukturellen Arbeitslosigkeit entgegengewirkt werden (Vgl. Oschmiansky, 2010a).

Abbildung 3: Erwerbstätige nach Sektoren von 1982 bis 2007

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle 3: Oschmiansky, 2010a

In der dritten Abbildung werden die Veränderungen der Erwerbstätigen nach Sektoren von 1882 bis 2007 dargestellt. Der primäre Sektor hat von circa 40% im Jahr 1882 auf unter 10% bis 2007 abgenommen, das heißt er hat 30% an Wert verloren. Im tertiären Sektor lag der prozentuale Anteil im Jahre 1882 noch bei circa 20% und 2007 fast 80%, d.h. es gab eine Steigerung um 60 Prozentpunkte. Der sekundäre Sektor ist leicht abnehmend in dem Bereich bei 30% bis 20%. Dabei wird sichtbar, dass der primäre Sektor über den Zeitverlauf deutlich abgenommen, wohingegen der tertiäre Sektor deutlich an prozentualen Anteilen zugenommen hat.

Deutschland hat sich von einer Industriewirtschaft zu einer Informationswirtschaft verändert. Auf Grund der Tatsache, dass immer mehr Menschen in der Industrie durch Maschinen ersetzt wurden, um noch mehr und schneller produzieren zu können, waren gerade Personen in der Kommunikations- und Informationstechnologie stärker nachgefragt als in der Industrie. Dieses entstehende Mismatch kann zudem durch zu hohe Reallöhne bedingt sein, welche die Wirtschaftlichkeit eines Arbeitsplatzes übersteigen und damit Personen mit geringer Produktivität in die Arbeitslosigkeit verlagern. Strukturelle Arbeitslosigkeit kann jedoch auch durch regionale Unterschiede entstehen, zum Beispiel durch räumliche Immobilität der Arbeitssuchenden, die so einen regionalen Arbeitsmarktaustausch verhindern.

Mögliche Ansätze zur Reduktion der strukturellen Arbeitslosigkeit sind Bildungsmaßnahmen. Dazu gehört einerseits die benötigten Qualifikationen an die angebotenen Arbeitsplätze ausreichend zu vermitteln. Andererseits zählen auch Mobilitätshilfen dazu, um die regionalen Unterschiede auszugleichen. Eingliederungszuschüsse sollen ein Anreizsystem für Arbeitgeber sein, um mehr Arbeitslose einzustellen, welche nicht die ganze Leistung erbringen können (Vgl. Oschmiansky, 2004, S. 20 ff.). Diese und auch andere Ansätze wurden durch die Hartz-Reformen eingeführt sowie gefördert und sollen in dem folgenden Abschnitt näher erklärt werden.

3 Die Hartz-Reformen

Die Hartz-Gesetze verdanken ihren Namen Peter Hartz, der 2002 von der Bundesregierung die Leitung der eingesetzten Expertenkommission erhielt. Ziel dieser Expertenkommission war es, Vorschläge zu der Reduzierung von Arbeitslosigkeit und der Umstrukturierung der Bundesanstalt für Arbeit einzureichen. Daraus entstanden die sogenannten Hartz-Reformen oder auch Hartz-Gesetze. Die Bundesanstalt für Arbeit sollte auf diese Weise ein moderner Dienstleister am Arbeitsmarkt werden. Diese Reformen werden in vier verschiedene Gesetze unterteilt, die in dem nachfolgenden Abschnitt kurz erläutert werden (Vgl. Alisch, 2004, S. 168 ff.). Damit man die Auswirkungen der Hartz-Reformen auf die Langzeitarbeitslosigkeit besser versteht, ist es sinnvoll zu wissen, was die Hartz-Gesetze überhaupt beinhalten.

3.1 Inhalt der Hartz-Gesetze

Das erste Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt ist am 01.01.2003 in Kraft getreten und beinhaltet die Neuregelung von Maßnahmen für Beschäftigungsmöglichkeiten und Schaffung neuer Arbeitsplätze durch Einführung von Personal-Service-Agenturen, Deregulierung der Arbeitnehmerüberlassung sowie Förderung von älteren Arbeitslosen (Vgl. Alisch, 2004, S. 1364). Die Personal-Service-Agenturen sollen vor allem kleine und mittlere Unternehmen unterstützen, um deren Beschäftigungskapazitäten an die umgeänderten Voraussetzungen anzupassen (Vgl. Jann/Schmid, 2004, S. 13). Zusätzlich wurden Bildungsgutscheine eingeführt (Vgl. Fitzenberger, 2008, S. 8). Insgesamt bestand das Ziel der ersten Hartz-Reform in der Deregulierung des Arbeitsmarktes (Vgl. Alisch, 2004, S. 1364).

Das zweite Hartz-Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt, welches ebenfalls am 01.01.2013 veröffentlicht worden ist, regelt die Existenzgründungszuschüsse, sogenannte Ich-AGs, Mini-Jobs sowie die Voraussetzungen für die Errichtung von Jobcentern. Ziel dabei war es, den Niedriglohnbereich auszubauen und bessere Vermittlungsleistungen anzubieten (Vgl. Oschmiansky, 2004, S. 51 ff.).

Das dritte Hartz-Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt, das am 01.01.2004 in Kraft trat, regelt den Umbau der Bundesanstalt für Arbeit. Die Bundesagentur für Arbeit sollte von nun an ein kundenorientierter und leistungsfähiger Dienstleister sein. Die Leistungs- und Förderungsrechte in Form einer Arbeitslosenversicherung und auch die arbeitspolitischen Maßnahmen, wie zum Beispiel Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen oder auch Eingliederungszuschüsse, sollten vereinfacht werden. Ziel war es hier, die Bundesagentur für Arbeit neu zu organisieren. (Vgl. Alisch, 2004, 1364 f.).

Das vierte und letzte Hartz-Gesetz existiert seit dem 01.01.2005. Es regelt die Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe zu dem sogenannten Arbeitslosengeld II. Des Weiteren wurden die Bezüge des Arbeitslosengelds reduziert und Arbeitsgelegenheiten eingeführt. Das Ziel dieses letzten Gesetzes lag darin, den Matching-Prozess zu verbessern und das Transfersystem neu zu organisieren (Vgl. Alisch, 2004, S. 169 ff.).

3.2 Zielsetzung der Hartz-Gesetze

Das Ziel der Hartz-Reformen war es, Arbeitslosigkeit zu vermeiden oder zu verkürzen und gleichzeitig die Vermittlungsgeschwindigkeit zu erhöhen (Vgl. Flitzenberger, 2008, S. 7). Der Schwerpunkt dabei lag auf der strukturellen Arbeitslosigkeit. Denn gerade durch den schnellen wirtschaftlichen und technologischen Wandel veralten Fähigkeiten und Wissen der Beschäftigten. Aus diesem Grund werden lebenslanges Lernen und Flexibilität im Beruf gefordert. Zukünftig soll dies auch von Arbeitslosen erwartet werden. Damit dies gelingt, bietet die Bundesagentur Weiterbildungsmaßnahmen und individuelle Beratung an (Vgl. Neumann/Schaper, 2008, S. 128). Vor allem Langzeitarbeitslosigkeit bedeutet häufig gesellschaftliche und soziale Folgeprobleme und damit einhergehend eine Vergrößerung des Armutsrisikos. Eine soziale Ausgrenzung für die Betroffenen gefährdet die politische, kulturelle und gesellschaftliche Teilhabe. Dies kann dazu führen, dass eine ganze Bevölkerungsgruppe desintegriert wird. Daher ist es in Deutschland oberste Priorität, die strukturelle Arbeitslosigkeit zu bekämpfen (Vgl. Bäcker et al., 2010, S. 84).

In dem nächsten Abschnitt werden die Maßnahmen der Hartz-Gesetze auf die Reduzierung von Langzeitarbeitslosigkeit anhand von empirischen Entwicklungen in Deutschland dargestellt und analysiert. Haben die Hartz-Reformen einen positiven Einfluss auf den Abbau der Langzeitarbeitslosigkeit gehabt?

4 Maßnahmen der Hartz-Reformen in Hinblick auf die Reduzierung von Langzeitarbeitslosigkeit

Seit 2006 sank die Arbeitslosenzahl in Deutschland auf unter drei Millionen. Anteilig gesehen hat sich die Zahl der Langzeitarbeitslosen fast halbiert. Die Zahl der Langzeitarbeitslosen lag im Jahr 2006 bei 1,7 Millionen Arbeitslosen und sank bis zum Jahr 2011 auf 886.000 ab. Daraus kann man schließen, dass die Langzeitarbeitslosigkeit seit Einführung der Hartz-Reformen abgenommen hat. Fraglich ist nur, ob die Hartz-Gesetze der Auslöser dafür waren. Dennoch lässt sich feststellen, dass die Hartz-Reformen für eine größere Flexibilisierung am Arbeitsmarkt sorgten, wodurch auch eine höhere Dynamik beim Austausch von Arbeitsnachfrage und –angebot erzielt wurde. (Vgl. Zirra, 2011, S. 9).

Die Arbeitsnachfrage stand gemäß der keynesianischen Theorie im Vordergrund und Arbeitslosigkeit konnte nicht durch angebotsseitige Maßnahmen geholfen werden. Jedes Angebot schafft sich seine Nachfrage, so das Saysche Theorem. Vor allem durch Informationen und Beratung sowie eine aktive Qualifizierungspolitik sollten zukünftige Fachkräfte aufgebaut werden. Gemäß der Modellierung wurde unterstellt, dass Langzeitarbeitslosigkeit als Folge unzureichender Aktivierung der Arbeitslosen existiert und nicht aufgrund von unzureichender Arbeitskraftnachfrage. Damit einhergehend seien Fehlanreize durch die Sozialleistungen geschaffen worden, die zu starren Lohnstrukturen auf dem Arbeitsmarkt führten. Nur durch die Ausweitung des Niedriglohnsektors gab es eine Chance, die Langzeitarbeitslosigkeit komplett zu beseitigen, und rechtfertigte auf diese Weise die Niedriglöhne (Vgl. Bäcker et al., 2011, S. 7 ff.). In der keynesianischen Theorie ist ein investitionsfreudiger, eingreifender Staat von entscheidender Bedeutung. Erst durch die Nachfrage auf dem Arbeitsmarkt reduziere sich die Arbeitslosigkeit, denn die Beschäftigungshöhe werde durch das Produktionsaufkommen der Betriebe bestimmt. In dem Gegenzug dazu gibt es weiterhin in der neoklassischen Theorie Anhänger, die ein Eingreifen des Staates ablehnen, da sich der Markt selber reguliere. Beide Ansätze stehen in Konkurrenz zueinander, es gibt jedoch keine eindeutige Lösung für die Beschäftigungsdefizite (Vgl. Petruschkat, 2007, S. 35 ff.). Die Auswirkungen durch ein keynesianisches Eingreifen des Staates durch die Hartz-Reformen werden nun in dem Folgenden erläutert.

Abbildung 4: Veränderung der Arbeitslosen und Arbeitslosenquote von 1980 bis 2012

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle 4: Bundeszentrale für politische Bildung, 2013a

In der Abbildung 4 werden die Arbeitslosenzahlen in dem Zeitraum von 1980 bis 2012 in absoluten Zahlen und die Arbeitslosenquote in prozentualen Anteilen dargestellt. In dem Jahre 1980 lag die Arbeitslosenzahl bei circa 0,9 Millionen und stieg kontinuierlich bis 2005 auf rund 4,9 Millionen Arbeitslose an. Insbesondere in dem Jahre 2005 gab es noch einmal einen sehr hohen Anstieg der Arbeitslosenzahlen von 10,9% gegenüber von 2004. Dieser Anstieg lässt sich durch die Zusammenlegung der Arbeitslosen- und Sozialhilfe erklären, die eine Verschiebung der Stillen Reserve in die Arbeitslosigkeit mit sich brachte. Nach 2005, also nach der Etablierung der Hartz-Reformen, reduzierte sich die Anzahl der Arbeitslosen stetig. Auffallend ist, dass es selbst in den Jahren der Finanz- und Wirtschaftskrise 2008/2009 keine harten Rückschläge gab, was zu der Vermutung führt, dass die Hartz-Reformen tatsächlich einen positiven Effekt auf die Arbeitslosenzahlen haben.

Häufig wird dieser positive Aspekt aber gar nicht von der deutschen Bevölkerung wahrgenommen, daher gibt es im Vergleich zur Arbeitslosigkeit die Unterbeschäftigung. Teilnehmer von arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen gelten laut Gesetz nicht als arbeitslos, werden aber von vielen Menschen als arbeitslos angesehen. Die Bundesagentur für Arbeit veröffentlichte daher Daten bezüglich der Unterbeschäftigung, die nicht nur die registrierten Arbeitslosen berücksichtigte, sondern auch Menschen, die in Maßnahmen der Arbeitspolitik involviert waren, was in der Abbildung 5 dargestellt wird (Vgl. Oschmiansky, 2010b).

Abbildung 5: Unterbeschäftigung

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle 5: Bundeszentrale für politische Bildung, 2013b

In der Abbildung 5 wird die Unterbeschäftigung von 2004 bis 2011 anhand von Zahlen der Bundesagentur für Arbeit aufgezeigt. Erstens wird dabei auch aufgeschlüsselt, wie die Anteile von registrierten Arbeitslosen einerseits und Personen mit Unterbeschäftigung andererseits verteilt sind. Der Anteil der Personen mit Unterbeschäftigung umfasst weiterhin diejenigen Personen, die aktiviert wurden und eine berufliche Eingliederung durchlaufen, die sich qualifizieren, die eine Förderung bezüglich einer Beschäftigung oder der Selbstständigkeit erhalten, die eine Vorruhestandsregelung haben, die arbeitsunfähig sind oder die sich in Kurzarbeit befinden. Dabei wird deutlich, dass die Zahl der registrierten Arbeitslosen von 2004 bis 2011 abgenommen hat, ebenso wie die gesamte Unterbeschäftigung, was bedeutet, dass beide Anteile den gleichen fallenden Trend aufweisen. Es gab lediglich zwei Anstiege: Gemäß der Statistik fand der eine Anstieg 2004 bis 2005 statt und hängt mit der Zusammenfügung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe zusammen, wodurch statistisch gesehen mehr Arbeitslose insgesamt erfasst wurden. In dem Jahr 2008 bis 2009 gab es einen zweiten leichten Anstieg. Dieser ist zurückzuführen auf den durch die Finanzkrise hervorgerufene Stellenabbau. Damit ging eine geringere Nachfrage nach Arbeitskräften und somit eine Erhöhung der Arbeitslosen oder auch Unterbeschäftigten einher (Vgl. Oschmiansky, 2010b).

In Deutschland gab es seit 1960 bis circa 2005 einen treppenartigen Anstieg der Arbeitslosigkeit über alle Konjunkturzyklen (Vgl. Werner, 2007, S. 4). Durch Schocks und Krisen verursachte Erhöhungen der Arbeitslosigkeit konnten in guten konjunkturellen Zeiten nicht vollständig reduziert werden. In der Theorie wird dieses Phänomen als persistente Arbeitslosigkeit oder auch Hysterese bezeichnet (Vgl. Neumann/Schaper, 2008, S. 135 f.). Diese Theorie besagt, dass während konjunkturell schlechten Zeiten ein Nachfragerückgang entsteht, wodurch die Insider zu Outsidern werden. Diese verlieren so ihr vormals aufgebautes Humankapital. Arbeitgeber selektieren anhand des Kriteriums, wie lange jemand arbeitslos ist. Unternehmen beschäftigen zunächst die Arbeitslosen, welche die kürzeste Zeit in der Erwerbslosigkeit aufweisen. Dadurch bedingt Beschäftigungslosigkeit sich selbst (Vgl. Althammer, 2002, S. 61). Eine weitere Theorie, bezeichnet als die Insider-Outsider-Theorie, besagt dass die durch Kosten entstehende Marktmacht der Insider durch die Hysterese, die Insider diese Macht ausnutzen, um das Lohnniveau höher als den Gleichgewichtslohn zu treiben. Damit sind Neueinstellungen schwieriger und Outsider bleiben tariflich einflusslos. Allerdings zeigen empirische Untersuchungen lediglich leichte Tendenzen dafür, dass Tarifabschlüsse ausschließlich in dem Interesse der Insider erfolgen. Festgestellt wurde bisher, dass die Langzeitarbeitslosen am wahrscheinlichsten den Outsidern zuzurechnen sind. Gerade in Bundesländern mit relativ hoher Arbeitslosenquote war das Lohnniveau besonders niedrig. Daher wird die Flexibilität zukünftig ein entscheidender Faktor werden. Starre Löhne würden, gemäß der Theorie, eine starke Bremswirkung entfalten (Vgl. Werner, 2007, S. 16 ff.). Die Entwicklung der Arbeitslosenquote verdeutlicht die nächste Abbildung.

Abbildung 6: Arbeitslosenquote von 1950 bis 2010

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle 6: Zirra, 2011, S. 8

In der Abbildung 6 wird die Sockelarbeitslosigkeit von 1950 bis 2010 in Deutschland dargestellt. Es wird ersichtlich, dass die Arbeitslosigkeit seit 1960 grundsätzlich kontinuierlich gestiegen ist und es erst seit Einführung der Hartz-Reformen in dem Jahr 2005 abflachte. Die Grafik verdeutlicht, dass durch konjunkturelle Zyklen Schwankungen entstehen, welche durch eine zukünftige Rezession auch weiterhin zu erwarten sind. Fraglich ist einerseits in wie weit die Reduzierung der Langzeitarbeitslosigkeit tatsächlich auf die Hartz-Reformen zurückzuführen ist oder ob sich die Arbeitslosigkeit aufgrund eines langen konjunkturellen Aufschwungs verbessert hat. Dieser Frage soll in Kapitel 5 nachgegangen werden.

Ein wichtiger Aspekt der Insider-Outsider-Theorie bezogen auf die Hartz-Reformen sind die hohen Unterstützungsleistungen für Arbeitslose und die niedrige Differenz der Tariflöhne zu den Lohnersatzleistungen. Durch das vierte Hartz-Gesetz, der Reduzierung des Arbeitslosengeldes, wird der Arbeitsanreiz verstärkt. Somit könnte der Niedriglohnsektor weiter ausgebaut werden, was in Kapitel 4.2 genauer erklärt wird. Durch gewerkschaftliche Interventionen und Mindestlöhnen könnte diese Entwicklung jedoch geschwächt werden (Vgl. Neumann/Schaper, 2008, S. 129).

Ursachen der strukturellen Arbeitslosigkeit sind Diskrepanzen zwischen dem Arbeitskräfteangebot und der Arbeitskräftenachfrage auf bestimmten Märkten (Vgl. Neumann/Schaper, 2008, S. 129). Fraglich ist, wie die Arbeitslosenquoten im Vergleich zu den offenen Stellen derzeit in Deutschland stehen und inwieweit die Hartz-Reformen Auswirkungen darauf hatten. Ein Kennzeichen dafür ist die Verlagerung der Beveridge-Kurve, wie sie in der Abbildung 7 dargestellt ist (Vgl. Werner, 2007, S. 7). Sie gibt an, ob die strukturelle Arbeitslosigkeit fällt oder steigt, indem sie die Zahl der offenen Stellen in Bezug zu der Arbeitslosigkeit setzt (Vgl. Niemeier, 2010, S, 322).

Abbildung 7: Beveridge-Kurve

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle 7: Buttler/Cramer, 1991, S. 486

Im Detail wird in der Abbildung 7 von der Beveridge-Kurve eine Gegenüberstellung von der Quote der offenen Stellen, der sogenannten Vakanzquote (mit V bezeichnet), und der Arbeitslosenquote (mit U dargestellt) durchgeführt. Sie zeigt den Zusammenhang zwischen diesen beiden Variablen anhand der 45°-Linie und verläuft streng konvex zu dem Ursprung. Konvex ist diese deshalb, weil eine zusätzliche Nachfrage nach Arbeitskräften dazu führt, dass immer weniger Arbeitslose diese Stellen bedienen können und somit der Suchprozess länger andauert. In jedem Schnittpunkt mit der 45°-Linie gibt es gleich viele offene Stellen wie Arbeitslose; zu diesem Zeitpunkt wäre der Arbeitsmarkt ausgeglichen. An dem Punkt M kann dennoch, unter bestimmten Voraussetzungen, Arbeitslosigkeit auftreten. Unter diese Voraussetzungen fallen die Transparenz an dem Markt, welches Ausmaß der Allokationsprozess hat, wie schnell die Verwaltung und Organisation bei der Neubesetzung agiert, wie stark die Mobilitätsbereitschaft ausgeprägt ist sowie ob es qualitative Unterschiede gibt. Gemäß Buttler und Cramer führt ein fehlender Ausgleich von Arbeitslosen und offenen Stellen zu Mismatch und Arbeitslosigkeit (Vgl. Buttler/Cramer, 1991, S. 486 f.). Wenn sich die Kurve eines Konjunkturzyklus zum Ursprung hin, d.h. nach links verschiebt, dann besteht eine Tendenz zur Reduzierung der strukturellen Arbeitslosigkeit (Vgl. Niemeier, 2010, S. 322 f.).

Abbildung 8: Beveridge-Kurve von Deutschland

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle 8: Otto, 2012, S. 499

Aus der achten Abbildung geht hervor, dass die Beveridge-Kurve in Deutschland bis 2004 konstant unterhalb der 45° Linie lag, was bedeutet, dass es mehr Arbeitslose als offene Stellen gab. Daraus lässt sich schließen, dass die Beschäftigungslosigkeit neben der strukturellen Arbeitslosigkeit auch andere Ursachen hatte. Die strukturelle Arbeitslosigkeit stieg in Deutschland kontinuierlich an. Seit den Hartz-Reformen in dem Jahre 2005 gibt es in der Bundesrepublik eine sinkende Arbeitslosenquote und steigende Vakanzquoten, was auf eine Reduzierung des Mismatches hinweist (Vgl. Werner, 2007, S.7). Das Konzept der Hartz-Reformen geht davon aus, dass es genügend freie Stellen gibt. Als die Hartz-Gesetze verabschiedet wurden, lag die Arbeitslosenquote bei 6,06 Millionen, die Zahl der offenen Stellen dagegen aber nur bei 286.000 (Vgl. Niemeier, 2010, S. 320 ff.). In den folgenden Jahren hat sich die Differenz vermindert und strukturelle Arbeitslosigkeit konnte ab dem Jahreswechsel 2007/2008 erstmalig abgebaut werden. Die Linksverschiebung der Beveridge-Kurve macht dies sichtbar (Vgl. Möller et al., 2009, S. 2). Dennoch ist nicht eindeutig erkennbar, ob die Hartz-Reformen der Auslöser waren oder die gestiegene Nachfragedynamik und das vorsichtige Kündigungsverhalten der Unternehmen, die in der Finanzkrise mit dem Instrument der Kurzarbeit arbeiteten (Vgl. Niemeier, 2010, S. 320 ff.).

Abbildung 9: Entwicklung der Langzeitarbeitslosigkeit von 2000-2011

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle 9: Zirra, 2011, S.10

In Abbildung 9 wird die Entwicklung der Langzeitarbeitslosigkeit in dem Vergleich zu dem gesamten Arbeitslosenbestand von 2000 bis 2011 dargestellt. Hieraus geht hervor, dass seit dem Jahre 2006 eine Reduktion der Langzeitarbeitslosen um 50% stattfand. Dies bedeutet eine Halbierung von 1,7 Millionen Langzeitarbeitslosen in 2000 auf 886.000 in dem Jahre 2011. In dem selben Zeitraum sank die Zahl der gesamten Arbeitslosen von 4,52 Millionen auf 2,97. Selbst in der Zeit der Wirtschaftskrise von 2009 bis 2010 sank die Zahl der Langzeitarbeitslosen stetig weiter. Die Arbeitslosenzahlen stiegen insgesamt zwar minimal an, nach der Wirtschaftskrise sanken sie jedoch wieder. Aufgrund von politischen Interventionen, die im fünften Kapitel näher erläutert werden, konnte eine dauerhafte Reduzierung der Langzeitarbeitslosigkeit Bestand haben. Zu berücksichtigen ist, dass es sich um ununterbrochene Arbeitslosigkeit handelt. Unterbrechungen, wie zum Beispiel durch Krankheit, Umschulungs- oder Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen bewirken in der Statistik eine neu beginnende Arbeitslosigkeit (Vgl. Bäcker et al., 2010, S. 494). Zwar wurde nun deutlich, dass sich die Langzeitarbeitslosigkeit in Deutschland insgesamt reduziert hat, jedoch stellt sich die Frage, wie sich dieser Sachverhalt im internationalen Vergleich präsentiert.

Abbildung 10: Langzeitarbeitslosigkeit im internationalen Vergleich

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle 10: Institut für Bildungs- und Sozialpolitik, 2013

Dieser internationale Vergleich wird in der Abbildung 10 dargestellt. Aus ihr geht hervor, dass sich Deutschland im internationalen Vergleich durch eine relativ hohe Langzeitarbeitslosenquote auszeichnet. Der internationale Durchschnitt der Langzeitarbeitslosenquoten beträgt 34,4%, während Deutschland mit 45,5% weit darüber liegt. Fast die Hälfte der Arbeitslosen ist langzeitarbeitslos und somit länger als 12 Monate ohne Beschäftigung. Innerhalb der Gemeinschaft der Arbeitslosen liegt demnach viel ungenutztes Potential. Fraglich ist, ob und inwieweit die Hartz-Reformen ihren Teil zur Verbesserung dieser Situation beigetragen haben.

Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass es unterschiedliche Berechnungsmöglichkeiten zur statistischen Erfassung Arbeitsloser gibt. Ein gemeinsamer Trend ist erkennbar, der sich in der Reduzierung von Arbeitslosen, insbesondere auch Langzeitarbeitslosen, seit der Einführung der Hartz-Reformen äußert. In den nachfolgenden Abschnitten werden die unterschiedlichen Maßnahmen der Bundesagentur für Arbeit durch die Hartz-Reformen erklärt und analysiert, sowie geprüft, ob diese einen Effekt auf die Reduzierung von Langzeitarbeitslosigkeit hatten.

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Details

Seiten
Erscheinungsform
Erstausgabe
Erscheinungsjahr
2013
ISBN (PDF)
9783956847417
ISBN (Paperback)
9783956842412
Dateigröße
1.2 MB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Universität Hamburg
Erscheinungsdatum
2015 (Februar)
Note
1,7
Schlagworte
Hartz IV Beveridge-Kurve Arbeitslosigkeit Beschäftigung Unterbeschäftigung
Produktsicherheit
BACHELOR + MASTER Publishing

Autor

Katrin Czaja wurde 1984 in Hagenow geboren und ist in Boizenburg aufgewachsen. Nach erfolgreich abgeschlossenem Abitur begann sie eine Ausbildung als Bankkauffrau in Hamburg. Nach sechs Jahren Berufserfahrungen studierte die Autorin Sozialökonomie mit Schwerpunkt VWL an der Universität Hamburg. Während des Bachelorstudiums entdeckte sie ihr sozialpolitisches Interesse, was sie dazu motivierte, sich im Rahmen der Bachelorthesis mit dem Thema der Hartz-Reformen und der Langzeitarbeitslosigkeit auseinanderzusetzen.
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